Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 03.04.2006
Thilo Castner

Mittäterschaft aus Gewinnsucht

NS-Geschichte der Dresdner Bank

Jahrzehnte lang hatten sich die Verantwortlichen der drittgrößten Bank in Deutschland davor gedrückt, der Vergangenheit ihres Instituts ins Auge zu schauen. Noch 1992, anlässlich ihres 120-jährigen Bestehens, blieb jede Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte während der NS-Zeit ausgeklammert. Doch fünf Jahre später setzte sich endlich die Erkenntnis durch, dass weiteres Verschweigen und Verharmlosen dem Image der Bank mehr schaden als nützen würden. Man öffnete einer Gruppe namhafter Historiker unter Leitung von Klaus-Dietmar Henke die bis dahin verschlossenen Aktenbestände, stellte ausreichend Forschungsgelder zur Verfügung und gewährte den Wissenschaftlern völlige Unabhängigkeit.

Die Ergebnisse der siebenjährigen Forschungstätigkeit, von zehn Autoren in vier Bänden und auf mehr als 2.300 Seiten zusammengefasst, können sich sehen lassen und sind mit Sicherheit das Gründlichste, was bisher an historischer Aufarbeitung in einem Einzelunternehmen geleistet worden ist. Und es sind leider schockierende Wahrheiten, die ans Licht kamen und die deutlich machen, warum man in den Chefetagen die NS-Vergangenheit so lange unter Verschluss gehalten hat und die Öffentlichkeit mit Geschichtsklitterungen abgespeist wurde.

Das Management der Dresdner Bank hatte offenkundig keinerlei Skrupel, mit den Nazis zu kollaborieren. Weniger aus ideologischer Überzeugung, sondern weil frühzeitig erkennbar war, dass, wer die Nähe zum NS-Regime - oftmals in vorauseilendem Gehorsam - suchte, enorme wirtschaftliche Vorteile haben würde. Zwei der Vorstände, Emil Meyer und Karl Rasche, mutierten zu Ehrenoffizieren der SS und sorgten dafür, dass sich zum "Imperium Himmler" beste Beziehungen entwickelten und enorme Kreditaufträge eingingen - die Ersparnisse der SS flossen ohnehin hauptsächlich auf Konten der Dresdner Bank. Die expandierenden Reichswerke Hermann Göring, zur Zeit der Nazis ein "Montangigant", wurden zum "größten Industriekunden" der Dresdner Bank, die damit eine Sonderstellung gegenüber den anderen Aktiengroßbanken im Reich einnahm.

Arisierung jüdischen Eigentums

Bereits im Sommer 1933 gingen die ersten Kündigungsschreiben an viele der "nicht geschützten Arier" der Belegschaft hinaus, und noch vor dem Erlass der Nürnberger Gesetze hatten auch die "geschützten Arier" einen schweren Stand und mussten gehen. Bei der von der NS-Regierung verfolgten "Arisierung" jüdischen Vermögens beteiligte sich die Bank ebenfalls frühzeitig. Erstes Opfer der Übernahme war das Bankhaus Gebr. Arnold mit den Stammhäusern in Dresden und Berlin. Noch bevor das Deutsche Reich sich Österreich und die Tschechoslowakei einverleibt hatte, gehörte das "Zusammenspiel mit Staats-, Partei- und sogar Polizeistellen zum geschäftspolitischen Repertoire" der Bank, wie Henke die Mittäterschaft des Vorstands während der Vorkriegszeit charakterisiert.

Kein Wunder deshalb, dass der Hunger auf Beute danach noch größer wurde und sich ins Euphorische steigerte. Ob in Österreich, der Tschechoslowakei, in Polen, West- und Südosteuropa, die Dresdner Bank war stets an führender Stelle dabei, wenn es um die "Arisierung" und "Germanisierung", um "Eindeutschung" und Ausplünderung ging. Grundsätze des Bankanstandes spielten keine Rolle mehr. Die Dresdner Bank entwickelte "vertrauensvolle und bis zum Schluss stabile Geschäftsbeziehungen mit der Sklavenhalterwirtschaft der SS" sowie auch eine "gezielt angebahnte Komplizenschaft mit den Exekutoren des Judenmords". So war die Dresdner Bank besonders engagiert als Geldgeber der Breslauer Hoch- und Tiefbau AG, die in Auschwitz die unterirdischen Gaskammern der Krematorien gebaut hatte, in denen ungefähr eine Million Menschen vergast wurden. Insgesamt liefen 6,5 Tonnen Raubgold über die Dresdner Bank. Es gibt nach Klaus-Dietmar Henke keinerlei Zweifel, dass die am Raubgoldhandel beteiligten Bankiers über die Herkunft des Edelmetalls Bescheid wussten.

Wie lukrativ sich die Komplizenschaft mit dem NS-System auszahlte, belegen die Zahlen. Die Bilanzsumme der Bank hatte sich von 1933 bis 1944 mehr als verdreifacht, der Reingewinn bis 1943 fast verachtfacht, der Bruttoüberschuss verzehnfacht. Die Eigenkapitalrendite war von 2,86 auf 15,42 Prozent angestiegen, das Volumen der Einlagen um beinahe 1.500 Prozent.

Von schicksalhafter "Verstrickung", das betonen die Autoren der Kommission mehrmals, kann angesichts der jahrelangen Zusammenarbeit mit dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus nicht gesprochen werden. Wer bewusst so scham- und hemmungslos von den Eroberungs- und Vernichtungszügen der Hitlerdiktatur profitiert hatte, war mitschuldig geworden und hat die Pflicht, sich vor der Nachwelt zu verantworten. Dies ist jetzt "in respektabler Weise" geschehen und entspricht der "in unserem Land mittlerweile erreichten Erinnerungskultur", wie der Herausgeber im Schlusswort der voluminösen Untersuchung feststellt.

Lesern, die sich mit der NS-Zeit der Bank näher beschäftigen wollen, ist vor allem die Lektüre des vierten Bandes zu empfehlen, der in gewisser Weise eine Zusammenfassung der drei anderen Werke darstellt.

 

Klaus-Dietmar Henke (Hrsg.)

Die Dresdner Bank im Dritten Reich.

Band 1: Die Dresdner Bank in der Wirtschaft des Dritten Reichs.

Band 2: Die Dresdner Bank und die deutschen Juden.

Band 3: Die Expansion der Dresdner Bank in Europa.

Band 4: Die Dresdner Bank 1933 - 1945.

R. Oldenbourg Verlag, München 2006; Insgesamt 2.336 S., 79,80 Euro.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.