164. Sitzung
Berlin, Freitag, den 30. Mai 2008
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle sehr herzlich zu unseren heutigen Beratungen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben jeweils beantragt, die Beratung der Vorlagen zur Zukunft der Bahn von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Es handelt sich dabei um den Tagesordnungspunkt 29 sowie den Zusatzpunkt 7.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat als erste Rednerin die Kollegin Dagmar Enkelmann für die Fraktion Die Linke.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke beantragt die Absetzung der Bahnprivatisierung von der heutigen Tagesordnung. Ich stelle fest: Das von der Koalition gewählte Verfahren - Affentempo - steht im Widerspruch zur Tragweite der Entscheidung, um die es hier heute geht.
Immerhin soll heute ein Viertel des öffentlichen Eigentums an der Bahn auf den Weg der Privatisierung gebracht werden. Das soll im Schnellverfahren durchgeboxt werden. Am Montag erst gab es die Anhörung im Verkehrsausschuss, am Mittwoch erfolgte die abschließende Beratung im Verkehrsausschuss, und heute findet nun hier die abschließende Lesung statt. Eine wirklich umfassende Beratung, eine Auswertung der Anhörung, insbesondere auch in den Fraktionen, war damit schlicht und ergreifend unmöglich.
Sind wir Abgeordnete hier nur noch Abnicker? Vor allen Dingen: Wie arrogant gehen Sie eigentlich mit den Sachverständigen um, die Sie am Montag gehört haben? Haben Sie tatsächlich alle Folgen einer Privatisierung verantwortungsbewusst abwägen können? Sind Sie sich im Klaren, dass Sie heute den Weg für eine Bahn freimachen sollen, in der es in erster Linie um die Rendite geht? Wissen Sie, dass sich Investmentbanken längst in Erwartung lukrativer Provisionen für die Platzierung der Aktien in Stellung gebracht haben? Es ist die Rede von immerhin 100 Millionen Euro, die da zu holen sind. In Erwartung von Schnäppchen stehen die Banken also längst auf der Matte. Ist Ihnen bekannt, dass unter diesen Banken eine ganze Reihe von Verantwortlichen für den internationalen Finanzskandal sind? Liebe Leute, das stinkt nach einem Untersuchungsausschuss in der nächsten Legislaturperiode.
Ich kann Ihnen jetzt schon ankündigen: Die Linke wird ihn beantragen.
Kennen Sie die Position der Bahn? Ich zitiere, Frau Präsidentin:
Die Aktien sollen vor allem Großinvestoren angeboten werden. Nur ein kleiner Teil soll an private Anleger gehen.
- So viel zu Ihrem Volksaktienmodell, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Hatten Sie ausreichend Zeit, die Aussage des neuen Personalvorstands, des ehemaligen Gewerkschaftsfunktionärs Norbert Hansen, zu prüfen? Ich zitiere erneut:
Und das wird in einigen Bereichen nicht ohne Personalabbau gehen.
Was wird mit den Beschäftigten der Bahn? Hatten Sie Gelegenheit, sich mit seiner Aussage zu befassen? Ich zitiere erneut:
Die Obergrenze für eine Privatisierung liegt für mich bei 49,9 Prozent.
- Von wegen 24,9 Prozent, und da ist die Grenze.
Hatten Sie tatsächlich Zeit, die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidung zu prüfen? Art. 87 e Grundgesetz verpflichtet uns nämlich, das Wohl der Allgemeinheit zu gewährleisten. Ist die Verfassungsmäßigkeit tatsächlich weiterhin gegeben? Haben Sie ausreichend abwägen können, welche Folgen die Privatisierung für die Beschäftigten, für die Kundinnen und Kunden, für den Service, für den Verkehr in der Fläche haben wird? Haben Sie all das tatsächlich ausreichend abwägen können?
Oder geht es am Ende möglicherweise um einen Verschiebebahnhof. Es geht nicht nur um Norbert Hansen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Achim Großmann, SPD, soll einen Vorstandsposten bei der DB Holding AG erhalten. Dasselbe gilt für den ehemaligen Verkehrsreferenten der SPD-Fraktion Thomas Kohl. Schaffen Sie sich hier möglicherweise einen Freibrief?
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit, bitte.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Wenn Sie jetzt zu dem Ergebnis kommen, dass Sie all das erst wirklich abwägen müssen, dann bitte ich Sie, unseren Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung zu unterstützen.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat das Wort der Kollege Dirk Fischer für die CDU/CSU-Fraktion.
Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Geschäftsordnungsantrag auf Absetzung dieses Tagesordnungspunktes leisten die Linken und die Grünen der Sachdebatte um die Teilprivatisierung der DB AG wahrlich keinen guten Dienst. Das ist sehr bedauerlich, zumal die Grünen diesen Prozess in den letzten Jahren oft konstruktiv begleitet haben.
Unsere Koalition findet es richtig und wichtig, dass ihr zukunftsweisendes Konzept heute zur Abstimmung gestellt wird. Die DB AG Holding bleibt erhalten; sie bleibt zu 100 Prozent beim Bund. Die Infrastruktur - ein besonderes Anliegen -, die Bahnhöfe, das Schienennetz, die Elektrizität, geht nicht in den Kapitalmarkt, sondern bleibt an die DB AG Holding und damit mittelbar an das Eigentum des Bundes gebunden. Am Verkehrs- und Logistikbereich soll privates Kapital mit 24,9 Prozent beteiligt werden.
Ich denke, dass wir damit frisches Kapital für die Unternehmensentwicklung, für Investitionen in die Schieneninfrastruktur und in die Verbesserung des Netzes, für die Optimierung der Bahnhöfe und für die Lärmsanierung mobilisieren und dass damit auch der Bundeshaushalt weiter entschuldet werden kann. Damit stärken wir auch die Wettbewerbsfähigkeit der DB AG im europäischen Schienenverkehr - das ist jetzt besonders wichtig -, der sich im Güterverkehr und auch im Personenfernverkehr immer mehr zu einem Wettbewerbsmarkt entwickelt. Gleichzeitig bleibt der konzerninterne Arbeitsmarkt erhalten. Das ist wichtig für die Arbeitsplatzsicherheit der rund 230 000 Beschäftigten der DB AG. Wir wollen die Mitarbeiter auf diesem Wege im guten Sinne mitnehmen.
Das parlamentarische Verfahren ist vollkommen in Ordnung.
Kaum ein Thema ist seit vielen Jahren und insbesondere in dieser Legislaturperiode so intensiv behandelt worden wie die Privatisierung der DB AG.
Im Ausschuss haben wir oftmals gründlich darüber diskutiert. Allein in dieser Legislaturperiode haben wir zu diesem Komplex vier Anhörverfahren durchgeführt. Wer also ?oberflächlich, schnell, durchgepeitscht? sagt, der redet schlicht und ergreifend dummes Zeug, der sagt die Unwahrheit. Das gilt für diesen Prozess nicht.
Die letzte Expertenanhörung fand am Montag statt. Sie hat im Großen und Ganzen das Konzept dieser Koalition bestätigt. Nun geht es darum, keine weitere Zeit zu verlieren und im Interesse der Beschäftigten, der Kunden und des Unternehmens
zügig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ich habe Verständnis dafür - ich war in meinem Leben lange Abgeordneter einer Oppositionsfraktion -, dass die Opposition gelegentlich das Interesse hat, die Regierungsarbeit ein Stück weit zu hemmen. Aber es ist heute Sache der Bundesregierung und ihrer Parlamentsmehrheit, endlich zu handeln. Ich bitte um Verständnis, wenn ich dafür plädiere, den Antrag auf Absetzung zurückzuweisen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Fischer, das ist eigentlich eine Geschäftsordnungsdebatte. Darin soll es um die Gründe gehen, warum wir das heute hier beraten sollen, und darum, ob diese Beratung der Sache angemessen ist. Es geht bei der Privatisierung der Bahn um keine Kleinigkeit. Es geht um die Fragen: Ist nach der heutigen Entscheidung noch eine eigenständige Schienenverkehrspolitik des Bundes möglich? Kann man auch in Zukunft sagen: ?Schienenverkehr ist eine öffentliche Aufgabe??
Bei dieser Holding - einem Zwitter aus Öffentlichem und Privatem - mit einem gemeinsamen Vorstand Mehdorn ist nicht gewährleistet, dass der Verkehr und das Netz getrennt sind und echter Wettbewerb auf diesem Netz stattfinden kann.
Wird Herr Mehdorn als Holdingchef allgemeinwohlorientierte Politik im Privatunternehmen machen, oder wird er Gewinnmaximierungspolitik in der Holding machen? Das alles ist offen. Mit der heutigen Entscheidung zeigen Sie nur eines: Sie haben Angst, dass sich die Diätendebatte wiederholt, dass Sie also am Montag einen Gesetzentwurf einbringen, von dem Sie am Freitag selber wissen, dass Sie ihn nicht aufrechterhalten können, weil Ihnen die eigenen Leute auseinanderlaufen.
Deshalb legen Sie diesen Schweinsgalopp vor.
Wer von Ihnen - abgesehen von den Mitgliedern des Verkehrsausschusses - hat eigentlich das Protokoll der Anhörung gelesen? - Gelesen haben kann es keiner. Davon mitbekommen haben nur diejenigen etwas, die in der Anhörung waren. Aber das gesamte Haus muss diese Entscheidung fällen. Die Anhörung hat am Montag stattgefunden, am Mittwoch haben Sie ohne Lektüre des Protokolls entschieden, und heute muss das ganze Haus entscheiden, obwohl wir das Protokoll nicht zur Kenntnis nehmen können.
Es ist eine Unverschämtheit, wie Sie bei diesem Thema mit dem Bundesrat umgehen. Der Bundesrat hat am letzten Freitag einen Gesetzentwurf zur Privatisierung eingebracht.
Ob man die Privatisierung überhaupt ohne eine gesetzliche Grundlage durchführen kann, ist eine offene Frage, über die sich das Bundesverfassungsgericht sicherlich noch den Kopf zerbrechen wird.
Der Bundesrat hat diesen Gesetzentwurf eingebracht, er liegt uns noch nicht einmal als Bundestagsdrucksache vor, und schon wollen Sie ihn ausbooten. Bei einem so zentralen politischen Anliegen, bei dem es um das Volksvermögen und die Zukunft des Mobilitätsträgers Bahn geht, ist das eine unverantwortliche und unanständige Art und Weise.
Bei der Bundesratsdebatte wurde Ihnen ja ins Stammbuch geschrieben, welche Punkte offen sind. Ihr Modell bietet keine Gewähr für den Erhalt der Regionalnetze. Es bietet keinen Schutz vor der Entwertung der Nahverkehrsmittel durch steigende Stations- und Trassenpreise. Es gibt keinen Schutz davor, dass ausschließlich ökonomische Gesichtspunkte über den Umfang und die Qualität der Infrastruktur entscheiden.
Wie es alles kommen wird, können wir nicht wissen, weil die Grundlagen, die Herr Tiefensee dem Hohen Haus in der ersten Lesung angekündigt hat, bis heute nicht vorliegen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist zu Ende.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lassen Sie mich noch diesen letzten Satz zu den Grundlagen sagen.
Der Bundesverkehrsminister hat im Hohen Haus am 8. Mai 2008 versprochen, den Beteiligungsvertrag in den nächsten Tagen vorzulegen. Der Beteiligungsvertrag liegt nicht vor. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ist unvollständig, lückenhaft und besteht im Wesentlichen aus ?xxx?.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überzogen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der Zustandsbericht fehlt auch. Wir haben überhaupt keine Grundlage, um diese Entscheidung heute qualifiziert treffen zu können. Deshalb lassen Sie uns diesen Punkt von der Tagesordnung absetzen!
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Thomas Oppermann.
Thomas Oppermann (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Beck, liebe Frau Enkelmann, wir werden Ihre aufgeregte Intervention gleich in aller Ruhe und mit großer Mehrheit zurückweisen.
Es gibt kaum ein politisches Projekt in Deutschland, das mit so viel Ausdauer, mit so viel Sorgfalt und in so vielen Details diskutiert wurde wie die Bahnreform.
Das Verfahren war gründlich. Die Anhörung hat ergeben, dass das Holdingmodell funktioniert. Die Debatte hat lange gedauert. Heute ist der Tag der Entscheidung.
Es ist eine Entscheidung für eine moderne DB AG, für eine intelligente Teilkapitalprivatisierung, die privates Kapital mobilisiert, aber den strategisch-gestalterischen Einfluss beim Staat belässt. Es ist eine Entscheidung für die Sicherheit von 230 000 Arbeitsplätzen bei der Bahn, für Investitionen in die DB AG, für eine bessere Eigenkapitalbasis, für Wachstum, für das Ziel ?Mehr Verkehre auf die Schiene?. Es ist eine Entscheidung, die gut und richtig ist. Deshalb werden wir sie heute treffen.
Frau Enkelmann, warum Sie diese Entscheidung nicht wollen, kann ich gut verstehen; denn wenn das heute ins Werk gesetzt wird, wenn wir sehen, dass investiert wird, dass die Bahn wachsen kann, dass die Arbeitsplätze sicher sind, dann können Sie nicht mehr diese irrationalen Ängste gegen die Bahnreform mobilisieren.
Deshalb wollen Sie das heute stoppen. Den Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Wir werden heute entscheiden und lehnen deshalb Ihren Geschäftsordnungsantrag ab.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat für die FDP-Fraktion das Wort der Kollege Jan Mücke.
Jan Mücke (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Fischer, wir haben keinesfalls vor, die Regierung zu hemmen. Damit keine Irrtümer aufkommen: Die FDP-Bundestagsfraktion nimmt sich vor, die Regierung zu treiben und im Übrigen auch abzulösen.
- Ich verstehe Ihre Aufregung gar nicht.
Wahr ist, dass nicht die Opposition Sie gehemmt hat; wahr ist, dass sich die beiden Großkoalitionäre bei diesem Projekt gegenseitig gehemmt haben,
weshalb sie für dieses Projekt auch mehr als fünf Jahre gebraucht haben.
Auch deshalb ist völlig unverständlich, dass Sie das hier im Schweinsgalopp absolviert haben: mit einer Anhörung am Montag, einer Ausschusssitzung am Mittwoch, die die Ergebnisse der Anhörung in keinem Fall aufgenommen hat, und mit einem Antrag, der heute, am Freitag, Gegenstand der Beratung im Parlament ist. Das ist der wahre Grund: Sie haben sich gegenseitig gehemmt.
Dass sieht man dem Antrag im Übrigen auch an. Was hier heute stattfindet, ist die letzte Beratung über das Thema Bahnprivatisierung überhaupt; denn es heißt im Antrag:
Vor Abschluss ist der Beteiligungsvertrag dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorzulegen.
Damit das klar ist: Vorlage reicht.
Unser Anliegen ist ein anderes. Unser Anliegen ist, dass Sie ein ausgehandeltes Vertragswerk mit einem ausgehandelten Beteiligungsvertrag und einer ausgehandelten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ins Gesamtparlament und nicht nur in irgendwelche Ausschüsse einbringen und das hier insgesamt beraten wird. Solche Verträge kann man abschließen. Solche Verträge stehen unter Gremienvorbehalt. Dieses Gremium soll die abschließende Entscheidung darüber treffen.
Was Sie hier machen, ist eine Verlagerung in zwei Ausschüsse. Irgendetwas soll ausgehandelt werden, soll dann irgendwann einmal in Ausschüssen verhandelt werden, wird aber nicht mehr hier im Haus beraten.
Jetzt stelle ich Ihnen die Frage: Woran liegt das? Das liegt daran, dass die SPD sich in der Bahnprivatisierungsfrage nicht einig ist. Sie möchte ein förmliches Gesetzgebungsverfahren in dieser Frage vermeiden, weil es diese Partei zerreißen würde.
Das ist der einzige Grund dafür, meine Damen und Herren, dass Sie diesen Weg eingeschlagen haben. Sie haben ein schnelles Verfahren gewählt, am Parlament vorbei: nur ein Antrag, Verlagerung der Entscheidung in zwei Ausschüsse, wobei es im Grunde nur darum geht, Vertragsunterlagen zur Kenntnis zu nehmen, keinesfalls zu beschließen.
