Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 10.07.2006
Monika Pilath

Die Fieberkurve steigt

Auf die Koalition wartet in Sachen Gesundheitsreform ein heißer Herbst
Die Eckpunkte sind festgezurrt, doch die Gesundheitsreform ist noch lange nicht besiegelt. Nach der Einigung auf Grundzüge eines der wichtigsten Regierungsprojekte setzte republikweit ein großes Lamento ein. Niemand - so scheint es - ist mit dem Kompromiss zufrieden. Zudem kracht es koalitionsintern gewaltig. In den kommenden Wochen sollen nun die Eckpunkte in ein Gesetz gegossen werden. Nach der Sommerpause kommt der Entwurf voraussichtlich ins Parlament, das Verfahren soll bis Jahresende abgeschlossen sein. Viel Zeit für Politiker und Lobbys, auf Änderungen hinzuwirken. Ein heißer Herbst ist garantiert.

Rückblende: CDU/CSU und SPD vertreten seit Jahren höchst unterschiedliche Konzepte zur künftigen Finanzierung der Gesundheitsversorgung. Die Bildung der Großen Koalition änderte daran zunächst nichts, außer, dass beide Partner ihren Willen erklärten, dass zusammenwachsen muss, was offensichtlich nicht zusammengehört. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD vom 11. November 2005 heißt es dazu lapidar, dass sich die Gesundheitsprämie der Union sowie die Bürgerversicherung der Sozialdemokraten "nicht ohne weiteres miteinander vereinbaren lassen". Gesucht wurde also, so Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung vom 30. November 2005, "ein neuer Ansatz". Herausgekommen ist - neben Beitragserhöhungen für die gesetzlich Versicherten zum 1. Januar 2007, dem Erhalt der privaten Krankenkassen und der schrittweisen Umstellung auf steuerfinanzierte Kindermitversicherung - vor allem der so genannte Gesundheitsfonds für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).

In diesen Fonds sollen Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie eventuelle Steuermittel fließen. Die Kassen erhalten pro Mitglied einen einheitlichen Betrag plus einen Ausgleich je nach Alter und Krankenstand ihrer Mitglieder. Kommen die Kassen mit dem Geld nicht aus, können sie von den Versicherten einen Zusatzbeitrag einfordern. Den Vorwurf, bei dem Fonds handele es sich um ein teures "bürokratisches Monster", weist die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Annette Widmann-Mauz, zurück. Der Zeitung "Das Parlament" sagte die CDU-Politikerin, Arbeitgeber müssten künftig nicht mehr die Beitragssätze von rund 250 Kassen beachten und könnten ihre Abgaben einfach an eine zentrale Stelle überweisen. Dies könne wiederum in der GKV zu einer Straffung der Verwaltung und zu Kosteneinsparungen führen, da die einzelnen Kassen keine eigenen Einzugsstellen unterhalten müssten. Sie verwies darauf, dass bei den Kassen zurzeit rund 30.000 Mitarbeiter mit dem Beitragseinzug beschäftigt seien.

SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer teilt den Optimismus ihrer CDU-Kollegin nicht. "Um den Fonds zu vewalten, wird ein großer bürokratischer Aufwand nötig sein", sagte sie dieser Zeitung. Aus ihrer Sicht macht ein Gesundheitsfonds nur dann Sinn, wenn die Privatversicherten einbezogen oder mehr Steuermittel einfließen würden. "So, wie er jetzt vorgesehen ist, stärkt er die gesetzliche Krankenversicherung nicht und ist für mich nicht akzeptabel", sagte die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Volkmer setzt nun auf das "Strucksche Gesetz", nach dem kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hereingekommen ist.

Zu einem Knackpunkt dürfte der Steuerzuschuss werden. Vorgesehen ist, dass 2008 zunächst 1,5 und ein Jahr später 3 Milliarden Euro für die beitragsfreie Kinderversicherung aus Steuern fließen werden. Wie, das steht in den Sternen. Von einem "Einstieg" in die Steuerfinanzierung gesamtgesellschaftlicher Leistungen - wie vielfach zu hören - kann im Übrigen nur sehr bedingt geredet werden; denn mit dem gerade verabschiedeten Haushalt 2006 hat die Koalition beschlossen, den Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an die GKV von 4,2 Milliarden Euro in diesem auf 1,5 Milliarden im kommenden Jahr zurückzudrehen und ihn im Jahr 2008 ganz wegfallen zu lassen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.