Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 10.07.2006
Ines Gollnick

Die Familienmanagerin: Ilse Falk

Parlamentarisches Profil

An kreativen Wortschöpfungen hat es der Politik nie gemangelt. Auch in der Familienpolitik kamen mit neuen Ideen neue Vokabeln: Einkommensersatzleistung, Mindestelterngeld, Partnermonate. Diese Begriffe sind selbst für eine erfahrene Familienpolitikerin wie die Unionsabgeordnete Ilse Falk, seit November stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch leicht gewöhnungs- und - bezogen auf ihre Klientel - erklärungsbedürftig. Als nämlich die 62-Jährige 1990 für den Wahlkreis Wesel I in den Deutschen Bundestag einzog, war das demografische Dilemma zwar schon bekannt. Aber Antworten darauf, wie wieder mehr Paaren Lust auf Nachwuchs gemacht werden sollte, wurden jedoch politisch eher nebensächlich eingestuft.

Damals ging Ilse Falk als "Hausfrau" nach kommunalpolitischer und ehrenamtlicher Tätigkeit in die Bundespolitik. "Mit 46 Jahren machte ich zum ersten Mal die Erfahrung, welcher Lustgewinn mit einer Erwerbstätigkeit - wenn auch der extremen einer Abgeordneten - verbunden sein kann", schreibt sie in einem Beitrag für das Buch "Mut zur Macht in Frauenhand". Damals geriet ihr (Frauen-)Selbstbild kräftig ins Wanken. Ihr Lebensentwurf "Dasein für andere", eben für Ehe und Familie, wurde neu formuliert. Sie war nun die Repräsentantin - zunächst in Bonn, dann in Berlin - für 270.000 Bürger und Bürgerinnen in ihrem Wahlkreis. Heute steht nicht mehr "Hausfrau" im Bundestagshandbuch. Jetzt versteht sich die langjährige Parlamentarierin als "Familienmanagerin". Ausdruck eines Paradigmenwechsels: "Der Beruf der Hausfrau ist über viele Jahre demontiert und auf Putzen und Windelwaschen reduziert worden. Der Begriff ,Familienmanagerin' macht die Vielseitigkeit und Führungsverantwortung besser deutlich. In Wirklichkeit managen die Hausfrauen doch ein kleines Unternehmen - jedenfalls dann, wenn mehrere Kinder oder Generationen zum Haushalt gehören", unterstreicht die Abgeordnete im Gespräch mit "Das Parlament". Die Aussage verdeutlicht das veränderte Selbstverständnis einer konservativen Politikerin. So hätte sie sich selbst vor 20 Jahren nicht gesehen.

Und sie weiß aus persönlicher Erfahrung, wovon sie redet. Die sympathische Frau mit dem sportlichen Kurzhaarschnitt und der dezenten rahmenlosen Brille ist seit 1964 mit einem Siebenbürger Sachsen verheiratet, hat zwei Töchter und zwei Söhne geboren. Die beiden Töchter - Zwillinge - starben 1999 nach einer schweren Krankheit. Die Parlamentarierin hat nach dem Gymnasium eine Gartenbaulehre gemacht, kümmerte sich dann neben dem Familienmanagement um die Buchhaltung im Vermessungsbüro des Ehemannes. Mit dem Einzug in den Bundestag begann die "Berufspolitik". In verschiedenen Parteiämtern auf Stadt- und Kreisebene - unter anderem bei der Frauen-Union - hat sie mitgestaltet und Impulse gegeben, freilich noch mit anderen Themen als heute, wo die Folgen der Wiedervereinigung, die Globalisierung, der demografischer Wandel und die Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen auf Bundesebene politisch bewältigt werden müssen.

Ilse Falk hat seit ihrem "Aufstieg" zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden mit den Ressorts Senioren, Frauen und Jugend, Arbeit und Soziales, Kirchen und Arbeitnehmer mehr Verantwortung und dadurch mehr Chancen, politische Inhalte zu prägen. Beispiel Elterngeld: Innerhalb der Union gehört sie zu denjenigen, die darauf drängten, auch solchen Familien ein Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro zu gewähren, in denen ein Partner, meistens die Frau, schon vor der Geburt des Kindes ganz auf eine Erwerbsarbeit zugunsten der Betreuung bereits vorhandener Kinder verzichtet hat. "Dieser Aspekt ist mir besonders wichtig, da er die Bedeutung der Erziehungsleistung der Eltern ausdrücklich anerkennt und unterstreicht, dass uns alle Lebensentwürfe mit Kindern gleich wichtig sind und wir jede von den Eltern jeweils gewählte Form des Miteinander-Lebens und Füreinander-Sorgens schätzen und ernst nehmen."

So haben konservative Politikerinnen nicht immer formuliert. Und Ilse Falk ist eine Konservative, "die bewahren will und wertegebunden lebt, aber in dem Wissen um die Notwendigkeit der Veränderung. Denn ohne Veränderung gibt es keine Weiterentwicklung." Und sie weiß auch, dass das Gesetz zur Elternzeit als isolierte Maßnahme nicht dazu führen wird, dass junge Menschen mehr Kinder in die Welt setzen. Deutlich verbesserungswürdig seien zum Beispiel bedarfsgerechte Angebote für Kinderbetreuung.

Und doch wäre es verkehrt, die Unionsabgeordnete unreflektiert als "stockkonservativ" zu bezeichnen. Thematisch hat Falk ihr politisches Feld immer schon breit bestellt. So war sie Mitbegründerin der Eine-Welt-Gruppe Xanten und eines Arbeitskreises zur Vermittlung von Umweltkenntnissen im häuslichen Umfeld. Dass sie seit 2001 im Bundesvorstand der Frauen-Union tätig ist, ist naheliegend. Außerdem gehört sie seit mehr als zehn Jahre dem Bundesvorstand des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU an. Sie ist Vorsitzende und Mitgründerin des Vereins "Die Wippedippes", ein Freundeskreis Körperbehinderter.

Jetzt in führender Funktion in der Großen Koalition zu arbeiten, ist auch für Falk noch eine positive Erfahrung: "Vieles funktioniert erstaunlich gut - insbesondere der faire und freundliche Umgang untereinander wie ich ihn bei den unterschiedlichen Koordinierungsrunden in meinem Arbeitsbereich erlebe. Als Stärke erlebe ich den unbedingten Willen, gemeinsam zu Entscheidungen zu kommen, die unser Land wieder voranbringen. Dass wir bei den Beratungen häufig aus sehr gegensätzlichen Positionen starten, begründet die Schwächen einer Großen Koalition - eine Einigung bedeutet immer auch ein Kompromiss, der gelegentlich auch an Grundsätzen rüttelt."

Damit deutet sie auch ihre Schmerzgrenzen an. Aber Vermittlung und Ausgleich verschiedener Interessen zählt sie zu ihren Stärken. Ehrlichkeit und Authentizität nimmt man ihr ab. Motivationsprobleme nach 16 Jahren im Deutschen Bundestag kennt die Nordhein-Westfälin nicht. Vielleicht liegt das auch an ihrem Lebensmotto "Es muss im Leben mehr als alles geben", ein Zitat von Maurice Sendak, dem amerikanischen Kinderbuchautor. Dies soll heißen: "Das Bemühen um möglichst gute Organisation der Gesellschaft, die Sicherung von Lebensrisiken und Wohlstand darf nicht den Blick auf die immateriellen Werte versperren, die einem letztlich innere Ruhe und Kraft geben."

Im Internet: www.ilse-falk.de


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.