Dennoch werden wir als FDP-Bundestagsfraktion dem Geschäftsordnungsantrag der Linken und der Grünen nicht zustimmen. Dieses Verfahren ist zwar kritikwürdig, aber keinesfalls geschäftsordnungswidrig.
Es gibt einen zweiten Grund für unsere Ablehnung, nämlich einen inhaltlichen. Dieser inhaltliche Grund ist, dass Sie - da richte ich mich ausdrücklich an die Linken - in Wahrheit überhaupt gar keine Privatisierung wollen.
Ihnen geht es nicht um eine ordnungsgemäße parlamentarische Behandlung dieses Problems, sondern Sie sind generell dagegen. Genau das gilt für uns als Liberale nicht. Wir sind der Überzeugung, dass die Beteiligung privaten Kapitals und ein diskriminierungsfreier Zugang zur öffentlichen Schieneninfrastruktur die Voraussetzungen dafür sind, dass wir ein gutes Verkehrsangebot auf der Schiene haben, dass Wettbewerb stattfinden kann, dass die Preise sinken und dass eine noch stärkere Beteiligung privaten Kapitals in diesem Bereich eintritt.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund werden wir Ihnen zu Ihrer privatisierungsfeindlichen Politik nicht die Hand reichen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tagesordnungspunktes 29 und des Zusatzpunktes 7? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Geschäftsordnungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 29 a und b sowie den Zusatzpunkt 7 auf:
29. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahnreform weiterentwickeln
- zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Bahnprivatisierung am Parlament vorbei
- zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zukunft des Schienenverkehrs sichern
- Drucksachen 16/9070, 16/8774, 16/8046, 16/9071, 16/9362 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Uwe Beckmeyer
Horst Friedrich (Bayreuth)
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe - Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG
- Drucksachen 16/5270, 16/6813 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Uwe Beckmeyer
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann, Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Zukunft der Bahn für die Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen
- Drucksache 16/9306 -
Ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir später dazu zwei namentliche Abstimmungen durchführen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort Herrn Bundesminister Wolfgang Tiefensee für die Bundesregierung.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn findet im Kontext der deutschen Verkehrspolitik und im Zusammenhang mit der Aufstellung des Eisenbahnwesens in Europa statt.
Dieser Tage findet in Leipzig das erste Weltverkehrsforum statt. 51 Staaten diskutieren darüber, wie sie den enormen Herausforderungen im Verkehrsbereich gerecht werden können. Wir wissen, dass die Güterverkehre zunehmen und dadurch auch die Lärmbelästigungen stärker werden. Wir wissen, dass Personen befördert werden wollen, insbesondere im öffentlichen Nahverkehr. Wir wissen, dass die Gelder in den Haushalten endlich sind und dass es enorme Herausforderungen in Bezug auf das Klima gibt; ich nenne die Stichworte CO2-Senkung, Energieeinsparung und Einsatz regenerativer Energien.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG liefert Antworten auf Fragen, die wir hier in Deutschland gestellt haben. Die von uns gegebenen Antworten sind auch im europäischen Kontext vernünftig. Deshalb ist es eine gute Entscheidung, heute mit Ja zu stimmen, wenn über den Antrag zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG abgestimmt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Eckpunkte, die Ihnen zur Abstimmung vorliegen, entsprechen der Lösung, die wir für die Zukunft brauchen, nämlich eine starke Bahn. Führen wir uns einmal vor Augen, wie diese Bahn vor 10 bis 15 Jahren ausgesehen hat gegenüber dem, was wir jetzt vorhaben: Das Schienennetz soll im Eigentum des Bundes bzw. des Volkes bleiben; es gibt weiterhin einen konzerninternen Arbeitsmarkt, der dafür sorgt, dass 230 000 Beschäftigte Sicherheit haben; die Finanzbasis wird stabilisiert und die Transferleistungen des Bundes werden begrenzt; eine hohe Dienstleistungsqualität wird ermöglichen, dass die Bahn in Deutschland und in Europa dem Wettbewerb standhalten kann; schließlich wird all das zu einer Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene führen, womit gleichzeitig etwas für das Klima getan wird.
Man kann ja Menschen Wünsche von den Lippen ablesen, unter Umständen auch Kritik oder Forderungen, die sie im Bundestag erheben werden, ohne sie vorher schon gehört zu haben. Ich darf mich nun als Erstes wie bei der ersten Beratung an die Linke wenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, Sie spielen ein falsches Spiel,
wenn Sie den Menschen einreden wollen, dass der Bund seiner Verpflichtung zur Daseinsvorsorge nicht gerecht wird.
Daseinsvorsorge bedeutet, mit Steuergeldern vernünftig umzugehen, einen diskriminierungsfreien Zugang für alle zu schaffen, in der Fläche die Versorgung genauso zu realisieren wie in den Hauptknotenpunkten und vor allen Dingen etwas für einen nachhaltigen Umgang mit der Natur zu tun, damit die Zukunft unserer Kinder gesichert ist.
Diesen Auftrag zur Daseinsvorsorge, der im Grundgesetz steht, werden der Bund und die Länder auch und gerade mit dieser Teilprivatisierung der Deutschen Bahn erfüllen. Wenn Sie etwas anderes erzählen, dann irren Sie in dreierlei Hinsicht.
Erstens. Sie suggerieren, dass mit der Teilprivatisierung der Bahn die Leistungen für die Bevölkerung und die Unternehmen geschmälert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden besser werden.
Zweitens. Sie suggerieren, dass eine Leistung von Privaten nur dann erbracht werden darf, wenn es sich um den nichtöffentlichen Sektor handelt. Private und das Unternehmertum in unserem Land dürfen nicht desavouiert werden. Wir brauchen Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und den Privaten, um die Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
Drittens. Es ist auch ein Affront gegen den Deutschen Bundestag und gegen die Bundesregierung, wenn Sie die Menschen glauben machen, dass wir diese Leistungen dann nicht erfüllen können, wenn wir Private beteiligen. Wir haben die Zügel in der Hand, wir sind zu 100 Prozent Eigentümer der DB AG. Das ist so und wird so bleiben. Hören Sie deshalb auf, die Bevölkerung zu verunsichern und mit falschen Argumenten auf das falsche Gleis zu führen!
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert?
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Bitte schön.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Herr Minister, Sie sprachen gerade davon, dass es um einen diskriminierungsfreien Zugang für alle Menschen zur Bahn geht und dass die Situation besser werden würde, wenn die Bahn teilprivatisiert würde. Können Sie mir bitte einmal sagen, wieso Herr Mehdorn alles tut, um zu verhindern, dass Menschen mit Behinderungen diskriminierungsfrei ein- und aussteigen können? Seitdem er im Amt ist, weigert er sich, dafür zu sorgen, dass fahrzeuggebundene Einstieghilfen mitgenommen werden und alle Bahnhöfe barrierefrei gestaltet werden. Das nennen Sie einen diskriminierungsfreien Zugang für alle? Das kann ich überhaupt nicht verstehen.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Sehr verehrter Herr Abgeordneter, vor uns liegt die gewaltige Aufgabe, allen Menschen, insbesondere Menschen mit Behinderungen, an jedem Ort Zugang zu Zügen der Deutschen Bahn AG zu gewährleisten.
Diese Aufgabe erfordert enorme Finanzmittel. Ich darf Sie zunächst daran erinnern, wie die Situation Anfang der 90er-Jahre gewesen ist. Wenn Sie einen Vergleich mit der heutigen Situation ziehen, dann sollten Sie beachten, wie sich die Servicequalität für die Behinderten im Laufe der letzten 15 Jahre geändert hat.
Ein weiterer Punkt, Herr Abgeordneter: Wie sollen wir die Ausstattung der kleinen Bahnhöfe mit Rolltreppen und mit Fahrstühlen finanzieren,
wenn die öffentliche Hand, aber auch die DB AG nicht das erforderliche Kapital haben? Mit der Teilprivatisierung gibt es sozusagen einen engen Schulterschluss der Finanzierung durch die öffentliche Hand mit der Finanzierung durch Private, um genau diese Leistungen verbessern zu können.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Minister, der Kollege Seifert möchte eine weitere Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Nein, vielen Dank. Ich denke, es ist alles gesagt, was in diesem Zusammenhang zu sagen ist.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn führt dazu - da wende ich mich ganz besonders an Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen -, dass die Bahn stärker wird und damit im Wettbewerb mit der Straße Anteile gewinnen wird. Wenn ich es richtig verstehe, ist Ihr Hauptanliegen, wie wir mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen können. Im Übrigen ist das auch unser Anliegen. Wir lassen uns von niemandem überbieten im Bestreben, den Modal Split, also die Verteilung auf die einzelnen Verkehrsträger, zugunsten der Bahn zu verbessern.
Wie wollen wir dies aber schaffen, wenn die Bahn ihre Nachteile nicht wettmachen kann, indem sie auch mit dem Geld Privater stärker wird? Wie wollen wir dies schaffen, wenn wir sie nicht so modern machen, dass sie den enormen Herausforderungen, die sich aus dem Wettbewerb mit der Straße ergeben, etwas entgegensetzen kann? Sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen, wir werden den Nachweis erbringen, dass die Linie ?Mehr Verkehr auf die Schiene? auch nach der Teilprivatisierung fortgesetzt und verstärkt wird. Das ist aber zuallererst die Frage einer integrierten Verkehrspolitik, die die Straße, die Binnenwasserstraße und die Schiene gleichermaßen im Blick behält.
Ich höre schon den Vorwurf, wir würden mit dieser Lösung verhindern, dass Wettbewerb stattfindet. Dies ist ein altes Argument. Dem ist zweierlei entgegenzusetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP: Wir haben zum Ersten bereits jetzt in Deutschland eine Wettbewerbskultur, eine Anzahl von Wettbewerbern auf der Schiene sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr. Dies lässt sich im europäischen Maßstab sehen. Warum? Weil wir dieses verschränkte System aus Betrieb der Schiene und Transport in den letzten 15 Jahren so entwickelt haben, dass kein anderes Land nur annähernd eine solche Qualität vorweisen kann und damit der Wettbewerb auch für die Privaten auf der Schiene lukrativ und attraktiv wird. Das wollen wir in der Zukunft fortsetzen.
Das Zweite ist: Wir bemühen uns darum, dass die Bundesnetzagentur den diskriminierungsfreien Zugang für alle Wettbewerber ermöglicht - und dies weiterhin qualitativ höher ausgestattet - und demzufolge der Wettbewerb in Deutschland zunehmen wird.
Daseinsvorsorge, mehr Verkehr auf die Schiene, Wettbewerb auch mit diesem Modell - es hat sich gelohnt, miteinander zu streiten. Ich danke den Koalitionsfraktionen für den langen Atem. Ich danke Ihnen, Herr Fischer, Herr Beckmeyer, Herr Friedrich und Herr Hübner, insbesondere dafür, dass wir es gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen vermocht haben, dieses gute Werk in Gang zu setzen. Ich bin überzeugt: Wir stoßen die Tür für eine gute Zukunft der Deutschen Bahn AG auf. Ich habe Ihnen dafür herzlich zu danken.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Horst Friedrich für die FDP-Fraktion.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, wir dürfen heute das Finale furioso einer Gesetzgebung, einer Antragsflut zur Bahnreform erleben, zu der man einleitend positiv sagen kann: Eigentlich muss man froh sein, dass Sie sich so schnell entschlossen haben, zum Ende zu kommen. Man weiß ja nicht, was die SPD am Montag Neues entdeckt. Insofern kann man zufrieden sein, dass Sie wenigstens das, was Sie vorlegen wollten, vorgelegt haben. Denn das Positive vorweg: Das, was jetzt vorliegt, verbaut nichts für die Zukunft, ist bei anderen politischen Mehrheiten sinnvoll weiterzuentwickeln. Das wird unser politisches Ziel sein.
Zum Inhalt und zum Beratungsablauf, Herr Minister. Natürlich ist es richtig: Wir diskutieren seit fünf Jahren über die Bahnreform. Wir hatten zig Anhörungen im Verkehrsausschuss. Es gab ein von der Regierung auf Aufforderung des Bundestages in Auftrag gegebenes Gutachten, das sogenannte PRIMON-Gutachten, das bestimmte Wegweisungen vorgegeben hat und das von Ihnen, Herr Tiefensee, liegen gelassen wurde. Sie haben dann ein verquastes sogenanntes Eigentumssicherungsmodell entwickelt, bei dem keiner am Ende so genau wissen durfte, wem nun eigentlich das Schienennetz gehört. Nun hat man sich wenigstens dazu entschlossen, das Parlament mittels eines Antrages ein Verfahren abschließend beraten zu lassen, das - das muss man seriöserweise sagen - der Vorstand der DB AG auch ohne das Parlament hätte beschließen können. Das ist nämlich kraft Aktiengesetz möglich; das muss man ergänzend sagen. - So viel zu dem Thema.
Es überrascht allerdings schon: Am Montag hatten wir eine Anhörung. Aus den Expertenmeinungen liest Kollege Beckmeyer heraus: Alles wunderbar! Alles Gold! - Offensichtlich hat er den zweiten Satz aller Experten, nämlich die Fangstricke dieser Lösung, völlig ignoriert. Am Mittwoch gab es eine Diskussion, die überhaupt nichts brachte und änderte, und am Freitag beraten wir über den gleichen Antrag, den wir am Montag vorliegen hatten - ohne jede Änderung. Deswegen vorweg: Diesem Antrag werden wir nicht zustimmen können.
Sie sind ja nicht einmal Ihrem eigenen Entschließungsantrag treu geblieben. Wenigstens diesen hätten Sie zur Grundlage machen können. Sie haben nämlich die Bundesregierung aufgefordert, ein Privatisierungsgesetz vorzulegen. Nun sind wir bei einem Antrag gelandet. Das ist eine etwas abgeschwächte Form. Wenn man nicht genau weiß, was man machen soll, dann legt man eben einen Antrag vor.
Im Endeffekt ist es so, dass Sie mit diesem Verfahren ganz bewusst sowohl das Parlament als auch die Bundesländer aus der Reform heraushalten wollen. Das ist Ihnen natürlich gelungen. Ob das am Ende greift, ist eine völlig andere Frage. Das kann man zwar machen, eine seriöse Gesetzesberatung sieht aber anders aus. Herr Minister, wirklich alle belastenden Begleitgesetze, von der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bis zum Beteiligungsvertrag, liegen noch nicht vor, sind zumindest nicht beratungsfähig.
Bei der letzten Debatte über die Bahnreform haben Sie uns beruhigen wollen und gesagt: Das kommt ja alles. - Es kam auch etwas: Fragmente. Ein Entwurf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung liegt vor. Wenn man sich in diesen Entwurf vertieft, stellt man aber Folgendes fest: Es gibt eine verpflichtende Erklärung des Bundes für die dauerhafte Zahlung von jährlich 2,5 Milliarden Euro für den Bestandserhalt des Schienennetzes. Weiter hinten in dem Entwurf steht eine Klausel, nach der 100 Prozent des Geldes auch dann gezahlt werden, wenn nur noch 95 Prozent Leistung da sind. Sprich: Wenn die Deutsche Bahn 5 Prozent des Schienennetzes abbaut - das sind ungefähr 1 700 Kilometer -, bekommt sie immer noch 2,5 Milliarden Euro. Das kann man so wollen. Ich muss sagen: An dem Geschäft wäre ich auch gern beteiligt. Wenn man das umrechnet, heißt das: Wenn die Deutsche Bahn 1 700 Kilometer abbaut, spart sie jährlich 125 Millionen Euro. Das ist nicht gerade wenig.
Als der Wettbewerbsbericht der Bahn vorgelegt wurde, musste man hellhörig werden. Einer der führenden Vorstände, Herr Garber, sagte: Eigentlich reichen 2,5 Milliarden Euro nicht aus; denn diese Summe basiert auf den Preisen von 2002. Das kann man einfach zur Kenntnis nehmen, bei mir läuten da aber alle Alarmglocken; denn ich weiß genau, was da passiert.
