158. Sitzung
Berlin, Freitag, den 25. April 2008
Beginn: 9.01 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir können heute ohne jede Vorbemerkung oder Bekanntgabe zusätzlicher Tagesordnungspunkte - welcher Komplikationen auch immer - in unsere Tagesordnung eintreten.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Einbeziehung der selbstgenutzten Wohnimmobilie in die geförderte Altersversorgung (Eigenheimrentengesetz - EigRentG)
- Drucksache 16/8869 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Dr. Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion.
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Riester-Rente ist ein Erfolgsmodell ohne Wenn und Aber.
Über 10 Millionen abgeschlossener Verträge bezeugen dieses. Allerdings gehörte die Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum bisher nicht zu den von der Riester-Förderung unmittelbar begünstigten Anlageformen. Für viele Bürgerinnen und Bürger aber ist das mietfreie Wohnen im Alter die bevorzugte Art der individuellen Altersvorsorge.
Aus diesem Grunde schreiben wir heute die Erfolgsstory Riester-Rente fort. Mit dem Eigenheimrentengesetz - volkstümlich und richtigerweise auch Wohn-Riester genannt - erweitern die Koalitionsfraktionen die staatlich geförderte private Altersvorsorge um die Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum. Heute ist also ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger.
Durch die Einbeziehung von selbstgenutztem Wohneigentum vergrößert sich das Angebot von steuerlich begünstigten Vorsorgemodellen. Die Menschen können somit aus verschiedenen, steuerlich gleichermaßen geförderten Altersvorsorgeformen die ihnen passende auswählen.
Die Bildung von Wohneigentum kann dabei auf zwei Wegen gefördert werden. Zum einen kann das gesamte in einem Altersvorsorgevertrag angesparte Vermögen für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnimmobilie entnommen werden. Alternativ kann das gesamte Vermögen zu Beginn der Auszahlungsphase für die Entschuldung einer schon angeschafften Immobilie genutzt werden. Diese Entnahmemöglichkeiten gelten auch für bereits bestehende Verträge.
Aus Sicht der SPD ist es ferner in diesem Zusammenhang besonders begrüßenswert, dass auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen für die Nutzung einer Genossenschaftswohnung in die steuerliche Förderung integriert wird.
Hierdurch kann ebenso wie bei selbstgenutztem Wohneigentum eine Verringerung der Wohnkosten im Alter erreicht werden.
Zum anderen aber - das ist neu - können auch direkt zur Darlehenstilgung eingesetzte Mittel steuerlich gefördert werden. Begünstigt werden dabei sowohl reine Darlehensverträge als auch Sparleistungen im Zusammenhang mit Bausparverträgen und die nach Zuteilung des Darlehens zu entrichtenden Tilgungen.
In die Förderung einbezogen werden dabei ausdrücklich auch die vielfach von den Bausparkassen angebotenen tilgungsfreien Vorfinanzierungsdarlehen mit anschließender Ablösung durch einen Bausparvertrag.
Diese im Eigenheimrentengesetz vorgesehene Förderung bietet ein Höchstmaß an Flexibilität. Wer einen Altersvorsorgevertrag abschließt, muss eben noch keine Vorfestlegung auf die Bildung steuerlich geförderten Wohneigentums treffen. Er behält die Wahlmöglichkeit, ob er sich das angesparte Kapital im Alter als Rente auszahlen lassen will oder aber es für die Anschaffung einer Wohnimmobilie nutzt. Er kann aber auch, wenn er sich sicher ist, gleich zu Beginn sagen: Jawohl, ich möchte mit einem zertifizierten Bausparvertrag ganz gezielt auf eine Wohnimmobilie zusteuern.
Wie attraktiv das Ganze ist und sein kann, lassen Sie mich bitte anhand eines Beispiels kurz aufzeigen, eines Beispiels, bei dem ich das Jahresfamilieneinkommen mit 50 000 Euro bewusst relativ hoch angesetzt habe. Eine Familie mit zwei Kindern, die bei diesem Jahreseinkommen ein Darlehen über 40 000 Euro aufnimmt, wird dieses Darlehen nach circa 20 Jahren getilgt haben. Wenn sie dann diese 40 000 Euro Schulden getilgt hat - ich muss hinzufügen: ein Kind ist vor und ein Kind ist nach dem 1. Januar 2008 geboren -, dann bedeutet das, dass diese Familie von dem getilgten Darlehen in Höhe von 40 000 Euro lediglich 24 140 Euro selbst aufgebracht hat und der Rest, nämlich 15 860 Euro, durch staatliche Zulagen abgedeckt wurde. Das heißt also, fast 40 Prozent dieses Darlehens werden vom Staat in Form einer Zulage abgedeckt, damit diese Familie für das Alter vorsorgen kann. Das ist unschlagbar.
Die SPD hat ferner erreicht - es gab da unterschiedliche Sichtweisen -, dass bei der Einbeziehung der Wohnimmobilie in die staatliche Förderung die Systematik der Riester-Rente - das war uns ganz wichtig - erhalten blieb. Nur bei einer systematischen Gleichbehandlung der Immobilie mit anderen Anlageprodukten - Banksparplan, Fondssparplan usw. - gibt es die so oft beschriebene und beschworene echte Wahlfreiheit. In der Ansparphase erfolgt daher wie bislang eine Steuerfreistellung der Beiträge; in der Auszahlungsphase werden die sich aus Beiträgen, Zulagen und Erträgen ergebenden Leistungen nachgelagert besteuert. Das Ganze geschieht unter Zuhilfenahme eines sogenannten Wohnförderkontos. Auf diesem Konto werden die in der Immobilie gebundenen steuerlich geförderten Beiträge erfasst und nachgelagert besteuert.
Die Steuerpflichtigen erhalten jedoch - das ist neu - zu Beginn der Auszahlungsphase ein einmaliges Wahlrecht, ob sie sich wie sonst bei der Riester-Rente jährlich nachgelagert besteuern lassen wollen oder ob sie stattdessen lieber eine Einmalbesteuerung in Höhe von 70 Prozent des in der Wohnimmobilie gebundenen steuerlich geförderten Kapitals nutzen wollen.
Das ist gut und richtig.
Entgegen manchen Befürchtungen wird die Einbeziehung der Wohnimmobilien kein Monster der Bürokratie bedeuten. Nein, die Führung des Wohnförderkontos vollzieht sich ganz unspektakulär bei der Finanzverwaltung. Über die Entwicklung der geförderten Beiträge unterrichtet ebenso unspektakulär der Anbieter.
Da wir nun die Einbeziehung des Wohneigentums in die Riester-Rente und damit eine Neuausrichtung vorgenommen haben, ergab und ergibt sich folgerichtig, dass diese Neujustierung auch auf die Ausrichtung der Wohnungsbauprämie Konsequenzen haben wird und sich diese Prämie ganz fokussiert auf die Anschaffung bzw. den Kauf einer Immobilie richten muss.
Das Eigenheimrentengesetz enthält außerdem zwei weitere, wie ich denke, erwähnenswerte Einzelpunkte:
Zum Ersten ist das der Berufseinsteigerbonus in Höhe von 100 Euro. Diese Summe mag gering erscheinen; diese Förderung ist aber eine gute Möglichkeit, Sparerinnen und Sparer, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die also in besonderem Maße die mit der Langfristigkeit der Verträge verbundene Hebelwirkung zu ihren Gunsten nutzen können, auf die Riester-Möglichkeiten aufmerksam zu machen und ihnen den Zugang zu Riester-Modellen erleichtern.
Zum Zweiten haben wir eine Möglichkeit gefunden - auch das ist interessant und gut -, dass diejenigen, die eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen - das gilt analog auch für Beamte -, sich im Rahmen der Altersvorsorge zusätzlich versichern können. Diese Personen konnten während ihrer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit bzw. während ihrer Beamtentätigkeit nämlich keine Anwartschaften aufbauen.
Die mit dem Eigenheimrentengesetz vorgesehene Einbeziehung der Bildung von Wohneigentum ist durchdacht. In langen Beratungen mit dem Koalitionspartner ist das eine runde Sache geworden. Daher können wir sagen: Ja, die Erfolgsstory Riester-Rente wird zum Wohle der Menschen in unserem Land fortgesetzt. Die SPD-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass dieses Gesetz im Anschluss an diese erste Lesung nach zügiger Beratung noch vor der Sommerpause verabschiedet wird, damit sich alle Menschen in diesem Land in der zweiten Jahreshälfte exakt informieren können, ob sie von dieser neu geschaffenen Möglichkeit der Förderung eines Altersvorsorgeproduktes Gebrauch machen können. Das ist gut, richtig und vor allen Dingen eine Sicherheit für die Menschen in diesem Land.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Krüger, ich glaube, dieses Gesetz ist mehr Schein als Sein. Es wird der Eindruck erweckt, dass mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf der Weg zu mehr Wohneigentum in Deutschland geebnet wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie wissen selbst, dass das nicht so ist. Im ersten Jahr beträgt das Fördervolumen gerade einmal 20 Millionen Euro, und die volle Wirkung tritt erst nach 25 Jahren ein. Diese Regelung ist kein Ersatz für die weggefallene Eigenheimzulage. Sie ist unzureichend und ungeeignet, nennenswert mehr Wohneigentum zu schaffen. Die eingeplanten Mittel sind einfach zu gering.
Außerdem verschweigen Sie, dass das Sparen von Ihnen in Zukunft an anderer Stelle schlechter gefördert wird. Das Wohnungsbauprämiengesetz soll geändert werden. Die angesparten Gelder sind zukünftig ?nur noch bei wohnungswirtschaftlicher Verwendung prämienbegünstigt?. Dadurch wird das Ansparen zum einen weniger attraktiv. Das gilt insbesondere für jüngere Menschen, die sich nicht in jungen Jahren darauf festlegen wollen, Wohneigentum zu erwerben.
Zum anderen müsste dieser eigentlich im Finanztableau aufgeführt werden - für mich ist es eine Überraschung, dass das nicht so ist -: Die derzeitigen Prämien belasten den Bundeshaushalt mit circa 442 Millionen Euro; wenn das weniger wird, müsste das im Finanztableau erscheinen. Insofern kann ich nur sagen: Sie geben wenig, nehmen dafür aber etwas. Dieses Gesetz hat die Wirkung eines Potemkinschen Dorfes. Ich habe erhebliche Zweifel, ob mit diesem Gesetz tatsächlich mehr Wohneigentum in Deutschland entstehen kann.
Wir brauchen Sparvorgänge. Wenn wir vergleichen, wie Immobilien in den Vereinigten Staaten und in Deutschland finanziert werden, stellen wir fest, dass wir froh darüber sein können, dass die Eigenkapitalquote beim Erwerb von Wohneigentum in Deutschland durchschnittlich 30 Prozent beträgt. Insofern müssen wir die Kapitalbildung erleichtern. Mit der Reduzierung der Bausparförderung wird das leider nicht erreicht, sondern das Gegenteil.
Dieses Gesetz enthält ein beinahe unglaubliches Ausmaß an Bürokratie. Das Folgende müsste viele nachdenklich werden lassen: Die Zehn Gebote enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung enthält 300 Wörter, aber allein die §§ 92 a und 92 b des Einkommensteuergesetzes enthalten 1 181 Wörter, und der Art. 2 über die Änderung des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes enthält 2 718 Wörter.
Hier ist in einer Komplexität und in einem bürokratischen Überwahn etwas auf den Weg gebracht worden, was sämtlichen Bemühungen der Bundesregierung um Bürokratieabbau und Ähnliches absolut Hohn spricht.
Man muss sich schon fragen: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Warum sollen die Nutzer und Anbieter dieser Regelung mit klaren und einfachen Regeln arbeiten, wenn es auch kompliziert geht? Deshalb richte ich an Union und SPD die Frage, ob es sinnvoll und nötig ist, die Förderung des Wohneigentums derart kompliziert auszugestalten. Es sollen acht Gesetze und Verordnungen geändert bzw. ergänzt werden, darunter allein das Einkommensteuergesetz an zehn verschiedenen Stellen. Auf Bürger, Verwaltung und Unternehmen kommen 21 neue Informationspflichten zu. Deshalb ist der von der Koalition versprochene Bürokratieabbau eine einzige Leerformel.
Wir als FDP setzen uns schon seit Jahren für mehr Teilhabe der Bevölkerung an den Werten unserer Gesellschaft ein. Deshalb haben wir die Erhöhung der Wohneigentumsquote betrieben und freuen uns darüber, dass sie von 1992 bis 2003 von knapp 39 Prozent auf 43 Prozent gestiegen ist, also um circa 10 Prozent, in den neuen Bundesländern sogar um 30 Prozent. Das bedeutet, dass in dieser Zeit etwa 1,5 Millionen zusätzliche Haushalte Eigentum erworben haben. Geht man von einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,2 Personen pro Haushalt aus, bedeutet dies, dass jetzt 3,3 Millionen Menschen mehr in selbstgenutztem Wohneigentum leben und nicht mehr zur Miete wohnen.
Dennoch bilden die Deutschen im Hinblick auf die Wohneigentumsquote im europäischen Vergleich nahezu das Schlusslicht. In Spanien wohnen 86 Prozent der Menschen in den eigenen vier Wänden,
in Irland 83 Prozent, in Frankreich 56 Prozent, in Österreich 57 Prozent und in Großbritannien 70 Prozent. Der Trend, dass sich die Wohneigentumsquote in unserem Land erhöht, darf nach Auffassung der FDP nicht abbrechen. Hier müssen wir etwas tun.
Insofern ist es beängstigend, dass die Zahl der in diesem Jahr fertiggestellten Wohnungen inklusive des Mietwohnungsbaus unter 200 000 liegt.
Es besteht die Gefahr, dass es langfristig zu einem Wohnungsmangel kommt - in einigen Bereichen ist er bereits zu verzeichnen -, der dazu führen wird, dass in vielen Gegenden unseres Landes zusätzlich zu den drastisch gestiegenen Warmmieten auch die Kaltmieten steigen werden.
Die FDP begrüßt, dass der Anlagenkatalog des vom Staat geförderten Altersvorsorgesparens, der bisher das Lebensversicherungssparen, das Sparen nach Banksparplänen und das Sparen in Investmentfonds umfasst, nun um die Baufinanzierung ergänzt werden soll.
Zwischen den anderen Anlageformen und der Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums gibt es allerdings einen grundsätzlichen Unterschied: Im Gegensatz zu den bisherigen Anlageformen fließen einem Mieter bei Erreichen der Altersgrenze keine Geldbeträge zu, auf die Steuern zu zahlen sind. Insofern handelt es sich bei der Förderung von Wohneigentum um einen anderen Weg, der aus unserer Sicht auch anders behandelt werden sollte.
Die Förderung von Wohneigentum sollte praktikabel ausgestaltet werden. Sie sollte einfach, verständlich und flexibel sein. Anstatt die Zulage bei der Entnahme zu besteuern, wäre es denkbar, den Förderbetrag um die später entstehende Steuerschuld zu reduzieren. Dies würde zwar zu einer Verringerung der Zulagenförderung führen, würde aber gleichzeitig den Haushalt entlasten und wäre erheblich einfacher und praktikabler.
Im Namen der FDP begrüße ich, dass gerade die SPD ideologischen Ballast abgeworfen hat. Das war vermutlich einer der Gründe dafür, dass die Diskussion über dieses Gesetz so lange gedauert hat. Wir befinden uns bereits in der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode. Eigentlich sollte dieses Vorhaben schon im Jahre 2007 Gesetz werden.
Wohneigentum ist ein Eckpfeiler einer liberalen Gesellschaftsordnung. Ich freue mich und hoffe, dass auch die Mehrzahl der Sozialdemokraten dies inzwischen so sieht und nicht mehr an dem Eindruck festhält, dass insbesondere Mieter treue sozialdemokratische Wähler sind. Wohneigentum verschafft den Bürgerinnen und Bürgern Freiheit und Unabhängigkeit im privaten Bereich. Die Bürger erwerben Eigentum und damit Sicherheit. Wohneigentum ist aber auch ein wichtiges Instrument der Altersvorsorge. Im Durchschnitt vermeiden Rentnerhaushalte, die über selbstgenutztes Wohneigentum verfügen, pro Monat Mietaufwendungen in Höhe von über 500 Euro oder 20 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Da wird es verständlich, dass Umfragen zufolge für 82 Prozent der Deutschen eigener Wohnraum zu den idealen Formen der Absicherung fürs Alter gehört.
Ich komme zum Schluss. In der Regierungskoalition gab es um dieses Gesetz ein mühsames Gezerre. Die jetzt beschlossene Ausgestaltung der Eigenheimförderung ist abenteuerlich. Wir hoffen, dass die Anhörung den Koalitionsfraktionen zu einem Erkenntnisgewinn verhilft und sie dann hoffentlich bereit sind, ihren Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten und so zu verbessern, dass mit diesem Gesetz das Ziel der Steigerung der Wohneigentumsquote tatsächlich erreicht werden kann. Ich würde mir wünschen, dass sich die Union dafür einsetzt. Bisher hat sie lediglich den Erfolg erzielt, dass ?Riester? im Titel des Gesetzes nicht auftaucht. Aber das als einziger Erfolg ist ein bisschen wenig.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Michael Meister, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen aus Umfragen, dass die Immobilie bei den Menschen, wenn es darum geht, was die richtige Vorsorge für das Alter ist, an zweiter Stelle steht. Mit dem Eigenheimrentengesetz, über das wir heute in erster Lesung beraten, wollen wir die Bevölkerung bei der Erfüllung ihres Wunsches, Eigentum zu erwerben, unterstützen.
Bisher wurde die Immobilie diskriminiert. Mit diesem Gesetz wird die selbstgenutzte Immobilie der Geldrente gleichgestellt. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne.
Wir verbinden damit die Hoffnung, dass die Akzeptanz für die private Altersvorsorge insgesamt wächst.
Wir gewähren mit diesem Gesetz keine neue Leistung, wir schaffen lediglich eine neue Anlagemöglichkeit. Deshalb sind die Mehrausgaben, die im Haushalt entstehen werden, rein dadurch begründet, dass über die Immobilie mehr Menschen zur Altersvorsorge finden werden. Wir erliegen nicht staatlichen Allmachtsfantasien, glauben nicht, dass der Staat eine hinreichende Altersvorsorge garantieren kann. Deshalb setzen wir darauf, die Menschen zu motivieren, in jungen Jahren, wenn sie im Erwerbsleben stehen, Eigenvorsorge zu betreiben. Wir verbinden mit diesem Eigenheimrentengesetz die Hoffnung, dass die Menschen im Alter selbst für ihr Auskommen sorgen können.
Wer ein Haus baut, zeigt Verantwortung, nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Familie und für die Gesellschaft, ist bereit, ein Risiko einzugehen. Eigentum zu schaffen, ist in unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung gleichzeitig Voraussetzung und Ziel. Wir wollen mit diesem Gesetz die Eigentumsbildung unterstützen. Wir sind eine Partei, die glaubt, dass unsere Gesellschaft stabiler wird, wenn die Menschen über Eigentum verfügen. Auch deshalb wollen wir die Schaffung von Eigentum unterstützen.
Wir haben in den vergangenen Jahren viel getan, um die private Eigenvorsorge zu stärken. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Ansatz richtig ist, auf Subsidiarität zu setzen, die Menschen zu animieren, Eigenvorsorge zu betreiben, und dies als Staat zu unterstützen. Wir haben zum letzten Jahreswechsel die betriebliche Altersvorsorge gestärkt, indem wir sie weiterhin von Steuern und Sozialabgaben freigestellt haben.
- Ja, aber es war bis zum 31. Dezember 2007 befristet, Herr Kollege. Wir haben diese Befristung aufgehoben und damit die Förderung weiterhin möglich gemacht.
Wir haben durch die nachgelagerte Besteuerung dafür gesorgt, dass das Ansparen für Eigentum und Vorsorge steuerlich begünstigt wird. Die Besteuerung findet jetzt erst in der Auszahlungsphase statt; die Menschen haben dann in der Regel einen viel niedrigeren Steuersatz. Wir haben ferner mit der Riester-Geldrente und der Rürup-Unterstützung geeignete Instrumente gefunden.
Ich glaube, all das sind Anreize dafür, das aufzufangen, was durch die gesetzliche Rente in Zukunft nicht mehr geleistet werden kann, weil das Verhältnis zwischen den Erwerbstätigen und den Beziehern von Leistungen immer schlechter wird. Vor 40 Jahren betrug das Verhältnis vier zu eins - vier Arbeitnehmer kamen auf einen Leistungsbezieher -, heute beträgt das Verhältnis zwei zu eins, und in 25 Jahren wird das Verhältnis eins zu eins betragen.
Deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir die Menschen zu mehr Eigenvorsorge animieren.
Wer den Menschen heute suggeriert, dass der Staat das alles leisten kann, der täuscht sie und führt sie in die Irre. Irgendwann werden sie erkennen, dass dies ein Fehlglaube war, und dann ohne Vorsorge dastehen. Davor wollen wir die Menschen in diesem Lande schützen.
Was geschieht durch dieses Gesetz? Zum einen werden wir während der Tilgungsphase eine Förderung gewähren. Das heißt, dann, wenn die Menschen aufgrund des Erwerbs bzw. Baus ihrer Immobilie am meisten belastet sind - während der Tilgungsphase -, entlasten wir sie sie durch die Zulage aus der Eigenheimrente. Sie werden dazu animiert, indem sie die Möglichkeit erhalten, vorher eine Geldrente zu ersparen, aus der sie dann Mittel entnehmen können, und indem sie auch in der Vorsparphase, also während der Kapitalbildung vor dem Wohnungserwerb, unterstützt werden.
Ich habe vorhin schon erwähnt, dass im Hinblick auf alle Förderkonditionen - Förderhöhe und Förderbedingungen - eine vollständige Gleichstellung der Immobilie mit der Geldrente erfolgt. Es kommt hier zur nachgelagerten Besteuerung. Wir bleiben also im System.
Weil der Punkt Einfachheit angesprochen worden ist, will ich an dieser Stelle eine Bemerkung dazu machen: Das, was wir heute beschließen, ist wesentlich einfacher als das, was es bisher gibt. Bisher darf man nämlich zwar entleihen, aber man muss das Geld bis zum Renteneintritt zurückzahlen. Parallel dazu muss man noch den Immobilienkredit tilgen und weiter für die Geldrente sparen. Das, was wir hier beschließen, ist also wesentlich einfacher als das, was heute gilt. Es ist also ein Schritt hin zu mehr Einfachheit.
Ich sage aber auch: Nichts ist so einfach, dass es nicht noch einfacher werden könnte.
Deshalb werden wir als Fraktion uns darum bemühen, dass das, was wir hier beschließen werden, in Zukunft noch einfacher wird.
Dennoch bin ich der Meinung, dass man einen Schritt hin zu mehr Einfachheit nicht im Vorhinein diskreditieren, sondern auch einmal anerkennen sollte.
Das habe ich in allen Redebeiträgen bisher - ich nehme den Kollegen Krüger aus - ein Stück weit vermisst; denn das wurde leider nicht entsprechend angesprochen.
Ich komme zur Rendite. Auch hinsichtlich der Rendite wird ein Stück weit versucht, diese Eigenheimrente zu diskreditieren. Ich bin der Meinung, dass die Rendite dieser Eigenheimrente sehr gut ist. Es wird zwar nachgelagert besteuert - wir haben dort ein Optionsmodell eingefügt -, aber dennoch bin ich der Meinung, dass die Rendite für denjenigen, der ein entsprechendes Objekt kauft, hervorragend ist. Er profitiert einerseits vom vorhin angesprochenen und in der Regel niedrigeren Steuersatz während der Phase, in der er Leistungsbezieher ist, und andererseits natürlich davon, dass ihm die Mittel über den entsprechenden Zeitraum hinweg gestundet worden sind. Deshalb glaube ich, dass das Ganze auch unter Renditeaspekte vernünftig ist.
Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich die Wohnungsbauprämie. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Wohnungsbauprämie zwar ein ganz kleiner, aber sehr wichtiger Anreiz für die Menschen zum Sparen ist.
Deshalb wollen wir die Wohnungsbauprämie auch in Zukunft erhalten.
Es gibt viele, die daran zweifeln, dass der Anreiz hilft, weil er sehr klein ist. Wenn man sich die Zahlen darüber anschaut, wie viele Menschen sich durch diesen kleinen Anreiz animieren lassen, dann sieht man, dass wir an dieser Stelle einen riesigen Hebel haben.
Wir schaffen die Wohnungsbauprämie jetzt nicht ab,
sondern in Zukunft wird es bei der Gewährung der Wohnungsbauprämie eine Zweckbindung geben, wonach das Geld, mit dem gefördert worden ist, tatsächlich in eine Immobilie fließen muss.
An dieser Stelle will ich auch erwähnen, dass wir im parlamentarischen Verfahren darüber sprechen werden, inwieweit es möglich ist, insbesondere für junge Menschen, die vielleicht erst einmal ein Stück weit zum Sparen angeleitet werden müssen, noch zu anderen Regeln zu kommen. Das steht noch nicht im Gesetzentwurf, aber über diese Frage wollen wir miteinander reden. Wir wollen schauen, ob wir hier einen besonderen Anreiz für Jugendliche setzen können, weil wir glauben, dass dies ein wichtiger Punkt ist.
Letzte Bemerkung. Wir ermöglichen es, dass mehr Akteure solche Produkte anbieten können. Bisher war es den Bausparkassen - ich nenne sie beispielhaft - lediglich möglich, Geschäfte im Bereich des Bausparens zu tätigen. Das Gesetz ermöglicht es auch Bausparkassen, Produkte für die Altersvorsorge anzubieten. Das ist ein Schritt hin zu mehr Wettbewerb und sorgt für einen weiteren Anreiz, der der Altersvorsorge in Deutschland guttun kann.
Ich hoffe, dass wir zu guten Beratungen über den vorliegenden Gesetzentwurf im Ausschuss und im Bundestag kommen werden und dass mit diesem Gesetz ein Fortschritt für die Bürger in unserem Land verbunden ist.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Volker Schneider ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Dr. Krüger, Ihre Rede mutete mir gespenstisch an. Sie haben die Riester-Förderung und den vorliegenden Gesetzentwurf als tolle Erfolge gefeiert. Ich frage mich ernsthaft, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, welches der Sinn einer Rentenversicherung ist. Meiner Meinung nach besteht die Kernaufgabe einer Rentenversicherung darin, die Menschen im Alter vor Armut zu schützen und ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Die Kassiererin aus einem Hamburger Supermarkt, die genauso wie die meisten ihrer Kolleginnen 400 Euro verdient, fragt sich: Was habe ich von diesem Gesetz? Der Bauleiter in Erfurt, der über 50 Jahre alt ist und schon seit vier Jahren arbeitslos ist, fragt sich: Was nutzt mir dieses Gesetz? Die Fernsehjournalistin aus Köln, die sich als Selbstständige von Auftrag zu Auftrag hangelt und später von den Leistungen der Künstlersozialversicherung leben muss, fragt sich: Schützt mich und nutzt mir dieses Gesetz wirklich? Der Soloselbstständige aus dem Saarland, der mit großen Hoffnungen in seine Ich-AG gestartet ist und heute von der Hand in den Mund leben muss und keinen einzigen Cent für die Altersvorsorge erübrigen kann, fragt sich: Was nutzt es? Ich sage Ihnen: Für diese Menschen ist Altersarmut verdammt real und Wohneigentum von einem anderen Stern.
Schauen wir uns Ihre tollen Erfolge bei der Riester-Rente genau an. Aufgrund der veränderten Demografie trägt der Generationenvertrag nicht mehr. Also muss privat vorgesorgt werden. Was passiert aber, nachdem Sie den Menschen das Heil aus der privaten Altersvorsorge versprochen haben und alle Risiken ignoriert haben, die dieses System mit sich bringt? Sie haben das System der gesetzlichen Rentenversicherung demontiert und seiner Schutzfunktion beraubt, sodass die freiwillige private Zusatzversorgung heute faktisch ein Zwang ist - Herr Meister will sie auch zum Zwang machen, wenn ich seine Rede richtig verstanden habe -, es sei denn, ich will sehenden Auges in Kauf nehmen, dass ich im Alter nicht ausreichend vor Armut geschützt bin.
Sie versuchen, den Menschen weiszumachen, dass es gut für sie sei, wenn jeder selbst Kapital für das Alter aufbaut, und tun auch noch so, als wäre dies immer mit einer tollen Rendite, zumindest mit einer besseren Rendite als in der gesetzlichen Rentenversicherung, verbunden. Ich will hier nur am Rande für die Kolleginnen und Kollegen der sogenannten Sozialdemokratie erwähnen, dass in dem Moment, wo jeder für sich selbst sorgt, das Solidarprinzip endgültig aufgekündigt ist.
Bei Ihrer ungebrochenen Begeisterung für die private Vorsorge übersehen Sie beflissentlich einige Punkte, die Ihnen zu denken geben müssten. Selbst Herr Rürup bestreitet nicht, dass die Verwaltungskosten bei den privaten Versicherern bis zu fünfmal so hoch liegen wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das ist kein Wunder. Man muss sich nur anschauen, wie viele Versicherungsvertreter unterwegs sind, welche Provisionen sie kassieren und welcher Werbeaufwand getrieben wird. Zieht die Versicherung die Verwaltungskosten zuerst ab, dann wird manch einer staunen. Viele, die in einer Notlage eine Lebensversicherung vorzeitig gekündigt haben, mussten schon feststellen, dass sie exakt null herausbekommen, obwohl sie jahrelang eingezahlt haben.
Nun behaupten Sie, dass die Versicherungsunternehmen mit dem eingezahlten Kapital arbeiteten und damit deutlich bessere Renditen erzielten als die gesetzliche Rentenversicherung. Das belegen Sie dann mit Beispielrechnungen, die so unseriös sind, dass im Vergleich dazu ein Hütchenspieler fast schon wie eine ehrliche Haut erscheint.
Was Sie bei all diesen Berechnungen verschweigen, ist die Tatsache, dass die gesetzliche Rentenversicherung mehr ist als nur eine Alterssicherung; denn sie schließt auch die Absicherung bei Erwerbsminderung ein. Wenn man bei einer privaten Versicherung eine sehr teure Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abschließen muss, dann lösen sich Ihre Renditeversprechungen ganz schnell in Luft auf.
Das ist hinsichtlich der Renditeversprechungen auch kein Wunder: Wenn man von dem eingezahlten Kapital zuerst bis zu 20 Prozent für Verwaltungskosten abzieht, dann müsste man schon sensationell wirtschaften, um mit den verbleibenden 80 Prozent Kapital noch tolle Erfolge zu erzielen.
Wo werden diese Renditen erzielt? Auch die Lebensversicherer investieren am internationalen Finanzmarkt, und was dort im Moment passiert, brauche ich wohl nicht mehr zu sagen. 1 000 Milliarden Dollar lösen sich im Moment in Luft auf. Die Menschen in Südamerika, in den USA und in Großbritannien mussten erleben, wie ihre betriebliche und private Vorsorge in der Vergangenheit katastrophale Einbrüche erlebte. Das stand am 10. März 2004 auch in der Frankfurter Rundschau zu lesen:
Drei Jahre sinkender Börsenkurse und niedriger Zinssätze haben den Wert des nichtstaatlichen Rentenvolumens drastisch gesenkt.
In derselben Woche hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, das die private Vorsorge eindeutig stärker fördert. Kurz zuvor - auch das hat als Mahnung nicht gereicht - war mit der Mannheimer Lebensversicherung erstmals auch in Deutschland ein Versicherungskonzern in die Knie gegangen. Die Risiken waren und sind also bekannt.
Und als Letztes: Während die gesetzliche Rentenversicherung vor ihrer Absenkung durch die Einführung von Dämpfungsfaktoren der Lohnentwicklung folgte, erhalten Sie bei einer privaten Vorsorge das heraus, was Sie eingezahlt haben, zuzüglich der erzielten Rendite.
Dieser Betrag ist aber während der gesamten Vertragslaufzeit der Inflation ausgesetzt. Deshalb wird es manch langes Gesicht geben, wenn den Versicherten klar wird, wie viel die versprochene Rente, deren Höhe bei Vertragsabschluss noch so vielversprechend klang, bei der Auszahlung tatsächlich wert ist. 100 000 Euro entsprechen bei einer Inflationsrate von 1,5 Prozent nach 35 Vertragsjahren real noch nicht einmal mehr 60 000 Euro. Das sind die Fakten.
Ein Gewinner dieses Systems steht jedoch fest: die Versicherungsunternehmen, denen Sie durch die Privatisierung der Altersvorsorge mindestens 12 Milliarden Euro zusätzlichen Umsatz beschert haben. Damit deren Umsatz weiter steigt, übernehmen Sie jetzt auch noch die Kosten für die Werbegeschenke an Jugendliche bis zum 21. Lebensjahr, auch wenn Sie das Berufseinsteigerbonus nennen.
Weil das Geschäft so toll läuft, sollen nach den Versicherungsunternehmen auch die Bausparkassen von der Privatisierung profitieren. Sollten Sie in den nächsten Jahren nicht wieder ihre 60 000 Euro Spenden vom Allianzkonzern bekommen, ahne ich, woher das Geld beim nächsten Mal kommen wird.
Den Menschen draußen im Land hilft das nichts. Aber das kümmert Sie ja offensichtlich nicht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab nur ganz kurz eine Bemerkung zu dem, was der Kollege von der Linken, Herr Schneider, gerade geäußert hat.
Er tut so, als ob der Staat ungeachtet unserer heutigen demografischen Entwicklung in Zukunft für eine Rente aufkommen könnte, die die Rentner und Rentnerinnen von staatlicher Seite aus so weit schützt, dass sie nicht weniger haben als heute, auch wenn sie nicht privat oder betrieblich vorsorgen. Er sagt nicht, dass wir damit - man muss ja über die Legislaturperiode hinaus konkret weiterdenken - bis zum Jahr 2030 in eine Situation gerieten, in der die Rentenversicherungsbeiträge der abhängig Beschäftigten und der Arbeitgeber 40 Prozent betrügen.
Das ist genau der Punkt, an dem ich sage: Sie haben kein Konzept, und Sie suggerieren den Leuten, dass man, ohne selbst in der privaten bzw. betrieblichen Vorsorge aktiv zu werden, einen Schutz im Alter hat. Und das ist völlig falsch.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, nicht alles, was lange währt, wird unbedingt richtig gut.
Wir haben leider schon oft in der Regierungszeit erlebt, dass der Gedanke, der am Anfang steht, zwar ganz gut ist, aber man dann, wenn die Gesetzentwürfe vorgelegt werden, relativ schnell feststellt, dass es nicht gerade Geniestreiche sind, die Sie hier präsentieren.
Das gilt auch für das Eigenheimrentengesetz. Es ist wenig verwunderlich: Die SPD wollte eigentlich gar keine Änderungen, die Union wollte eigentlich einen Ersatz für die abgeschaffte Eigenheimzulage, und deshalb ist wohl auch der Name Eigenheimrente zustande gekommen.
Da sieht man einmal, wie solche Kompromisse Begriffsform annehmen.
Aber wie ist die Situation? Wir haben heute etwa 11 Millionen Menschen, die für eine Riester-Rente sparen. Wir wissen, dass es etwa 33 Millionen Menschen gibt, die bei uns in Deutschland einen Anspruch haben, einen Riester-Vertrag abschließen zu können. Wir wissen, dass die private Altersvorsorge eine tragende Säule für die Sicherung des Lebensstandards im Alter ist. Wir sagen auch, dass eine attraktive, einfache und verständliche Förderung Sinn macht, damit noch mehr Bürgerinnen und Bürger die Chance nutzen, ihre späteren Altersbezüge aufzubessern. Aber so, wie Sie von der Großen Koalition es anfangen, wird es nichts werden; denn die Vorschläge sind hochkomplex, sie sind verwaltungsaufwendig, und sie sind kostenintensiv.
So zeigen zum Beispiel die fiktiven Wohnförderkonten, die die Anbieter für ihre Exkunden weiterführen müssen, die Komplexität. Das verkompliziert das gesamte Förderverfahren enorm. Herr Thiele hat zu Recht darauf hingewiesen, dass 21 neue Informationspflichten kommen. Auch wir haben das schon gemerkt. Wir brauchen vielfältige gesetzliche Änderungen, worauf Sie hingewiesen haben. Herr Dr. Meister hat die Ziele beschrieben und erklärt, warum man das tut. Der Anspruch ist richtig, aber leider klaffen wie so oft Anspruch und Wirklichkeit bei der Großen Koalition ziemlich auseinander.
Sie haben die Chance verspielt, den Gesamtförderrahmen flexibler auszugestalten. Erstens müsste die staatliche Einmischung zurückgenommen werden. Viele Bürgerinnen und Bürger sparen übrigens nicht in Riester-Produkte, weil sie sich gegängelt fühlen. So gibt es die formale Begrenzung der Produkte, es gibt ein Mindestalter beim Renteneintritt, es gibt die Zwangsverrentung ab 85, und es gibt die formalen Auszahlungsvorschriften. Das sind komplizierte Bestimmungen, die manche Leute einfach nicht wollen. Eine private Altersvorsorge, die, wie bei uns, nicht obligatorisch ist, muss den Sparenden Selbstbestimmung einräumen.
Das ist das Prinzip, das wir von den Grünen immer hochgehalten haben. Wir haben auch in der Vergangenheit, als die Gesetze entwickelt worden sind, gesagt, dass wir ein Stück mehr Selbstbestimmung wollen und nicht immer nur das Versicherungsdenken im klassischen Sinne. Dann kann man nämlich auch eine Lebensversicherung abschließen, was völlig in Ordnung ist.
Zweitens wäre es an der Zeit, dass alle Bürgerinnen und Bürger gefördert werden, und zwar unabhängig davon, ob sie in der Ausbildung sind, ob sie abhängig beschäftigt sind oder ob sie selbstständig sind. Nur so bietet die Förderung genug Flexibilität für individuelle Lebenskonzepte.
Drittens brauchen wir ein einheitliches Dach für die zusätzliche Altersvorsorge; denn sonst drohen die Sparenden den Überblick zu verlieren. Das ist das Problem.
Von all dem steht nichts in dem Gesetzentwurf. Es ist kaum nachvollziehbar, wie so die Attraktivität der steuerlich geförderten Altersvorsorge erhöht werden soll. Ich frage mich auch, wie die Große Koalition den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln will, dass im Alter Beträge versteuert werden müssen, die in der selbst genutzten Wohnung oder im selbst genutzten Haus gebunden sind und gar nicht fließen. Ich bezweifle, dass sich sehr viele Menschen darauf einlassen werden.
Wir kritisieren bestimmte Punkte. Es gibt verbraucherfeindliche Produkte, gegen die die Verbraucherschutzverbände übrigens schon heute Sturm laufen. Es gibt Verträge, die vorsehen, dass Darlehen zu einem hohen Zinssatz aufgenommen und nicht getilgt werden, während gleichzeitig zu einem niedrigen Zins angespart wird und die jeweilige Bank damit einen entsprechenden Gewinn auf Kosten der Kunden erwirtschaftet. Ich finde, der Staat sollte die Sparenden nicht noch locken, unattraktive Produkte zu erwerben.
Das muss man auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten so sehen.
Aus diesem Grund haben die Grünen das Altersvorsorgekonto entwickelt. Es ist ein einfacher, verständlicher Weg. Das Finanzierungskapital für selbst genutztes Wohneigentum soll dem Altersvorsorgekonto steuerfrei entnommen werden können. Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Wir werden diesen Ansatz in die Diskussion einbringen.
Ich bin auf die Anhörung gespannt, die wir haben werden. Ich habe aus der Gesellschaft großen Zuspruch für das von den Grünen vorgeschlagene Altersvorsorgekonto erfahren. Dieses Konto ist wesentlich attraktiver als das, was die Große Koalition hier macht.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Petra Weis, SPD-Fraktion.
Petra Weis (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Wohn-Riester - ich gestehe freimütig, dass mir dieser Begriff leichter über die Lippen kommt als der der Eigenheimrente; der Mensch ist ein Gewohnheitstier - ist der Koalition nach langen und, wie wir wissen, durchaus kontroversen Verhandlungen und Diskussionen eine nachhaltige Ausweitung der privaten Altersvorsorge gelungen. Diese Aussage gilt auch im Angesicht der vielfach geäußerten Kritik von interessierter Seite. Ich sage das mit einem nicht übertriebenen, aber durchaus gesunden Selbstbewusstsein im Hinblick auf das erzielte Ergebnis.
