Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 03.04.2006
Susanne Sitzler

Pack deine Sachen und flieh!

Auf der Flucht mit dem Online-Spiel der UN "Last Exit Flucht"

Du hast genau eine Minute. Was nimmst du mit? Die Schuhe? Den Pass? Das Familienalbum? Viel passt nicht in den Rucksack, und die Zeit ist knapp. Ein Sprung aus dem Fenster rettet dich. Doch das ist erst der Anfang einer gefährlichen Reise, deiner Flucht.

Rund 40 Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht. Im UN-Online-Spiel "Last Exit Flucht" wird der Spieler einer von ihnen. Was die UN-Flüchtlingskommission (UNHCR) mit dem Reality-Game bezweckt, ist klar: Sie will Jugendliche für die Bedürfnisse von Flüchtlingen sensibilisieren. Das Spiel soll den 13- bis 16-Jährigen klar machen, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein. Warum fliehen Menschen in ein anderes Land? Welchen Gefahren und Entscheidungen sind sie dabei ausgesetzt?

Das Spiel setzt auf Action und Empathie. Und es funktioniert. Schon nach wenigen Klicks ist man mitten drin in der Welt der Flüchtlinge. Mit Naivität und Ehrlichkeit kommt man nicht weit: Die falsche Antwort beim Verhör bedeutet Schläge. Wer sich allzu leicht Fremden anvertraut, den erwischen die Wachhunde mit Gebell. Das Alter Ego im Spiel bekommt immer wieder eine neue Chance. Im wahren Leben haben Flüchtlinge meist nur einen Versuch. Davon erzählen die umfangreichen Hintergrundberichte im "Fakten Web". Es zeigt Männer und Frauen, die wegen Bürgerkrieg, Tyrannei und Missachtung der Menschenrechte ihre Heimat verließen. Flüchtlinge aus Angola, Bosnien oder dem Irak kommen zu Wort.

Auf dem Weg in ein sicheres Land muss der Spieler viele schwere Entscheidungen treffen. Kann ich meine Freunde zurücklassen? Wie viel werde ich für die Reise bezahlen? Welche Strapazen kann ich auf mich nehmen? Doch auch nach dem Überschreiten der Grenze ist das Spiel nicht zu Ende. Der Flüchtling muss einen Asylantrag stellen, eine neue Sprache lernen und einen Job finden.

"Last Exit Flucht" ist aber nicht nur spannend. Die UNHCR hat das Spiel als Ergänzung für den Schulunterricht entwickelt. Darum finden Lehrer auf der Seite einen Leitfaden mit konkreten Vorschlägen für Rollenspiele und Gruppendiskussionen. Die PDFs, die zum Download bereitliegen, sind auf die zwölf Stationen des Spiels zugeschnitten: von "Verhör" bis "Dein erstes Zuhause". Sie verweisen auf Länderinformationen der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch. Eine Linkliste zu weiteren Unterrichtsmaterialien ist online gestellt.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.