Herr Minister, vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Es wäre schön, wenn die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wenigstens eine Passage zur Eigenverpflichtung der Bahn enthalten würde. Die eigentliche Bahnreform hat mit der klaren Aussage begonnen, dass Investitionen vom Steuerzahler und Erhaltungsaufwendungen aus den Betriebsmitteln der Deutschen Bahn zu finanzieren sind. Davon ist keine Rede mehr. Alles geht zulasten des deutschen Steuerzahlers, der seit Beginn der Bahnreform insgesamt schon 240 Milliarden Euro in das System Schiene gesteckt hat.
Der Kollege Mücke hat schon gesagt, was im Antrag steht: Der Beteiligungsvertrag ist vorzulegen. Das ist völlig klar.
Die Deutsche Bahn hat in dieser Woche bereits veröffentlicht, wer ihren Börsengang leitet: Morgan Stanley, die Deutsche Bank und ein paar andere Bekannte. Die Banken brauchen einen Börsenprospekt, weil sie sonst nicht auf die Reise gehen können, um Anleger zu finden. Diesen Börsenprospekt kann man später nicht mehr verändern; zumindest muss er die Wahrheit enthalten, weil man sonst Gefahr läuft, Gewähr leisten zu müssen. Das wollen sie natürlich nicht.
Die spannende Frage ist: Was bringt uns das Ganze ein? Die Beteiligung wird damit begründet, dass der Staat nicht genug Geld hat und man deswegen frisches Kapital vom Markt braucht. Nun hat der Minister voller Verve in der Ausschusssitzung am Mittwoch erklärt, alle Zahlen seien rein spekulativ. Das ist verräterisch: Ausgerechnet der, der als Erster Zahlen in die Welt gesetzt hat, wirft allen anderen vor, sie seien bei diesem Thema Spekulanten.
Herr Tiefensee, ich darf Sie daran erinnern, was am 30. April 2008 in der Leipziger Volkszeitung stand: Es wird einen einmaligen Erlös zwischen 5 und 8 Milliarden Euro geben. Financial Times vom 2. Mai 2008: bis zu 12 Milliarden Euro. - Wenn wir nun sagen, dass es bestenfalls 3 bis 4 Milliarden Euro gibt, sagen Sie, das sei Spekulation. Selbst die Deutsche Bahn hat in dieser Woche gesagt, dass es wahrscheinlich 3 bis 4 Milliarden Euro gibt. Nach der Drittelung des Erlöses bleiben schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro für ein Investitions- und Forschungsprogramm übrig, das mit ungefähr 15 Milliarden Euro dotiert ist. Das wird Sie nicht wesentlich weiterbringen.
Unterm Strich muss man sagen: Die Randbedingungen sind aus meiner Sicht schon bemerkenswert: Bei der ersten Debatte über diesen Antrag war zu lesen, dass Herr Hansen als Transnet-Chef zurücktritt und Arbeitsdirektor bei der DB AG wird. Bei der zweiten und dritten Beratung dürfen wir dem Ticker entnehmen, dass der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann Vorstand in der DB Holding AG werden soll und der Hauptabteilungsleiter Eisenbahn im Verkehrsministerium, Herr Kohl, ebenfalls in der Holding beschäftigt werden soll.
Ausgerechnet die beiden, die für den Vertrag und alle Begleitgesetze federführend zuständig sind, wechseln zur Holding. Das wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller eingefädelt, der sich dadurch ausgezeichnet hat, dass er eine Ministererlaubnis für ein Unternehmen erlassen hat, bei dem er dann Vorstand wurde. Das überrascht in Deutschland ja eigentlich nicht. Eine Bananenrepublik ist dagegen geordnet.
Eines muss man Ihnen noch sagen, Herr Minister: Man kann Posten ja politisch besetzen. Dabei kann man Glück haben, oder man bekommt Herrn Hansen, den neuen Maßstab für den Abstand zwischen einem Fettnäpfchen und dem nächsten. Wenn Herr Hansen so weitermacht, wie er begonnen hat, wünsche ich Ihnen mit dem, was noch kommt, sehr viel Erfolg.
Danke sehr.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Dr. Klaus Lippold.
Dr. Klaus W. Lippold (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man muss zunächst ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir nach 14 Jahren Bahnreform heute einen guten und entscheidenden Schritt zur Weiterentwicklung der Bahn und des Schienenverkehrs in Deutschland machen. Es ist auch ein notwendiger Schritt.
Die Kollegen von der FDP seien jetzt besonders angesprochen. Wenn wir das nicht mit dem nötigen Tempo gemacht hätten, dann möchte ich das Geschrei der Opposition gehört haben, warum wir diesen Schritt nicht tun, warum wir nicht zu Ende bringen, was wir geplant haben. Sie würden dann noch lauter brüllen und einfordern, dass es sofort oder am besten noch gestern geschieht.
Man kann nicht alles haben. Auf der einen Seite wird gesagt, es müsse schnell und zügig geschehen, und auf der anderen Seite wird gesagt, es geschehe alles zu schnell. Aus der Erfahrung weiß ich - ich bin jetzt 25 Jahre Mitglied dieses Hauses -, dass wir unter jeglicher Koalition in der Vergangenheit in Situationen waren, in denen schnell und zum Teil über Nacht entschieden und beschlossen wurde.
Ich denke zum Beispiel daran, was alles unter Rot-Grün gelaufen ist, Kollege Hermann. Deshalb geht es ganz einfach nicht, dass man heute so tut, als habe man in der Vergangenheit nicht die gleichen Mittel genutzt.
Heute geht es um etwas, das Sie im Grunde genommen doch auch wollen, nämlich dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, um die Straßen zu entlasten und um den Verkehrsträger Schiene noch besser in das europäische Netz einzubringen. Dieser Punkt ist ganz hervorragend. Davon lassen wir uns nicht abhalten. Das muss durchgezogen werden, und zwar schnell.
Ein weiterer Punkt. Kollege Friedrich sagt, dass wir über die Höhe der Mittel - darauf komme ich gleich noch zusprechen - reden müssen. Kollege Friedrich, dann hätte ich aber auch den Satz erwartet, dass es sinnvoll ist, es jetzt zu verabschieden, damit wir zu einem optimalen Zeitpunkt an den Kapitalmarkt kommen können. Das wird schnell und locker übergangen; denn das passt nicht ins Kritikkonzept. Wir sollten uns davon lösen, dass die Oppositionsparteien nur das Ritual abarbeiten: Was von der Regierung kommt, ist schlecht. Ihr wisst doch selbst, dass es anders ist. Dann sagt das auch einmal deutlich! Wenn hier etwas schnell geschieht, dann gebt mal zu, dass es der Weg in die richtige Richtung ist! Nichts anderes tun wir. Im Grunde seid ihr doch froh, dass wir euch die Arbeit abnehmen und dass wir etwas ein Stück voranbringen, das bislang in dieser Form nicht weitergebracht worden ist.
Ich freue mich natürlich auch - das muss ich ganz offen sagen -, dass es insbesondere aufgrund der Diskussionsbeiträge meiner Fraktion gelungen ist, vom Eigentumssicherungsmodell zum Holdingmodell überzugehen. Herr Minister Tiefensee, das war ein kluger Schritt. Das hätten wir schon früher so haben können. Ich bin froh, dass wir es jetzt so haben.
Denn hier haben wir die Trennung von Netz und Betrieb, die wir brauchen. Das Netz bleibt im Eigentum des Bundes. Die Sorgen und Befürchtungen vieler Mitbürger, dass wir das Netz zu - ich sage es einmal so - schlechten Konditionen weiterreichen, sind jetzt ausgeräumt. Die Mitbürger können versichert sein, dass dieses Netz uneingeschränkt im Besitz des Bundes bleibt. Das ist auch gut so.
Die Verantwortung dafür in Zukunft wahrzunehmen, ist eine Aufgabe des Parlaments, über die wir uns noch verständigen müssen.
Darüber hinaus ist mir ein Punkt wichtig, den ich ansprechen will: Mir persönlich wäre es lieber gewesen, wenn wir schon heute über den Anteil von 24,9 Prozent hinausgegangen wären. Ich sage ganz deutlich, dass es schön gewesen wäre, wenn wir noch mehr Geld erhalten hätten, wenn wir den Paketzuschlag bekommen hätten, wenn wir gegebenenfalls die Aufnahme in den DAX erreicht hätten. Diese Positionen muss man ansprechen. Das war in dieser Form nicht möglich. Das ist bedauerlich. Aber was jetzt nicht möglich ist, wird in Zukunft möglich sein.
Darüber können wir dann noch einmal ganz offen reden.
Ich will eine Position ansprechen, die ich für wichtig halte. Wir hatten seinerzeit den wegweisenden Parlamentsbeschluss - das war vor circa vier Jahren -, dass wir den gesamten Erlös ins Netz stecken. Herr Bundesfinanzminister, diese Position halte ich nach wie vor für richtig. Wir haben gemeinschaftlich eine Fülle von Aufgaben vor uns, und auch die Fraktion, der Sie angehören, hat deutlich gemacht, dass wir noch eine ganze Menge finanzieren müssen, dass wir mehr Geld in das Netz stecken sollten.
Ich erinnere nur an die Hinterlandverkehre, ein gemeinschaftliches Anliegen von uns. Ich erinnere an die Lärmsanierung, mit der wir die Bürger vom Lärm befreien; davon müssen sie befreit werden. Die Bewohner an der Mittelrheinstrecke müssen eine unerträgliche Belastung ertragen. Deshalb, Herr Finanzminister, werden wir nicht nachlassen, auch in Zukunft mehr Mittel für die Infrastruktur und für den Verkehr zu fordern.
- Bei verschiedenen Positionen, Herr Minister, sind Sie nicht so widerstandsfähig, wenn es um höhere Anforderungen geht. Man muss nicht ausgerechnet bei der Verkehrsinfrastruktur die widerstandsfähigste Nummer fahren, während man es in anderen Bereichen nicht tut. Das kann ich so nicht akzeptieren.
Wir können heute eine weitere Voraussetzung dafür schaffen, mehr Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz deutlich sagen: Wir haben in dieser deutschen Republik wesentlich mehr Wettbewerb auf der Schiene als andere Länder. Das ist gut so. Dass wir mit dem Erreichten nicht zufrieden sind, ist völlig unbeschadet des Sachverhalts, dass wir auf diesem Gebiet in Europa führend sind. Was ich hier einfordere und was ich auch von der Opposition verlange, ist, gemeinschaftlich darauf zu achten, dass es auch in anderen Ländern mehr Reziprozität gibt, dass wir nicht die Einzigen sind, die die anderen unentgeltlich unser Netz nutzen lassen, sondern dass das auch in anderen Ländern ganz genauso passiert.
Im Energiebereich ist die Situation anders. Wir sollten gemeinschaftlich dafür Sorge tragen, dass wir dies auch bei der Bahn und beim Netz erreichen. Das wäre sinnvoll. Ich lade die Opposition ein, daran endlich konstruktiv mitzuwirken. Man braucht nicht immer nur herumzumosern; vielmehr wäre Konstruktivität hier ausgesprochen notwendig.
Der Beteiligungsvertrag ist mehrfach angesprochen worden, Herr Bundesminister. Ich bitte Sie, ihn dem Verkehrsausschuss möglichst schnell zuzuleiten, damit wir einen Sachstand über die aktuellen Verhandlungen haben. Aber ich will auch an die Opposition gerichtet sagen, Horst Friedrich: Wenn wir den Beteiligungsvertrag vor der heutigen Beschlussfassung vorgelegt hätten, dann hättet ihr gesagt: Wieso das? Wir haben doch noch gar nicht über die Grundzüge entschieden, und jetzt wollt ihr schon den Beteiligungsvertrag einbringen.
Leute, diese verquere Logik kann ich nicht mittragen. Eure Auffassung ist: Ich will kritisieren, damit ich kritisieren kann.
Das ist aber an der Sache vorbei. Ich meine, die Bürger in dieser Republik haben einen Anspruch darauf, dass wir zur Sache reden, also über die Weiterentwicklung von Bahn und Netz diskutieren und diese Sachpunkte entsprechend zügig verabschieden. Das ist notwendig.
Meine Bitte ist also an Sie, Herr Minister, das zuzuleiten, damit wir eine Grundlage haben. Ich lade alle ein, an der Diskussion konstruktiv mitzuwirken.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst finde ich es interessant, Herr Lippold, dass Sie von ?Hinterlandverkehr? sprechen. Ich weiß gar nicht genau, welche Gegenden in Deutschland Sie damit meinen. Ich hoffe, Sie sagen das in den Wahlkämpfen.
- Ich wollte ja nur, dass Sie wieder lauter werden, damit ein bisschen Leben in die Bude kommt. Das habe ich immerhin geschafft.
Ich sage Ihnen: Sie haben Ende letzten Jahres zwei 100-prozentige Bahntöchter verkauft. Das haben Sie, die Bundesregierung, am Bundestag vorbei getan. Nicht einmal der Haushaltsausschuss wurde damit beschäftigt. Das verstößt nach unserer Auffassung zum einen gegen das Haushaltsgesetz und zum anderen gegen das Grundgesetz. Deshalb haben wir jetzt Organklage erhoben. Wir werden den ersten Schritt dieser Art der Privatisierung vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Das halte ich für dringend erforderlich.
Auch das, was Sie heute vorhaben, ist interessant: Alle Fraktionen waren sich immer einig, dass man ein Gesetz braucht, um diese Privatisierung durchzuführen; auch die SPD hat das auf ihrem Parteitag ganz eindeutig so beschlossen. Im letzten Moment haben Sie allerdings gesagt: Nein, wir brauchen doch kein Gesetz, sondern wir fassen lediglich einen Beschluss; das muss reichen.
Warum haben Sie das gemacht? Um den Bundesrat zu umgehen. Bei einem Gesetz bräuchten Sie nämlich die Zustimmung des Bundesrates. Aber Sie befürchten, dass Sie sie nicht ohne Weiteres bekommen würden. Das ist ein übler Trick und kein angemessener Weg. Auch das wird das Bundesverfassungsgericht sicherlich beschäftigen.
Man kann darüber diskutieren, ob Ihr Beschluss Art. 87 e des Grundgesetzes widerspricht. Auf jeden Fall widerspricht er Art. 87 e Abs. 5 Satz 1, in dem ausdrücklich steht, dass ein Gesetz beschlossen werden muss, dem der Bundesrat zuzustimmen hat. Das versuchen Sie zu umgehen.
Dass das Ganze einem Parteitagsbeschluss der SPD widerspricht, habe ich schon beim letzten Mal gesagt. Ich weiß, dass man das vor dem Bundesverfassungsgericht nicht einklagen kann. Dennoch sagt das etwas über Ihre Situation aus.
Nun wird also ein Viertel der Bahn verkauft. Ich finde es hochinteressant, dass sowohl die FDP als auch die Union immer erklären, das sei erst der Anfang, und dass die SPD immer erklärt, das sei der weiteste Schritt und mehr komme nicht infrage. Ich glaube, dass die Union, die FDP und letztlich auch die SPD zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden werden, diesen Anteil weiter zu erhöhen.
Auf genau diese Gefahr weisen wir die Bevölkerung hin.
Seit 170 Jahren gehören die Eisenbahnstrecken und die Eisenbahnen dem Volk.
Jetzt beginnt seine Enteignung. Herr Bundesverkehrsminister, Sie sagen immer, dass Sie die Daseinsvorsorge gewährleisten wollen. Daher möchte ich Sie auf drei Dinge hinweisen: 20 Prozent der Strecken sind bereits stillgelegt; das sind 5 000 Kilometer. 1 000 Bahnhöfe wurden bereits geschlossen; das alles hat Folgen. Jetzt sage ich etwas, bei dem Sie bestimmt wieder aufschreien werden: Die DDR hatte zweifellos nicht das beste Streckennetz,
aber immerhin das dichteste in Europa.
Davon kann heute überhaupt keine Rede mehr sein.
- Ich wusste, dass Sie das stört.
Sie erzählen immer, dieser Verkauf sei sehr wichtig, weil die Bahn dadurch frisches Geld bekomme, mit dem sie die Infrastruktur wunderbar entwickeln könne. Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Sie ein Viertel der Bahn verkaufen. Sie erwarten doch keine Spenden.