Man mag uns sicherlich vorhalten - das ist schon zur Sprache gekommen -, dass es viel zu lange gedauert hat, bis dieser Kompromiss auf dem Tisch lag. Frau Kollegin Scheel, gut Ding braucht manchmal Weile. Ich schätze die Bedeutung und die Qualität des Kompromisses deutlich positiver ein, als Sie es tun. Man mag uns vorwerfen, dass die Regelungen zu kompliziert und zu bürokratisch sind. Ich habe manchmal das Gefühl, dass das fast schon ein Totschlagargument ist. Gelegentlich frage ich mich auch: Woher wissen wir eigentlich, ob die Sache in der Praxis funktioniert oder nicht? Man mag uns vorhalten, dass der Wohn-Riester kein gleichwertiger Ersatz für die abgeschaffte Eigenheimzulage ist. Das war aber auch nie die Absicht.
Man muss neidlos anerkennen, dass es uns gelungen ist, das selbst genutzte Wohneigentum nun als gleichberechtigtes Element der Riester-Rente zu etablieren. Das unterstützt den Wunsch vieler Menschen, Wohneigentum zu erwerben. Der Kollege Meister hat das schon vorhin erwähnt. Wir wissen, Kollege Thiele, dass sie nicht alle die FDP wählen - welch ein Glück!
?Ein Haus, zwei Bier? titelte unlängst ein Nachrichtenmagazin und rechnete mithilfe eines Verbraucherschützers vor, dass die Betroffenen ihr Wohneigentum in Zukunft schneller abbezahlen werden, dass sie deutlich niedrigere Kosten haben werden und dass die zu erzielende Rente im Alter durchaus ausreicht, um die Riester-Steuer zu finanzieren. Danach wurde durchaus zu Recht gefragt, und wir mussten auf diese Frage eine überzeugende Antwort finden. Ebendieses Nachrichtenmagazin schrieb, übrig bleibe noch genug für zwei Bier monatlich an der Bar. Man könnte statt Bier auch andere, alkoholfreie und ebenfalls köstliche Getränke ähnlicher Preisklasse in Erwägung ziehen. In diesem Artikel ging es um Bier, wahrscheinlich deshalb, weil man das Thema ein bisschen zugänglicher machen wollte.
Warum hat mir dieser Kommentar so gut gefallen? Er hat mir so gut gefallen, weil er sich wohltuend abhob von mancher Polemik, die aus meiner Sicht allenfalls dazu angetan war, diejenigen, die wir mit diesem Produkt erreichen wollen, nämlich die potenziellen Haus- und Wohnungseigentümer, zu verunsichern, statt sie zu ermutigen, diesen Schritt zu gehen, der für viele zweifelsohne nichts ist, was man gleich mehrfach im Leben wagt.
Die Eigenheimrente wird - da bin ich mir ziemlich sicher - die Neubauaktivitäten, die in den letzten Jahren rückläufig waren, deutlich stimulieren. Für die Bauwirtschaft ergibt sich wieder ein deutlicher Impuls. Die Bauwirtschaft selbst hat sich wie viele andere für die Einbeziehung der Wohnimmobilie in die staatlich geförderte Altersvorsorge ausgesprochen. Darüber hinaus hat die Bauwirtschaft Vorschläge gemacht, die in das jetzt vorgelegte Modell eingeflossen sind.
Mit dem neuen Förderinstrument können wir nun auch verstärkt Impulse setzen, die nicht nur den Neubau von Häusern und Wohnungen, sondern auch den Erwerb und den Umbau von Bestand deutlich voranbringen. Das steht im Übrigen - Sie gestatten mir als Baupolitikerin und als Stadtentwicklungspolitikerin diese Anmerkung - in völliger Übereinstimmung mit den weiteren Instrumenten unserer Politik für eine nachhaltige Stadtentwicklung im Zeichen des demografischen Wandels.
Der Wohn-Riester ist eingebettet in die Städtebauförderung, den Stadtumbau, die energetische Gebäudesanierung, die Politik der Stärkung der Innenentwicklung der Städte und vieles andere mehr. Erst in diesem Zusammenhang erschließt sich ja die Dimension des Projekts. Deswegen war es meines Erachtens höchste Zeit, dass die Koalition nun einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, nach dessen Verabschiedung die Regelungen rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt ja sehr selten vor, dass das Thema Wohnen, das nicht nur ein Grundbedürfnis aller Menschen beschreibt, sondern auch in seiner Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht unterschätzt werden darf, einen solch hohen Stellenwert in diesem Hohen Haus bekommt, und dann auch noch zu einer so prominenten Tages- bzw. Uhrzeit. Wenn wir in wenigen Stunden - Sie gestatten mir diesen kleinen Ausblick - dann auch noch die Erhöhung des Wohngelds beschlossen haben werden, dann - davon bin ich fest überzeugt - wird die Koalition zumindest in diesem Punkt - hier ganz besonders - nicht nur ihre Handlungsfähigkeit, sondern auch ihre Problemlösungsfähigkeit bewiesen haben. Das ist übrigens etwas ganz anderes als die unsinnigen und illegitimen Heilsversprechungen von der linken Seite dieses Hauses.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun erhält der Kollege Eduard Oswald das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kritik der Opposition an dem Gesetzentwurf der Koalition ändert nichts daran: Das Eigenheimrentengesetz - das ist der richtige Name, Frau Kollegin Petra Weis - stellt eine wegweisende wohnungspolitische Weichenstellung dar.
Wir nehmen jetzt die Integration des Wohnungseigentums in die staatliche Altersvorsorge vor.
Natürlich ist dieser Entwurf ein Kompromiss aus unterschiedlichen Ansätzen,
aber so ist es nun einmal in einer Koalition, besonders wenn sie groß ist. Das weiß Frau Kollegin Christine Scheel aus früheren Koalitionen, das weiß Carl-Ludwig Thiele aus früheren Koalitionen.
Es geht immer um den Versuch, gemeinsam etwas zu gestalten. Wir kamen ja aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Aber ich glaube, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Mit diesem Gesetz wird - das ist der Punkt - die Diskriminierung der Wohnimmobilie im System der staatlichen Altersvorsorge beseitigt.
Diese stellt ja die beliebteste Form der privaten Altersvorsorge dar. Sie wird nun in dieser Funktion auch staatlich anerkannt. Eine aktuelle Umfrage hat jetzt wieder bestätigt, dass 61 Prozent der Deutschen eine eigene Immobilie für die beste Form der Altersvorsorge halten. Diesem eindeutigen Votum wird nun Rechnung getragen.
Mit diesem Gesetz wird auch bestätigt, dass Bausparen als millionenfach bewährter Weg zur Bildung von Eigenkapital und zur sicheren zinsgünstigen Wohnungsbaufinanzierung einen ganz wesentlichen Beitrag zur Altersvorsorge mit Wohneigentum leistet.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Lieber Kollege Oswald, wollen Sie schon zu diesem frühen Zeitpunkt Ihrer Rede eine Zwischenfrage zulassen?
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Nein, das möchte ich jetzt nicht. Insofern war Ihr Hinweis angebracht. Die Frau Kollegin Dr. Höll hat ja im Ausschuss Gelegenheit, das zu tun. Wir sind ja jetzt in der ersten Lesung. Hören Sie sich erst einmal an, was wir auf den Weg bringen! Außerdem weiß ich nach der Fundamentalkritik der Linken, die überhaupt kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf gelassen hat, gar nicht, was Sie hier fragen wollen.
Im Kern geht es bei dem vorliegenden Entwurf des Eigenheimrentengesetzes darum, dass Spar- und Tilgungsleistungen für selbst genutztes Wohneigentum die gleiche steuerliche Förderung erhalten sollen wie die bestehenden Riester-Produkte, also wie Rentenversicherungen sowie Bank- und Fondssparpläne, mit denen Geldvermögen für zusätzliche Rentenbezüge im Alter gebildet wird. Darüber haben wir ja schon einiges gehört.
Das geförderte Kapital soll nachgelagert, also mit Beginn des Ruhestandes, versteuert werden. Klar, dass die Union bei dem Thema einen anderen Ansatz hatte. Ich finde aber, dass mit dem Kompromiss, dass einerseits die volle Förderung in der Ansparphase und eine nachgelagerte Besteuerung vorgesehen sind sowie andererseits Regelungen enthalten sind, die auf die Besonderheiten der Wohnimmobilie eingehen, eine richtige Entscheidung getroffen worden ist.
Es ist höchste Zeit, dass der Eigenheimbau wieder in Schwung kommt. Dieses Eigenheimrentengesetz kann belebend wirken.
Vor allem wird es einen positiven psychologischen Effekt haben. Die Wohneigentumsbildung erhält kräftigen Rückenwind. Das sollte Mut machen und die Investitionsbereitschaft stärken. Die geplante Riester-Förderung für Tilgungsbeiträge kann sogar schon kurzfristig zum Bau oder Kauf eigener vier Wände animieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Ich bin zuversichtlich, dass sich Deutschland mit der neuen Altersvorsorgeförderung für Wohneigentum auf den Weg machen kann. Es wird höchste Zeit - Kollege Thiele hat es angedeutet -, dass wir endlich die rote Laterne bei der Wohneigentumsquote in Deutschland abgeben.
Das, was wir für den Wohnungsbau tun, reicht alleine nicht. Wir müssen weitere Akzente setzen.
Die gegenwärtigen Zahlen zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Dies können wir an den drastischen Genehmigungszahlen für das Jahr 2007 ablesen. Insgesamt gingen sie im Wohnungsbau um 27 Prozent gegenüber 2006 zurück. Damit ist ein historisch niedriges Niveau erreicht. Bei Eigenheimen betrug der Einbruch sogar 35 Prozent. Das sind 95 000 Einheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern.
Dies ist im Jahre 2007 nicht einmal die Hälfte dessen gewesen, was vier Jahre zuvor genehmigt wurde.
Aus vielen Teilen unseres Landes, nicht nur aus den Zentren Bayerns und Baden-Württembergs, sondern auch aus der Rheinschiene in Nordrhein-Westfalen, erreichen uns die Klagen von Experten und Verbänden. Alle haben einen Tenor: Bezahlbarer Wohnraum wird bereits knapp. Trotz der demografischen Entwicklung steigt die Zahl der Haushalte weiter, mindestens noch zehn Jahre. Das heißt, junge Menschen bekommen bei der familiengerechten Wohnungsversorgung Probleme. Die Berechnungen liegen ja auf dem Tisch. Für die nächsten Jahre ist immerhin ein jährlicher Neubaubedarf von knapp 280 000 Wohneinheiten errechnet. Oder mit anderen Worten: Wir bräuchten 50 Prozent mehr Neubau, als 2007 genehmigt wurde.
Für mich und meine Fraktion ist Wohneigentum ein Teil der Gesellschaftspolitik,
weil es Vermögensbildung voraussetzt und das öffentliche wie persönliche Denken und Handeln in langfristigen Zeiträumen fördert. Sparen und investieren, bewahren und vererben sind Verhaltensweisen, die Wohlstand ermöglichen.
Die Förderung des Wohneigentums liegt daher im Interesse des Gemeinwesens. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für meine Fraktion.
Mit dieser Form der Wohneigentumsbildung setzen wir unsere traditionell konservative deutsche Baufinanzierungskultur fort. All diejenigen - es ist ja noch nicht so lange her -, die uns die amerikanische Finanzierungsform als Vorbild und möglichen Wachstumsturbo für Deutschland gepriesen haben, sind zu Recht verstummt. Traditionell solide Finanzierungen haben sich bewährt.
Koalitionen zwingen also zu Kompromissen. Dass aber jetzt eine nachhaltige Verankerung des Wohneigentums in der staatlichen Altersvorsorgeförderung auf den Weg gebracht wird, ist ein sehr gutes Signal. Dass die Wohnungsbauprämie erhalten bleibt, wenn auch mit einer dauerhaften Zweckbindung, ist ebenfalls ein richtiges Signal.
Sie sehen, das Verhandeln hat sich gelohnt. Wenn es ein bisschen länger gedauert hat, dann war es notwendig, damit etwas Besseres herauskommt, als ursprünglich vorgesehen war.
Ich hoffe, dass es im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch möglich sein wird, eine Ausnahmeregelung für junge Menschen gerade im Bereich der Wohnungsbauprämie zu treffen. Denn die Wohnungsbauprämie hat sich als sehr wirksame Sparmotivation für junge Leute bewährt und damit als Initialzündung für umfangreiche Investitionen in Wohneigentum gewirkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für meine Fraktion war es das grundlegende Ziel, den Erwerb von Immobilien zu fördern. Wir wollten ein einfaches und verständliches Fördersystem. Vielleicht kann man das eine oder andere noch einfacher machen. Das ist immer eine Forderung.
Im Regelfall machen wir vieles kompliziert; das ist wohl wahr. Dieser Gesetzentwurf kann aber - das ist für uns das Entscheidende - ein wichtiger Impuls für mehr Wohneigentum in Deutschland sein.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Höll.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Oswald, ich bedaure, dass Sie mir nicht die Möglichkeit gegeben haben, eine Frage grundsätzlicher Art zu stellen. Ich kann mir vorstellen, dass viele Handwerker oder Bauunternehmer dieselbe Frage haben, wenn sie Ihre Rede gehört haben. Sie haben mit Vehemenz die Ansicht vertreten, dass der Erwerb von Immobilien das Nonplusultra, die ideale Form der Altersvorsorge ist. Darüber möchte ich nicht inhaltlich sprechen. Ich möchte Sie nur fragen, warum Ihre Koalition dann die Eigenheimzulage abgeschafft hat. Das erschließt sich mir nicht ganz, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Eigenheimzulage als direkte Zahlung von allen Menschen gleichermaßen in Anspruch genommen werden konnte und die Höhe der Geldleistung vom Einkommen unabhängig war. Das, was Sie in Ihrem neuen Gesetzentwurf vorschlagen, führt hingegen dazu, dass Menschen mit einem höheren Einkommen eine höhere Steuerersparnis haben, also eine höhere Subvention erhalten und wesentlich stärker als Menschen mit mittlerem Einkommen gefördert werden, die diese Möglichkeit nutzen wollen. Vor dem Hintergrund, dass die Eigenheimzulage abgeschafft wurde, frage ich: Warum soll diese Förderung jetzt so toll sein? Das erschließt sich mir wirklich nicht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zur Erwiderung Herr Kollege Oswald.
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Frau Kollegin Dr. Höll, es ist schade, dass Sie den Gesamtzusammenhang meiner Rede nicht aufgenommen haben. Der Gesamtzusammenhang war: Wir wollen die Menschen, die den Wunsch nach einer Immobilie haben, unterstützen, und das ist Teil eines ganzen Paketes von Maßnahmen - Riester-Rente, Rürup-Rente -, mit dem wir die Menschen fördern. Für jeden Einzelnen ist etwas dabei. Jetzt schließen wir eine Lücke - das ist eine richtige Maßnahme - und verhelfen den Menschen zu mehr Wohneigentum.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Jörg Vogelsänger, SPD-Fraktion.
Jörg Vogelsänger (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2001 haben Bundestag und Bundesrat dem Altersvermögensgesetz zugestimmt. Eine breite gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland erkennt zunehmend die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge; Eigentumsbildung gehört selbstverständlich dazu. Hier sind die Anstrengungen zu verstärken, und das tut die Große Koalition. Die Linkspartei schürt Ängste; das nutzt den Menschen in Deutschland überhaupt nichts.
Im Sommer 2006 hat die SPD-Fraktion ein Wohn-Riester-Modell entwickelt. Nun liegt ein Gesetzentwurf der Koalition vor. Es ist ein besonders bedeutendes Gesetzesvorhaben, das - so ist es nun einmal bei der Eigentumsbildung - weit über diese Legislaturperiode hinaus wirken wird. Wir gehen dabei neue Wege. Das Eigenheimrentengesetz wird ein weiterer wichtiger Baustein der Altersvorsorge sein: Die Riester-Rente soll auf selbstgenutzte Wohnimmobilien ausgedehnt werden. Das ist gut und richtig so.
Verehrter Kollege Thiele, ich freue mich über jede junge Familie in meinem Wahlkreis, die den Mut hat, ein Eigenheim zu bauen;
das ist ein mutiger Schritt. Mit dem neuen Gesetz zeigen wir neue Wege auf. Wir zwingen niemanden; aber wir sollten den Menschen Mut machen, denn Wohneigentum stellt eine gute Altersvorsorge dar.
Mehr noch: Auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen wird förderfähig. Das ist ein weiterer wichtiger und richtiger Schritt, der keineswegs selbstverständlich ist. Man hätte das auch anders regeln können. Ich denke, wir gehen auch hier einen richtigen Weg.
Häufig geben Genossenschaften gerade Kleinverdienern die Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. So bieten sie Haushalten mit geringen Einkommen hohe Wohnqualität und solidarisches Eigentum. 2,2 Millionen Genossenschaftswohnungen sichern immerhin deutlich mehr als 5 Millionen Menschen Wohnraum. Wohnungsgenossenschaften stehen für Wohnsicherheit im solidarischen Eigentum ohne belastende Kapitalbindung.
Das Gemeinschaftseigentum schließt nutzungsfremde Kapitalinteressen aus. Sie sind ein Wohnmodell zwischen Miete und Eigentum, das substanzerhaltend an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Schon jetzt bieten Genossenschaften ihren Mitgliedern spezielle genossenschaftliche Altersvorsorgeprodukte wie den zusätzlichen Erwerb von Geschäftsanteilen an. Mit dem Eigenheimrentengesetz können wir das noch weiter fördern. Gerade junge Menschen erhalten durch das Gesetz die Möglichkeit, während der Erwerbstätigkeit dafür zu sorgen, dass sie auch im Alter zu angemessenen Kosten wohnen können. Das wird auch durch genossenschaftliche Wohnungen ermöglicht.
Deshalb ist es richtig und wichtig, dass das Eigenheimrentengesetz beschlossen wird. Damit wird auch das genossenschaftliche Eigentum gestärkt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf der Drucksache 16/8869 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27 a bis 27 c:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Frank Schäffler, Martin Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten - Voraussetzungen für eine grundlegende Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors schaffen
- Drucksache 16/8771 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Schäffler, Martin Zeil, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Reaktion auf die Krise der staatlichen Banken
- Drucksache 16/6998 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Sozialisierung der Verluste verhindern - Sicherungsfonds für privaten Finanzsektor schaffen
- Drucksache 16/8888 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Martin Zeil für die FDP-Fraktion.
Martin Zeil (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ?Banken sind gefährlicher als stehende Armeen?, wie Thomas Jefferson einmal sagte. Große Teile der Finanzwirtschaft haben die Welt in den vergangenen Monaten das Fürchten gelehrt. Auf der Jagd nach maximalen Renditen wurden bei hochriskanten Geschäften Milliarden verzockt.
Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass weltweit ein Schaden von mindestens 1 Billion Dollar entstehen wird. Diese kaum vorstellbare Summe offenbart nicht nur eine verantwortungslose Spielkasinomentalität; erschreckend ist vor allem, dass interne und externe Kontrollmechanismen und das Risikomanagement derart versagt haben.
Das Vertrauen der Menschen in das Finanzsystem ist durch diese Machenschaften zutiefst erschüttert worden. Ursachen und Folgen der Finanzkrise müssen dringend aufgearbeitet werden.
Uns geht es heute um die Konsequenzen für den staatlichen Bankensektor, also für den engeren Verantwortungsbereich der Politik. Wir halten eine Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors für überfällig.
Die FDP ist schon lange der Meinung, dass Vater Staat als Banker eine Fehlbesetzung ist.
Die Mehrzahl der staatlichen Banken hatte und hat nämlich kein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell. Hier wird das Geld des Steuerzahlers verbrannt, nicht etwa das Geld eines Aktionärs.
Es war der Finanzminister, der aus der Förderbank KfW eine Art Hedgefonds für seine staatliche Beteiligungspolitik gemacht hat.
Der Einstieg der KfW bei der IKB war, wie wir heute wissen, eine milliardenschwere Fehlentscheidung.
Zur Absicherung staatlicher Banken bei Spekulationsgeschäften wurden bis heute sage und schreibe Darlehen und Garantien in Höhe von mehr als 18 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt. Die vorgenommenen Wertberichtigungen belaufen sich auf mehr als 10 Milliarden Euro, die bereits eingetretenen Verluste auf mehrere Milliarden. Solche Geschäfte sind mit dem gesetzlichen Auftrag und der Zweckbestimmung öffentlich-rechtlicher Banken schlicht und einfach nicht zu vereinbaren.
