Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 10 / 06.03.2006
Stichwort:

Europäische Bioethik-Konvention

Die europäische Bioethik-Konvention wurde 1996 unter dem Titel "Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin" im Europarat verabschiedet. Am 4. April 1997 wurde sie im spanischen Oviedo zur Unterschrift ausgelegt. Von den 45 Mitgliedstaaten des Europarats haben bislang 33 Länder die Konvention unterzeichnet, aber erst 19 davon haben sie ratifiziert. Deutschland hat die Konvention nicht unterzeichnet. Das Ziel der Konvention ist es, einen rechtlichen Mindestschutz von Menschenrechten und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin zu gewährleisten. Durch das Übereinkommen wurden in vielen Staaten Mindeststandards gesetzt, die es bis dahin nicht gab. Im Gegensatz zu anderen internationalen Rechtsakten werden die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, das Schutzniveau für ihren eigenen nationalen Bereich höher als im Übereinkommen anzusetzen. Die Vertragsstaaten dürfen folglich einen über das Abkommen hinausgehenden Schutz gewähren. Doch wurde und wird die Bioethik-Konvention äußerst kontrovers diskutiert. Und das gleich aus mehreren Gründen: Zu den umstrittensten Regelungen zählen die Bestimmungen zum Schutz nichteinwilligungsfähiger Patienten und Probanden bei wissenschaftlichen Forschungsuntersuchungen. In Deutschland werden erhebliche Rückschritte beim Schutz dieses Personenkreises befürchtet, denn unter Einhaltung strenger Schutzbestimmungen können Mediziner nichteinwilligungsfähige Personen auch in Forschungsvorhaben einbeziehen, die für sie keinen unmittelbaren Vorteil erwarten lassen. Voraussetzung ist dabei, dass sich ein Vorteil für andere Personen derselben Altersgruppe oder mit gleicher Krankheit erwarten lässt.

Auch der Schutz von Embryonen ist aus deutscher Perspektive unvollständig. Die Konvention fordert zwar einen ausreichenden Schutz des Embryos, lässt Forschung aber dann zu, wenn der Embryo nicht nur zu Zwecken der Wissenschaft hergestellt wurde. Das ist ein Tatbestand, den das deutsche Embryonenschutzgesetz von 1990 ausgeschlossen hat. Allerdings wird das Thema auch in aktuellen Debatten über die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen immer wieder diskutiert. Nach dem Stammzellgesetz von 2002 dürfen diese Stammzellen in Deutschland nicht aus Embryonen gewonnen, sondern nur in Ausnahmefällen zu hochrangigen Forschungszwecken importiert werden.

Kritiker bemängeln zudem, dass die Bioethik-Konvention zwischen Menschen und Personen unterscheidet. Sie befürchten, dass damit Personen und nicht Menschen als Träger von Rechten gelten. Ein weiterer Kritikpunkt aus deutscher Sicht ist der mögliche Eingriff in das menschliche Genom, der von der Bioethik-Konvention dann erlaubt ist, wenn er aus präventiven, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken sinnvoll erscheint. Ausgeschlossen wird dabei, dass durch diese Eingriffe das Erbgut folgender Generationen verändert wird.

Bereits im Jahre 1998 fand in Deutschland eine sehr intensive Auseinandersetzung darüber statt, ob Deutschland das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin unterzeichnen soll. Der nicht kompatible Bezug des Personenbegriffs, die Tatsache, dass fremdnützige Eingriffe an Nichteinwilligungsfähigen erlaubt sind sowie der unzureichende Embryonenschutz führten dazu, dass Deutschland die Konvention bis heute nicht unterzeichnet hat.

Eine Besonderheit der Konvention liegt darin, dass allgemein und abstrakt gefasste Normen durch Zusatzprotokolle konkretisiert und spezifiziert werden. So wurde am 1. März 2001 ein Zusatzprotokoll zum menschlichen Klonen verabschiedet, das von Deutschland ebenfalls nicht unterzeichnet wurde. Weitere Zusatzprotokolle sind in Arbeit, etwa zur Humangenetik oder zum Schutz des menschlichen Embryos und Fötus.

Michael Hesse arbeitet als Redakteur beim "Kölner Stadt-Anzeiger".


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