Würden Sie sagen, dass Sie in diesem Umfang Spenden erwarten, dann könnten Sie hier erzählen, was Sie mit diesem Geld machen wollen. Da Sie aber verkaufen, sage ich Ihnen: Die Investoren erwarten ihr Geld zurück, und zwar mit einem großen Plus und so schnell wie möglich. Das alles müssen die Kundinnen und Kunden bezahlen.
Die Investoren schenken Ihnen ihr Geld doch nicht!
Abgesehen davon hat der Kollege von der FDP völlig recht, dass es, was die Kaufsummen betrifft, Schwankungen gibt, die gar nicht mehr auszuhalten sind. Plötzlich fehlen zum Beispiel 3 Milliarden Euro. Man hat den Eindruck, als wenn das gar nichts wäre. Auch das ist nicht hinzunehmen.
Was ist eigentlich das Ziel des Investors? Der Investor ist doch nicht in die Bahn verliebt. Er träumt doch nicht von schönen Bahnhöfen
oder davon, dass die Leute mit der Bahn in Zukunft alles bequem erledigen können. Er will mehr Geld. Das ist der einzige Grund, aus dem er Geld zur Verfügung stellt. Das müssen Sie den Leuten endlich einmal ehrlich sagen. Sie müssen auch einmal sagen, wer das in welcher Form zu bezahlen hat.
Interessant ist auch die Frage: Was passiert mit dieser Einnahme? Wenn ich es richtig verstanden habe, wollen Sie die Einnahme des Bundes dritteln. Ein Drittel soll die Bahn bekommen. Machen wir uns doch einmal klar, was die Bahn mit diesem Drittel macht. Nehmen wir zum Beispiel an, die Bahn trägt damit Schulden ab; das wäre legitim. Es ist doch so: Wenn der Investor den Kaufpreis gezahlt hat, gehört ihm die Bahn zu einem Viertel.
Daraufhin kommt ein Drittel seines Geldes zur Bahn zurück, und dann setzen Sie es entsprechend ein. Das ist ja wunderbar! Da werden sie sich freuen!
Es ist auch wichtig, was mit den beteiligten Personen geschieht. Sie werden das nicht mehr los; denn das ist ein starkes Stück. Weil Sie sich beim letzten Mal so sehr darüber geärgert haben, sage ich es noch einmal: Ich habe gar nichts dagegen, dass Gewerkschafter Personalchefs werden und in Vorstände wechseln. Aber in diesem Fall ist der Zusammenhang unerträglich.
Herr Hansen, der Chef der Gewerkschaft Transnet, war immer für eine Privatisierung. Jetzt spricht er in der Bild-Zeitung von einem Anteil in Höhe von 49,9 Prozent. Er ist in den Vorsand gewechselt und bekommt nun ein ganz anderes Gehalt. Ich muss Ihnen sagen: Das hat ein sehr unangenehmes Geschmäckle. Das müssten auch Sie einmal kritisieren. Das ist nicht hinnehmbar.
Jetzt sage ich Ihnen: Wenn nun auch noch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Achim Großmann,
und Thomas Kohl von der SPD - er war auch einmal Ihr Sprecher und ist jetzt Abteilungsleiter im Ministerium - auf die Vorstandsebene wechseln, dann hat man den Eindruck, dass der Verkauf auch deshalb stattfindet, um Leute der eigenen Partei unterzubringen. Das ist doch nicht mehr hinnehmbar und geht in jeder Hinsicht einfach zu weit.
Nun sagen Sie immer, es gebe riesige Erfolge und durch die Bahnprivatisierung würden die Probleme der Bahn gelöst. Schauen wir uns das doch einmal in Großbritannien und Neuseeland an! Warum ignorieren Sie denn die Erfahrungen aus den beiden Ländern? Neuseeland hat die Bahn verkauft und muss sie jetzt zu einem viel höheren Preis zurückkaufen, weil die öffentliche Daseinsvorsorge nicht mehr gewährleistet werden kann.
In Großbritannien kam es zu Unfällen, die man sich vorher überhaupt nicht vorstellen konnte.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich will Ihnen doch wirklich nicht sagen, dass jedes staatliche Unternehmen zwingend gut geleitet ist. Das ist gar nicht das Problem.
- Eben, ja. Ich bin ja nicht bescheuert. Auch ich weiß das.
Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um die politische Verantwortung, die Sie schrittweise aufgeben. Sie wollen dafür nicht mehr zuständig sein.
Schauen wir uns als Beispiel doch die Privatisierung der Energieversorgung an! Heute gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen Frau Merkel und mir: Aufgrund der Privatisierung haben wir beide das Gleiche über die Energiepreise zu entscheiden, nämlich gar nichts. Ansonsten wäre die Politik dafür zuständig. Wenn die Politik zuständig ist - darin werden Sie mir doch wenigstens zustimmen -, dann macht die Wahl zwischen Frau Merkel und mir Sinn, weil die eine damit so umgeht und der andere anders. Wenn sie aber nicht zuständig ist und beide nichts mehr zu entscheiden haben, dann verliert die Demokratie an Bedeutung. Die Privatiseure sind Leute, die die Bedeutung der Demokratie reduzieren, während die Linke sie erhöhen will. Das ist Tatsache.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mücke?
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ja, bitte.
Jan Mücke (FDP):
Herr Kollege Gysi, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die Privatisierung eines Verkehrsunternehmens ähnlich katastrophale Folgen wie die Privatisierung im Energiebereich hätte. Ist Ihnen bekannt, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits ein Verkehrsunternehmen veräußert hat, nämlich die Deutsche Lufthansa AG, die sehr erfolgreich am Markt operiert, mehr Mitarbeiter als zu staatlichen Zeiten hat und eine der erfolgreichsten Airlines in Europa ist?
Auch dieses Verkehrsunternehmen hat einen öffentlichen Transportauftrag. Wo ist hier eigentlich die Relation? Erklären Sie mir das bitte.
Ich würde gerne eine zweite Frage anschließen. Da Sie sagen, dass Sie wieder zurück zu einer staatlichen Bahn wollen, möchte ich Sie an das Jahr 1993 erinnern, als es neben der Deutschen Bundesbahn auch noch die Deutsche Reichsbahn gab. Diese beiden Unternehmen konnten von ihren Fahrgeldeinnahmen nicht einmal mehr ihre Personalkosten decken. Erst seitdem wir diesen Privatisierungsprozess angestoßen haben, gibt es überhaupt eine positive Entwicklung im Eisenbahnsektor. Welche Antwort geben Sie mir darauf?
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ich fange mit der ersten Frage an.
Wir sind gegen die Privatisierung in drei Bereichen bzw. für die Wiederverstaatlichung, wenn dort bereits privatisiert wurde.
Das Erste - das sage ich Ihnen ganz klar - ist die Rüstungsindustrie, weil ich verhindern möchte, dass Leute am Krieg verdienen. Dann ist es mir lieber, dass die Rüstungsindustrie staatlich ist.
Das Zweite sind Monopole, weil man bei einem Monopol, bei dem man keine Konkurrenz organisieren kann, auch nicht in der Lage ist, Druck auf die Preise nach unten und auf die Qualität nach oben auszuüben. Da man das nicht organisieren kann, möchte ich eine politische Zuständigkeit.
Das Dritte ist die öffentliche Daseinsvorsorge.
Bei der Lufthansa hat die Privatisierung einigermaßen funktioniert, aber das Fliegen ist immer teurer geworden.
- Ja, natürlich. Aber selbstverständlich.
- Schauen Sie sich doch einmal die Lufthansa im Vergleich zu anderen Linien an!
- Hören Sie mal zu! - Dann können Sie den Unterschied aber sehr schnell feststellen.
Jetzt zu Ihrer zweiten Frage. Alles, was 1993 versprochen worden ist, wurde nicht eingehalten. Das erste Versprechen war, dass die Bahn für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler billiger wird. Sie ist teurer geworden.
- Aber selbstverständlich. -
Das zweite Versprechen war, dass die Bahn ein kundennahes Serviceunternehmen wird. Davon kann keine Rede sein, wenn Beschäftigte entlassen und Schalter und Bahnhöfe geschlossen werden. Außerdem sollten die Anteile der Schiene am Verkehrsmarkt erhöht werden. Auch das ist nicht gelungen.
Alle drei Versprechen im Zusammenhang mit der organisatorischen Privatisierung der Bahn sind nicht erfüllt worden. Das ist die eigentliche Tragik.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Trittin?
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Gerne.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Gysi, so sehr ich Ihre Auffassung teile, dass es in den Bereichen, in denen es Monopole gibt, nicht um Privatisierung gehen kann - weswegen zum Beispiel das Bahnnetz oder Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht privatisiert werden sollten -, sollten Sie dem Hohen Hause in Ihrer festen Überzeugung, die Sie zum Besten gegeben haben, auch erklären, warum Sie sich an der Privatisierung der Dresdener Wasserbetriebe beteiligt haben und warum das von Ihnen mitregierte Berlin eine Volksinitiative zur Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe mit fadenscheinigen Argumenten abgewürgt hat.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Das Erste ist einfach. Das kann ich damit erklären, dass die Dresdener Fraktion in dieser Frage völlig gespalten war. Ein Teil hat sich so entschieden, ein anderer Teil hat sich für das Gegenteil ausgesprochen.
- So etwas kennen Sie nicht. Sie setzen das im Gegensatz zu uns mit Gewalt durch. - Die Partei insgesamt hat klar dagegen Stellung genommen. Ich finde den Verkauf der Dresdener Wasserbetriebe eindeutig falsch. Das haben wir auch immer so gesagt.
Die Umstände des Verkaufs der Berliner Wasserbetriebe waren ein starkes Stück. - Wir haben die Situation von Herrn Diepgen übernommen, der zusammen mit dem Koalitionspartner SPD regiert hat. - Der Verkauf ist in einer Art und Weise erfolgt, die nicht hinnehmbar ist. Ich nenne nur einen Punkt, der in den Verträgen enthalten ist. Das weiß ich nun wirklich ganz genau.
- Ich sage gleich etwas zur Rekommunalisierung. - Den Verträgen zufolge gehört ein größerer Anteil der Stadt. Ein kleinerer Anteil gehört zwei privaten Investoren, und zwar in Verbindung mit der Regelung, dass sie jedes Jahr eine bestimmte Gewinnausschüttung erhalten, unabhängig davon, was die Wasserbetriebe einnehmen. Das ist eine tolle Leistung. Das heißt, dass die Stadt immer zahlen muss, selbst wenn keine Gewinne erwirtschaftet werden. Wenn die Wasserbetriebe rekommunalisiert würden, dann müssten wir Milliarden aufbringen, die wir leider dank Union und SPD in Berlin zurzeit nicht haben, Herr Trittin. Das ist die Wahrheit.
Jetzt komme ich zurück zur Privatisierung. Ich habe über Monopole und Rüstung gesprochen. Es gibt noch einen dritten Bereich, nämlich die öffentliche Daseinsvorsorge. Ich bitte Sie, zu bedenken, was wir hier anrichten. Was heißt es denn, wenn eine Klinik privatisiert wird - das ist ein Beispiel der öffentlichen Daseinsvorsorge; das kann man nicht leugnen -, was viele CDU-Ministerpräsidenten zu gerne machen?
Dann gibt es einen Geschäftsführer, der erreichen muss, dass sich das Krankenhaus rechnet. Sie wollen das so. Das hat folgende Konsequenz: Er bekommt eine Fallpauschale für eine bestimmte Operation. Der eine Patient ist 22, ein anderer 70 Jahre alt. Für beide erhält er denselben Geldbetrag nach der Operation.
Der eine liegt nach der Operation drei Tage im Krankenhaus, der andere drei Wochen. Wer von den beiden rechnet sich für die Klinik?
Wollen wir, dass Klinikleitungen so denken müssen? Oder wollen wir, dass sie sich danach richten, was zur Vorsorge und Fürsorge für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen getan werden muss? Das ist der andere Ansatz. Das gilt für die Bereiche Wasser, Energie und Verkehr gleichermaßen.
Was wollen wir bei der Bahn erreichen? Gibt es einen sozialen und ökologischen Auftrag? Wollen wir, dass auch Hartz-IV-Empfänger mit der Bahn fahren können? Gibt es eine Art Grundrecht auf Mobilität? Wenn ich politische Freiheiten deklariere, muss auch jemand zur Demonstration oder Kundgebung fahren können. Wie kommt er dahin? Das ist die soziale Frage.
Hinzu kommt die ökologische Frage. Wenn Gütertransporte von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollen, dann müssen subventionierte Angebote unterbreitet werden. Das wird ein privater Investor niemals tun. Warum sollte er etwas verschenken?
Alle diese politischen Ziele beginnen Sie aufzugeben. Ich weiß, dass zunächst nur ein Viertel der Bahn verkauft werden soll. Ich weiß aber auch, wie groß der Einfluss eines Investors ist, dem ein Viertel eines Unternehmens gehört. Der Renditedruck wird zunehmen.
Weil Sie auch über die positiven Veränderungen bei der Bahn gesprochen haben, fordere ich Sie auf, einmal zu vergleichen, was eine Bahnfahrkarte vor 15 Jahren oder vor zehn Jahren gekostet hat und was sie heute kostet.
Das ist doch nicht etwa billiger geworden. Dies gehört zur Vorbereitung der Privatisierung, um den Investoren zu zeigen, wie sehr sich das Geschäft lohnt.
Der nächste Punkt betrifft Befürchtungen der Länder. Warum sind die Länder dagegen, und warum sollen sie ausgeschlossen werden? Aus einem ganz einfachen Grund: Die Länder gehen davon aus, dass die Investoren nur etwas erwerben, was sich rechnet. Was sich nicht rechnet, bleibt bei den Kommunen, und das müssen dann die Länder bezahlen. Deshalb melden sie Widerspruch an. Dann kommen Sie und sagen: Wir fassen bloß einen Beschluss, und dann können die Länder keinen Widerspruch anmelden. - Es ist nicht hinnehmbar, wie Sie das Ganze organisieren.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wenn wir die Zuständigkeit der Politik durch Privatisierung Schritt für Schritt aufgeben - wir tun es bei der Kultur, bei der Bildung, im Gesundheitswesen, bei Energie und Wasser und nun auch beim Verkehr -, dann zerstören wir das Primat der Politik und bekommen ein Primat der Wirtschaft über die Politik, wovon man schon heute ausgehen kann. Dann müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern jedes Mal erklären, warum wir alle dafür nicht zuständig sind:
Wir haben es verkauft; es gehört uns nicht mehr. Es gehört irgendeinem Privaten, der über die Preise sowie darüber entscheidet, was er anbietet. - Das ist der falsche Weg. Wir brauchen eine höhere Bedeutung der Demokratie und damit eine klare Verantwortung der Politik.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die scheinbar formalen Fragen, die am Anfang diskutiert worden sind - kein Gesetzentwurf, unzureichende Berichte -, keine Petitessen, sondern systematische Probleme sind, will ich am Anfang kurz darstellen.
Erstens haben wir einen nicht aussagefähigen Netzzustandsbericht, der von Mehdorn, von der Bahn, stammt, aber nicht evaluiert ist. Er gibt zum Beispiel keinen klaren Aufschluss über die vielen Langsamfahrstrecken der Bahn. Dies halten wir für ein systematisches Problem, wenn es um die auch von Herrn Lippold angesprochene Frage geht, ob der von Ihnen erwartete Erlös ganz ins Netz fließen oder nach der Drittellösung verteilt werden soll. Wenn herauskäme, dass wir ein marodes Netz haben, dann wäre es doch völlig logisch, dass das gesamte Geld für die Netzinfrastruktur ausgegeben werden muss.
Zweitens liegt uns keine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Sie ist noch nicht endgültig verhandelt und enthält viele Leerstellen. Ich weiß nicht, ob das allen klar ist: Da steht immer ?xxx?, wenn es ums Eingemachte geht. Aber ein Punkt ist bereits präzise beschrieben: Man kann 5 Prozent des Netzes stilllegen, aber der Bundeszuschuss in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bleibt bestehen. Das ist eine schöne Einladung an Leute, die sich da einkaufen werden. Man kann Kosten streichen, aber der Zuschuss bleibt.