Ich will Ihnen das am Beispiel der Bayerischen Landesbank erläutern. Im Gesetz über die Bayerische Landesbank ist festgelegt, dass diese Bank die Aufgabe einer Staatsbank hat und ihre Geschäfte unter Beachtung ihres öffentlichen Auftrags zu führen hat. Es liegt auf der Hand, dass Spekulationen mit schwer durchschaubaren und hochriskanten Finanzprodukten wie den Subprime-Krediten ganz offensichtlich nicht zu der eben zitierten gesetzlichen Aufgabe passen. Es ist auch völlig ungeklärt, ob sich Sparkassen nach ihrer gesetzlichen Bestimmung überhaupt an einer Bürgschaft für solche Geschäfte beteiligen dürfen. Das Problem liegt in dem schleichenden Ausbau der staatlichen Banken über ihren gesetzlichen Auftrag hinaus zu international agierenden Geschäftsbanken.
Hier stellt sich auch die Frage der Verantwortlichkeit und der Überwachung. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien staatlicher Banken beruht natürlich auf ihrem öffentlichen Auftrag. Im Fall der Bayerischen Landesbank drückt sich das dadurch aus, dass im zehnköpfigen Verwaltungsrat fünf Vertreter der Regierung, ein Landrat und ein Oberbürgermeister sitzen. Man tritt den Herrschaften sicher nicht zu nahe, wenn man davon ausgeht, dass sie bei der Einschätzung von Risiken einer international tätigen Geschäftsbank völlig überfordert waren. Wie das Beispiel IKB zeigt, ist nicht einmal allgemeiner wirtschaftlicher Sachverstand eine Garantie für qualifizierte Kontrolle.
Der Verwaltungsrat der Landesbank beschließt die Richtlinien für die Geschäftspolitik und überwacht den Vorstand. Nach den Erfahrungen der letzten Monate gibt es in einem solchen Fall nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Verwaltungsrat eine Geschäftspolitik gebilligt, die von den gesetzlichen Bestimmungen nicht gedeckt war, oder die Geschäftspolitik wurde an ihm vorbei gemacht; dann hat er bei der Überwachung versagt.
Das Ergebnis - wieder am Beispiel Bayern - ist: Risikopapiere in Höhe von 24 Milliarden Euro. Die Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 24 Milliarden Euro! Jetzt wird allein dort eine Garantie von 6 Milliarden Euro erforderlich. Steuerzahler und Sparkassen sollen für Missmanagement und mangelnde Überwachung in Haftung genommen werden, ohne dass sie sich dagegen wehren können.
Darum geht es in unserem Antrag: Diese Sozialisierung von Spekulationsverlusten muss verhindert werden.
Sie führt dazu, dass der Staat Leistungen nicht mehr erbringen kann, und sie engt den Spielraum für notwendige Investitionen ein. Kurzum: Die Sozialisierung von Spekulationsverlusten ist unsozial.
Ich will es noch einmal verdeutlichen: Auf jeden einzelnen Bürger kommt ein verbrannter 100-Euro-Schein. Was hätte man mit diesen Milliarden machen können! Mit nur 1 Milliarde Euro könnte der Staat zum Beispiel eine Kindergelderhöhung von 5 Euro im Monat finanzieren. Mit 1 Milliarde Euro könnte vielerorts der dringendste Bedarf an zusätzlichem Personal für unsere Schulen gedeckt werden.
?Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank?, hat der Dichter Bertolt Brecht einmal gesagt.
Für den Bürger ist dieses Zitat durch die fahrlässige Ausweitung der Geschäfte öffentlicher Banken und wegen der Verletzung von Kontrollpflichten durch überforderte Politiker bittere Realität geworden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Leo Dautzenberg, CDU/CSU-Fraktion.
Leo Dautzenberg (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Monaten haben wir uns hier zuletzt mit der leider immer noch aktuellen Finanzmarktkrise beschäftigt. Sie ist heute erneut Ausgangspunkt der Anträge von FDP und Linken. Die FDP nimmt die aktuelle Krise zum Anlass, um wieder einmal den öffentlich-rechtlichen Bankensektor infrage zu stellen. Die Linke bezweifelt gar die Funktionsfähigkeit des deutschen Einlagensicherungssystems und fordert die Einführung eines zusätzlichen Sicherungsfonds für private Kreditinstitute.
Meine Damen und Herren von der Linken, ich frage mich wirklich: Wie kommen Sie dazu, den aktuellen Einlagensicherungssystemen der deutschen Banken die Funktionsfähigkeit derart abzusprechen?
Richtig ist, dass wir mit Blick auf die Anlegerentschädigung, nicht aber grundsätzlich hinsichtlich der Einlagensicherung über Reformen nachdenken müssen. Dafür hat uns der Finanzminister Vorschläge zugesagt. Richtig ist aber auch, dass private Gelder in Deutschland so gut abgesichert sind wie in kaum einem anderen Land.
Wenn wir also über mögliche Reformen reden, dann sollten wir das in der gebotenen Sachlichkeit tun. Die Darstellung in Ihrem Antrag, in dem Sie die Gefahr von Serienbankrotten deutscher Banken skizzieren, bedeutet Panikmache und ist unverantwortlich.
Kommen wir zu den Anträgen der FDP. Sie von der FDP stellen wieder einmal den öffentlich-rechtlichen Bankensektor infrage. Wenn ich von den Problemen einiger Landesbanken einmal absehe - darauf komme ich später noch zu sprechen -,
kann ich zur Strukturfrage nur sagen: Ich bin davon überzeugt, dass sich die breit aufgestellte Bankenlandschaft in Deutschland gerade in Krisenzeiten bewährt,
weil sie Risiken besser verteilt und Probleme so besser abfedern kann. Vorgänge in europäischen Nachbarländern haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine solche Abfederung zu haben, sodass es nicht zu Panik kommt, wie es in England teilweise der Fall war.
Gleiches gilt für die Struktur der deutschen Bankenaufsicht. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, wie wertvoll die Zusammenarbeit von Deutscher Bundesbank und BaFin auch in diesem Bereich war. Grundsätzliche Debatten über das deutsche Bankensystem und seine Aufsicht scheinen mir als Reaktion auf die Finanzmarktkrise unangebracht zu sein.
Wichtiger ist es, konkrete Probleme anzugehen. Wenn wir das tun wollen, führt auf nationaler Ebene kein Weg daran vorbei, auch über die Situation der Landesbanken zu sprechen; darin gebe ich der FDP recht. Es ist ebenso richtig, dass wir darüber auch im Deutschen Bundestag diskutieren; denn es geht dabei um den Finanzstandort Deutschland insgesamt.
Ich gebe aber zu bedenken: Sämtliche Maßnahmen, die wir uns für die Landesbanken vorstellen könnten, liegen nicht in der Entscheidungskompetenz des Bundestages und nicht in der Entscheidungskompetenz des Bundes.
In der Pflicht stehen allein die Eigentümer der Landesbanken, das heißt die Länder und die Sparkassenverbände.
Verehrter Kollege Zeil, alles das, was Sie hier gefordert haben, hätten Sie zumindest in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wo Sie als FDP an der Regierung beteiligt sind und damit auch Miteigentümerrechte an diesen Banken wahrnehmen können, schon umsetzen können.
Die von Ihnen gefürchtete - ich zitiere - ?interventionistische Industriepolitik zur Konsolidierung von Landesbanken? können Sie dort selber verhindern. Sie haben der Risikoabschirmung der West-LB mit 5 Milliarden Euro aber zugestimmt;
sonst hätte das von der Regierung gar nicht auf den Weg gebracht werden können. Also: Setzen Sie es da um, wo es angebracht ist, statt hier Wolkenkuckucksheime aufzubauen; denn hier können wir im Endeffekt nichts daran ändern!
Vor allen Dingen ist festzustellen, dass Sie damit schon den Wahlkampf in Bayern eröffnet haben.
Nichtsdestotrotz verweigere ich mich nicht der Debatte über den Neustrukturierungsbedarf der Landesbanken. Die FDP macht dafür in ihrem Antrag einen wenig überraschenden Vorschlag. Sie fordert, die Bundesregierung solle sich für eine zeitnahe Privatisierung der Landesbanken einsetzen. Damit macht es sich die FDP nicht nur leicht; sie geht auch den zweiten Schritt vor dem ersten - wenn wir einmal davon absehen, dass die Bundesregierung und damit der Bund keine Kompetenz auf diesem Gebiet haben.
Bevor wir Empfehlungen zur Art und Weise der Konsolidierung abgeben, sollten wir uns anschauen, warum einige Landesbanken überproportional stark von der aktuellen Finanzmarktkrise betroffen sind.
Die erste Antwort ist: Einige Landesbanken waren übermäßig in risikoreichen Finanzkonstrukten engagiert, weil sie nach Wegfall der Gewährträgerhaftung über keine tragfähigen Geschäftsmodelle verfügten. Risikoreichere Geschäfte sind eingegangen worden, um daraus die entsprechenden Erträge zu generieren. In der Anfangszeit fielen sicherlich die erhofften Erträge an, aber später war die Entwicklung aufgrund des erhöhten Risikos sehr negativ.
Die zweite Antwort lautet - da zitiere ich den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes -: Der vorhandene Markt ist zu klein für sieben Landesbankenkonzerne mit den dahinterstehenden Kapazitäten. - Das zeigt: Ja, wir brauchen eine Neustrukturierung des Landesbankensektors. Zunächst sind aber die Landesbanken selbst gefragt. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle und Kapazitäten an die Markterfordernisse anpassen.
Erst wenn diese Hausaufgaben gemacht sind, kann sinnvoll die zweite Frage gestellt werden, nämlich die Frage nach dem Partner. Dazu sind verschiedene Szenarien denkbar: erstens Fusionen zwischen Landesbanken, zweitens der vertikale Zusammenschluss von Sparkassen und Landesbanken sowie drittens die private Beteiligung an Landesbanken. Welcher Weg dann der erfolgversprechendste ist, hängt von dem Geschäftsmodell ab, für welches sich die jeweilige Landesbank entschieden hat.
Insofern sind jetzt die Entscheidungsträger in den Landesbanken am Zug - und selbstverständlich die Länder als Gesetzgeber.
Neben den Landesbanken widmet sich die FDP in ihren Anträgen der IKB, die sie erneut fälschlicherweise als Staatsbank bezeichnet. Die FDP fordert, dass keine neuen Haushaltsmittel mehr für die Stützung der IKB sowie anderer Finanzinstitute bereitgestellt werden. Auch meine Fraktion hat sich mit der überplanmäßigen Ausgabe für das KfW-Darlehen an die IKB schwergetan. Dennoch bleibt richtig, was schon im Spätsommer 2007 richtig war: Die Abwägung ?Insolvenz oder Rettung der IKB? machte eine Rettung notwendig, um negative Kettenreaktionen und Schäden für den gesamten deutschen Finanzmarkt zu vermeiden.
Was künftige - hoffentlich nicht zeitnah eintretende - Krisen von Finanzinstituten betrifft, kann ich zur Forderung der FDP nur sagen, dass man staatliche Stützungsmaßnahmen - verantwortungsbewusst - heute weder ausschließen noch zusagen sollte. Richtig ist: Es sollte sich niemand darauf verlassen, dass der Staat noch einmal einspringt. Ebenso ist auch richtig, dass die KfW-Anteile an der IKB verkauft werden sollten. Im Gegensatz zur FDP möchte ich die KfW im bereits laufenden Verkaufsprozess aber nicht auf einen genauen Zeitpunkt festnageln. Das wäre der Sache nicht förderlich.
Ich möchte noch einmal auf die Finanzmarktkrise zurückkommen, die Ausgangspunkt der Anträge von FDP und der Linken ist. Als wir vor gut zwei Monaten zuletzt über die Finanzmarktkrise diskutiert haben, waren wir uns einig: Die Krise erfordert eine Reaktion der Marktteilnehmer. Sie bedarf aber auch einer Antwort der Politik. Beide Seiten haben mittlerweile erste Vorschläge vorgelegt.
Von politischer Seite besonders wichtig ist der Maßnahmenkatalog der G-7-Staaten. Dieser Maßnahmenkatalog, der im Grunde auf dem Forum für Finanzmarktstabilität, an dem der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht beteiligt ist, basiert und sozusagen das 100-Tage-Programm beinhaltet, wurde von Bundesfinanzminister Steinbrück am Mittwoch im Finanzausschuss vorgestellt. Ich begrüße die Beschlüsse der G 7 und teile die Ansicht des Ministers, dass sie auch ein Erfolg deutscher Politik sind.
Wir müssen aber auch darauf achten, dass diese Maßnahmen von angloamerikanischer Seite nachhaltig unterstützt werden. Die Zustimmung von dieser Seite darf nicht nur aufgrund der aktuellen Ereignisse erfolgen. Es muss vielmehr eine nachhaltige Einbeziehung in diesen Prozess stattfinden.
Es ist wichtig, dass die G-7-Staaten alle Finanzinstitute aufgefordert haben, sehr zeitnah sämtliche Risikopositionen offenzulegen. Nur so lässt sich die notwendige Klarheit über das Ausmaß der Krise erzielen. Ebenso wichtig ist auch, dass die Finanzminister der G 7 eindeutig aufgezeigt haben, in welchen Bereichen mittelfristig Lehren aus der Krise zu ziehen sind. Dazu gehören ohne Zweifel der Ratingprozess, die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden ebenso wie das Kapital-, Liquiditäts- und Risikomanagement der Kreditinstitute. Auch bei manchen Bankprodukten und Bankgeschäften ist im Hinblick auf die Eigenkapitalunterlegung neu die Frage zu stellen, ob da nicht mehr erforderlich ist.
Es werden jetzt auch Stimmen laut, von der Bewertung im Rahmen von IFRS abzugehen. Es wäre falsch, jetzt in der Krise zu wechseln; denn das würde nicht zu mehr Vertrauen, sondern zu mehr Misstrauen führen.
Man kann feststellen, dass wir mit dem, was vonseiten der Politik unternommen worden ist, auf gutem Wege sind. Wir werden in absehbarer Zeit eine Bewertung dieser Maßnahmen vornehmen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Dr. Herbert Schui ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Sozialisierung der Spekulationsverluste der IKB und der Landesbanken - das fordert die FDP. Nun müssen wir aber eines wissen: Der allergrößte Teil dieser Spekulationsverluste ist bereits sozialisiert. Er ist über das Steueraufkommen, respektive über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, finanziert worden. Jetzt ?zeitnah? und ?unverzüglich? zu verkaufen, wie Sie fordern, bedeutet, im allerschlechtesten Augenblick zu verkaufen, nämlich dann, wenn die Preise für Banken gering sind. Das kann man fordern, wenn man das Interesse von Käufern, von deutschen Großbanken, im Auge hat.
Dann bekommt das Hand und Fuß. Aber wenn man das Interesse des Verkäufers beachtet, dann wäre ?unverzüglich? und ?zeitnah? genau der falsche Punkt.
Die Sanierungskosten sollten, wenn man denn schon verkauft - im Falle der Landesbanken bin ich sicherlich nicht dafür -, möglichst hereinkommen.
Ein weiterer Punkt. Insgesamt hat die Debatte über diese Bankenkrise einige kuriose Züge. Halten wir einmal fest: Die privaten Banken haben sich ebenso verspekuliert wie die Landesbanken. Bei den privaten Banken trägt der Aktionär, der Eigentümer, die Kosten - und der Steuerzahler deswegen, weil wegen der Spekulationsverluste weniger Gewinn angefallen ist und infolgedessen weniger Steuern gezahlt werden.
Halten wir weiter fest: Die falsche Geschäftsführung der Landesbanken ist nicht allein die Ursache der Krise dieser Banken. Ein anderer wesentlicher Grund ist die Abschaffung der staatlichen Gewährträgerhaftung für die öffentlichen Institute. Das ist von der EU so gemacht worden. Die Bundesregierung hat sich dem nicht widersetzt; allenfalls hat sie so getan, als ob sie sich widersetzte.
Weil die staatliche Haftung nun fehlt, müssen die Landesbanken bei ihrer Refinanzierung höhere Zinsen zahlen. Das vermindert den möglichen Gewinn. Wenn sie wenig Gewinn haben, dann können sie Verluste aus - wenngleich kritisierenswerten - Geschäften nicht so leicht wegstecken, wie das bei den großen deutschen Geschäftsbanken der Fall ist. Das ist einfach der Dreh.
Kurios ist auch, wenn die FDP die Privatisierung der nun mit viel Geld und Mühe sanierten öffentlichen Institute verlangt, während man an anderer Stelle - beispielsweise Sarrazin, Finanzsenator in Berlin - die Verstaatlichung gefährdeter privater Institute fordert.
Alles zusammen heißt das dann: sanierte Landesbanken privatisieren und gefährdete private Institute verstaatlichen.
- Das weiß ich.
- Auch das weiß ich.
Überhaupt Ackermann: Der zweifelt an den Selbstheilungskräften, und das Kabinett hat das natürlich als ordnungspolitische Irrfahrt kritisiert. Nun setzt er noch einen drauf und spricht sich gegen die Verbriefung von Krediten aus. Das ist absolute Ketzerei gegenüber einem Bankendogma; denn bis dahin war ein Ketzer, wer gesagt hat, dass die Verbriefung und der Weiterverkauf von Krediten nicht einfach eine Risikostreuung und damit eine Risikominimierung für den einzelnen Marktteilnehmer darstellen, sondern eine beschleunigte Verbreitung des Risikos. Das sagte Ackermann jetzt auch, und Berufserfahrung darf man ihm, glaube ich, nicht absprechen.
Also, statt Ordnungspolitik und Anrufung heiliger Namen im Krisenfall: Lieber Ordnung im Finanzsektor, damit er stabil bleiben kann. Dazu gehört eine bessere Regulierung.
Es gibt noch etwas Kurioses: Im Dezember schlug Minister Steinbrück im Verwaltungsrat der KfW die Einrichtung eines Prüfungsausschusses mit Fachleuten aus dem Finanzdienstleistungssektor vor, die sich - Zitat - auch in den Niederungen der Bilanz sehr genau bewegen können.
Was bedeutet das zum Beispiel für den Vizevorsitzenden des Aufsichtsrates der IKB, Detlef Leinberger, der gleichzeitig Mitglied des Vorstandes der KfW ist? Kennt er sich mit Bilanzen nicht so genau aus? Ähnliches gilt für die Nachfolge von Frau Matthäus-Maier. Herr Steinbrück, Sie sagen, da brauchen wir den Sachverstand von Profis. Profis haben nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds weltweit aber 1 000 Milliarden Dollar Verluste gemacht.
- Nein, Sie aber auch nicht. - Heißt noch mehr Profis noch mehr Verluste, oder was?
Das ordnungspolitische Kartell hat offenbar kein Konzept. Was will die FDP denn unternehmen, wenn den privaten Banken ein Serienbankrott droht? Privatisieren geht nicht, die sind nämlich schon privat. Was wollen Sie denn dann machen?
Herr Dautzenberg, so sehr ich Ihnen im Grundsatz zustimme:
Mit dem Antrag verbreiten wir keine Panik; das wollen wir auch gar nicht. Das Einzige, was wir wollen, ist, dass der Staat Vorkehrungen trifft, damit wir für eine Krise gerüstet sind. Das verhindert Panik.
Um für eine Krise gerüstet zu sein, muss der private Finanzsektor aus eigenen Mitteln einen Sicherungsfonds gründen, der über den Einlagensicherungsfonds hinausgeht.
- Man muss einen Schritt weiter gehen. Dieser Fonds reicht nicht aus, weil er nur für private Anleger und bis zu einer bestimmten Höhe greift.
- Das ist schon ganz gut.
- Na gut. - Missverstehen Sie mich nicht: Ich habe nichts gegen den Einlagensicherungsfonds. Ich glaube aber, dass das Volumen bei großen Gefährdungen nicht ausreicht.
Die Bundesregierung muss die Bildung dieses Fonds veranlassen. Dieser Fonds übernimmt nicht werthaltige Aktiva der gefährdeten Institute und gibt ihnen im Gegenzug Liquidität, soweit sie sie brauchen, oder Wertpapiere, die der Fonds herausgegeben hat, und das mit einem angemessenen Abschlag. Wenn die Institute nach einer gewissen Zeit wieder Gewinne erwirtschaften, dann kaufen sie ihre Aktiva wieder zurück. Im Grunde genommen ist das ein Pensionsgeschäft mit allfälliger Garantie des Staates.
