Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 10.07.2006
Alexander Weinlein

Hoffnung auf den Doppelpass

Zum Verhältnis von Politik und Fußball

Der griechischen Nationalmannschaft unter ihrem deutschen Trainer Otto Rehagel bleibt das Glück vielleicht erneut hold. Der amtierende Europameister kann eventuell doch an der Qualifikation für die EM 2008 teilnehmen. Die FIFA hatte die Nationalelf und alle Vereinsmannschaften von internationalen Turnieren ausgeschlossen, da ein neues griechisches Sportgesetz die Unabhängigkeit des nationalen Verbandes massiv beeinträchtige. Nun wird an dem umstrittenen Gesetz, das in dieser Woche vom Parlament verabschiedet werden soll, wohl kräftig nachgebessert, um den Auflagen der FIFA nachzukommen. Berater von Ministerpräsident Kostas Karamanlis hatten eindringlich vor den dramatischen Auswirkungen einer Sperre der Fußball-Helden gewarnt. Bis hin zum Sturz der Regierung in Athen sei alles denkbar. Zudem drohten die griechischen Spitzenclubs Panathinaikos Athen und Olympiakos Piräus, rechtliche Schritte gegen alle für die Sperrung Verantwortlichen einzuleiten. Durch den Ausschluss von Champions League und UEFA-Cup drohen den Vereinen Einnahmeverluste in Höhe von 26 Millionen Euro.

Diese Geschichte ist deshalb so "schön", weil sie als lehrbuchreifes Beispiel für das Verhältnis von Fußball, Politik und Medien gelten kann. Ein solches Lehrbuch hat die Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha rechtzeitig zur WM 2006 herausgegeben.

Der Sammelband mit seinen 13 Beiträgen konzentriert sich auf die Verhältnisse in Deutschland. Holtz-Bacha zeichnet einleitend noch einmal den oft beschworenen Zusammenhang zwischen dem Abschneiden der DFB-Auswahl bei internationalen Fußballturnieren und der politischen Stimmung in Deutschland nach. Am Anfang stehe natürlich das "Wunder von Bern" des Jahres 1954 symbolisch für das wiedergefundene Selbstbewusstein der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. In den frühen 70er-Jahren schließlich, hier zitiert sie den "Zeit"-Autoren Richard Herzinger, habe das Kreativteam um Franz Beckerbauer "Reformfreude, Emanzipationswillen und Weltläufigkeit der sozialliberalen Koalition" ausgedrückt und "1990 krönte das Nationalteam mit dem Weltmeistertitel das Glück der Wiedervereinigung". Helmut Kohl gewann die Bundestagswahl, um 1998 parallel zum Ausscheiden der deutschen Elf um "Bundes-Berti" Vogts bei der Weltmeisterschaft in Frankreich nach 16 Jahren das Kanzleramt räumen zu müssen.

Es lassen sich viele Beispiele solcher Doppelpässe zwischen Politik und Fußball finden. Nun ist der Ausgang einer WM nicht zwangläufig wahlentscheidend, aber die Autoren Reimar Zeh und Lutz M. Hagen zeigen auch mit empirischen Daten, "dass medial vermittelter Fußball regelmäßig und signifikant die Urteile der Deutschen über Parteien und wichtige Kandidaten beeinflusst." So hat FDP-Chef Guido Westerwelle die Wissenschaft im Rücken, wenn er kritisiert, die Bundesregierung nutze die gute Stimmung der Fußball-WM im eigenen Lande, um die Deutschen unbemerkt "abzuzocken".

Vor allem ist Fußball ein großes Geschäft, wie sich am Beispiel Griechenland erneut zeigt. Dem lukrativem Thema rund um den Kampf zwischen Vereinen, öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern sowie der Sponsoren um Vermarktungsrechte sind denn auch vier Beiträge gewidmet. Nicht zuletzt deswegen, da auch hier die Politik - zum Beispiel auf EU-Ebene - ein Wörtchen mitredet.

 

Christina Holtz-Bacha (Hrsg.)
Fußball- Fernsehen - Politik
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006; 293 S., 32,90 Euro.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.