Drittens liegt der Beteiligungsvertrag, der die Details regelt, Herr Lippold, nicht vor. Professor Schäfer scheint ihn bei der Anhörung schon gehabt zu haben. Jedenfalls warnt er davor, dass es bei der von Ihnen gewählten Konstruktion des Holdingmodells ein beträchtliches Risiko für die Konzernmutter geben könne. Für Fehlinvestitionen und Auslandsgeschäfte der Konzerntochter, also Mobilität und Logistik, muss die Mutter geradestehen. Wo sind wir denn, meine Damen und Herren, wenn wir als Parlament so etwas nicht klar auf dem Tisch haben, bevor wir beschließen? Wir müssen die tatsächlichen Risiken der Privatisierung und des Holdingmodells, das Sie gewählt haben, kennen.
Wenn Sie diese drei Punkte zusammennehmen, Herr Tiefensee, dann entsteht ein anderes Bild. Hier wird eine anlegerfreundliche Desinformation der Politik und der Öffentlichkeit gewählt. So entsteht ein günstiges Bild für Anleger, während in unserem Hause eine systematische Desinformation organisiert worden ist.
Dazu hätte ich von einem Verkehrsminister, der uns noch am 8. Mai hier erzählt hat, der Beteiligungsvertrag werde in den nächsten Tagen kommen, schon ein bisschen mehr erwartet als diese Herumdruckserei, die Sie eben in Ihrer Rede mit blassgrüner Krawatte vorgeführt haben.
Die Peinlichkeiten im Verfahren sind wirklich unübersehbar. Jetzt erfahren wir aus den Wirtschaftsseiten der Zeitung, dass von den zu privatisierenden 24,9 Prozent 20 Prozent an institutionelle Anleger, an die Russen oder an wen auch immer, und 3 bis 5 Prozent an Kleinanleger gehen werden. Ich frage die Genossinnen und Genossen von der SPD: Ist diese Bonsai-Volksaktie die Volksaktie, von der Sie immer geschwärmt haben? Da kann man nur lachen.
Dass es bei einer Privatisierung von 24,9 Prozent nicht bleiben wird, haben die Redner der CDU/CSU heute schon deutlich gemacht, lieber Kollege Struck. Herr Beck erzählt jetzt den Wählerinnen und Wählern, man müsse eben SPD wählen, damit es bei den 24,9 Prozent bleibt. Ich würde Ihnen raten: Passen Sie auf, dass die Wähler die 24,9 Prozent nicht mit dem Ziel der SPD bei der nächsten Bundestagswahl verwechseln! Wenn Sie so weitermachen, werden es nämlich nicht viel mehr als das werden.
Und dann die Doppelnummer mit Herrn Mehdorn als Chef der Holding-Mutter und Chef der Verkehrstochter! Herr Tiefensee, ich frage Sie: Wenn diese Konstruktion gut ist, warum soll sie dann 2009 geändert werden? Wenn sie aber nicht gut ist, warum wird so etwas dann bis 2009 gemacht? Die entscheidende Frage, wer einen Konzern mit unterschiedlichen Töchtern und Müttern am besten führen kann, haben Sie mit diesem Hü und Hott, mit diesem Gewurschtel nicht geklärt, Herr Verkehrsminister.
Ich möchte zu den Grundsatzfragen kommen.
Mich interessiert, welche verkehrspolitischen Ziele, welche Ziele im Hinblick auf die Daseinsvorsorge, welche Umweltziele mit dieser Privatisierung erreicht werden sollen. In den vergangenen Jahren sind viele Debatten geführt worden; doch muss man sich einmal darüber klar werden: Wird das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, erreicht? Wir wissen aus den Diskussionen über den Klimaschutz, dass 20 Prozent der CO2-Emissionen Deutschlands durch den Verkehr entstehen. Diese Regierung hat keinerlei Konzept, wie man diesen Anteil verringern könnte. Ich frage noch einmal: Wird mit einer Privatisierung von 24,9 Prozent bei Verkehr und Logistik das verkehrspolitische Ziel erreicht, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen?
Dafür spricht nichts.
Wenn jetzt private Anleger, Großanleger mit strategischen Interessen bei Verkehr und Logistik der Bahn einsteigen, ist doch völlig klar, dass der Schienenverkehr dadurch unter Renditedruck gesetzt wird. Natürlich wird erwartet werden, dass schnell Rendite kommt. So werden zum Beispiel Fernverkehrsstrecken, die nicht so rentabel sind, anstatt dass sie rentabler gemacht werden, stillgelegt werden. Mit den 5 Prozent haben Sie schon in der Finanzierungsvereinbarung eine Stilllegungsprämie vorgesehen.
Es spricht nichts dafür, dass sich mit diesem Konzept mehr Verkehr auf die Schiene bringen ließe. Wer im Interesse von mehr Klimaschutz will, dass mehr Verkehr auf die Schiene verlagert wird, kann diese Art von Privatisierung nicht gutheißen. Unser Ziel kann es ja nicht sein, zu finanzieren, dass in China oder Russland Lastwagen, auf denen ?DB? steht, herumfahren. Unser Ziel muss doch eine Verkehrssubstitution zugunsten des ökologisch besten Verkehrsträgers sein. Mit dem, was Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, vorlegen, haben Sie ganz klar versagt.
Bei dem Konzept, das heute vorliegt, hat allenfalls Mehdorn gewonnen, der seine verschachtelten Interessen in den letzten Jahren dogmatisch verfolgt hat. Der Schienenverkehr ist bei der Privatisierung, die Sie heute vorhaben, der Verlierer.
Auch was das Ordnungspolitische angeht, sollten Sie, Herr Fischer, Herr Lippold, Herr Meyer, mit der Union noch einmal reden. Ich frage mich übrigens, wo Herr Glos ist. Bei den Anfängen dieser Diskussion hat er entschieden für eine klare ordnungspolitische Linie geworben; jetzt hat er sich bei diesem Thema still und heimlich vom Acker gemacht.
Wo sind denn Vorkehrungen für mehr Wettbewerb auf der Schiene, wodurch man das Schienenverkehrsaufkommen ebenfalls steigern kann? Es gibt bei diesem Modell, anders als es Herr Lippold sagte, keine Trennung von Netz und Betrieb.
Wann lernen Sie endlich aus dem Debakel, das wir im Energiebereich haben?
Dieses Debakel bedeutet ordnungspolitisch: Wer guten Wettbewerb und faire Zugangsbedingungen haben will, der muss Betrieb und Erzeugung bzw. Netz und Fahrbetrieb voneinander trennen. Das gilt im Energiebereich genauso wie im Verkehrsbereich. Sie haben es aber nicht gemacht, weil sie weiterhin dem Dogma eines integrierten Konzerns anhängen.
Herr Fischer, in ordnungspolitischer Hinsicht ist das, was Sie hier vorlegen, kein Meisterstück, sondern nichts anderes als ein Versagen. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man mehr Wettbewerb auf der Schiene haben will und das für ein politisches Ziel hält. Mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung erreichen Sie nicht mehr Wettbewerb auf der Schiene. Das ist ein Märchen. Lassen Sie sich nichts einreden! Allein die Bahn verfügt über das Netz. Lediglich 24,9 Prozent des Betriebs, also von Verkehr und Logistik, werden privatisiert. Wie soll eine solche Konstruktion mehr Wettbewerb im Netz ermöglichen und neuen Verkehrsbetrieben eine Chance eröffnen? Die vorhandenen bürokratischen Probleme wie Zugangszeiten und Preisintransparenz bleiben bei dem Modell bestehen, das Sie gewählt haben.
Ich frage Sie noch einmal: Welche übergeordneten Ziele erreichen Sie eigentlich mit der von Ihnen angestrebten Privatisierung? Ich finde, dass die Große Koalition bisher eine Antwort darauf schuldig geblieben ist.
Ich gehe einen Schritt weiter. Ich glaube, dass die Große Koalition in einem so bedauernswerten Zustand ist, dass sie sich schon freut, wenn überhaupt ein Ergebnis zustande kommt, und dass es ihr völlig egal ist, welchen Murks sie verabschiedet. Hauptsache, man hat ein Thema erledigt und kann so tun, als wäre man noch handlungsfähig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich habe mir Ihre Ziele genau angesehen, die Sie vor Ihrem Parteitag verkündet haben, und sie mit dem verglichen, was herausgekommen ist. Ich bin zu dem Schluss gekommen: Sie haben noch nicht einmal ein schlechtes Defensivspiel gemacht. Sie haben einfach dem Murks zugestimmt, um irgendwie über die Runden zu kommen und Ihren Vorsitzenden - oder wen auch immer - handlungsfähig erscheinen zu lassen. Mit einer vernünftigen Verkehrspolitik, deren Ziel es sein muss, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, und mit einer vernünftigen Klimaschutzpolitik, deren Ziel es sein muss, nach dem Scheitern der Beimischungsquote im Biospritbereich und der gescheiterten Umstellung der Kfz-Steuer den Anteil des Verkehrs am CO2-Ausstoß von 20 Prozent zu senken, hat das vorgelegte Papier - Sie haben noch nicht einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt - nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ihr Entwurf ist auch im Hinblick auf den Umgang mit dem Volksvermögen nicht positiv zu bewerten. Die 3 Milliarden Euro bzw. die 3,5 Milliarden Euro - was wissen wir schon? -, die Sie vielleicht erlösen werden, werden nicht zielgenau für das Erreichen des Klimaschutzziels ?besserer Verkehr? ausgegeben. 1 Milliarde Euro soll für die Sanierung des Staatshaushalts verwendet werden. Ein anderer Teil des Erlöses soll für das Erreichen der Ziele verwendet werden, die Herr Mehdorn bei seiner Strategie der Globalisierung verfolgt. Das Geld bleibt jedenfalls nicht bei uns im Land.
Wir haben einen klugen Antrag vorgelegt und weisen darin Ihr Konzept zurück.
Wir wollen Netz und Betrieb endlich voneinander trennen. Ich schlage Ihnen vor: Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie das, was Ihre Basis will, Herr Kollege Struck, und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Ich danke.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Uwe Beckmeyer.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Reden der Opposition waren schon bemerkenswert. Das gilt insbesondere für Sie, Herr Kuhn. Sie haben deutlich gemacht, was die Grünen eigentlich wollen. Davon steht in Ihrem Antrag nichts drin. Dort steht lediglich, dass Sie nichts mit einem integrierten Konzern zu tun haben wollen. Sie haben heute zum ersten Mal gesagt, dass Sie eine Trennung von Betrieb und Netz wollen.
Das ist interessant. Das ist eine Neuorientierung Ihrer Position. Wir nehmen das dankbar zur Kenntnis und werden darauf öffentlich zurückkommen.
Herr Gysi, Ihr Problem ist, dass Sie von dem Thema nicht viel verstehen und trotzdem sehr populistisch darüber reden.
Insofern sollten Sie aufpassen. Man kann nicht mit dem gleichen Argument wie für die Krankenhäuser auch die Bahn bedienen.
Es ist wichtig, einmal zu überlegen, wie unsere heutige Bahn sich entwickelt hat. 1993 erfolgte in Deutschland die Verschmelzung der Deutschen Bundesbahn mit der Reichsbahn. Sie haben recht, in der DDR gab es sehr viele Schienenkilometer, aber in einem derart miserablen Zustand, dass niemand verantworten konnte, diese auch nur annähernd zu unterhalten und aufrechtzuerhalten.
Das muss man dem deutschen Volk einfach einmal sagen.
Ich habe gelesen, dass Herr Lafontaine wegen des Programmmangels auf Ihrem Parteitag vorgeschlagen hat, auch einige Teile des Kommunistischen Manifestes aufzunehmen.
Das fand ich gut. Ich kann da noch einen Satz von Karl Marx zum Thema Eisenbahnen hinzufügen, den ich jüngst gelesen habe und der vor längerer Zeit von dem in der DDR damals verantwortlichen Günter Mittag in einem Brief an Alfred Neumann für die Begründung herhalten musste, weshalb die DDR nicht in die Eisenbahn investiert hat. Ich zitiere:
Der Bau von Eisenbahnen liefert für lange Zeit keine Produktions- und Lebensmittel, entzieht diese aber der jährlichen wirtschaftlichen Erzeugung.
Wenn Sie das in Ihr Programm aufnehmen, dann wissen wir endlich, was Sie wollen.
Wir haben eine lange Diskussion über die Bahnreform hinter uns. Wir haben politische Diskussionen im Plenum und in den Ausschüssen gehabt. Wir haben vier Anhörungen durchgeführt - wenn man die private Anhörung der Oppositionsfraktionen mitzählt, sogar fünf; da waren Sie allerdings leider enttäuscht über das Ergebnis, denn diese hat erbracht, dass die Fachleute mehrheitlich der Meinung sind, dass Ihre Position nicht trägt.
Wir haben eine sehr intensive Debatte geführt.
Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass wir in Deutschland zukünftig eine DB AG haben werden, die zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist. Es wird eine konzerngeleitete Holding strukturiert, und das ist gut so. Wir werden ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben, das das gesamte Schienennetz mit einem Wert von 180 Milliarden Euro Wiederbeschaffungswert besitzt, das die Bahnhöfe, die Energieerzeugung und die notwendigen Dienstleistungen wie Projektbau und natürlich auch strategische Konzernleitungsfunktionen umfasst. Dieses bleibt zu 100 Prozent im Besitz der Bundesrepublik Deutschland.
- Haben Sie dagegen etwas einzuwenden? Ich denke nicht.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Beckmeyer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Uwe Beckmeyer (SPD): Nein, ich wollte eigentlich meine Rede fortsetzen, Frau Präsidentin.
- Wenn Sie nach dem Zitat fragen wollen: Ich kann es Ihnen nachher geben.
Investoren in Deutschland werden an den Infrastrukturunternehmen nicht beteiligt werden. Es gibt also aus dieser Investorenschaft keinen Einfluss auf den Konzern. Der Bund wird seine im Grundgesetz festgelegte Infrastruktur- und Angebotsverantwortung demgemäß vollständig erfüllen. Da gibt es kein Vertun. Außerdem werden wir so den integrierten Konzern und damit den konzerninternen Arbeitsmarkt sichern. Auch da gibt es kein Vertun, und das ist gut so.
Wir ermöglichen lediglich die Beteiligung privaten Kapitals von maximal 24,9 Prozent an einer Bahntochter, und zwar der DB Mobility Logistics AG, in der der Güterverkehr, die Logistik, der Fern- und der Regionalverkehr und die dazugehörigen Dienstleistungen zusammengefasst sind. Im Umkehrschluss heißt das: 75,1 Prozent dieser Gesellschaft bleiben im Besitz der Bahn AG und damit mittelbar im Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Das muss man wissen. Sie zeichnen für das deutsche Volk von dieser Stelle aus ein Phantomgebilde, das überhaupt nicht existent ist.
Der Verkaufserlös - das ist das Entscheidende; darum geht es - soll zu gleichen Teilen erstens an den Bundesfinanzminister, zweitens in eine Eigenkapitalerhöhung der Bahn mit einem zielgerichteten Investitionsprogramm und drittens in Investitionen des Bundes in das Schienennetz fließen.
Nun komme ich zurück zu Herrn Gysi. Herr Gysi, Sie haben vorhin so getan, als würden wir plötzlich mit den Investoren in einen Wettbewerb treten und als würden uns diese ganzen bösen Investoren drangsalieren wollen. Wissen Sie eigentlich, dass der Güterverkehr, dass Railion und Schenker schon heute im Wettbewerb stehen? Die müssen im Wettbewerb Geld verdienen. Die DB Regio steht heute schon im Wettbewerb und muss so günstig und gut sein, dass sie Ausschreibungen gegen Veolia und andere große Bahnen in Deutschland gewinnt. Sie muss gut sein, und darum geht es doch.
