Das Parlament
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Nr. 40 / 04.10.2005
dpa / BR

Von Schachteln für Süßigkeiten bis Heilkostenbeteiligung für Gefangene

Beschlüsse des Bundesrates vom 23. September

Verpackungsverordnung geändert

Schachteln für Süßigkeiten gelten als Verpackung, manche Blumentöpfe aber nicht: Der Bundesrat hat am eine neue Verpackungsverordnung beschlossen, um damit europäisches Recht umzusetzen. Die Regelung enthält Kriterien für den Begriff der Verpackung. So gelten Blumentöpfe, die dafür bestimmt sind, dass die Pflanze während ihrer Lebenszeit dort bleibt, nicht als Verpackung - ebenso wie Teebeutel und Wursthäute. Anders sieht es bei Klarsichtfolien um CD-Hüllen und Schachteln für Süßes aus. Wimperntuschebürsten als Bestandteil des Packungsverschlusses oder Heftklammern gelten als Teil der Verpackung. Nach der Neuregelung sollen mindestens 60 Prozent des Gewichts der Verpackungsabfälle bis Ende 2008 verwertet oder in Verbrennungsanlagen mit einer Rückgewinnung von Energie verbrannt werden. Die Länderkammer stimmte bei einigen kleineren Änderungen für die Verordnung.

Mehr Wettbewerb bei Flugsicherung

Der Bundesrat hat grünes Licht für mehr Wettbewerb bei der Flugsicherung gegeben. Damit werden Vorgaben der Europäischen Union (EU) umgesetzt, die eine Liberalisierung vorantreiben sollen. Künftig können sich private Kapitalgeber an der Deutschen Flugsicherung (DFS) beteiligen. Das soll die Flexibilität erhöhen und die Konkurrenzfähigkeit innerhalb Europas stärken. Die Länderkammer stimmte dem Gesetz zu. Die DFS mit Hauptsitz in Langen bei Frankfurt/Main kontrolliert den Flugverkehr in Deutschland.

Die DFS ist eine GmbH, gehört aber derzeit zu 100 Prozent dem Bund. Sie wurde 1993 gegründet und löste die Bundesanstalt für Flugsicherung ab. Die Flugsicherung wird in dem Gesetz als unverzichtbar für die Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr angesehen. Die Aufsicht und die eigentliche Flugsicherung sollen künftig getrennt werden. Die Aufsicht übernimmt demnach ein neues Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, das der Aufsicht des Bundesverkehrsministeriums untersteht. Der Bundeseinfluss wird gesichert, indem der Bund einen Geschäftsanteil an der DFS von 25,1 Prozent behält.

EU-Grundrechteagentur abgelehnt

Der Bundesrat lehnt die von der EU-Kommission angestrebte Grundrechteagentur ab. Die Bundesländer folgten damit einem entsprechenden Antrag der Länder Hessen und Bayern. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) begründete die Ablehnung unter anderem mit zu hohen Kosten und zusätzlichem Bürokratieaufwand. Zudem gebe es in keinem anderen Feld europäischer Politik ein derart ausgefeiltes System rechtlich verbindlicher Regeln wie beim Grundrechteschutz.

Die Länder forderten die Bundesregierung in dem Antrag auf, die Vorschläge der Kommission zur Errichtung einer EU-Grundrechteagentur in der vorliegenden Form abzulehnen. Die Agentur soll nach EU-Plänen von 2007 an vor allem Informationen zur Einhaltung der Grundrechte-Charta sammeln. Ähnliches leistet bereits heute die EU-Beobachtungsstelle zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien, die in der geplanten Behörde aufgehen soll.

Verkehrsplanung bis 2006 verlängern

Der Bundesrat will die beschleunigte Planung von Verkehrsprojekten in Ostdeutschland um ein Jahr bis Ende 2006 verlängern. "Ohne eine geeignete Anschlussregelung werden Infrastrukturvorhaben deutlich langwieriger und damit kostspieliger", sagte Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) am 23. September im Bundesrat. Die Länderkammer stimmte mit Mehrheit für den Gesetzentwurf, den Sachsen vorgeschlagen hatte. Er soll nun in den Bundestag eingebracht werden.

Das Gesetz ermöglicht seit 1991 die schnellere Planung von Verkehrsvorhaben in den ostdeutschen Bundesländern. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hatte die Bundesregierung im April 2005 darum gebeten, das vereinfachte Planungsrecht auf ganz Deutschland und auf Dauer auszudehnen. Der Bund reagierte mit einer Gesetzesinitiative. Diese sieht deutschlandweit geltende Regelungen vor, die Planungsverfahren zum Beispiel von Straßenprojekten vereinfachen und beschleunigen sollen.

"Solidarfonds Abfallrückführung"

Der Bundesrat hat eine Neuregelung für die Kosten der Rückführung illegaler Sondermüll-Exporte beschlossen. Die Länderkammer billigte die Neuregelung am 23. September mit Mehrheit. Der "Solidarfonds Abfallrückführung" aus dem Ausland wird damit aufgelöst, während der Bund Altschulden von 4,9 Millionen Euro übernimmt. Wenn der Verursacher nicht auffindbar ist, seien die Länder für die Kosten des Rücktransports und der Beseitigung zuständig, sagte Baden-Württembergs Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU) im Bundesrat. Dem Gesetz war ein langwieriger Streit vorausgegangen. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hatte sich Anfang September geeinigt. Der Bundestag bestätigte danach diesen Vorschlag.

