Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 - 18 / 24.04.2006
Jutta Witte

Aus der Telefonzelle ins Amt

Österreich belegt beim E-Government den zweiten Platz in Europa
Kremsmünster ist eine 7.000-Seelen-Gemeinde im oberösterreichischen Voralpenland. Es gibt ein Benediktinerstift, eine Sternwarte und kilometerlange Wanderwege. Mitten in der Beschaulichkeit steht seit November 2003 eine "Multimediasäule", wo die Bürger surfen, mailen, telefonieren und videotelefonieren können - seinerzeit die erste ihrer Art in ganz Österreich. Mittlerweile gibt es in der Alpenrepublik 2.000 dieser Telefonzellen für alle diejenigen, die noch keinen eigenen Internetanschluss haben und dennoch in den Genuss der neuen Möglichkeiten von E-Government kommen sollen.

E-Government ist keine Pflicht für den Bürger", betont der Chief Information Officer (CIO) des Landes, Christian Rupp, zwar. Doch in kaum einem anderen europäischen Land wird die Einführung der elektronischen Verwaltung so vorangetrieben wie in Österreich. Das europäische E-Government-Ranking 2004 platzierte die Republik auf Platz zwei hinter Schweden. Vom elektronischen Melderegister und Grundbuch über die elektronische Steuererklärung und Gesetzgebung bis hin zur Heurigenanmeldung und Wasserzählerablesung via Internet gibt es kaum etwas, das nicht online abgewickelt werden könnte: "Unter Berücksichtigung des Datenschutzes ist alles verzahnt: Bund, Länder, Städte, Gemeinden und die Wirtschaft", erklärt Rupp. 60 Tonnen Papier pro Jahr spare das Land auf diese Weise im parlamentarischen Bereich. Und die Justiz gebe 2 Millionen Euro weniger an Porto aus.

Online-Amtswege ohne Medienbruch

60 Prozent der Haushalte und 90 Prozent der Unternehmen haben in Österreich einen eigenen Netzzugang. Nach den Ergebnissen einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2005 haben 57 Prozent der Nutzer schon einmal Informationen über das Netz abgerufen, 58 Prozent haben Formulare herunter geladen und immerhin 43 Prozent haben Anträge wie

eine Steuererklärung vollelektronisch abgewickelt. Denn die Online-Amtswege in Österreich trennt kein Medienbruch mehr. So kann ein Formular - zum Beispiel eine Gewerbeanmeldung - elektronisch ausgefüllt werden und - versehen mit einer so genannten Verwaltungssignatur - nach elektronischer Zahlung der Gebühren auf den Weg gebracht und von der Behörde in einer elektronischen Akte bearbeitet werden. Je nach Wunsch kann die Gewerbesteueranmeldung dann auf herkömlichem Weg oder über den "elektronischen Zustelldienst" an den Kunden zurück geschickt werden. "Damit gehört das Abholen eingeschriebener Briefe vom Postamt der Vergangenheit an", sagt Rupp.

Damit die Österreicher bei der Fülle von Möglichkeiten den Überblick nicht verlieren steht ihnen ein elektronischer Amtshelfer namens help g.v. zur Seite. Er hält 170 Lebenslagen und Unternehmenssituationen sowie immerhin rund 1.000 elektronische Formulare bereit. Der Amtshelfer arbeitet mehrsprachig und ist zusätzlich behindertengerecht. Rund 350.000 Bürger nehmen help g.v. monatlich in Anspruch. Zehn Millionen Informationsseiten werden im gleichen Zeitraum genutzt.

E-Government, so betont CIO Rupp, solle ein Angebot sein, das sich an alle Bürger richtet unabhängig von Einkommen und persönlicher Lebenssituation. Ziel ist es, auch den letzten Winkel der Republik zu erreichen, zum Beispiel über ein einheitliches Bürgerportal, das alle Gemeinden erwerben können, über Hot Spots, an denen der Internet-Zugang für E-Government-Anwendungen kostenlos ist, oder eben über Multimediastationen, die es auch Menschen ohne eigenen Netzanschluss möglich machen ihre Amtsgeschäfte online zu regeln. So genannte Mustergemeinden wie Kremsmünster entwickeln Best-Practice-Beispiele, also Anwendungen, die andere Kommunen bei Bedarf übernehmen können. So können Unternehmer und Bürger in Kremsmünster ihre Kanal-, Müll- oder Wasserabrechnung komplett papierlos abwickeln, ein Angebot, das nach Angaben von Bürgermeister Reinhard Haider zwölf Prozent aller relevanten Haushalte nutzt.

"Achtung sie haben eine neue Rechnung", lautet die E-Mail vom Amt in einem solchen Fall. Ein Blick ins Bürgerportal gibt Aufschluss, um welche Rechnung es sich handelt. Das Dokument trägt die digitale Amtssignatur des Bürgermeisters. Ein Klick auf das Eurozeichen reicht um sie zu bezahlen. "Das Verfahren ist so sicher wie Online-Banking", versichert Haider.

Gesetze nur noch elektronisch

Doch E-Government bedeutet in Österreich nicht nur effektivere Dienstleistungen für den Bürger. Die Elektronik hat längst auch Einzug gehalten in die Arbeit des Parlaments. Gesetzte und gedruckte Bundesgesetzblätter gibt es in Österreich nicht mehr. Stattdessen durchlaufen Gesetzestexte vom ersten Entwurf bis zur Veröffentlichung einen durchgehend elektronischen Produktionsweg: Die Ministerien schicken die Entwürfe zur Bundesregierung. Die übermittelt ihre Beschlüsse dem Parlament, das wiederum die beschlossenen Gesetze elektronisch zurückschickt. Publiziert wird das Gesetzeswerk umgehend im Internet und ist über das Rechtsinformationssystem des Bundes jedem Bürger zugänglich. "Transparenz und Bürgernähe wurden auf diese Weise beträchtlich erhöht", sagt Rupp.

Obwohl die Alpenrepublik auf dem Weg zum E-Government schon denkbar weit gekommen ist, ist das große Ziel der Initiative noch immer die Schaffung eines flächendeckenden Angebots. Das jedoch ist nach Rupps Einschätzung eher ein organisatorisches als ein technisches Problem und letztlich eine Frage der Zeit. Die großen Themen der Zukunft jedoch sind nach seiner Überzeugung die Sicherheit im Netz und die Kooperation über Staatengrenzen hinweg: "Die großen Herausforderungen der Zukunft", ist der CIO überzeugt, "liegen in Europa".

 

www.cio.gv.at


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.