Wir wollen eine gute Bahn, die Geld verdient und die auch in der Lage ist, im Wettbewerb zu bestehen. Aber was Sie im Kopfe haben, ist eine Staatsbahn alten Zuschnitts, hoffentlich nicht nach Art der DDR. Dieses alles zusammengenommen zeigt doch die Unterschiede, die zwischen Ihnen und denen, die momentan diese Bahnreform fortsetzen wollen, existieren. Sie haben ein verkrustetes Bahnmodell im Kopfe, das schon 1993 abgeschafft worden ist, und das ist gut so. Sie müssen dazulernen, sonst kommen Sie auf keinen aktuellen Informationsstand. Übrigens, die Aussage, die Deutsche Bahn sei 170 Jahre im Besitz des Staates, ist falsch. Erst die Preußen haben die Bahn verstaatlicht. Vorher waren die Bahnen privat. Auch das muss man zur geschichtlichen Klarstellung sagen.
Ich komme zum Schluss. Entscheidend ist, dass wir die Eigenkapitalbasis stärken und dass wir damit die Investitionskraft der DB AG fördern. Wir wollen Wachstum auf der Schiene ermöglichen, Herr Kuhn, und den Herausforderungen des europäischen Schienenverkehrsmarktes begegnen. Wir wollen zusätzliche Finanzmittel für die Ertüchtigung des Bundesschienennetzes und damit die Engpässe beseitigen. Wir wollen Strecken und Knoten ausbauen, wir wollen die Bahnhöfe sanieren, und wir wollen uns dem Thema Lärm an Strecken widmen. Wir müssen den Lärm an Schienensträngen beseitigen. Dafür brauchen wir Geld im öffentlichen Bereich.
Es geht um eine spürbare Attraktivitätssteigerung.
Ich will als Letztes noch etwas sagen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit!
Uwe Beckmeyer (SPD):
- Ein letzter Gedanke. -
Hier wird mit Schmutz geworfen. Die Rheinische Post, die Sie schon dreimal angesprochen haben, hat einen falschen Bericht geschrieben. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Wir können heute klar und deutlich sagen: Die Information, die hier drinsteht, ist zu dementieren.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Zu einer Kurzintervention erteile ich nun der Kollegin Menzner das Wort.
Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben jetzt hier sehr vehement für Ihren Entwurf geworben, aber Sie haben mit keinem Wort deutlich gemacht, wie das, was jetzt vorgesehen ist, den Einfluss des nach wie vor Haupteigentümers - bisher des alleinigen Eigentümers -, des Bundes, stärken soll. Gemeinsam streiten wir seit zweieinhalb Jahren, um einen aussagefähigen Netzzustandsbericht zu erhalten. Wir hatten schon große Schwierigkeiten, solange die DB AG zu 100 Prozent dem Bund gehörte. Mir und, ich glaube, auch dem Bürger erschließt sich nicht, wie wir in Zukunft besser an Informationen kommen, wenn wir nur noch ?mittelbare Eigentümer? sind, und da zitiere ich Sie wörtlich.
Zum Zweiten: Natürlich steht die DB AG im Wettbewerb, aber Sie dürfen nicht verschweigen, wie die DB AG damit umgeht. Sie ist dabei, eine ganze Reihe von Subunternehmen zu gründen - ich nenne als Stichwort die DB Heidekrautbahn -, um mit durch Lohndumping möglichen billigeren Angeboten an Ausschreibungen teilnehmen zu können. Es geht aber aus meiner Sicht - das ist der öffentliche Auftrag - um Qualität für die Bürgerinnen und Bürger, um vernünftige Angebote und um vernünftige Arbeitsbedingungen für die Menschen, die bei der Bahn arbeiten. Das ist nicht gewährleistet.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege Beckmeyer, bitte.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Liebe Frau Kollegin, wir haben uns darüber schon im Ausschuss unterhalten. Für die sozialdemokratische Fraktion kann ich eindeutig erklären: Wir sind gegen Dumpinglöhne. Die Tarifverträge, die die Deutsche Bahn mit ihrer Gewerkschaft geschlossen hat, verhindern diese Gott sei Dank. Wir sind stolz darauf, dass die Kolleginnen und Kollegen das - möglichst noch bis 2023 - erstritten haben, um das deutlich zu sagen.
Sie operieren mit Informationen, die nicht aktuell sind. Sie werden bei uns garantiert keine politische Unterstützung finden.
Ich will etwas zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sagen. Auch das ist hier von Ihnen angesprochen worden. Ich finde es unredlich, wie die Opposition teilweise mit diesem Thema umgeht. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung - Stand: aktuell, vorgestern - ist Ihnen zur Verfügung gestellt worden, damit Sie sich einlesen können. Es ist immer gesagt worden, dass das ein Zwischenstand ist, der sich weiterentwickelt.
Jetzt zu sagen, dieses Thema sei nicht ausreichend behandelt, ist unfair. Wir werden uns im Ausschuss über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beraten und wir werden sie beschließen. Das steht ebenfalls in dem Antrag, den wir heute beschließen.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist nun der Kollege Patrick Döring für die FDP-Fraktion.
Patrick Döring (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ging doch sehr viel durcheinander. Ich will meine vier Minuten Redezeit dazu nutzen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Sehr geehrter Herr Kollege Gysi, wenn Sie zurückwollen zu einer Staatsbahn, wie wir sie vor 1989 und vor 1993 hatten, wenn Sie zurückwollen zu einer Behördenbahn, dann müssen Sie auch konstatieren: Nirgendwo, zu keinem Zeitpunkt gab es so wenig und so schlechten Schienenverkehr wie in der Zeit der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn.
Deshalb ist eine Reverstaatlichung wirklich kein Konzept, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen.
Sehr verehrter Herr Kollege Kuhn, ein Konzept ist aber auch nicht, darüber nachzudenken, wie man die Bürgerinnen und Bürger durch mehr staatlichen Einfluss - am liebsten per Verordnung oder Gesetz - zurück auf die Schiene bringt. Die Erfolgsgeschichte der Regionalisierung ist doch, dass das Angebot besser geworden ist und dass gute Angebote in einer Wettbewerbssituation die Menschen motiviert haben, wieder in den Zug zu steigen. Das ist die Erfolgsgeschichte der Bahnreform 1994 durch Schwarz-Gelb mit Unterstützung der Sozialdemokratie.
Ich stehe hier aber nicht, um den jetzt gewählten Weg zu loben und zu unterstützen,
und zwar aus mehreren Gründen. Sehr geehrter Herr Kollege Beckmeyer, ich bin mit Ihnen einig, dass man das Entgegenkommen des Ministeriums, uns jetzt die LuFV im Entwurfsstand zu geben, in dieser Phase nicht kritisieren darf. Ich sage für meine Fraktion nur: Wir fordern nichts anderes, als dass Sie sich an Ihren Beschluss vom letzten Jahr erinnern, dass die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ausformuliert und ein Jahr erprobt sein muss, bevor man privatisiert.
Da gehen Sie jetzt einen anderen Weg, weil Sie wahrscheinlich nicht garantieren können, dass Ihre Basis nach dem Samstag in Nürnberg auch diese Entscheidung noch mitträgt. Deshalb muss das heute alles abgeräumt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich höre es gerne, wenn sie sagen: ?Uns wäre mehr als 24,9 Prozent eingefallen?, allein mir fehlt der Glaube. Deshalb sage ich: Es ist nicht zu verantworten, übrigens auch nicht politisch, dass der deutsche Steuerzahler weiter mit 75,1 Prozent für LKW-Verkehr in Russland, für Bahnverkehr in China und für Nahverkehr in Schweden und anderen europäischen Ländern haftet.
Ich wiederhole: Das ist nicht zu verantworten.
Man muss deshalb fragen: Warum wachsen die Güterverkehre heute? Warum haben wir gute private - übrigens, oh Schreck, renditegetriebene - Regionalverkehrsunternehmen? Diese Unternehmen machen einen tollen Regionalverkehr, und sie gewinnen auch die Ausschreibungen gegen das Unternehmen mit Sitz am Potsdamer Platz, obwohl sie Gewinn machen müssen und die besseren Wagen anbieten. Warum geschieht das alles? Weil Effizienzen in einem Unternehmen gehoben werden, das jetzt endlich getrieben wird, sich vernünftig zu verhalten.
Jetzt kommen wir zur Infrastruktur. Ich persönlich - das habe ich auch im Ausschuss gesagt - empfehle gelegentlich den Blick ins Aktiengesetz. Die Koalition schreibt in ihrem Papier, sie erwarte, dass die DB AG die Mittel, die sie bekommt, für nationale Investitionen und Innovationen verwendet. Im Aktiengesetz ist eindeutig geregelt, dass diese Entscheidung ausschließlich der Vorstand fällt. Das ist das, was die FDP-Fraktion und mich in diesem Verfahren stört: Wer privatisieren will - wir wollen das; wir wollen, dass noch mehr privatisiert wird -, der muss sicherstellen, dass der Staat, der am Ende zu 100 Prozent die Verantwortung für die Infrastruktur behält - was wir begrüßen -, seine Verantwortung auch wahrnehmen kann.
Die jetzt gewählte Konstruktion ist sowohl aus Sicht des Aktienrechts als auch aus Sicht der Beteiligung des Parlaments unbefriedigend. Sind wir Politiker eigentlich damit zufrieden, wie wir in der Vergangenheit Einfluss auf den Aufsichtsrat nehmen konnten, der zu 100 Prozent vom Bund bestellt wird? Waren wir damit zufrieden? Es ist falsch, diese Entscheidung schon jetzt zu treffen, ohne darüber zu sprechen, wie mit einer erprobten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, mit einem Netzzustandsbericht und mit einem Beteiligungsvertrag, den das Parlament vorher gesehen hat und über den auch entschieden werden kann, umzugehen ist, bevor man seinen Anteil dem DB-Vorstand zu Füßen legt, ihm 2,5 Milliarden Euro hinterherwirft, ohne die Gegenleistung zu kennen.
Das ist der falsche Weg. So macht man keine erfolgreiche Privatisierung. So diskreditiert man Privatisierung. Deshalb können wir Ihren Weg heute nicht mitgehen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Klaus Hofbauer.
Klaus Hofbauer (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition bringt heute ein großes und wichtiges Projekt unter ihrer Regierungsverantwortung auf die Zielgerade.
Nach jahrelanger und ausführlicher Diskussion mit zum Teil konträren Standpunkten können wir heute feststellen, dass wir mit einer erfolgreichen Fortentwicklung der Bahnreform auf dem richtigen Weg sind. Das ist die entscheidende Botschaft, die wir nach außen tragen müssen.
Bei dem Kollegen Horst Friedrich möchte ich mich fast bedanken, weil er zu Beginn seiner Ausführungen ganz klar und deutlich gesagt hat, dass dieser Antrag der richtige Weg ist. Ja, wir sind auf dem richtigen Weg. Deswegen bitte ich die FDP-Fraktion sehr herzlich, unserem Antrag zuzustimmen. Das wäre der ehrliche und richtige Weg.
Es gibt zwei große Herausforderungen für die Politik und für die Bahn.
Zum einen müssen wir die Bahn fit machen, dass sie sich dem globalen Wettbewerb stellen kann. Warum ist es notwendig, dass die Bahn sich dem globalen Wettbewerb stellt? Es ist notwendig, weil der Kunde es verlangt. Die Wirtschaft agiert weltweit. Der Kunde verlangt von der Bahn ein ganzheitliches Konzept, wie zum Beispiel ein Produkt von Deutschland nach Japan oder an jeden anderen Ort der Welt gebracht werden kann, ohne dass Verhandlungen mit mehreren Vertragspartnern erforderlich sind. Dafür müssen wir die Bahn fit machen. Genau das tun wir jetzt.
Zum anderen nehmen wir die Verpflichtung zur Daseinsvorsorge sehr ernst. Wir fühlen uns dem Art. 87 e des Grundgesetzes verpflichtet.
Wir wollen, dass in Deutschland ein attraktiver und zukunftsorientierter Bahnverkehr stattfindet. Dafür haben wir in der Vergangenheit zum Beispiel bei den Regionalisierungsmitteln die Weichen gestellt. Die zum Teil privatisierten regionalen Angebote sind eine Erfolgsgeschichte der letzten 15 Jahre. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortsetzen, stärken und ausbauen.
Da sind wir auf einem guten Weg, Herr Kollege Hofreiter, weil wir Akzente gesetzt haben und dies auch weiterhin tun werden.
Es steht außer Zweifel, dass das regionale Angebot immer attraktiver geworden ist, dass die Menschen es immer besser annehmen und dass die Bahn erhebliche Zuwächse hat. Außerdem wird der Güterverkehr in Deutschland von der Bahn so attraktiv gestaltet, dass es bereits Engpässe gibt. Wir brauchen erhebliche Investitionen, um das Güterverkehrsangebot auszubauen und zu verstärken.
Es ist klar, dass die Umsetzung des heutigen Beschlusses noch ganz gewaltige Herausforderungen für uns mit sich bringen wird. Wir sind dabei, die entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel bei dem Beteiligungsvertrag zu erfüllen. Das gilt natürlich auch für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie die Anreizregulierung.
Ich möchte hier erwähnen, was der Herr Staatssekretär Großmann bei der Anhörung gesagt hat: Wir legen euch keine fertigen Papiere vor. Die Papiere, die im Entwurf vorliegen, können gestaltet werden. Wir werden die Chance nutzen, die Inhalte so zu gestalten, dass sie den Zielen des heutigen Beschlusses auch wirklich gerecht werden. Herzlichen Dank für dieses Angebot. Wir als Koalitionsfraktionen werden es ganz konkret nutzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir eine Anmerkung zur Anreizregulierung. Wir wissen, dass insbesondere die DB die Anreizregulierung gar nicht will. Wir von der Politik hier im Parlament fordern, dass die Anreizregulierung umgesetzt wird, weil wir Kontrolle haben wollen. Wir können und müssen uns aber darüber unterhalten, mit welchem bürokratischen Aufwand das geschieht. Wir wollen keinen Popanz ?Bürokratie? aufbauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam Lösungen dafür finden, wie das richtig gestaltet werden kann.
Noch eine Bemerkung zu den Investitionen. Ich möchte mich nicht an den Spekulationen darüber beteiligen, welchen Erlös die Teilprivatisierung erbringt. Das müssen wir abwarten. Das werden die nächsten Monate oder das nächste Jahr zeigen. Eines muss aber klar sein - das darf ich als Verkehrspolitiker sagen -: Mit dem jetzigen Maß an Investitionen werden wir die Herausforderungen weder bei der Bahn noch auf der Straße bewältigen können.
Die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland braucht insgesamt mehr Geld, weil wir ansonsten - ich glaube, das dürfen wir sagen - ins Hintertreffen geraten.
Vorhin wurde gesagt, dass wir in vielen Bereichen erfolgreich sind. Ich weiß nicht, ob das jetzt in diese Debatte passt, spreche es aber trotzdem an. Ich möchte den Bediensteten der Bahn insgesamt und auch den Bediensteten der Privatbahnen einmal ein herzliches Dankeschön sagen sowie Anerkennung und Respekt zum Ausdruck bringen.
Dass so viele Erfolge erzielt wurden, ist auch dem Einsatz der Bediensteten auf allen Ebenen zu verdanken. Weil wir als Eigentümer mit dabei sind, darf man das einmal sagen.
Wir werden in den nächsten Wochen noch über manche Bereiche diskutieren. Wir werden das rasch über die Bühne bringen. Wir werden uns zum Beispiel über die Möglichkeit unterhalten, das Streckennetz um 5 Prozent zu reduzieren, ohne dass die Mittel entsprechend reduziert werden. Das kann so nicht sein. 5 Prozent sind ein ganz erheblicher Anteil. Deswegen müssen wir darüber diskutieren.
Natürlich macht uns auch das Thema Fernverkehr einige Sorgen. Erlauben Sie mir, das etwas persönlicher zu sagen. Als ich vor 10 oder 15 Jahren zwischen München und Prag über den Grenzübergang Furth im Wald gefahren bin, war das Fernverkehr. Das wird jetzt mit Nahverkehrsmitteln bedient. Das ist auf Dauer mit Sicherheit nicht der richtige Weg. Wir müssen das Thema Fernverkehr ernst nehmen: Wir werden es auch ernst nehmen und die entsprechenden Akzente setzen.