Die ganze Sache hat Sinn; denn, so Bundesbankpräsident Weber, bei der Lösung der Schwierigkeiten sind zunächst die Banken gefordert. Das finde ich auch. Die Banken sind übrigens zu gemeinschaftlichem Handeln bereit. Ich erinnere daran, dass der Einlagensicherungsfonds die Düsseldorfer Hypothekenbank gekauft hat. Das war eine sehr vernünftige Geschichte, weil der Pfandbriefmarkt so in Lot und Waage blieb.
Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der öffentliche Bankensektor. Halten wir einmal fest: Herr Beckstein hat gestern hier gesagt, dass die kommunale Wasserversorgung von Brüssel nicht in Gefahr gebracht werden dürfe. Ähnlich müssen wir die Sache mit der Versorgung mit Finanzdienstleistungen beurteilen;
denn wenn der private Sektor Finanzkrisen auslöst - die verbrieften Hypothekenkredite stammen ja aus dem privaten Sektor - und Weltmeister im Versenken von Milliarden ist, dann ist ein stabiler öffentlicher Bankensektor, auf den stets Verlass ist, notwendig. Das ist wichtig.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Schui, Sie müssten jetzt doch zum Ende kommen.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Deswegen muss die Gewährsträgerhaftung wieder her. Dafür sollte sich die Bundesregierung einsetzen. Ich bin sicher, dass sie dafür in Brüssel nicht allein kämpfen würde.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Jörg-Otto Spiller ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schui, es ist erfrischend, zu hören,
dass Ihre Fraktion vorschlägt, den unvermeidlichen Zusammenbruch des Kapitalismus, der schon eine Weile auf sich warten lässt,
durch einen Sicherungsfonds aufzufangen.
Das ist eine Bereicherung der politischen Debatte.
Den Kollegen von der FDP möchte ich sagen: Ich wünschte mir, Herr Kollege Zeil, die FDP hätte mit ihrer Analyse recht, dass es sich bei der gegenwärtigen internationalen Krise der Banken um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Banken handelte;
denn das würde vieles wesentlich leichter machen.
Dann hätten Sie - der Kollege Dautzenberg hat schon darauf hingewiesen - ein richtig gutes Betätigungsfeld. Sie könnten nämlich in der Düsseldorfer Landesregierung für saubere Verhältnisse sorgen.
Wahrscheinlich wäre es sogar relativ leicht, die Probleme einiger Landesbanken - wenn das wirklich alles wäre - zu lösen. Das Schlimme aber ist: Es handelt sich nicht um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Banken - die Sparkassen beispielsweise sind so gut wie gar nicht betroffen -,
sondern es handelt sich um eine weltweite Krise der Bankenwelt insgesamt.
In Europa sind die Schweizer Banken am stärksten betroffen,
obwohl sie weit entfernt sind von staatlichem Dirigismus und von Staatskapitalismus.
Die Bank, die auf dem europäischen Kontinent die größten Wertberichtigungen angekündigt hat, ist die UBS, die größte Schweizer Bank. Inzwischen beziffert sie ihren Wertberichtigungsbedarf auf rund 40 Milliarden Schweizer Franken; das sind Pi mal Daumen 25 Milliarden Euro. Die UBS hat vor kurzem den Bericht, den sie der Schweizer Bankenaufsicht vorgelegt hat, publiziert. Er umfasst 50 Seiten, ist sehr detailliert und kritisch. Sein Ergebnis ist, wie ich glaube, für sehr viele Banken repräsentativ.
Wie konnte es bei der UBS zu dieser Katastrophe kommen? Die Gründe liegen erstens in einer mangelhaften Risikoerfassung und zweitens in einem mangelhaften Risikomanagement, einer Bevorzugung hochkomplizierter Anlageprodukte, die selbst die Geschäftsleitung der Bank nicht verstanden hat.
Ein weiterer Grund sind unklare Verantwortungsstrukturen. Ich sage es einmal so: Für das Risiko ist immer die Geschäftsleitung verantwortlich.
Diese Verantwortung kann man nicht an irgendwelche Abteilungen oder an Ratingagenturen delegieren.
Vertreter von Ratingagenturen haben wir übrigens im Finanzausschuss angehört. Wir haben sie befragt, wie sie die jetzige Situation und ihre eigene Rolle darin einschätzen. Die Antwort war ebenso unbedarft wie kess. Im Kern sagten sie, sie könnten nichts dafür, dass die Bankvorstände
die Ratingnoten falsch bewertet haben; diese dürfe man schließlich nicht so ernst nehmen.
Diese Krise ist vor allem durch unklare Verantwortungsstrukturen und mangelhaftes Risikomanagement verursacht worden. Es stellt sich die Frage: Wie geht man damit um? Ich glaube, am Anfang dieser Analyse darf nicht nur die Frage stehen: Warum haben US-amerikanische Banken zu großzügig Hypothekenkredite gewährt? Vielmehr muss man sich auch fragen: Warum haben europäische Banken amerikanischen Banken unüberschaubare Produkte und Forderungen abgekauft, und das zu einem Preis, den sie nicht richtig bewerten konnten? Hier muss man ansetzen.
- Auch die IKB hat das gemacht. Das war ein Fehler.
- Sie hat so gehandelt wie viele andere Banken auch.
Die staatliche Bank KfW war die Bank, die die Krise der IKB aufgefangen hat.
Ohne das Engagement der KfW hätten wir größere Probleme.
Im Aufsichtsrat der IKB - das will ich auch sagen - saßen nicht nur Mitglieder der KfW-Geschäftsführung, dort saßen hochangesehene Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft. Die IKB kann nicht mit den Landesbanken in einen Topf geworfen werden: Sie ist eine private Bank, und sie spiegelt wider, dass die strukturellen Probleme mit den Produkten und mit der mangelhaften Steuerung zu tun haben.
Die Deutsche Bundesbank gibt seit ein paar Jahren einen Bericht zur Stabilität des deutschen Finanzsystems heraus. Die Bundesbank hat in ihrem ersten Bericht vom Dezember 2003 mit Blick auf Kreditverbriefungen geschrieben, diese neuen Instrumente stellten
? erhöhte Anforderungen an das Risikomanagement, die etwa aus der komplexeren Beurteilung des Kreditrisikos und von Rechtsrisiken resultieren.
Sie hat das in weiteren Berichten wiederholt. Allerdings hatte es für die von der Bundesbank wahrgenommene Bankenaufsicht nie Konsequenzen.
Jetzt ist - wir haben am Mittwoch im Finanzausschuss darüber gesprochen - auf internationaler Basis, in Fortentwicklung von Basel II, maßgeblich dank des Bundesfinanzministers folgender Ansatz gefunden worden: Solche sogenannten strukturierten Produkte sollen höhere Beachtung bekommen, und es soll eine höhere Eigenkapitalunterlegung verlangt werden, mit der Wirkung, dass sich die Bankvorstände genau überlegen müssen, was sie tun.
Ich finde es positiv, dass Herr Ackermann vor kurzem gesagt hat, dass auch er inzwischen Zweifel daran hat, ob diese sogenannten Finanzinnovationen, strukturierte Produkte, die niemand wirklich durchschaut, die Zukunft sein können.
Ich bin jedenfalls dankbar, dass der Bundesfinanzminister dazu beigetragen hat, dass wir bei der Bewältigung der Krise international einen Schritt vorankommen. Wir haben das im Finanzausschuss gemeinsam begrüßt, und ich freue mich, dass wir dies im Plenum fortsetzen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Dr. Gerhard Schick ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen Anträge der FDP und der Linken vor, mit denen in der internationalen Finanzmarktkrise der Blick stärker auf Deutschland gelenkt werden soll. Dafür bin ich dankbar. Wir haben ja schon auf der Grundlage eines Grünen-Antrags im Finanzausschuss darüber diskutiert.
Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen: Die Regierung spricht groß über die Verhandlungen auf internationaler Ebene: Wir hören von G 7, wir hören von OECD, wir hören vom FSF, dem Financial Stability Forum, wir hören von allem Möglichen, was international passiert. Fragen wir aber im Plenum oder im Ausschuss nach, was eigentlich im Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen passiert, werden die Ausführungen ausgesprochen schmallippig.
Wir müssen endlich darüber reden, was in Deutschland schiefgelaufen ist; nur wenn wir das wissen, können wir sagen, was in Deutschland zu tun ist. Von den Rednern der Großen Koalition habe ich bisher wenig dazu gehört; aber vielleicht kommt da noch etwas. Herr Dautzenberg, Sie haben gesagt: Es gibt Sachen, die auf Landesebene zu tun sind. Dazu will ich sagen: Es gibt aber auch Sachen, die auf Bundesebene zu tun sind.
Im Vorgriff auf die weiteren Reden möchte ich ganz klar sagen: Herr Steinbrück, für uns sind Sie nicht nur der Finanzaußenminister, der auf der internationalen Ebene groß verhandelt, Sie sind auch der Finanzinnenminister, der sich um die Deutschland betreffenden Fragen kümmern muss. Wir erwarten, dass wir darüber heute etwas von Ihnen hören.
Herr Spiller, ich fand es interessant, dass Sie den Fall UBS angesprochen haben, bei dem es eine kritische und detaillierte Analyse gab, wie Sie das ja auch geschildert haben. Ich finde den Fall sehr bemerkenswert, weil die Eidgenössische Bankenkommission, das Pendant zu unserer Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die Schweizer Großbank auffordert, einen wirklich detaillierten Bericht darüber vorzulegen, was schiefgelaufen ist, und Teile daraus zu veröffentlichen.
Warum geht das in Deutschland nicht? Das könnte ja aus der Regierung heraus an die BaFin herangetragen werden. Die Aufsicht über die BaFin liegt ja beim Hause des Bundesfinanzministers. Warum fordern Sie die BaFin denn nicht auf, eine klare Analyse der Probleme der deutschen Großbanken abzugeben und zu sagen, was bei ihnen schiefgelaufen ist, damit wir für die Zukunft die entsprechenden Rückschlüsse ziehen können? Das könnte man in Deutschland einmal tun. Bisher: Fehlanzeige.
Ich will hier noch einen Schritt weiter gehen. Die Eidgenössische Bankenkommission fordert die UBS auf, ihren Aktionären zu sagen, warum dort Geld verbraten worden ist. Wir wissen, dass die Krise auch in Deutschland das Geld der Steuerzahler kosten wird. Wir wissen aber noch nicht, wie viel. Noch ist nichts kassenwirksam geworden. Es geht dabei um Bürgschaften usw.
Ich glaube, eine Sache sollte sich der Deutsche Bundestag einmal überlegen: Ist nicht etwas, was für die Aktionäre einer börsennotierten Großbank recht ist, für die Bürger in einem demokratischen Staat mehr als billig? Es geht darum, dass angesichts der Lasten in Milliardenhöhe, die auf den Fiskus zukommen, wirklich einmal offengelegt wird, was in unseren Systemen schiefgelaufen ist.
Wir wissen nicht, wie hoch die Lasten sind, aber genau das, was die Aktionäre der Schweizer UBS erhalten dürfen, nämlich eine, wie Sie gesagt haben, genaue und detaillierte kritische Analyse dessen, was schiefgelaufen ist, fordern wir auch vom Bundesminister der Finanzen. Wir fordern einen klaren Bericht darüber, was in Ihrem Geschäftsbereich schiefgelaufen ist und welches die Konsequenzen sind, die Sie daraus zu ziehen gedenken. Davon haben wir bisher nichts gehört. Auch von der Regierungskoalition haben wir in dieser Hinsicht überhaupt noch nichts gehört.
Es ist Zeit, dies in Deutschland endlich einmal zu tun, damit die Bürgerinnen und Bürger erfahren, was schiefgelaufen ist.
Ich spreche damit ganz gezielt auch die Regierungskoalition an. Eine unserer Aufgaben als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist es - auch aus der Regierungskoalition heraus -, nicht nur den großen Mantel schützend um das Finanzministerium zu legen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass in Deutschland endlich einmal die Wahrheit darüber auf den Tisch kommt, was schiefgelaufen ist. Damit spreche ich Sie auch ganz persönlich an.
Vertreter der BaFin und der Bundesbank saßen im Verwaltungsrat der Sachsen LB mit am Tisch. Das heißt, es reicht nicht aus, im Ausschuss zu sagen, die BaFin könne ja nicht das Geschäftsmodell der Sachsen LB kontrollieren, wie Herrn Steinbrück und andere Mitglieder der Regierungskoalition das getan haben. Es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, Erfahrungen, die man aufgrund der Kontrolle gewonnen hat, einfließen zu lassen, sodass im Verwaltungsrat die entsprechenden Diskussionen geführt werden. Ich habe noch keine Antwort darauf gefunden - nicht im Ausschuss und nicht hier im Plenum -, warum diese Möglichkeiten nicht genutzt worden sind.
Nächster Punkt. Wir wissen inzwischen - das hat das Bundesfinanzministerium in einer sehr knapp gehaltenen Antwort auf meine Fragen hin zugestanden -, dass in Spanien die entsprechenden außerbilanziellen Zweckgesellschaften von der Finanzaufsicht untersagt worden sind. In Deutschland war das nicht der Fall. Man könnte sich fragen, was die Spanier besser gewusst und schlauer gemacht haben als wir in Deutschland. Auf diese Frage habe ich bis heute keine Antwort gefunden. Ich erwarte aber eine Antwort auf diese Frage.
Der Vorstand der UBS wird von der Finanzaufsicht in der Schweiz gezwungen, zuzugeben, was geschehen ist: Es gab intern Warner, also Leute, die darauf hingewiesen haben, dass Risiken bestanden. Wir haben aber nicht auf sie gehört. - Genau so ist es wahrscheinlich auch in der deutschen Finanzaufsicht - wahrscheinlich auch im Bundesfinanzministerium - gewesen.
Da wir bei der Bankenaufsicht sind: Wir müssen uns die Frage stellen - das ist unsere Aufgabe -, warum die BaFin jeden Kleinunternehmerkredit, den eine Genossenschaftsbank oder Sparkasse vor Ort gewährt, en détail, bis hin zur Unterschrift und zum Datum auf der letzten Seite des Formulars - dieser Kleckerleskram bedeutet eine riesige bürokratische Belastung -, prüft, während bei den großen Risiken versagt wird. Ich glaube, eine grundlegende Veränderung der Aufsichtskultur ist notwendig. Dazu haben wir bislang nichts gehört, weder von der Regierungskoalition noch vom Finanzminister. Ich fordere Sie auf, darauf Antworten zu geben.
Wir werden diese Liste in der Öffentlichkeit und im Ausschuss fortsetzen. So ist zu fragen, ob die Reduzierung des Personalbestandes im Bereich des Bundesministeriums der Finanzen in den letzten Jahren zu korrigieren ist. Es ist keine Katastrophe, Fehler einzuräumen. Es ist doch notwendig, zu sehen, wo es Fehlentwicklungen gibt, damit wir reagieren können.
Ich will nun auf die konkreten Punkte eingehen, die die FDP im Zusammenhang mit den Landesbanken angesprochen hat. Ich teile die Kritik von Herrn Dautzenberg und Herrn Spiller an der starken Betonung der Probleme im öffentlich-rechtlichen Bankensektor. Gerade bei der IKB hat die Verquickung von öffentlichem und privatem Bereich dafür gesorgt, dass weder die einen noch die anderen Kontrollmechanismen funktioniert haben. Man muss in der Analyse sauber sein. Wir brauchen aber auf jeden Fall eine Strukturveränderung bei den Landesbanken, um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Bankensektors zu sichern. Wir Grüne machen das Spiel nicht mit und schließen uns den alten Forderungen, die nun in der Krise aus der Schublade geholt werden, nach weiteren Verstaatlichungen und mehr Einfluss des Staates oder den lauten Rufen nach mehr Privatisierung nicht an. Wir wollen einen zukunftsfähigen öffentlich-rechtlichen Bankensektor. Das bedeutet, tiefgreifende Reformen voranzutreiben.
Man muss ehrlich sein und zugeben: Die Landesregierungen waren in der Vergangenheit lausige Bankeigentümer. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass die Landesregierungen im öffentlich-rechtlichen Bankensektor nichts zu suchen haben. Sie haben ihre Aufgabe schlecht erfüllt. Meine Damen und Herren von der Union, vor allem Sie müssen die Konsequenzen ziehen. Herr Dautzenberg, Sie haben zwar ganz vernünftige Vorschläge gemacht. Aber schauen Sie sich die Liste der Verfehlungen an, die belegen, dass die Union zum Sargnagel des öffentlich-rechtlichen Bankensektors geworden ist. Landowsky und Co. haben das Bundesland Berlin auf Jahre hinaus mit Milliarden belastet. Aber Sie haben keine Konsequenzen daraus gezogen.
Wenn man das Brecht-Zitat von Herrn Zeil ernst nimmt: Was bedeutet das für die CDU in Sachsen, die in ihrem Provinzmief sozusagen eine Staatsbankphilosophie vertreten hat und einen Finanzplatz vor Ort fördern musste, was aberwitzig war? Das Gleiche gilt für den Finanzplatz Düsseldorf. Reden Sie in New York doch einmal vom Finanzplatz Düsseldorf! Hier handelt es sich um reine Provinzpolitik, um die eigenen Pfründe zu sichern. Aber Sie von der Union haben bis heute keine Konsequenzen daraus gezogen.
In Nordrhein-Westfalen hat Herr Rüttgers die Reform bei der West-LB zum richtigen Zeitpunkt verhindert. Weiter im Süden, in Bayern, gibt es nun einen Untersuchungsausschuss zur Bayern-LB. Angesichts all dessen hat sich die Wirtschaftskompetenz der Union im Bereich der Landesbanken deutlich überholt. Ich glaube, Sie haben großen Bedarf, sich neu zu positionieren. Wir müssen uns in Zukunft im öffentlich-rechtlichen Bankensektor gut aufstellen und den Provinzmief hinter uns lassen.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die CDU/CSU.
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag der Linken kann man sich eigentlich nicht befassen. Er ist der Widerspruch in sich, wenn in der Überschrift steht ?Sozialisierung der Verluste verhindern - Sicherungsfonds für privaten Finanzsektor schaffen? und es dann unter II. Nr. 3 des Antrages heißt, es solle ein Sicherungsfonds eingerichtet werden, den die öffentliche Hand steuert. Dieser Sicherungsfonds soll ?auf Zeit ... nicht werthaltige Aktiva? übernehmen und damit den Instituten Liquidität zur Verfügung stellen. ?Die Aktiva werden mit einem angemessenen Abschlag übernommen?, soweit die betroffenen Institute die damit verbundenen Wertberichtigungen verkraften können. Sie schlagen den Tausch von nicht werthaltigen Papieren mit werthaltigen Papieren aus dem Sicherungsfonds vor.
Kollege Spiller hat meines Erachtens sehr zutreffend gesagt, auf welche Weise Sie die letzte Rettungsaktion des von Ihnen bekämpften Systems vornehmen wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Sozialisierung pur, aber die Sozialisten können das nicht anders.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schui?
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Ja.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Ist Ihnen bekannt, dass dieser Fonds ausschließlich von Bankengeld gebildet wird und dass, falls Probleme zwischen den mit Abschlag gekauften nicht werthaltigen Aktiva einerseits und der Hergabe von durch den Fonds emittierten Wertpapieren andererseits auftreten, das eigene Kapital des Fonds, das heißt Bankengeld, haftet, nicht aber öffentliches Geld? Da wird also nicht sozialisiert, ehrlich nicht.
Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):
Herr Kollege, ich habe Ihren Antrag und auch diese Passage selbstverständlich ganz genau gelesen. Aber wer würde diese Verluste dann tragen, die Sparer mit ihren Einlagen oder die Kreditnehmer? Sie sozialisieren auch dann.
Genau so ist es. Daran führt kein Weg vorbei.
Auch die FDP, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordert in ihrem Antrag fast wortgleich wie die Linke ?Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten? und verlangt eine ?Reform des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors.?
Ich betone: Keiner will eine Übernahme eingetretener oder zu erwartender Verluste durch die öffentliche Hand.
Das Bundesfinanzministerium hat dies ebenso wie das Bundeswirtschaftsministerium wiederholt kategorisch abgelehnt.
