Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 - 18 / 24.04.2006
Ines Gollnick

Lernen auf Distanz kennt viele Varianten

Gute E-Learning-Konzepte machen politische Bildung attraktiver und effizienter
Die politische Bildung präsentiert sich immer attraktiver, schneller, spannender und interessanter. Das Internet macht es möglich. Zwar wird die persönliche "reale" Begegnung immer wichtig sein. Aber E-Learning ist ein neuer, zusätzlicher Weg, um mehr und andere Köpfe mit politischen Informationen zu erreichen und das über einen einfachen technischen Kanal. Lernen unabhängig von Ort und Zeit ist gerade für Vielbeschäftigte attraktiv geworden.

Mit etwa 40 Online-Seminaren jährlich lockt beispielsweise die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) politisch Interessierte in ihre virtuelle Akademie. Und auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) eröffnete 2001 ihre Online-Akademie, konzentriert sich dort allerdings auf die Informationsvermittlung. Reine Online-Seminare kann bei ihr niemand buchen, aber ein Präsenz-Seminar kann durch eine netzbasierte Begleitung vertieft werden. Besondere Veranstaltungen werden außerdem als Online-Live-Stream in die Welt hinaus geschickt. Per E-Mail können sich vor Ort und wo auch immer draußen die Teilnehmer dann einbringen. Daneben schätzen Menschen die schnellen Vertriebswege für Materialien der politischen Bildung. So werden beispielsweise rund 80 Prozent der verkauften Produkte der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg mittlerweile über den Web-Shop bestellt.

Was auffällt: Politik und Spiel müssen sich auf den Internet-Plattformen nicht ausschließen. Es gibt Online-Quizfragen und Internet-Ralleys, die nicht nur Jugendlichen Spaß machen. Und längst hat sich auch die "Testomanie" per Mausklick in der politischen Bildung einen festen Platz erobert. Wie so etwas seriös gemacht wird, haben die Niederländer mit dem "stemwijzer" vorgemacht, der in Deutschland "Wahl-O-Mat" heißt. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) hat sich vom europäischen Nachbarn anregen lassen und wurde zum Ideen- und Auftraggeber für die deutsche Version.

Das Ziel: Menschen sollen anhand der Bewertung von Thesen herausfinden, welche Partei der persönlichen Position am nächsten kommt. Sie sollen Wahlhilfe bekommen. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 benutzten 3,5 Millionen User und den "Wahl-O-Mat". Zur Wahl 2005 waren es bereits fünf Millionen. Eigene Versionen wurden seit 2003 für zahlreiche Landtagswahlen entwickelt, zuletzt für die in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im März 2006. Die Marke "Wahl-O-Mat" ist bekannter als die Institution Bundeszentrale selbst, betont Thomas Krüger, Chef der Bonner Einrichtung. Und frei nach dem Motto "Stillstand ist Rückschritt" entwickelt der Fachbereich Multimedia/IT in der Bundeszentrale das Produkt immer weiter. Wer beispielsweise nicht am PC sitzt, lädt sich den Test auf das Handy. Die Vorteile der Offline-Variante liegen auf der Hand: Jugendliche testen sich gerne gemeinsam im Bus oder im Zug, Berufstätige "spielen" den "Offline-Wahl-O-Mat" in der Mittagspause oder auf Reisen. Um Skeptikern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die politische Auseinandersetzung ersetzt der "Wahl-O-Mat" nicht, aber im Idealfall stößt er diese an und zwar auch bei Gruppen, die sich sonst vielleicht nicht mit Politik befassen würden. "Wo gibt es das heute schon, dass sich Jugendliche für Parteiprogramme interessieren", findet Karl-Ulrich Templ von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Die Süddeutschen sind die Entwickler und Betreuer der Internet-Plattform www.politische-bildung.de der Bundesarbeitsgemeinschaft Politische Bildung Online (BAG), die sich 2000 gründete. Besucher finden dort verschiedene Instrumente, wie einen Web-Katalog, einen Downloadbereich, Link-Tipps, Veranstaltungshinweise, einen Newsletter sowie eine Projektdatenbank.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hält für relativ überschaubare Nutzergruppen sehr spezielle Angebote bereit. Eine wichtige Community sind Jugendliche, die mit altersgemäßen Themen und Medien besonders angesprochen werden. Dabei setzt die Medienzentrale mit Fokus auf Politik auf einen crossmedialen Ansatz. So gibt es seit 2001 das kostenlose Jugendmagazin "Fluter", viermal jährlich als gedruckte Ausgabe und zehn Mal im Netz. Beide Medien thematisieren einen gemeinsamen, wechselnden politischen Schwerpunkt wie Gentechnik, Sicherheit oder Globalisierung. Jüngst näherten sich die Macher dem schwierigen Thema Moral an. In der Online-Ausgabe ergänzen dann Woche für Woche zusätzliche Informationen das Thema. Das Jugendmagazin setzt also auf Verknüpfung der Inhalte und Interaktivität. Es fördert den Dialog. Neben Leserbriefen, Tipps und Foren können junge Autoren eigene Beiträge und Texte auf fluter.de veröffentlichen. Politik kommt somit in einer Sprache daher, die auch Jugendliche verstehen.