Zum Schluss möchte ich Folgendes feststellen: Wir haben noch einige Hausaufgaben zu machen. Das werden wir tun. Wir sind aber auf einem hervorragenden Weg, die Bahnreform aus 1993/94 weiterzuentwickeln. Ich glaube, dass wir heute einen sehr guten Beschluss fassen werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Martin Burkert für die SPD-Fraktion.
Martin Burkert (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Ich will das jetzt noch einmal in aller Sachlichkeit und Ruhe erläutern; denn für einen Eisenbahner ist das heute schon ein besonderer Tag.
Der Zug, sprich: die Bahnreform, steht aus meiner Sicht auf dem richtigen Gleis. Der Fahrweg ist eingestellt. Wir haben alle haushaltspolitischen und verkehrspolitischen Fragen erörtert und beantwortet.
Nachdem heute ein Modell zur Trennung von Fahrweg und Betrieb im Güterverkehrsbereich von den Grünen erstmals öffentlich dargestellt worden ist,
möchte ich ausdrücklich sagen: Herr Kuhn, der Einzelwagenverkehr in Deutschland ist nicht lukrativ. Wenn Sie nun aber die Möglichkeit des Einzelwagenverkehrs, also beispielsweise den Transport eines Güterwagens von Hamburg nach München, dadurch aufheben, dass Sie die Subventionierungsmöglichkeit im Querverbund abschaffen, dann gibt es über Nacht bis zu 100 000 Lkw mehr auf unseren Straßen. Das kann doch sicherlich von Ihnen nicht gewollt sein.
Weiterhin haben wir auch die unternehmenspolitischen, die europarechtlichen und nicht zuletzt die beschäftigungspolitischen Weichen richtig gestellt. Der Deutsche Bundestag gibt heute das Signal Zp9 - das ist in der Eisenbahnersprache das grüne Licht beim Abfahrtsignal - für die Bahnreform. Der 1994 begonnene Erfolgsweg der Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft wird nun vollendet und die Bahn jetzt mit der Teilprivatisierung von 24,9 Prozent der Verkehrssparte in eine gute und wettbewerbsfähige Zukunft geführt.
Wie Ihnen bekannt ist, hat die SPD mit sich gerungen, wie privaten Investoren der Einstieg möglich gemacht werden kann. Wir haben ausführliche Beratungen durchgeführt und zusammen mit der Union ein tragfähiges Modell vorgelegt, das unseren Ansprüchen gerecht wird. Ein wichtiger Maßstab war und ist für uns dabei immer auch die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse bei der Bahn.
Die Beschäftigten bei der Bahn sind seit 1994 im Übrigen der Garant des Erfolges. Schauen wir uns nämlich einmal an, wie sich die Personalkosten und die Wertschöpfung entwickelt haben: Im Jahr 1994 betrugen die Personalkosten für einen Mitarbeiter im Durchschnitt 31 000 Euro pro Jahr, während die Wertschöpfung damals nur bei 28 000 Euro pro Jahr lag, also im negativen Bereich. Im Jahr 2007 lagen die durchschnittlichen Personalkosten je Mitarbeiter bei 43 000 Euro im Jahr; gleichzeitig erreichte die Wertschöpfung je Mitarbeiter aber bereits einen Wert von 54 000 Euro im Jahr. Alleine aus dieser Differenz ergibt sich ein Gewinn von über 2 Milliarden Euro vor Steuern.
Wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklung war die Einheit des integrierten Konzerns. Deshalb war die Beibehaltung des integrierten Konzerns genauso wie die Beschäftigungssicherung für die 230 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner für uns von der SPD eine wesentliche Grundvoraussetzung bei den Verhandlungen über den Einstieg privater Investoren. Die SPD-Fraktion begrüßt deshalb ausdrücklich den Erhalt des integrierten Konzerns und damit des konzerninternen Arbeitsmarktes. Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich auch den Abschluss eines Sicherungstarifvertrages zwischen der Transnet und der Deutschen Bahn AG.
Im Kern sind hier drei Punkte herauszustellen:
Erstens. Es wird ausgeschlossen - Kollege Beckmeyer hat es erwähnt -, dass es bis zum Jahr 2023 zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sicherlich einzigartig in unserem Land.
Zweitens. Der bahninterne Arbeitsmarkt bleibt erhalten. Obendrein wird die Bahn weiterhin in großem Umfang ausbilden. Sie ist schon heute das größte Ausbildungsunternehmen in Deutschland, und das, obwohl sie es mit 360 Konkurrenzunternehmen im Schienenverkehrsbereich zu tun hat. In diesem Punkt, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP, um auf die unternehmerische Verantwortung und vor allen Dingen auch volkswirtschaftliche Bedeutung zu sprechen zu kommen, haben die privaten Konkurrenten bisher leider gar nichts vorzuweisen. Von diesen wurden nämlich bisher nicht einmal zwei Hände voll an Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestellt.
Drittens. Es bleibt auch das sogenannte Kontrahierungsgebot, also die Verpflichtung zur konzerninternen Auftragsvergabe bei der Deutschen Bahn erhalten.
Diese drei Punkte wirken sich in der Praxis folgendermaßen aus: Es wird sichergestellt, dass Lokführer oder Fahrdienstleiter sowie alle anderen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die im Betriebsdienst beschäftigt sind, dann, wenn sie zum Beispiel Diabetes bekommen oder an Bluthochdruck leiden, nicht arbeitslos werden, obwohl sie aus nachvollziehbaren Sicherheitsgründen ihren bisherigen Job nicht mehr länger ausüben dürfen. Durch den konzerninternen Arbeitsmarkt ist es vielmehr möglich, sie auf einen anderen Arbeitsplatz im DB-Konzern zu vermitteln, etwa im Dienstleistungsbereich. Allein in diesem Bereich werden zurzeit 70 000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner beschäftigt.
Dass diese Menschen auch weiterhin eine Perspektive haben, garantiert das vorhin angesprochene Kontrahierungsgebot. Was heißt das? Es heißt, dass alle Arbeiten im Konzern selbst erledigt werden, soweit sie dort abrufbar sind. Auch hierzu ein Beispiel: Ein Wagenreiniger in Bayern verdient dank des Tarifvertrages einen Stundenlohn von 8,60 Euro. Seine Arbeit, wie auch zum Beispiel die Arbeit der Sicherheitsposten, der Gastronomiebeschäftigten, der Projektplaner oder der Servicemitarbeiter, könnte die Bahn aber genauso gut auf dem freien Markt viel günstiger einkaufen. Genau das wollen wir aber nicht.
Darin liegt der große Unterschied zwischen uns Sozialdemokraten und Ihnen von der FDP. Sie würden den Markt alles regeln lassen, auch auf Kosten der Arbeitsplätze bei der Bahn. Wir wollen das nicht; wir wollen gute Arbeit, wir wollen anständig bezahlte Arbeit und keine Ausbeutung bei der Bahn.
Für uns sind die tarifpolitischen und sozialpolitischen Standards sowie die Sicherung der Beschäftigung mit unseren sozialdemokratischen Grundsätzen eng verbunden. Angesichts des Schielens auf andere politische Mehrheiten - das kommt in diesem Haus ab und zu vor - kann man nur davor warnen, am integrierten Konzern zu rütteln. Dies würde einen Angriff auf die Beschäftigungssicherung bedeuten.
Was dies zur Folge hätte, umschrieb der Arbeiterdichter Georg Herwegh 1863 - er war, wie wir wissen, zusammen mit Ferdinand Lassalle Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins - mit den Versen eines berühmten Arbeiterliedes:
Mann der Arbeit aufgewacht, erkenne deine Macht! Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will!
Wie ich meine Gewerkschaftskollegen und Betriebsfunktionäre kenne, wäre der Streik der Lokomotivführer im Vergleich zum Protest, der bei einem Angriff auf die Beschäftigungssicherung ausgelöst würde, nur ein lauer Sommerwind gewesen.
Auch zu den Streckenstilllegungen könnte man viel sagen. Da wird Angst und Panik verbreitet. Das ist aber unbegründet.
Angesichts meiner fortgeschrittenen Redezeit fasse ich zusammen: Der Zugriff privater Investoren auf das Schienennetz wird ausgeschlossen. Der Einfluss auf die Geschäftspolitik wird stark begrenzt. Der konzerninterne Arbeitsmarkt wird erhalten. Die Beschäftigungssicherung wird garantiert. Die Stellung des Bundes als Eigentümer bleibt bestehen und wird ausgebaut. Investitionen in Infrastruktur und in Material werden getätigt. Damit wird unser Unternehmen Bahn wettbewerbsfähig in Europa aufgestellt.
Das heißt also: Signal Zp9 - Abfahrauftrag - und keiner hat jetzt etwas gegen die K-Scheibe - das ist ein anderer Eisenbahnerbegriff -, mit der der Fahrdienstleiter dem Lokführer den Auftrag gibt, die Fahrzeit zu verkürzen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Martin Burkert (SPD):
Letzte Bemerkung. Wir sind auf einer guten Fahrt in eine sichere Bahnzukunft. Die Bahngeschichte wird heute weitergeschrieben.
Recht herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Für den Bundesrat spricht nun der Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, Herr Dr. Karl-Heinz Daehre.
Dr. Karl-Heinz Daehre, Minister (Sachsen-Anhalt):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Bundestagsabgeordneten und Bundestagsabgeordnete! Herzlichen Dank für die Möglichkeit, dass ich zu Ihnen sprechen darf.
Wenn man über ein bestimmtes Thema redet, dann sollte man auch erwähnen, woher man kommt und wohin man will. Als gelernter DDR-Bürger darf ich daran erinnern, wo wir 1989 standen und wo wir jetzt stehen. Ich kann mich noch an die damalige Fahrzeit von Dresden nach Magdeburg erinnern. In dieser Zeit könnte man heute zweimal nach Berlin fahren. Wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, was in den letzten 15 Jahren passiert ist. Herzlichen Dank allen, die dazu beigetragen haben.
- Zum Einstieg ist ein bisschen Beifall immer gut. Aber ich komme noch zu kritischen Anmerkungen.
Es muss deutlich sein, dass sich die Länder nicht zum Anwalt der Linken machen wollen. Die Länder sind eindeutig der Meinung, dass die Teilprivatisierung der richtige Weg ist. So ist es von den Ländern mehrheitlich beschlossen worden. Mit diesem Missverständnis möchte ich hier einmal aufräumen. Ich denke, das ist der richtige Weg.
Deshalb streiten wir nicht mehr darüber - auch die Länder nicht -, ob wir teilprivatisieren. Wir streiten nur über den Weg. Da haben wir unterschiedliche Positionen. Aber auch für Sie als Bundestagsabgeordnete ist es nichts Neues, dass es in einem föderalistischen System unterschiedliche Auffassungen zu dem einen oder anderen Punkt gibt und auch geben muss. Wir müssen die Länderinteressen vertreten.
Eines verbindet uns alle: Wir wollen, dass mehr Güter von der Straße auf die Schiene kommen, dass mehr Bürger den Zug benutzen; da könnten wir alle einmal bei uns selber anfangen. Das ist aus meiner Sicht inzwischen ein gesellschaftspolitisches Thema. Denn wenn wenige mit dem Zug fahren, dann sind bestimmte Strecken nicht mehr rentabel. Dann sind wir in den Ländern gezwungen, Strecken einzustellen. Das kann nicht unser Ziel sein. Deshalb ist es für uns natürlich wichtig, dass viele Bürger den Zug nehmen. Aber sie nehmen ihn nicht - da setzt unsere Kritik an -, wenn die Geschwindigkeit 30 bis 40 Stundenkilometer beträgt. Dann fährt keiner mit dem Zug, außer der Großvater einmal mit dem Enkel. Beim zweiten Mal sagt der Enkel dann: Opa, so interessant ist das nicht mehr.
Der entscheidende Kritikpunkt, den die Länder haben, ist, dass wir bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden wollen, damit sichergestellt wird, dass wir in Zukunft einen attraktiven Nahverkehr in der Fläche erhalten. Wir werden angesichts dessen, dass die Verkehre so zunehmen, wie alle Experten prognostizieren, noch einmal über jeden Kilometer Schienenstrang dankbar sein, der auch in Zukunft besteht.
Das ist die Herausforderung, die wir gemeinsam angehen müssen.
Auch in diesem Jahr wurde schon die eine oder andere Fernverkehrsstrecke eingestellt. Das habe ich nicht nur in Sachsen-Anhalt erlebt. Gerade wurde gesagt, dass auch München und Prag mit Regionalverkehr verbunden werden. Das hätte man sich früher nicht vorstellen können.
- Ganz früher, ja.
- Da hatten wir noch einen Kaiser und einen König.
Zurück zu dem eigentlichen Thema. Wenn Fernverkehrsstrecken eingestellt werden, dann werden die Länder dort Regionalverkehr einsetzen müssen. Dann haben wir die Situation, dass die Regionalisierungsmittel, die im Moment Spitz auf Knopf stehen, natürlich nicht für diese Strecken reichen.
- Wir machen es ganz transparent.
Aber lassen Sie mich einmal sagen, was wir uns so wünschen. Auch wir dürfen einmal das eine oder andere sagen. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Länder die Regionalisierungsmittel bekommen. Das sind Milliardenbeträge. Wenn die Länder diese Milliardenbeträge schon gesetzlich zugeschrieben bekommen haben, dann möchten sie auch bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mitreden. Das ist unsere Forderung. Ich bitte darum, dass dies passiert.
Ein bisschen Bewegung, Herr Bundesminister, ist schon in diese Dinge gekommen. Die Länder sind jetzt zum zweiten Mal eingeladen worden. Aber sich allein ins Benehmen zu setzen, reicht nicht aus. Dies hört sich so an: Zwei -, dreimal werden wir eingeladen, und dann ist das Benehmen hergestellt. Das kann nicht der Weg sein.
Wir müssen uns in den nächsten Wochen und Monaten auch im Austausch mit dem Hohen Haus mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beschäftigen. Die Kreuze müssen weg, und stattdessen müssen Summen eingesetzt werden. Am Ende muss es darum gehen, deutlich zu machen, dass wir in Deutschland in der Fläche ein attraktives Schienennetz, und zwar vom Fernverkehr bis hin zum Nahverkehr, erhalten wollen.
Ein weiterer Punkt. Die Länder haben natürlich ein großes Interesse daran, ordentliche Bahnhöfe zu haben. Denn Sie können den Bürgern eines nicht zumuten: dass sie Bahnhöfe und Bahnsteige vorfinden, die nicht mehr dem 21. Jahrhundert entsprechen. Das ist unsere Forderung. Gleichzeitig sage ich aber: Wir werden es nicht schaffen, jeden Bahnhof barrierefrei zu gestalten. Das ist eine Zusage, die man nicht einhalten kann. Wir müssen sehen, wie wir Knotenpunkte entwickeln, wo dann auch behinderte, mobilitätseingeschränkte Bürger die Möglichkeit haben, den Zug zu benutzen. Es gibt also große Herausforderungen.
Nochmals: Die Länder werden dafür kämpfen - das ist unsere Aufgabe -, dass wir in Zukunft bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und bei den Qualitätsparametern im Schienenverkehr mitreden. Ich darf abschließend eines sagen: Eine Zielstellung wäre, wenn wir es hinbekämen, dass in der Fläche mit 80 Stundenkilometern gefahren werden kann. Ich denke, das wäre gut. Denn wenn wir den Schienenpersonennahverkehr abbestellen, wird der Güteverkehr, der auf diesen Strecken nach wie vor fahren wird, teurer, weil DB Cargo dann an DB Netz Geld zahlen muss. Das würde dazu führen, dass Güterverkehr eingestellt würde. Das kann nicht unser Ziel sein.
Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, dafür zu sorgen, dass in Zukunft mehr Güter auf der Schiene transportiert werden und mehr Personen den Zug benutzen. Das sind wir der Umwelt, den Bürgern und Deutschland schuldig.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Klaas Hübner für die SPD-Fraktion.