Unberührt davon bleibt es aber Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen - das ist schon dargestellt worden -, dass die Auswirkungen der globalen Krise der Finanzwirtschaft in Grenzen gehalten werden. Negative oder gar zerstörerische Wirkungen auf das deutsche Bankenwesen mussten und müssen vermieden werden. Das war und ist notwendig, um negative Einflüsse auf die wirtschaftliche Entwicklung zu verhindern und somit auch die soziale Stabilität im Lande nicht zu gefährden. So gesehen, war die Rettung der IKB zumindest aus damaliger Sicht richtig, aber sie ist es wohl auch aus heutiger Sicht. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Herr Professor Weber, hat diese Einschätzung erst kürzlich in einem Interview in der Welt am Sonntag bestätigt.
Wir in Deutschland sorgen uns um die mittelbaren Wirkungen der von den USA ausgehenden Hypothekenkrise, die stoßwellenartig die Finanzwirtschaft nicht nur in den USA, sondern auch in Europa massiv erschüttert. In den Vereinigten Staaten allerdings sind viele Menschen ganz unmittelbar betroffen. ?Ein amerikanischer Albtraum - Hunderttausende Hausbesitzer stehen vor dem Ruin? titelte am 20. April die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Das belegt auch, dass die leichtfertige Kreditvergabe mit variablen Zinssätzen, wie sie in den USA praktiziert wurde, hochgradig gefährlich ist. Man kann und darf Kredite nicht wie auf dem Jahrmarkt feilbieten.
Solidität und Seriosität sind durch nichts zu ersetzen, schon gar nicht auf dem Finanzsektor.
Die Krise zeigt auch, dass die in Deutschland geltenden Regeln und Maßstäbe für eine Kreditgewährung richtig sind, und es hat sich bewährt, dass Immobilien, aber auch Mittelstandsfinanzierungen mit mittel- und langfristigen Krediten zu festen Zinssätzen finanziert werden.
Zu Beginn der Verhandlungen über Basel II wollte die angloamerikansiche Seite eine deutlich schlechtere Bewertung langfristiger Kredite durchsetzen, was eine erheblich höhere Eigenkapitalunterlegung und damit natürlich auch eine erhebliche Verteuerung dieser Kredite zur Folge gehabt hätte. Dank des nachdrücklichen Einsatzes der deutschen Delegation und der Mitstreiter Ihres Hauses, Herr Minister Steinbrück, konnte diese Diskriminierung abgewendet werden. Herr Kollege Dautzenberg, ich erinnere mich noch gut an die Gespräche und Verhandlungen, die seinerzeit im Finanzausschuss des Bundestages in sehr zielgerichteter Weise mit Herrn Sanio geführt wurden. Er und seine Mitstreiter haben es dann auch geschafft, dem Willen des Bundestages, insbesondere dem Willen des Finanzausschusses, in der Kommission für Basel II zum Durchbruch zu verhelfen.
Eines lehrt uns die aktuelle Krise auch: Viele Finanzprodukte, die heute auf den internationalen Märkten angeboten werden, können selbst von Fachleuten nicht ausreichend beurteilt werden. Jetzt rede ich nicht von Leichtgläubigkeit, Leichtfertigkeit oder gar grober Fahrlässigkeit, ich rede nur davon, dass offensichtlich auch hochqualifizierte Experten nicht immer alles durchschauen. Leider - auch das gehört zu den bitteren Erfahrungen dieser Krise - sind das Urteil und die Bewertung der Ratingagenturen, wenn es darauf ankommt, nichts oder zumindest nicht viel wert. Wie sonst könnte es sein, dass sowohl Institute als auch Produkte innerhalb weniger Tage von Triple-A bis nach ganz unten durchgestellt werden? Dass im konkreten Fall die Ratingagenturen sowohl bei der Strukturierung der Produkte als auch bei deren Bewertung mitgewirkt haben, ist besonders pikant und nicht akzeptabel.
Bedauerlicherweise sind wir auf diesem Gebiet vollkommen auf die amerikanischen Agenturen angewiesen. Versuche, in Europa eine oder mehrere eigenständige Ratingagenturen zu schaffen, waren nicht erfolgreich, und ich fürchte, sie werden es auch in Zukunft nicht sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass die IFRS-Regeln die prozyklischen Effekte, wie der Finanzminister dies ausdrückt, noch verstärken. Es wäre aber jetzt falsch, wieder die Abkehr von dieser IFRS-Rechnungslegung zu fordern. Richtig ist aber auch, dass, wie Sie, Herr Bundesfinanzminister, es im Haushaltsausschuss vorgeschlagen haben, Elemente eingebaut werden müssen, die geeignet sind, diese extremen Ausschläge nach oben und unten zu vermeiden. Im Übrigen sind die nach diesen Rechnungslegungsstandards ausgewiesenen Risiken zum Glück noch keine realisierten Verluste. Auch das muss festgestellt werden.
Allerdings können aus Risiken bei anhaltend schlechter Marktlage Verluste werden.
Zu dem in den Anträgen angesprochenen Thema Landesbanken - Vorredner haben sich dazu schon breiter geäußert - will ich nicht viel sagen. Diese Debatte gehört eigentlich in die Landtage und in die zuständigen Gremien der Sparkassenorganisationen. Niemand hier hat die Absicht, etwaige Risiken der Landesbanken durch den Bund übernehmen zu lassen. Das ist wiederholt deutlich gemacht worden. Herr Kollege Zeil, da Sie vorhin etwas plakativ dargestellt haben, was man mit einer Milliarde alles machen könnte, darf ich in Erinnerung rufen, dass die Bayerische Landesbank in den letzten Jahren Gewinne in Höhe von einer Milliarde Euro an die Gesellschafter, den Freistaat Bayern und die Sparkassenorganisation, ausgeschüttet hat. Die werden wohl damit gut gewirtschaftet haben, so darf ich zumindest unterstellen.
Die weiteren Fragen nach möglichen oder notwendigen Fusionen müssen ebenfalls in den zuständigen Gremien besprochen und entschieden werden. Dabei müssen natürlich auch die Aspekte der Förderkompetenz und der Zentralinstitutsfunktion berücksichtigt werden. Dazu hat sicherlich jeder von uns eine Meinung, aber zuständig sind wir dafür nicht.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Sowohl die derzeitige Krise als auch die Krise der Kreditwirtschaft, die wir im Jahr 2002 gesehen haben, zeigen uns eines: Das Dreisäulenmodell - Kollege Dautzenberg hat es schon dargestellt -, das wir in der deutschen Bank- und Kreditwirtschaft haben, hat sich bewährt. Es ist geeignet, die Schockwellen und Erschütterungen abzufedern, jedenfalls besser, als wir das in anderen Ländern beobachten können. Das ist wichtig, und zwar sowohl im Interesse der Anleger als auch im Interesse der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, im Hinblick auf die Kreditversorgung. Das Dreisäulensystem hat sich in Deutschland also in den Krisen bewährt. Wir sollten es nicht gefährden.
Danke schön.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank Schäffler das Wort.
Frank Schäffler (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ingrid Matthäus-Maier hat ihren Rücktritt damit begründet, sie habe nicht die Absicht, den Kopf für Fehler hinzuhalten, die andere gemacht hätten. Diese Frage stellen wir als FDP: Wer hat neben Ingrid Matthäus-Maier Fehler gemacht,
wann hat die Bankenaufsicht, wann haben die Aufsichtsräte, wann hat der Bundesfinanzminister nicht richtig hingeschaut?
An den Kollegen Schick gerichtet, sage ich: Da müssen die Grünen springen. Wir stellen fest, dass die Bundesregierung hier im Parlament nicht zur Auskunft bereit ist. Wir haben in verschiedenen Anhörungen im Finanzausschuss, aber auch im Plenum immer wieder um umfassende Aufklärung gebeten. Bisher ist uns der Bundesfinanzminister dies schuldig geblieben. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit wir andere parlamentarische Mittel nutzen, um die Bundesregierung zu zwingen, Auskunft zu geben.
Ich will daran erinnern, dass die Grünen bisher verhindern, einen Untersuchungsausschuss in dieser Angelegenheit einzurichten.
Die Losung vonseiten der Regierung lautet bisher: Wir haben nichts falsch gemacht. Dass der IKB-Aufsichtsrat einschließlich des BMF nichts falsch gemacht habe, ergebe sich schließlich aus einem Gutachten des Aufsichtsrates. Parallel redet der Finanzminister gerne von Transparenz. Doch wenn es beispielsweise darum geht, das Gutachten zu veröffentlichen, dann ist es mit der Transparenz wieder einmal vorbei.
Nun soll es immerhin noch ein Sondergutachten geben, ganz so wie wir es hier vor ein paar Wochen beantragt haben. Außerdem wurde die Entlastung des IKB-Aufsichtsrates verschoben. Auch das haben wir hier im Parlament gefordert.
Die Frage ist, warum Sie auf solche Selbstverständlichkeiten nicht selbst kommen. Warum hat das Bundesfinanzministerium nicht von Anfang an dafür gesorgt, dass erst alle Vorwürfe aufgeklärt werden und erst anschließend die Entlastung erfolgt? Stattdessen gab es ein unwürdiges öffentliches Gezerre, auch zwischen den Ministern Glos und Steinbrück, bei dem sich am Ende der Finanzminister dem öffentlichen Druck beugen musste.
Wir wollen den Finanzminister daran erinnern: Es gilt, hier Ihre Hausaufgaben zu machen. Sie müssen hier in Deutschland Ihren Laden in Ordnung bringen. Es hilft nichts, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, die sich ordnungspolitisch noch schlechter verhalten als wir, sondern es geht darum, dass wir uns selbst an unsere Prinzipien halten.
Eines dieser Prinzipien muss sein, den staatlichen Einfluss im Bankenmarkt ganz deutlich zu reduzieren. Es stimmt, dass auch private Banken von der Krise betroffen sind. Aber die dort Verantwortlichen werden von ihren Investoren zur Verantwortung gezogen.
- Nein, die IKB ist keine private Bank. Der Bundesfinanzminister hat mir gerade in einer Kleinen Anfrage mitgeteilt, dass die Präsenz auf der Hauptversammlung der IKB vonseiten der KfW immer mehr als 50 Prozent betragen hat. Die IKB war zu jedem Zeitpunkt eine staatliche Bank,
auf deren Entscheidungen der Bundesfinanzminister unmittelbar Einfluss genommen hat.
Es stimmt, dass auch private Banken von der Krise betroffen sind; das habe ich gesagt. Bei den vielen Stützungsaktionen zugunsten der Landesbanken und der IKB wird der Steuerzahler aber direkt in Haftung genommen. Das ist der fundamentale Unterschied. Die Lösung kann nicht sein, Landesbanken zu fusionieren. Aus zwei Absteigern wird nicht automatisch ein Aufsteiger.
Es hilft auch nichts, aus vielen kleinen Problemen ein großes Problem mit kumulierten Risiken zu machen, nach dem Motto: Wenn es schiefgeht, ist wieder der Steuerzahler an der Reihe. Deshalb halten wir es für gerechtfertigt, an diese Institute künftig höhere Eigenkapitalanforderungen zu stellen. Es hat kein Bürger Verständnis dafür, dass Sie staatliche Milliarden in die Banken pumpen; dies muss aus unserer Sicht endlich ein Ende haben.
Auch die IKB hat und hatte kein tragfähiges Geschäftsmodell. Das Mittelstandsgeschäft der IKB war anscheinend nie ertragreich. Aber dank der KfW im Rücken war die IKB nicht gezwungen, sich dem Markt anzupassen. Stattdessen hat man über Jahre die wirkliche Situation verschleiert. Die Zeche zahlen die Steuerzahler - das akzeptieren wir als FDP nicht -,
weil Sie alle hier im Parlament für die Beteiligung der KfW bei der IKB eingetreten sind. Sie haben - und die Gesamtverantwortung dafür liegt beim BMF - die IKB miserabel gemanagt. Sie haben nicht die richtigen Leute in die IKB geschickt, Sie haben eine Salamitaktik betrieben und Sie haben den Verkauf der IKB nicht rechtzeitig vorangebracht.
Noch im Sommer letzten Jahres wollte der Finanzminister nach dem Bekanntwerden der Schieflage die IKB nicht sofort verkaufen. Diese Fehleinschätzung wird den Bund noch viel Geld kosten. Das ist nicht nur die Einschätzung von uns als Opposition, sondern auch die eines Minderheitsaktionärs. Sal. Oppenheim hat nämlich gerade in dieser Woche deutlich gemacht, dass beim IKB-Verkauf gepennt wurde. Wenn Sie entschlossen gehandelt hätten, dann hätten Sie auch einen Käufer für die IKB finden können.
Stehen insbesondere Sie, Herr Minister Steinbrück, als Mitglied der Bundesregierung endlich zu Ihrer Verantwortung! Sie haben immer gesagt, man habe die Zweckgesellschaften der IKB nicht prüfen können. Vor einigen Wochen haben Sie auf meine Anfrage aber eingeräumt, dass die BaFin bereits im August 2005 eine Sonderprüfung bei der IKB durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegeben hatte. Dabei wurde auch das ausländische Kreditengagement der Zweckgesellschaften stichprobenartig geprüft. Hätte man hier oder zu einem späteren Zeitpunkt richtig geprüft, dann hätte dem Steuerzahler viel Geld erspart bleiben können. Dass dies nicht erfolgt ist, haben Sie zu verantworten.
Die IKB-Krise schlägt nun entgegen anderen Beteuerungen auch voll auf das Fördergeschäft der KfW durch, wie man an der aktuellen Zinserhöhung der KfW deutlich sehen kann.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Schäffler, achten Sie bitte auf die Zeit.
Frank Schäffler (FDP):
Ich komme zum Schluss.
Sie haben sich in der IKB-Krise zu langsam, zu zögerlich und zu halbherzig verhalten. Der entstandene Schaden ist riesig und hat katastrophale Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Bundeshaushalt.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will auf den Feldzug von Herrn Schäffler und seine Versuche, mir irgendetwas anzuhängen, nur kursorisch eingehen.
Erstens. Ich gebe dem Hause gerne bekannt, dass dem Ministerium inzwischen insbesondere von Herrn Schäffler und Herrn Wissing insgesamt etwa 180 bis 200 Einzelfragen gestellt wurden.
Insofern ist der Eindruck, der hier verbreitet wird, wir seien überhaupt nicht auskunftsfreudig, schlicht und einfach falsch. Hier wird ein Popanz aufgebaut. Inzwischen ist eine ganze Abteilung mit der Beantwortung der Fragen beschäftigt.
Deshalb freue ich mich sehr, Herr Schick, dass Sie sich dafür einsetzen, dass ich mehr Personal bekomme, damit die entsprechende Abteilung auch noch ihre eigentlichen Aufgaben erledigen kann.
Zweitens. Es ist nicht die Aufgabe des BMF, irgendjemanden zur IKB zu schicken. Sie wissen genau, dass das überhaupt nicht unsere Aufgabe ist.
Drittens. Es ist auch nichts verschleiert worden. Ich lehne eine solche Unterstellung schlicht ab, und zwar vor dem Hintergrund von vier oder fünf Prüfungsberichten, die Ihnen allen geläufig sind und bis in den Juni letzten Jahres hinein auf der Basis der vorliegenden Informationen, die nicht von den mir vorliegenden Informationen abweichen, Auskunft über die Lage der IKB gegeben haben.
Schließlich ist festzuhalten, dass ich nicht den IKB-Verkauf zu leiten haben. Das kann ich gar nicht. Dafür sind andere Gremien zuständig.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Nein, danke sehr. Ich habe Herrn Schäffler und Herrn Wissing schon so viele Fragen beantwortet.
Sie können aber gerne noch einmal schriftlich nachhaken.
- Regen Sie sich nicht auf!
Wir haben es mit einer sehr ernsthaften Finanzmarktkrise zu tun, die eine Reihe von Banken buchstäblich an den Rand des Abgrundes gebracht hat. Einige Banken standen kurz vor dem Kollaps. Es ist richtig, dass diese Finanzmarktkrise uns das ganze Jahr weiter beschäftigen wird. Die USA geraten darüber in eine Rezession. Es ist zu erwarten, dass es auch in Deutschland und in den anderen europäischen Ökonomien Eintrübungen der wirtschaftlichen Entwicklung geben wird. Das ist sehr ernst zu nehmen. Dies ist eine andere Finanzmarktkrise als das, was wir in den 90er-Jahren in Lateinamerika und Südostasien erlebt haben. Es wird uns durchgängig beschäftigen und es wird Eintrübungen geben.
Diese Finanzmarktkrise ist aber nicht geeignet für Panikmache, für Populismus und für Verzeichnungen. Sie ist auch nicht dafür geeignet, den Finanzdienstleistungssektor zu dämonisieren.
Die deutsche Volkswirtschaft mit der Stärke dieser Realwirtschaft, insbesondere im deutschen Mittelstand, ist darauf angewiesen, einen Finanzdienstleistungssektor auf der Höhe der Zeit und wettbewerbsfähig, gemessen an internationalen Standards, zu haben. Deshalb bitte ich bei allen Aufbereitungen darum, Vorsicht walten zu lassen mit Blick auf die Tatsache, dass dieser Finanzdienstleistungssektor wahrscheinlich von erheblicher Bedeutung für die weitere Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft und für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt ist.
Es gibt vier oder fünf Punkte, auf die ich gerne eingehen möchte, wobei ich darum bitte, dass wir uns nicht nur oberflächlich in einer Analyse oder in den Konsequenzen bewegen.
Der erste Punkt - hierauf ist der Kollege Spiller bereits richtigerweise eingegangen - ist: Diese Finanzmarktkrise hat alle Banken betroffen. Es ist kein Spezifikum der öffentlich-rechtlichen Banken, wie insinuiert wird. Das ist ein Fehler, jedenfalls eine unzureichende Analyse.
Die vollständige Analyse, durchaus auf der Spur dessen, was auch Redner der FDP gesagt haben, lautet, dass es öffentlich-rechtliche Banken, vornehmlich Landesbanken, gibt, die sich aufgrund eines nicht tragfähigen Geschäftsmodells in einem Missverhältnis zu ihrer Kapital- und Ertragskraft in Produkten engagiert haben, von denen sie nichts verstehen. Da treffen wir uns.
Dies hat Rückwirkungen - da stimme ich Ihnen zu, Herr Zeil - mit Blick auf eine Konsolidierung auf der Ebene der Landesbanken, auf die eigentlichen Aufgaben der Landesbanken und darauf, wie ihre Geschäftsmodelle aussehen. Ich stehe auch nicht lange an, zu sagen, viele Landesbanken - nicht alle - haben es nach dem Wegfall der beiden Staatsgarantien - Anstaltslast und Gewährträgerhaftung - im Juli 2005 versäumt, tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Aber noch einmal: Es ist kein Spezifikum. Ich rate insbesondere mit Blick auf den Stellenwert der Sparkassen dazu, ihrer Bedeutung in den Kommunen, für den Mittelstand und für den Wettbewerb und damit auch im Interesse der Kunden - versuchen Sie einmal, in Großbritannien ein Girokonto zu eröffnen; versuchen Sie einmal, in Großbritannien eine Bankfiliale innerhalb von 40 Meilen zu finden - gerecht zu werden und mit diesen Sparkassen vorsichtig umzugehen.
Zweitens. Mit Blick auf exorbitant hohe Zahlen, wo die ganze deutsche Öffentlichkeit aufgemischt wird, wenn sie von einer Risikoabschirmung in Höhe von 8 Milliarden Euro hört - eine unfassbare Summe -, rate ich sehr dazu, sehr viel stärker zwischen Risiken und Wertberichtigungen und tatsächlich eingetretenen Verlusten zu unterscheiden. Das müssten Sie als Nationalökonom, Herr Schui, nachvollziehen können. Bei diesen Summen, die zum öffentlichen Ärgernis werden, reden wir im Augenblick über Wertberichtigungen, über Risiken und nicht über real eingetretene Verluste. Ich habe keine präzisen Zahlen vorliegen, aber der Bundesbankpräsident und andere schätzen, dass der Wertberichtigungsbedarf in Deutschland ungefähr 10 Prozent dessen beträgt, was die OECD geschätzt hat, also 10 Prozent von 350 bis 420 Milliarden Euro weltweit. Ich vermute, dass bezogen auf diesen Wertberichtigungsbedarf in der Größenordnung von 35 bis 42 Milliarden Euro - oder nehmen wir vorsichtshalber 45 Milliarden - der bisher real eingetretene Verlust unterhalb von 5 Prozent dieser Summe liegt. Damit schließe ich nicht aus, dass weitere Verluste eintreten. Ich rate nur, hier sehr vorsichtig und differenziert zu argumentieren und nicht in der Weise, wie man jemandem Kaugummi unter die Sohle klebt. Das sind Dinge, die zur Lösung wenig beitragen.