Als E-Learning immer stärker diskutiert wurde, geriet auch die politische Bildung unter Modernisierungsdruck, allerdings ebenso durch massive Mittelkürzungen, sinkende Teilnehmerzahlen bei Angeboten für junge Menschen sowie die mangelnde Flexibilität, auf aktuelle Themen schnell zu reagieren. Die Friedrich-Naumann-Stiftung setzt seit 2000 auf ein neues Bildungskonzept. Die virtuelle Akademie entwickelte sich dadurch zu einem Standbein. Mehr als 4.000 User sind bei ihr eingeschrieben. Der Mut und die Konsequenz der liberalen Stiftung wurde belohnt. Sie erhielt 2005 für Konzept und Realisierung den europäischen E-Learning-Award "eureleA". An solchen Erfolgen haben Tutoren, also Lernbegleiter im Netz, wie Petra Beckmann-Schulz ihren Anteil. Sie regen mit Ideen Online-Seminare an, entwickeln Bausteine und Ziele, verpflichten zum Beispiel Experten überall auf der Welt für Live-Chats. "Diese Kommunikation mit den Experten sind die Herzstücke der Seminare", unterstreicht die promovierte Politikwissenschaftlerin. Mal ganz abgesehen davon, dass Leute sowieso sehr viel Lust haben müssen, sich an den PC zu setzen, sind für den Erfolg eines Online-Seminars die Vorbereitung und auch die Disziplin der Teilnehmer entscheidend. Weil er Spaß an der politischen Diskussion hat und Hintergrundwissen - schnell verfügbar - immer wichtig ist, landete Hendrik Korb, 24 Jahre, bei der virtuellen Akademie. Er studiert im Hauptberuf Wirtschaftsingenieurwesen und engagiert sich ehrenamtlich bei den Liberalen in Hamburg. So ein Online-Seminar könne man sich gut einteilen, findet er. Auch wenn man mal etwas verpasst habe, erfahre man durch Memos und Zusammenfassungen, was gelaufen sei. Aber er sieht auch die Grenzen des Instrumentes. Durch die Verkürzung in der schriftlichen Aussage könne es zu Missverständnissen kommen. Und es bleibe eine gewisse Anonymität unter den Diskutanten.

Ob Hintergrundmaterialien, teilweise mit 0-Tönen, Medien, Spiele, Foren, Diskussionen, Chats oder Lernwerkstätten für Klassen und Jahrgangsstufen: Es kann bei entsprechender Medienkompetenz faszinierend und motivierend sein, sich in und mit dem Netz mit Politik zu befassen. Durch die Erweiterung der methodischen und inhaltlichen Möglichkeiten hat sich die politische Bildung modernisiert. Sie konnte neue Zielgruppen ansprechen. Wenn onlinegestützte Angebote zu einem selbstverständlichen Programmteil werden, kann politische Bildung ihre Zukunft sichern. Ins Netz abschieben lassen darf sie sich allerdings nicht. Beide Varianten - Lernen mit Distanz und Lernen von Angesicht zu Angesicht - haben Qualitäten. In Zukunft werden sie sich immer mehr ergänzen.

 

www.bpb.de/methodik/

www.fluter.de

www.fnst.de

www.fes.de

www.kas.de


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.