Der Solidarfonds wurde Ende 1990 geschaffen. Anfang der 90er-Jahre waren massive illegale Mülltransporte ins Ausland bekannt geworden. Für den Rücktransport zahlten die Abfallexporteure Solidarmittel in einen Fonds ein, der jedoch vom Europäischen Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Die Einzahler bekamen nach Angaben von Umweltexperten Überschüsse dieses Fonds wieder ausgezahlt, als in weiteren Jahren weniger Probleme illegaler Müllbeseitigungen im Ausland auftraten. Damit blieben aber Kosten, die jetzt der Bund trägt.

Stalking-Entwurf verworfen

Der Bundesrat hat den von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zum so genannten Stalking als unzureichend verworfen und noch schärfere Strafen gefordert. Mit dem Gesetz sollen Opfer von permanenten Belästigungen besser geschützt werden. Die Länder beharren auf ihrem Gesetzesantrag, der bei Wiederholungsgefahr eine Deeskalationshaft vorsieht. Zypries warb für ein gemeinsames Vorgehen.

Alkoholverbot für Fahranfänger

Der Bundesrat will weiter über einen neuen Vorstoß für ein Alkoholverbot für Fahranfänger beraten. Junge Fahrer stellten rund ein Drittel aller getöteten oder verletzten Autofahrer bei Unfällen unter Alkoholeinfluss, teilten die Länder Schleswig-Holstein und Brandenburg mit. Die 18- bis 24-Jährigen hätten aber nur einen Anteil an der Bevölkerung von acht Prozent. Die Länderkammer überwies den Vorschlag in die Ausschüsse für Verkehr, Jugend und Inneres. Das Bundesverkehrsministerium begrüßt diese Initiative.

Länder bei EU-Aktionsplan einbinden

Der Bundesrat hat unter Bezugnahme auf eine Entschließung des Europäischen Rats zur EU-Forststrategie die Bundesregierung gebeten, die Ausarbeitung des einjährigen "EU-Aktionsplans Forst" intensiv zu begleiten. Vor dem Hintergrund der forstpolitischen Zuständigkeit der Länder wird die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips, die Definition der "Multifunktionalität und Nachhaltigkeit" als Maßstab für Prozesse mit forstlicher Relevanz auf europäischer und internationaler Ebene sowie die Ausstattung der zuständigen EU-Organisationseinheit mit funktionsfähigen Kommunikations- und Koordinierungsstrukturen angemahnt. Darüber hinaus bittet der Bundesrat die Bundesregierung, die Länder intensiv in den weiteren Beratungs- und Erarbeitungsprozess des "EU-Aktionsplanes Forst" einzubinden.

Gefangene an Kosten beteiligen

Mit dem vom Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf soll eine Öffnungsklausel im Strafvollzugsgesetz geschaffen werden, die es den Ländern ermöglicht, Gefangene in einem angemessenen Umfang an den Kosten für Seh- und Hörhilfen und andere Hilfsmittel zu beteiligen. Darüber hinaus sollen Gefangene auch in angemessenem Umfang an den Kosten der ärztlichen und sonstigen medizinischen Behandlung beteiligt werden können.

Entsprechendes soll auch für den Maßregelvollzug gelten. Änderungen im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkassen wurden bisher nicht auf das Strafvollzugsgesetz übertragen. Mit dem Gesetzentwurf soll die Eigenverantwortung der Gefangenen gestärkt und die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass der Justizvollzug auch in Zukunft seine Aufgaben im Bereich der Gesundheitsfürsorge wahrnehmen kann. Der Gesetzentwurf wird nunmehr der Bundesregierung zugeleitet, die ihn innerhalb von sechs Wochen an den Deutschen Bundestag weiterleiten muss.

Ausgleich beim Mutterschaftsgeld

Der Bundesrat hat beim Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Ausgleichsverfahren beim Mutterschaftsgeld umgesetzt werden sollen. Zukünftig sollen alle Betriebe unabhängig von ihrer Größe in das Ausgleichsverfahren einbezogen werden. Auch sollen alle Krankenkassen am Ausgleichsverfahren beteiligt werden. Für den Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bleibt der Ausgleich auf Betriebe mit bis zu 30 Arbeitnehmern beschränkt. Er kann zukünftig jedoch für Arbeiter und Angestellte beantragt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 18. November 2003 beschlossen, dass die derzeitige Beschränkung des Arbeitgeberausgleichsverfahrens beim Mutterschaftsgeld auf Betriebe mit bis zu 30 Arbeitnehmern zu einer verfassungswidrigen Diskriminierung von Frauen führe. Der Gesetzentwurf wird nunmehr der Bundesregierung zugeleitet, die ihn innerhalb von sechs Wochen an den Deutschen Bundestag weiterleiten muss.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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