Drittens. Insbesondere Herr Schick, aber auch Herr Schui tun so, als ob es einen sehr spezifischen und allein auf der nationalstaatlichen Ebene zu erfüllenden Handlungsbedarf gäbe. Dieses Haus stimmt doch über alle Flügel hinweg darin überein, es gibt nichts Mobileres als Kapital, es gibt keine größere Vernetzung als die im Finanzdienstleistungssektor. Und nun fragen Sie mich, was ich auf der nationalen Ebene mache. Herr Schick, soll ich in Deutschland die Eigenkapitalunterlegungen spezifisch verändern, wenn es alle um mich herum nicht machen? Erwarten Sie von mir, dass ich deutschlandspezifische Liquiditätsstandards festlege, dass ich Rechnungslegungsstandards verändere? Sie wissen doch genau, welche Folgen das hätte. Es würde zu einer totalen Schwächung des deutschen Finanzdienstleistungssektors führen.
Ich komme hier nur weiter, wenn ich mich mit meinem Impetus in die dafür vorgesehenen Organisationen einbringe. Da sage ich mit einem gewissen Stolz: Das ist dieser Bundesregierung in den letzten zehn bis zwölf Monaten gut gelungen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schick zu?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Bitte sehr.
- Es kommt auf die Tonlage an.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich nicht gesagt habe - das wurde auch im Ausschuss deutlich -, wir sollten Regelungen, die übereinstimmend auf internationaler Ebene gefunden werden müssen, in Deutschland vorwegnehmen? Ich habe in meinem Redebeitrag ausschließlich Punkte benannt, die sich auf den nationalen Hoheitsbereich beziehen, beispielsweise die Organisation der Finanzaufsicht, die internen Arbeitsabläufe der Finanzaufsicht und die Verteilung der Aufgaben bei der Überprüfung von Kleinstinstituten und Großbanken. Das von mir genannte Beispiel der Eidgenössischen Bankenkommission bezog sich auf ein Vorgehen auf nationaler Ebene. Man kann nicht einfach so tun, als hätte ich irrationale Forderungen nach einer Regulierung von Hedgefonds oder nach Eigenkapitalunterlegung nur in Deutschland geäußert. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass wir so etwas auf nationaler Ebene nicht regeln können.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich habe das wohl verstanden. Nur ist das bei der Bankenaufsicht ein kleines Segment. Sie wissen, dass es bei der BaFin gerade zu organisatorischen und strukturellen Veränderungen gekommen ist. Sie wissen, dass eine neue Arbeitsteilung zwischen den beiden Aufsichtsbehörden, der Bundesbank und der BaFin, einmütig festgelegt wurde. Sie müssten mir also schon sehr viel konkreter sagen, was Sie darüber hinaus wünschen.
Im Übrigen geht es bei den Bemühungen, unsere Bankenaufsicht zu stärken, darum, bei grenzüberschreitenden Versicherungsgruppen und Bankengruppen eine stärkere Kooperation und Konvergenz herzustellen. Dementsprechend habe ich in der slowenischen Stadt Ljubljana gerade an der Erstellung eines Memorandum of Understanding mitgewirkt. Darüber hinaus habe ich im Kreis der G 7 auf Vorschlag des Financial Stability Forum die Einrichtung von sogenannten Colleges, von Überwachungsvertretungen, verabredet. Sie müssten mir schon konkreter sagen, was im Augenblick darüber hinaus bei der Bankenaufsicht zu tun ist, und nicht nur irgendwelche Mahnungen in die Welt setzen.
Außerdem haben Sie einen Hinweis gemacht, den ich für abwegig halte. Die BaFin ist nicht dafür da, die Geschäftsmodelle von Banken zu kontrollieren;
das haben Sie aber in Ihrem Redebeitrag gefordert. Mit einem solchen Verständnis können Sie garantiert nichts bewirken.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, bei dem ich bitte, genau zu unterscheiden. Angesichts des hohen Mobilitätsgrades bei Kapital und der hochgradigen Vernetzung im Finanzdienstleistungssektor ist die Bundesrepublik Deutschland darauf angewiesen, ihre Vorstellungen bei der Frage, wie die Widerstandsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors verbessert werden kann, in der Eurogruppe, in der Europäischen Union, im G-7-Kreis und im Financial Stability Forum durchzusetzen. Ich finde, wir haben aus Washington einiges mitgebracht, das sich sehen lassen kann.
Im vierten Punkt möchte ich auf die Frage eingehen, ob Steuergelder verbrannt werden. Der Bundesregierung ist die Entscheidung, über eine Art Zuweisungsgeschäft über die KfW der IKB 1,2 Milliarden Euro zunächst als Darlehen zur Verfügung zu stellen, nicht leicht gefallen. Dieses Darlehen ist noch nicht verbrannt. Wir hatten abzuwägen - das war die Entscheidung -, ob wir die IKB - umgangssprachlich formuliert - an die Wand fahren lassen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erschütterungsdynamik - der Knall, der auf einen Bankrott dieser Bank folgen würde - andere so stark in Mitleidenschaft ziehen könnte, dass der Schaden noch größer wäre; Herr Dautzenberg hat das richtigerweise als Kettenreaktion bezeichnet.
Wenn Sie mich fragen, ob dort Steuergelder verbrannt werden, müssen Sie eigentlich ehrlicherweise hinzufügen, wie viel mehr Steuergelder im Alternativszenario, das sehr viel größere Risiken birgt, verbrannt würden. Das tun Sie aber nicht. Vielmehr fokussiert sich alles auf die Forderung, so mit der IKB umzugehen, dass der Steuerzahler nicht in eine Mithaftung gezogen wird - bisher haftet der Steuerzahler nicht mit -, wobei Sie die Frage nicht interessiert, was die Konsequenzen daraus wären. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass eine gute Gesinnung nicht reicht, um Politik zu machen; auch Verantwortungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein sind nötig. Die Bundesregierung musste hier Verantwortungsbereitschaft zeigen.
Der letzte Punkt. Wir befinden uns in Deutschland keineswegs in einer Situation, in der wir den Eindruck vermitteln sollten, die deutschen Steuerzahler würden in großem Umfang und in nachhaltiger Form durch die Finanzmarktkrise in Mitleidenschaft gezogen. Ja, in allen betroffenen Ländern wird es allein durch die Eintrübung der Konjunktur zu Verlusten an Steuereinnahmen kommen; das ist schlicht und einfach ein unspezifisches Resultat der Wirtschaftsentwicklung. In welchem Ausmaß wir wegen der Finanzmarktkrise bzw. für Stützungsmaßnahmen des Staates aufgrund von Garantiepositionen wirklich Haushaltsmittel und damit Steuergelder in Anspruch nehmen müssen, weiß zurzeit niemand. In Deutschland hält sich das im Gegensatz zu Großbritannien erkennbar in Maßen.
In Großbritannien ist eine Bank wie Northern Rock verstaatlicht worden, was ordnungspolitisch beinahe unvorstellbar ist. Das wird im britischen Haushalt mit ungefähr 40 Milliarden bis 60 Milliarden Pfund zu Buche schlagen und die britische Einhaltung der Maastricht-Kriterien gefährden.
Derzeit ist der englische Staat dabei, mit 50 Milliarden Pfund Hypothekenkredite abzusichern. Er übernimmt sie als Sicherheit für Staatsanleihen. Es geht um unvorstellbar hohe Summen.
In den USA hat die Fed mit Blick auf die Stabilisierung von Bear Stearns JP Morgan mit 30 Milliarden Dollar abgesichert. Insofern bitte ich Sie, unsere Lage in Deutschland auch im Vergleich dazu zu betrachten, was andernorts durch die weltweite Finanzmarktkrise ausgelöst worden ist.
Ich will mich aus Zeitgründen nicht auf weitere Einzelheiten kaprizieren, zumal ich mich im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss erklären durfte. Ich halte aber an dem fest, was aufgrund maßgeblicher deutscher Initiativen im Financial Stability Forum vorgeschlagen worden ist. Ich erinnere daran, dass die deutsche G-7-Präsidentschaft im Februar 2007 in der Villa Hügel in Essen das Thema Transparenz international auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ein kleiner Hinweis darauf, dass das richtig war, fällt sicherlich nicht schwer.
Ich erinnere auch daran, dass die Angloamerikaner langsam auf diesen Kurs umgeschwenkt sind, allerdings unter dem Druck einer Lernkurve, resultierend aus der Finanzmarktkrise. Vor sechs oder sieben Monaten waren sie noch nicht so weit. Es wurde zu Recht gefragt, wie lange diese Phase anhält und ob sie noch genauso zur Regulierung bereit sind wie jetzt, wenn die Krise langsam endet.
Für den Bundesbankpräsidenten und mich wie auch für viele andere - insbesonder für die Europäer und selbst für meine amerikanischen Kollegen - war es eine bemerkenswerte Erfahrung, dass bei einem Zusammentreffen mit ungefähr zehn bis zwölf wichtigen Vorstandsvorsitzenden von internationalen Banken in Washington diese nach mehr staatlicher Regulierung fragten. Das hätte ich mir vor sechs Monaten nicht träumen lassen.
Das passt nicht ganz zu unserem ordnungspolitischen Grundsatz, der dem deutschen Idealismus entsprechend immer sehr strikt verfolgt wird nach dem Motto ?Es geht nicht um Leben und Tod, es geht um mehr als das?.
So kommen wir pragmatischen Lösungen nicht näher. Die Amerikaner und die Briten machen das: Sie verstaatlichen eine Bank.
Das hat es seitens der Fed vorher noch nie gegeben.
Ich will darauf hinaus, dass uns bezogen auf die folgenden Kernprobleme, um die es geht, viel gelungen ist:
Erstens geht es um die Frage, wie wir die Eigenkapitalstandards verändern, damit die verbrieften hochkomplizierten Produkte in den Knalltüten - wie ich sie nennen möchte -, bei denen niemand weiß, wo die Risiken liegen, endlich in die Bilanzen mitaufgenommen werden. Sie müssen mit Eigenkapital unterlegt werden, was das Risikoverhalten von Managern nachhaltig beeinflussen würde.
Zweitens brauchen wir - das ist sehr wichtig - Liquiditätsstandards. Denn die mangelnde Liquidität ist derzeit eines der Hauptprobleme im Interbankenverkehr. Wir haben es mit einem Vertrauensbruch zu tun. Die Banken mit ausreichender Liquidität sitzen wie Glucken darauf. Diejenigen, denen es an Liquidität mangelt, beschweren sich, weil die anderen Banken ihnen nichts abgeben.
Insofern ist die Politik der EZB und der Fed, den Markt mit Liquidität zu versorgen, richtig. Bei einer Bank in Großbritannien, wo das nicht so war, hat das dafür gesorgt, dass die Menschen anschließend in langen Schlangen vor den Filialen gestanden haben. Stellen Sie sich die Debatte vor, wenn es solche Bilder in Deutschland gegeben hätte, die stark an die 20er-Jahre erinnern!
Drittens geht es um Transparenz. Die deutschen Institute werden von mir und dem Bundesbankpräsidenten massiv aufgefordert, offenzulegen, was sie an Risiken erkannt haben und an Wertberichtigungen vornehmen müssen, weil dies zur Vertrauensbildung beiträgt.
Das alleine reicht aber nicht. Wir müssen uns auch über klar benannte Adressaten - ich kann sie aus Zeitgründen nicht alle auflisten - darum kümmern, dass wir schon in einem 100-Tage-Programm vorankommen.
Viertens geht es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bzw. Konvergenz der Aufsichtsbehörden. Ich kann derzeit keinen nationalen Handlungsbedarf erkennen, aber grenzüberschreitend muss gehandelt werden. Die Colleges of Supervisors, wie es in den Kommuniques heißt - also die Arbeitsgruppen aus Aufsichtsvertretern sowohl der Ministerien als auch der Aufsichtsbehörden und der Notenbanken -, haben in diesem Zusammenhang die ersten 25 solcher grenzüberschreitenden Banken- oder Versicherungsgruppen identifiziert.
Das fünfte Problem sind die Ratingagenturen.
Unter dem Strich: Am Anfang steht ein Versagen von Märkten und Managern, nicht von Politik. Das ist das Urteil, das Sie überall hören: Es war nicht die Politik. Also drehen Sie die Debatte nicht um. Ich bin in beiden Ausschüssen immer wieder darauf hingewiesen worden, dass in der Öffentlichkeit ausschließlich die Politik für diese Entwicklung verantwortlich gemacht wird, nicht der Markt oder die beteiligten Manager. Ich meine: Ziehen wir uns den Schuh doch nicht so an, wie Sie das hier versuchen.
Was habe ich denn mit dem operativen Geschäft der IKB zu tun? Nichts, um das deutlich zu sagen. Versuchen wir doch nicht, uns gegenseitig selbst in die Position zu bringen, die dazu führt, dass die Menschen sagen: Die dämliche Politik hat versagt und ist für die Finanzmarktkrise verantwortlich.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage und damit eine Verlängerung Ihrer Redezeit zu, wenn ich das mit Blick auf die rote Lampe bemerken darf?
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Mit oder ohne?
- Dann gerne. Herr Thiele, bitte.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich glaube schon, dass eines der Probleme darin besteht, dass auf der Anlegerseite Produkte gekauft wurden, die von unterschiedlichen Managern in unterschiedlichen Banken nicht entsprechend risikobewertet wurden und dass deshalb sowohl in privaten Banken wie auch in öffentlich-rechtlichen Banken entsprechende Probleme entstanden sind.
Allerdings handelt es sich bei der IKB von ihrer rechtlichen Natur her um eine Privatbank.
Unter Rot-Grün ist allerdings der Anteil der KfW als Eigentümer so erhöht worden, dass die KfW der wesentliche Eigentümer der IKB geworden ist. Unser Ansatz als FDP ist: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Eigentümer einer Privatbank zu werden, auch nicht über die KfW. Das ist der Unterschied. Das werfen wir Ihnen vor. Wir sagen: Die Banken sollen privat organisiert sein. Wenn es zu einem Fehlverhalten kommt, können die Eigentümer dafür die Vorstände zur Rechenschaft ziehen. Aber wenn sich der Staat an Privatbanken beteiligt und Risiken und Verluste entstehen, schlagen sie sich im Haushalt und bei der KfW nieder und müssen damit letztlich vom Steuerzahler getragen werden. Das ist der Punkt, den wir kritisieren.
Ich bitte Sie um Ihre Einschätzung dazu, ob Sie das anders sehen. Der Erwerb ist nicht in Ihrer Zeit als Minister erfolgt, aber als Sie das Amt angetreten haben, haben Sie nicht dafür Sorge getragen, dass sich der Staat über die KfW von diesen Anteilen wieder trennt.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sie sind viel zu sehr mit der Geschichte vertraut, Herr Thiele, um nicht zu wissen, dass sich die KfW seinerzeit um die Anteile an der IKB nicht gerissen hat.
- Aber aufgrund des Drängens der deutschen Wirtschaft, damit diese deutsche Mittelstandsfinanzierungsbank nicht von der Royal Bank of Scotland übernommen wurde. Das wissen Sie doch. Versuchen Sie doch nicht, mich und vor allem das Publikum in die Irre zu führen.
Das war doch seinerzeit keine Strategie der KfW. Ich weiß gar nicht, wer damals im Amt gewesen ist.
- Herr Waigel, aber das ist völlig wurscht. Es ist doch damals nicht das Ansinnen des Bundes gewesen, sich in einer quasi imperialistischen Armbewegung eine Aktiengesellschaft unter den Nagel zu reißen. Das stimmt doch einfach nicht. Die Frage war, ob dieser Anteil möglicherweise in das Eigentum ganz anderer Banken geht, deren Interessen nicht mit denen dieses Mittelstandsfinanzierers übereinstimmen.
Eine weitere Anmerkung. Die KfW hat niemals die Mehrheit im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung der IKB gehabt. Schauen Sie sich doch an, wie dieser Aufsichtsrat besetzt ist! Dann kommen Sie nämlich zu einem ganz anderen Ergebnis als diesen offenkundigen und sehr durchsichtigen Versuchen, hier irgendwelche Bonbons anzukleben. Das gilt nicht für Sie, aber für andere Beiträge aus Ihrer Fraktion. Noch einmal: Ich habe damals, als ich ins Amt kam, keine Veranlassung gesehen, den IKB-Anteil zu verkaufen. Durch die Probleme sind wir alle aufmerksamer geworden. Sie wissen, dass die Bundesregierung ein massives Interesse daran hat, den KfW-Anteil an der IKB zu veräußern.
Jetzt allerdings mache ich eine Bemerkung, und zwar in Übereinstimmung mit anderen wichtigen Verwaltungsratsmitgliedern: Wir verkaufen nicht zu einem schlechten Preis.
Für uns gilt nicht das Motto: Der Verkauf an sich ist das Ziel. Nein, ein günstiger Verkauf ist das Ziel, sonst würden Sie mich dafür ans Brett nageln.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Herr Minister, auch die Verlängerung Ihrer Redezeit ist nun abgelaufen. Deshalb lasse ich jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr zu.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich halte mich gerne an die Spielregeln, Frau Präsidentin. - Ich bedanke mich sehr, dass Sie mir zugehört haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Dr. Wissing.
Dr. Volker Wissing (FDP):
Herr Minister Steinbrück, Sie haben sich hier vor dem Deutschen Bundestag darüber beschwert, dass Mitglieder des Hohen Hauses, vor allem meiner Fraktion, in besonderem Maße von ihrem parlamentarischen Fragerecht Gebrauch machen. Nun waren Sie selbst niemals Mitglied des Deutschen Bundestages. Deswegen möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das parlamentarische Fragerecht ein wesentliches Instrument der verfassungsrechtlich verbürgten Regierungskontrolle durch den Deutschen Bundestag ist.
Meine Fraktion hat bei der Ausübung des parlamentarischen Fragerechts niemals die rechtlichen und gesetzlichen Grenzen überschritten. Deswegen weise ich Ihre Vorwürfe mit allem Nachdruck zurück. Ich bin sicher, dass ich dabei auch die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen des Hauses habe.
Ich bin ganz sicher, dass Sie, Herr Minister, angenehmer regieren könnten, wenn Ihnen insbesondere von der Opposition nicht so viele Fragen gestellt würden. Es ist allerdings ein Widerspruch, wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, hier Transparenz schaffen zu wollen, sich aber gleichzeitig darüber beschweren, Fragen der Opposition beantworten zu müssen.
Ich möchte Ihnen sagen: Wir werden auch weiterhin von unseren parlamentarischen Rechten Gebrauch machen. Davon lassen wir uns insbesondere nicht von einem Minister einer Großen Koalition abhalten. Wäre Ihre Finanzpolitik nicht so fragwürdig, müssten wir nicht so viele Fragen stellen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sie gehen von einer falschen Lage aus. Ich habe mich nicht beschwert.
Das bitte ich im Protokoll nachzulesen.
Der Zusammenhang, den ich hergestellt habe, war folgender: Herr Schäffler hat sich über die mangelnde Auskunftsfreudigkeit des Ministeriums beschwert. Danach habe ich darauf hingewiesen, dass wir nach Lage der Dinge allein von Herrn Schäffler und Herrn Wissing inzwischen mehr als 180 einzelne Fragen beantwortet haben. Ich habe in meinen Darlegungen mit keiner einzigen Silbe das Fragerecht des Parlaments berührt. Das bitte ich im Protokoll genau nachzulesen. Ich glaube, es ist eine künstliche Aufregung, die Sie hier herbeiführen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Nun hat der Kollege Dr. Axel Troost für die Fraktion Die Linke das Wort.
Dr. Axel Troost (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegen heute zwei Anträge der FDP vor, die sich in gewisser Weise widersprechen. In dem einen Antrag wird gesagt, es gehe darum, das Geschäftsmodell von Banken mit staatlicher Beteiligung zu ändern - Konzentration auf das Kerngeschäft und Umstellung auf tragfähige Strukturen -, und in dem anderen wird gleich die Privatisierung gefordert. Wir lehnen die Privatisierung der Landesbanken ab. Wir als Linke meinen, dass Landesbanken notwendig sind, aber wir stimmen in vollem Umfang dem zu, was der Kollege Schick gesagt hat: Was an Fehlern geschehen ist, muss aufgearbeitet werden. Da ist der Hinweis auf die ?CDU-Bank? völlig richtig, weil dort erhebliche Fehler gemacht worden sind; ich verweise auf Berlin - das war früher -, Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern.
