Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 10.07.2006

Regierungsposition nicht haltbar

Interview mit Max Stadler, FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss

Das Parlament: Hat sich die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gelohnt?

Max Stadler: Dieser Schritt hat sich allein deshalb gelohnt, weil sich Zeugen gemeldet haben, von denen wir zuvor gar nichts wussten. Plötzlich erinnerte sich ein BND-Mitarbeiter in Skopje, dass er von der Festnahme El-Masris erfahren hatte. Ein Telekom-Manager in Mazedonien gibt an, unsere dortige Botschaft von der Verhaftung eines Deutschen informiert zu haben. Diese Aussagen führen nun zu weiteren Ermittlungen. Aber wir stehen noch am Beginn der Beweisaufnahme, wir nähern uns scheibchenweise dem Kern der Geschehnisse. Die Erfolgsaussichten beurteile ich optimistisch.

Das Parlament: Wo liegen die neuralgischen Punkte im Fall El-Masri?

Max Stadler: Im Kern ist zu prüfen, ob das Schicksal eines deutschen Bürgers hinter die Staatsraison zurückgestellt wurde. El-Masri ist in die Mühlen mazedonischer und US-amerikanischer Geheimdienste geraten. Wir müssen herausfinden, ob deutsche Behörden davon wussten und trotzdem schwiegen. Zu klären ist, ob es tatsächlich einen deutschen "Sam" gab, der laut El-Masri während seiner Verschleppung mit im Spiel war. Und es geht um die Frage, wie die rotgrüne Regierung bei diesem skandalösen Fall gegenüber Washington reagiert hat. Die Vernehmung Otto Schilys und Joschka Fischers dürfte spannend werden.

Das Parlament: Die Öffentlichkeit wird dann ausgeschlossen, wenn es ans Eingemachte geht. Werden die Bürger nur einen Zipfel der Wahrheit erfahren?

Max Stadler: Diese Gefahr zeichnet sich leider ab. Ich verstehe, dass gewisse Interna der Geheimdienste nicht öffentlich verhandelt werden können. Man kann Zeugen jedoch öffentlich vernehmen, ohne ihre Identität zu lüften, etwa via Videoübertragung aus einem anderen Raum. Darauf lassen sich CDU und SPD aber nicht ein. Auch bei der Einstufung von Dokumenten als vertraulich wird weit über das Ziel hinausgeschossen. Es grenzt ans Absurde, wenn Pressemitteilungen von Behörden im Ausschuss nicht publik werden dürfen.

Das Parlament: Stoßen Untersuchungsausschüsse bei Geheimdienstaktivitäten nicht an Grenzen?

Max Stadler: Manche operativen Details werden sich in der Tat nicht aufklären lassen. Aber wir werden öffentlich tagen, wenn die Beurteilung der politischen Verantwortung für die Geheimdienstarbeit zur Debatte steht. Offenbar hat diese Aufsicht etwa bei der rechtswidrigen Observierung von Journalisten versagt.

 

Das Interview führte Karl-Otto Sattler.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.