Landesbanken rechtfertigen sich nicht dadurch, dass es schicke Gästehäuser gibt, in die die Ministerpräsidenten auswärtige Gäste einladen, Landesbanken rechtfertigen sich nicht dadurch, dass sie eigene Flugzeuge haben, die sie der Landesregierung zur Verfügung stellen,
sondern sie rechtfertigen sich nur, wenn sie in strukturrelevanten Bereichen arbeiten, Kredite an Unternehmen vergeben und das Drei-Säulen-System insgesamt stärken. Daran muss gearbeitet werden. Insoweit muss eine Veränderung stattfinden.
Sicherlich verurteilen wir alle die Vergabe der Hypothekendarlehen an einkommensschwache Kreditnehmer in den USA. Aber ohne die Verbriefungsmöglichkeiten hätten die amerikanischen Hypothekenbanken die Darlehen gar nicht erst vergeben können, weil sie auf den Ausfallrisiken selbst sitzen geblieben wären. Durch komplizierteste Verbriefungstechniken wurde es möglich, mit unverantwortlicher Kreditvergabe viel Geld zu verdienen und die eingegangenen Risiken nicht selbst tragen zu müssen. Hier liegt klares Marktversagen vor.
Kreditmärkte sollen helfen, Risiken zu streuen. Im konkreten Fall wurden die Risiken aber so effektiv gestreut, dass sie bis zur Unkenntlichkeit verstreut wurden und damit wieder neue Risiken hervorgerufen haben.
An der Verbriefung haben die Banken und Zweckgesellschaften vor der Krise gut verdient. Statt Risiken beherrschbar zu machen, hat die Verbriefung die gesamtwirtschaftliche Effektivität und Stabilität nicht befördert, sondern ihr sogar geschadet.
In der Vergangenheit wurden Finanzinnovationen, wie man das so schön nennt, von den Neoliberalen gern als Beitrag zur Effizienzsteigerung der Finanzmärkte gepriesen. Aber kein Banker hat Finanzprodukte entwickelt, um Märkte effizienter zu machen. In Wirklichkeit ging es natürlich, wie überall im Kapitalismus, ums Geldverdienen. Nun mag es vereinzelt Finanzprodukte gegeben haben, die gesamtwirtschaftlich effizient sind. Das bleibt aber dem Zufall überlassen. Das muss sich aus unserer Sicht radikal ändern.
In der Debatte wurde schon von Herrn Spiller, von Herrn Kalb und anderen gefragt: Wie konnte es eigentlich passieren, dass die Banken solche unüberschaubaren Produkte gekauft haben? Wie konnte es passieren, dass die Banker und Vorstände nicht durchgeblickt haben? Was soll man davon halten, dass selbst Herr Ackermann inzwischen Zweifel hat? Unserer Ansicht nach muss es in Zukunft so sein, dass riskante neue Finanzprodukte einer Zulassungspflicht unterworfen sein müssen.
Als Zulassungsstelle schlagen wir einen neu einzurichtenden Finanz-TÜV vor. Nur wenn die privaten Gewinnmöglichkeiten von Finanzprodukten nicht mit einer Verringerung der allgemeinen Finanzstabilität erkauft werden, dürfen solche Produkte überhaupt zugelassen werden.
Lassen Sie mich noch ganz kurz eine letzte Bemerkung machen. Die aktuellen Turbulenzen sind nicht nur auf eine unzureichende Regulierung, sondern auch auf den immer stärker werdenden Anlagedruck zurückzuführen. Dieser hängt mit der internationalen Privatisierung der Altersvorsorge zusammen. Diesen Zusammenhang, den wir schon in der Debatte zuvor aufgezeigt hatten, was Riester-Rente und Wohn-Riester angeht, muss man herstellen. Nur wenn wir wieder zu einer vernünftigen Umlagefinanzierung der Renten kommen, können wir auch die Anlageprobleme auf den Finanzmärkten in den Griff bekommen.
Danke schön.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Eckhardt Rehberg das Wort.
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Trotz schwerwiegender Probleme, verursacht durch die internationale Finanzkrise, steigender Energiepreise und einer Spreizung zwischen Dollar und Euro, wie wir sie in diesem Ausmaß bislang nicht gekannt haben, ist die deutsche Wirtschaft stabil und robust. Hätten wir vor fünf oder zehn Jahren auch nur eines dieser Probleme gehabt, wären die Auswirkungen damals viel gravierender gewesen. Ich glaube, dass die Struktur unseres Finanzmarktes zur Stabilität beiträgt.
Meine Damen und Herren von der FDP, widersprüchlicher als Sie heute kann man gar nicht argumentieren. Der Kollege Schäffler beschwert sich, dass sich für die IKB das Mittelstandsgeschäft nicht lohnen würde. Herr Zeil hingegen beklagt die Mittelstandsfinanzierung durch die IKB.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, was in der Vertikalstruktur aus den Sparkassen vor Ort wird, die doch ganz überwiegend Träger der Finanzierung des Klein- und Mittelstandes sind, wenn die Landesbanken gemäß Ihrer Forderung zügig privatisiert werden?
Sind Sie sich darüber im Klaren, wie das Kreditgeschäft für den Klein- und Mittelstand in Deutschland aussieht, wenn es zur der von Ihnen geforderten Privatisierung, die Sie für das Nonplusultra halten, kommt?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Rehberg, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäffler zu?
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):
Ich lasse sie sehr gerne zu.
Frank Schäffler (FDP):
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich mich nicht gegen das Mittelstandsgeschäft der IKB ausgesprochen habe. Ich habe vielmehr gesagt, dass das Mittelstandsgeschäft der IKB zu keinem Zeitpunkt ertragreich für die IKB selbst gewesen ist.
Das ist der Grund dafür, weshalb die IKB außerbilanzielle Zweckgesellschaften gegründet hat. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass ich das so gesagt habe?
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU):
Herr Kollege Schäffler, Sie haben deutlich gemacht, dass das Mittelstandsgeschäft für die IKB nicht ertragreich ist. Ich wollte gerade - an der Stelle haben Sie mich unterbrochen - deutlich machen, dass die Finanzierung für den Klein- und Mittelstand natürlich staatlich unterstützt werden muss, was wir tun. Bei Ihrer Forderung nach Privatisierung der Landesbanken vergessen Sie, auf die Konsequenzen für den Sparkassensektor hinzuweisen.
Es sind oftmals Probleme bei der Durchreichung von KfW-Darlehen und von Krediten im ERP-Bereich im Hinblick auf die Margen der Hausbanken beklagt worden. Wir hatten lange Jahre Debatten darüber, dass Hausbanken Kredite der KfW und aus dem ERP-Sondervermögen nicht hinreichend durchgereicht haben. Erst als neue Zinsstrukturen geschaffen wurden, erst als im Rahmen des ERP-Sondervermögens, sprich: durch die KfW, Margen mit übernommen wurden, war dieses Thema verschwunden.
Meine feste Überzeugung ist: Wenn wir an die Thematik der Landesbanken überhastet herangehen würden, so wie Sie es vorschlagen, dann würden wir Kollateralschäden ohne Ende haben. Ich sage nicht, dass wir bei den Landesbanken nicht das eine oder andere machen müssen. Es gibt aber Landesbanken, die sich nach meiner Auffassung spezialisiert haben: Nehmen wir die HSH Nordbank beim Thema Schiffsfinanzierungen; nehmen wir aber auch die Nord-LB beim Thema Flugzeugfinanzierungen. Meine Damen und Herren von der FDP, ich will Ihnen sagen - es ist schwer, hier über diese Thematik zu reden; denn es geht ein Stück weit in die Vertraulichkeit -: Meine Erfahrung gerade seit 1990 ist: Manches heute höchst erfolgreiche Investitionsprojekt in Mecklenburg-Vorpommern wäre ohne die Nord-LB nicht möglich gewesen; ich könnte Ihnen zig Beispiele nennen.
In diesem Fall haben Landesbanken die Konsortialführung und Bürgschaften in den Bereichen übernommen, aus denen sich Privatbanken lange herausgezogen haben. Ich sage nicht, dass alle Projekte gut verlaufen sind. Natürlich waren Risiken dabei. Aber gerade der Aufbau der neuen Bundesländer wäre ohne den öffentlich-rechtlichen Bankensektor, wie wir ihn heute haben, nicht möglich gewesen. Natürlich muss es hier zu Verbesserungen kommen. Das ist nicht Aufgabe der Bundespolitik, das ist Aufgabe der Länder. Zum Beispiel lassen die Sparkassengesetze der allermeisten Länder keine gemeinsame Beteiligung von Genossenschaftsbanken und Sparkassen an einem Geldinstitut zu. Wenn wir die Sozialfunktion von Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Zukunft hinreichend ausfüllen wollen, dann muss eine Beteiligung der einen zusammen mit der anderen Seite möglich sein. Hier sind wir alle - übrigens über die Parteigrenzen hinweg - gefordert, dass diese Beteiligungen möglich werden.
Herr Minister Steinbrück, Sie haben darauf hingewiesen, dass seitens der Linken und der FDP der Eindruck erweckt wird, schuld an dieser Problematik sei allein die Politik. Was mich massiv ärgert, ist, dass die Rolle der Ratingagenturen und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überhaupt nicht hinterfragt wird. Sie sollten sich einmal den Konzerngeschäftsbericht der IKB vom 28. Juni 2007 und den korrigierten Bericht vom Februar dieses Jahres zu Gemüte führen. Da hat sich eine Ratingagentur einiges geleistet; ich lasse den Namen einmal weg. Diese Ratingagentur hat die IKB im Februar 2008 noch genauso gut bewertet wie im Juni 2007. Da frage ich mich ganz besorgt, wofür sie ihr Geld bekommen hat. Nach Basel II waren wir ja an der einen oder anderen Stelle bei einem gewissen Ratingfetischismus.
Ich will einen zweiten Aspekt nennen: Konzerngeschäftsberichte sind immer eine Anlage zur Bilanz. Sie werden von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testiert. Ich darf jetzt einmal aus dem Konzerngeschäftsbericht der IKB vom 28. Juni 2007 zitieren - schon Ende Mai/Anfang Juni 2007 sind in Amerika die ersten mehr als dunklen Wolken zum Thema Subprime-Krise aufgezogen; ich betone ausdrücklich: Anlage zur Bilanz, testiert von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft -:
Unsere Investments konzentrieren sich zu zwei Dritteln auf mindestens Investmentgrade-geratete US-Portfolios (wie zum Beispiel Kreditkartenforderungen, Hypothekenkreditforderungen sowie Unternehmenskredite) sowie zu einem Drittel auf europäische Portfolios mit ähnlichen Strukturen.
Jetzt kommt es:
Wir nutzen unsere große Expertise in diesem Bereich aber auch, um auf Provisionsbasis externe Gesellschaften bei deren Investments in internationale Kreditportfolien zu beraten. Dies bezieht sich insbesondere auf das Conduit ?Rhineland Funding Capital Corporation? in den USA. Aufgrund unserer Beratung investiert diese Gesellschaft in vergleichbare Portfolien wie die IKB. Auf diese Weise stellen wir sicher, dass für Dritte die gleichen Qualitätsstandards wie für unser Haus gelten.
- Kollege Dautzenberg, Sie bemerken zu Recht: Das spricht für sich.
Wenn wir die Verantwortung der Politik anmahnen, müssen wir gleichzeitig die Verantwortung derer anmahnen, die mit solchen Bilanzen, solchen Geschäftsberichten und solchen Ratings Geld verdienen. Es ist richtig, die Rolle der Ratingagenturen zu hinterfragen. Ich hinterfrage an dieser Stelle aber auch die Rolle der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland die jetzige Situation unter anderem deswegen so gut meistern kann, weil die Europäische Zentralbank - meines Erachtens im Gegensatz zur Fed - eine sehr verantwortungsvolle Politik macht und weil die Europäische Zentralbank nicht der Versuchung erlegen ist, die Zinsen abzusenken. Ich glaube ferner, dass der stabile und starke Euro dazu beiträgt, dass wir diese Finanzkrise so gut bewältigen können.
Aus meiner Sicht wird es in Zukunft darum gehen, mehr Transparenz bei Ratings zu gewährleisten und die Haftung der Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu erweitern.
- Herr Kollege, ich habe im ERP-Unterausschuss und im Wirtschaftsausschuss an Befragungen - unter anderem von Frau Matthäus-Maier - teilgenommen. Ich habe auch die Berichte gelesen, die uns vom BMF und vom BMWi vorgelegt wurden. Wie Sie war auch ich in der Opposition, und ich verstehe etwas von Oppositionsarbeit. Ich glaube, wir stehen hier an einer Stelle, an der der kurzfristige politische Effekt hinter dem Verantwortungsbewusstsein zurücktreten sollte. Das gilt gerade für die Finanz- und die Geldpolitik. Denken Sie bitte an den kleinen Sparer, die kleine Sparerin, den älteren Sparer und die ältere Sparerin.
Eine letzte Bemerkung. Überlegen Sie einmal, wo die IKB stünde, wenn Ihre Forderungen umgesetzt worden wären. Dann wäre die IKB gegen die Wand gefahren; dann hätten wir die Schlangen vor den Banken, die Herr Steinbrück beschrieben hat; dann wäre der Schaden weitaus größer.
Danke.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Ortwin Runde für die SPD-Fraktion.
Ortwin Runde (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand es richtig mutig, wie Herr Zeil seine Rede eröffnet hat. Ich habe mich gefragt, wo er rauskommt, wenn er so in das Thema einsteigt. Er hat Thomas Jefferson zitiert, der sagte: Eine Bank ist, was die Gefährlichkeit angeht, nur mit einer stehenden Armee zu vergleichen. Jefferson wusste, was eine stehende Armee ist, er wusste, was sie tut, um sich zu versorgen, wusste, was das für die betroffene Bevölkerung und das Wirtschaftsgeschehen bedeutet. Jeder von uns, der Wallenstein gelesen hat, weiß auch, was solche Heere bedeuten. Ich habe mich gefragt, ob Herr Zeil dieses Bild auf die Neuzeit übertragen und damit sagen wollte, dass diese Bankenkrise - das wäre ein richtig kapitalismuskritischer Ansatz - Auswirkungen auf Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Energiepreise hat, also weltweit großen Schaden anrichtet, unter dem die Bevölkerung leiden muss. Das dachte ich.
Dann merkte ich aber, dass er dieses Bild als Rammbock gegen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen benutzen und ihren Beitrag zur weltweiten Finanzkrise herausstreichen will.
Da war ich intellektuell ein bisschen enttäuscht von Ihnen, Herr Zeil.
Wenn man sich diese Krise der Finanzmärkte ansieht, muss man sich doch fragen, worin sie ihren Ursprung hat. Der Ursprung ist eigentlich nicht die Immobilienkrise, sondern die Erwartung, man könnte im Finanzbereich die Renditemöglichkeiten von denen der Realwirtschaft abkoppeln. Die Realwirtschaft liefert bei langfristiger Anlage Renditemöglichkeiten von durchschnittlich 8 bis 12 Prozent.
Die Finanzwirtschaft hingegen versuchte, sich von den Renditemöglichkeiten der Realwirtschaft abzukoppeln und ein Vielfaches dieser Rendite zu erzielen. Das ist Renditegier. Dazu haben auch Sie, Herr Zeil, etwas gesagt und von Kasinokapitalismus gesprochen.
Die Finanzwirtschaft hat den Mechanismus der Verbriefung nicht zur Risikostreuung, sondern zur Risikoverschleierung eingesetzt. Das hätte fast zu einer krebsartigen Wucherung der Risiken in den verschiedenen Volkswirtschaften geführt. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt.
Ich dache, jetzt machen Sie alle möglichen Vorschläge, wie man der Abkopplung der Finanzindustrie von der Realwirtschaft begegnen kann. Das ist natürlich nur auf internationaler Ebene möglich. Die Eigenkapitalunterlegung muss sich nach der Risikohöhe richten.
Die bekannten Probleme im Hinblick auf Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer usw., die bereits angesprochen worden sind, müssen aufgedeckt und gelöst werden.
Was die Ursachen dieser Krise angeht, muss man feststellen: Diese Krise war nur unter Beteiligung von Profis möglich, und zwar von Profis, die in großen Privatbanken und in international operierenden Banken tätig sind. Ohne sie wäre diese Krise nicht möglich gewesen.
Wenn Banker - nicht nur Landesbanker, sondern zum Beispiel auch die Banker der Deutschen Bank; auch ich höre mir ab und zu an, was Herr Ackermann sagt - heute im Schlaf an innovative und komplex strukturierte Finanzprodukte denken, dann bekommen sie Albträume und wachen auf.
Es stellt sich die Frage: Wie können Menschen im Hirn so krank werden, dass sie die Risiken ihrer Geschäfte nicht mehr richtig einschätzen können, sich aber trotzdem darauf einlassen?
Eine andere zentrale Frage lautet: Wie können wir diese Menschen von ihrer Krankheit heilen?
Solange sie hohes Fieber haben, das sie auch spüren, gibt es ein Zeitfenster, in dem sie sagen: Wir sind bereit, im Hinblick auf das Verhältnis von Politik und Wirtschaft mitzuwirken. - Diese Einstellung ist auf den internationalen Finanzmärkten inzwischen auch bei den Angloamerikanern, bei den Engländern und bei den Amerikanern, angekommen. Das ist eine Chance, die wir ergreifen müssen.
Herr Schick, bei aller Anerkennung Ihrer Aussage, dass man untersuchen muss, was in Deutschland in den einzelnen Instituten schiefgegangen ist: Ein Finanzminister, der die von mir genannte Chance nicht ergreift, erfüllt seinen Auftrag nicht.
Für mich war es nach all der Kritik und all den Forderungen im Zusammenhang mit Hedgefonds wirklich erstaunlich, welche Entwicklung wir in den letzten Monaten auf den internationalen Finanzmärkten erlebt haben. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass das FSF so weitreichende Vorschläge entwickelt. Hier müssen wir dranbleiben.
Jetzt gilt es, schnell zu reagieren und das Zeitfenster, das uns zur Verfügung steht, zu nutzen, bevor es sich schließt. Diese Gelegenheit müssen wir ergreifen.
Ausgerechnet Sie, Herr Zeil, haben diese Problematik eben als eine Art Rammbock benutzt.
Selbst ein Juso wäre nur in seinen allerbesten Zeiten in der Lage, eine solch antikapitalistische Rede zu halten, wie Sie es getan haben.
Wenn Sie diesen Rammbock dazu nutzen wollen, auf die öffentlichen Banken bzw. auf den öffentlich-rechtlichen Sektor zu schießen, muss ich Ihnen sagen: Thema verfehlt!
Das dreigliedrige System aus öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken, Genossenschaftsbanken und privaten Geschäftsbanken ist eine wichtige Infrastruktur. Dieses System ist erhaltenswert; darüber sollten wir uns alle einig sein. Dass Sie, damit Ihr Feindbild passt, auch die IKB zu einer öffentlich-rechtlichen Bank erklären, ist ein Griff der besonderen Art.
Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, was im Jahre 2001 geschehen ist, als die Allianz aussteigen wollte und ausländische Investoren einsteigen wollten.
Damals hat der gesamte Mittelstand bzw. die deutsche Wirtschaft die Auffassung vertreten:
Die KfW soll sich beteiligen, sie hat einen bestimmten Auftrag. - Dieses Vorgehen im Nachhinein zu diskreditieren, halte ich für intellektuell nicht redlich.
Zum Schluss. Sie müssen sich über eines klar werden:
Wie stehen Sie zu den Anstrengungen zur Sanierung der IKB? Sind Sie dafür gewesen - im Interesse sowohl der Stabilität des Finanzsystems in Deutschland als auch der mittelständischen Kreditnehmer -, oder sind Sie dagegen? Ich weiß nicht, was Ihr Ausgangspunkt ist. Ist das diese Beliebigkeit, die man manchmal hat, wenn man in der Opposition ist und Kritik übt, diese Art von Opportunismus? Welchen Standpunkt vertreten Sie? Das müssen Sie uns einmal erklären.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/8771, 16/6998 und 16/8888 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 158. Sitzung - wird am
Montag, den 28. April 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]