Klaas Hübner (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Kuhn hat hier für die Grünen erklärt, dass sie gegen einen integrierten Konzern sind. Das ist bemerkenswert. Insofern besteht zwischen uns in der Tat ein diametraler Gegensatz; denn wir wollen den integrierten Konzern. Wir wollen eine Beschäftigungssicherheit für die Mitarbeiter der DB AG, und nur in einem integrierten Konzern ist ein integrierter Arbeitsmarkt möglich. Nur so konnte eine Beschäftigungsgarantie - immerhin bis zum Jahr 2023 - vereinbart werden. Das geht mit unserem Modell, mit Ihrem nicht. An dieser Stelle besteht also ein deutlicher Gegensatz zwischen unseren Positionen. Wir treten für die Beschäftigten der DB AG ein.
Sie haben einen klimapolitischen Ansatz angemahnt. Natürlich wollen wir mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen.
Darum müssen wir in das Netz investieren. Wir brauchen eine bessere Anbindung an unsere Seehäfen, die überfüllt sind und nicht mehr expandieren können. Seehäfen können nämlich nur dann expandieren, wenn sie die Güter möglichst schnell weitertransportieren können. Darum müssen wir in das Güterverkehrsschienennetz investieren, Herrn Kuhn. Das wollen wir tun.
Es gibt aber eine Gesamtverantwortung. Wir wissen, dass wir nicht einfach mehr Geld ausgeben dürfen, dass wir nicht einfach mehr Schulden machen oder die Steuern erhöhen können, sondern auch das Prinzip der Generationengerechtigkeit zu beachten haben. Wir haben uns die Haushaltskonsolidierung zum Ziel gesetzt. Bis zum Jahr 2011 wollen wir einen Schuldenstand von null erreicht haben. Nur so können wir verhindern, dass zukünftigen Generationen immer wieder neue Lasten aufgetragen werden. Die Finanzierung muss der jeweiligen Generation obliegen. Das halten wir ein.
Natürlich wollen wir Zukunftsinvestitionen durchführen. Wenn wir das Ziel der Haushaltskonsolidierung ernst nehmen wollen, ist das aber nur möglich, wenn wir Private an der Finanzierung gemeinwohlorientierter Aufgaben beteiligen. Ich finde, bei der DB AG ist das sinnvoll. Daher machen wir das.
Herr Kuhn, Sie machen sich einen schlanken Fuß. Ich finde, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie Forderungen stellen, ohne zu erklären, wie Sie das finanzieren wollen und wie Sie verhindern wollen, dass folgende Generationen die Lasten tragen müssen.
Herr Gysi hat seine Rede in der letzten Debatte über die Bahnreform mit der Bemerkung begonnen, dass er kein Experte ist. Das hat er heute bestätigt.
Das ist gar nicht so schlimm, Herr Dr. Gysi. Schlimm finde ich aber, dass Sie die Bahn schlechtgeredet haben und damit die Leistung, die die Beschäftigten der Bahn in den letzten 17 Jahren erbracht haben, diskreditiert haben.
Sie sind den Leistungen der Bahnbeschäftigten überhaupt nicht gerecht geworden. Das muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben.
Machen wir einmal Sachaufklärung: Sie haben Neuseeland und Großbritannien als negative Beispiele angeführt. Richtig, bei diesen Privatisierungen hat es Probleme gegeben. Worin besteht aber der Unterschied zu der Privatisierung bei uns? Sowohl in Neuseeland als auch in Großbritannien ist das Netz mitprivatisiert worden. Das tun wir ausdrücklich nicht.
Wir lassen das Netz im Bundesbesitz. Das ist der entscheidende Unterschied. Sie sollten keine hinkenden Vergleiche bringen. Wir haben von diesen Ländern etwas gelernt. Das Gesetz, das wir machen, sorgt dafür, dass das Netz im Bundesbesitz bleibt. Daher ist das ein gutes Gesetz.
Sie haben behauptet, das Verkehrsangebot in der Fläche könne dadurch gefährdet werden, dass wir private Investoren beteiligen. Die Wahrheit ist doch - das muss doch einmal gesagt werden -: Der Nahverkehr wird von den Ländern bestellt. Wir geben rund 7 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel aus, damit die Länder den Nahverkehr bestellen können. Das heißt, der Nahverkehr hat mit der Privatisierung nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Der Nahverkehr wird davon gar nicht beeinflusst.
Auf den Fernverkehr hat Minister Daehre hingewiesen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner zulassen?
Klaas Hübner (SPD):
Selbstverständlich.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön.
Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Herr Kollege Hübner, Sie haben eben gesagt, wir würden hier ein gutes Gesetz machen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass die Kritik der Opposition im Wesentlichen genau darauf zielt, dass Sie überhaupt kein Gesetz vorlegen.
Zweitens frage ich: Haben Sie am Montag in der Anhörung zur Kenntnis genommen, dass die Fachleute zum einen gesagt haben, dass der Beschäftigungssicherungstarifvertrag aus ihrer Sicht - es waren Juristen, die das gesagt haben - nicht justiziabel ist, und dass sie zweitens gesagt haben, dass mit dem vorgelegten Modell die Haftungsrisiken für den Bund höher und nicht geringer werden?
Klaas Hübner (SPD):
Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht. Wir haben einen Antrag, und zwar aus gutem Grund: Wir wollen mit der Privatisierung an dieser Stelle schneller vorankommen. Wir haben ausführlich über dieses Thema diskutiert.
Die Beschäftigungssicherung ist ein Pfund, das sich die Gewerkschaften ausgehandelt haben. Es gab einige Experten, die daran zweifeln. Aber die große Masse sagt: Das ist ein guter Vertrag, der abgeschlossen worden ist. Man kann nicht einzelne Meinungen an die Stelle einer Gesamtbeurteilung setzen. Ich glaube, dass hier die Gewerkschaften und gerade Transnet für die Beschäftigten etwas Gutes getan haben.
Deswegen kann ich Ihre Kritik an der Stelle nicht teilen.
Hinsichtlich der Haftung sage ich: Wir haben schon heute eine volle Haftung für die DB AG. Es ändert sich nicht besonders viel dadurch, dass sich Private daran beteiligen. Ich weiß gar nicht, wie sich der Status quo ändern soll. Schon heute haften wir selbstverständlich für die DB AG und für das Schienenverkehrsnetz. Durch unseren Antrag ändert sich daran gar nichts, Frau Kollegin.
Zum Fernverkehrsnetz. Ich möchte das Thema anschneiden, weil Herr Daehre es angesprochen hat. Ich glaube, wir haben in Deutschland momentan ein gutes Fernverkehrsnetz, das die Zentren in der Fläche erschließt und gut mit dem Nahverkehrsnetz verknüpft ist. Wir haben momentan einen Fernverkehr, der sich selber trägt und ohne staatliche Zuschüsse betrieben werden kann. Nicht zuletzt deswegen darf Deutschland stolz darauf sein, wie sich der Schienenverkehr in der letzten Zeit entwickelt hat.
Aber wir müssen das auch erhalten und weiterentwickeln. Um das zu erreichen, brauchen wir langfristig tragfähige Strukturen. Ab dem 1. Januar 2010 wird auch im Fernverkehr der Wettbewerb freigegeben. Natürlich müssen wir unserem grundgesetzlichen Auftrag nachkommen, sicherzustellen, dass auch im Fernverkehr ausreichend Verkehre zur Verfügung gestellt werden. Darüber wollen wir gerne mit Ihnen diskutieren. Kollege Hofbauer hat es angesprochen. Das ist ein Thema, mit dem sich diese Koalition weiterhin auseinandersetzen wird; das ist gar keine Frage.
Wenn es um die künftige Bahnpolitik geht, liegt mir besonders der Güterverkehr am Herzen, nicht zuletzt deshalb, weil der Güterverkehr zu den am meisten unterschätzten Wirtschaftszweigen gehört. Im gesamten Verkehrsbereich arbeiten in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen. Das sind fast doppelt so viele wie in der gesamten Automobilindustrie. Noch wichtiger ist jedoch die Bedeutung des Güterverkehrs für die übrige Wirtschaft. Je globalisierter unsere Wirtschaftswelt wird und je mehr die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Weltregionen wächst, umso wichtiger wird die Logistik als Bindeglied zwischen Unternehmen bzw. Herstellern und Endkunden.
Wir in dieser Koalition - auch wir Sozialdemokraten - wollen Deutschland zum Logistikstandort Nummer eins machen; wir wollen es entwickeln. Logistik ist ein Jobmotor in diesem Land. Wir bekennen uns zur Logistik in diesem Land. 2006 fragte die Agentur Ernst & Young internationale Führungskräfte nach den Standortentscheidungskriterien im internationalen Bereich. Am meisten Bedeutung ist dort eindeutig Transport, Logistik und Infrastruktur zugemessen worden. Darum ist alles, was wir dort zur Modernisierung tun, ein Beitrag für ein weiteres stabiles Wirtschaftswachstum in unserem Land. Wir wollen weiterhin bei der Logistik in der Weltspitze mitspielen. Daher müssen wir die Kapazitäten schaffen, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass wir neues Geld genau hier investieren können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie alle haben uns kaum zugetraut, dass wir bei dieser schwierigen Thematik zu einem guten Ergebnis kommen.
Wir haben Sie alle Lügen gestraft. Ich kann Ihre Aufregung ja verstehen, weil Sie das Thema nicht mehr weiter für sich verfolgen können. Aber diese Koalition hat eindeutig gezeigt: Sie ist handlungswillig und handlungsfähig.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Enak Ferlemann.
Enak Ferlemann (CDU/CSU):
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass heute so viele Kolleginnen und Kollegen hierhergekommen sind, um sich mit dem Thema Bahn auseinanderzusetzen. Das ist der Entscheidung, die wir heute treffen, angemessen.
Dies ist eine der größten Entscheidungen der Verkehrspolitik in dieser Legislaturperiode, vielleicht sogar die größte Entscheidung.
Mit der heutigen Entscheidung vollenden wir die Bahnreform. Wir haben uns dafür entschieden, eine Teilprivatisierung der Verkehrsgesellschaften in Form eines Holdingmodells vorzunehmen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass wir nach vielen Diskussionen vieler verschiedener Modelle ein nahezu optimales Modell gefunden haben. Wir teilprivatisieren die Verkehrsgesellschaften und behalten zu 100 Prozent die Infrastruktur als Staatseigentum, eine wesentliche Voraussetzung, um Wettbewerb auf der Schiene zu generieren.
Die Erlöse werden gedrittelt. Ein Drittel wird für die Entschuldung des Bundes genutzt, um die nachhaltige Finanzpolitik, die die Große Koalition verfolgt, zu unterstützen. Ein Drittel geht in das Eigenkapital der DB AG über, um in dem europäischen Wettbewerb, in den auch unser Unternehmen einsteigen muss, finanzielle Möglichkeiten zu schaffen. Ein Drittel kommt der Infrastruktur zugute, damit hier notwendige Investitionen, vor allem beim Lärmschutz, bei den Bahnhöfen und beim Gleisbau, vorgenommen werden können.
Dieses Holdingmodell ist eine konsequente Fortentwicklung der Bahnreform von 1994. Deswegen brauchen wir kein eigenes Gesetz, wie es immer gefordert wird, sondern das ist damals als Gesetz beschlossen worden. Da wir uns in diesem Rahmen bewegen, brauchen wir heute kein Gesetz zu beschließen, sondern es reicht der Entschließungsantrag der Koalition.
Ziel der Bahnreform von damals - das gilt auch heute - war es, den Bundeshaushalt zu entlasten. Das tun wir heute zumindest dadurch, dass wir die Belastungen für die Zukunft mindern. Vor allem wollen wir mehr Verkehr auf die Schiene bringen, insbesondere durch den Wettbewerb. Genau das generiert dieses Modell.
Herr Kollege Kuhn, beim Schienenpersonennahverkehr werden sogar Sie zugeben müssen, dass die Regionalisierung ein Riesenerfolg ist. Man kann in der Bundesrepublik Deutschland überall sehen, dass Privatgesellschaften den Schienenpersonennahverkehr in einer unglaublich hohen Qualität betreiben. Auch die DB hat sich hier wesentlich verbessert. Man kann also sagen: Dieser Teil der Reform ist gelungen.
Seit 2007 besteht ein europaweiter Wettbewerb im Güterverkehr. Auch hier steigt der Verkehr dramatisch an, sehr zu unserer Freude, aber zum Leidwesen derjenigen Menschen, die an den Schienenwegen wohnen, weil jetzt Tag und Nacht Güter auf der Schiene transportiert werden und dadurch Lärm entsteht. Trotzdem kann man von einem großen Erfolg des Systems Schiene sprechen. Wir brauchen Investitionen, um das weiter voranzutreiben.
Ein anderer Punkt ist der Personenfernverkehr, der ab 2010 für den europaweiten Wettbewerb freigegeben wird. Wir werden viele andere Bahnen auf unserem Netz fahren sehen, sodass wir durch den Wettbewerb auch hier für unsere Kunden ein deutlich höheres Angebot bekommen werden.
Wichtig ist - dafür bin ich dem Minister sehr dankbar -, dass er uns die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung und den Netzentwicklungs- und Zustandsbericht übersandt hat, sodass wir diese Dinge im Detail noch sehr intensiv besprechen können. Gerade bei der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung wird es darauf ankommen, ein sehr modernes System, mit dem man Infrastrukturmonopole kontrolliert und steuert, zu implementieren, die sogenannte Anreizregulierung. Das ist ein sinnvolles Instrument. Wir werden uns über die Einführung ernsthaft unterhalten müssen. Gleiches gilt für den Beteiligungsvertrag, der die Angelegenheiten zwischen Bund und Steuerzahler auf der einen und der DB AG auf der anderen Seite regelt. Hier liegen in den nächsten Monaten noch lange Diskussionen vor uns. Ich sehe aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind und zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Das gilt leider nicht für die Personalentscheidungen, die uns in den letzten Tagen, aber auch in den letzten Stunden erreicht haben. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Werner Müller, hat uns beim letzten Mal wissen lassen, dass Norbert Hansen nun Vorstand der Deutschen Bahn AG werden soll. Herr Mehdorn hat dazu gesagt, die Politik habe ihm diese Personalentscheidung aufoktroyiert. Ich kann für meine Fraktion nur sagen: Wir haben davon nichts gewusst und wir haben niemandem etwas aufoktroyiert. Wir sind genauso erstaunt wie viele andere, dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Wie sie sich auswirkt, kann man in dem einen oder anderen Blatt lesen. Wir halten es für keine gute Entscheidung.
Nun lesen wir, dass wiederum Entscheidungen vorbereitet werden, wer Vorstandsvorsitzender und wer ein weiteres Mitglied des Vorstandes werden soll. Ob das stimmt oder nicht, weiß man nicht genau. Wir jedenfalls sind darüber nicht informiert. Wir unterstützen das auch nicht. Wir glauben, dass es sinnvoll wäre, gemeinsam mit den Koalitionsspitzen über diese Personalentscheidungen zu reden und sie nicht einfach im stillen Kämmerlein zu treffen, um dann auch noch Personen auszuwählen, die wir für nicht geeignet halten.
Wir haben Vertrauen zu Herrn Mehdorn. Wir haben auch großes Vertrauen zu Herrn Sack. Diese beiden sollen ja die Vorstände beider Gesellschaften für eine Übergangszeit führen. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung. Never change a winning team! Die DB AG hat eine erfolgreiche Mannschaft,
und es macht keinen Sinn, jemanden aus dieser Mannschaft auszuwechseln, und das womöglich noch mit politischem Geschmäckle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden bei den Personalentscheidungen erheblichen Widerstand leisten. Denn wir sind mit ihnen nicht einverstanden und hoffen, dass sie so nicht umgesetzt werden.
Die heutige Debatte war mit Ausnahme des Beitrags von Herrn Gysi sehr sachlich und kenntnisreich. Herr Gysi hat sich wieder als der gezeigt, der er ist. Er redet über Themen, die er nicht versteht. Das hat man heute wieder einmal deutlich gemerkt. Ich weiß nicht, was Klinikbetriebe mit der Bahnprivatisierung zu tun haben. Das werden Sie, Herr Gysi, an anderer Stelle noch einmal deutlich machen müssen.
Ich darf mich für die gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen bedanken. Ich bedaure sehr, dass die FDP unserem Antrag nicht zustimmt. Denn eigentlich ist sie im Grundsatz unserer Auffassung;
das ist ähnlich wie bei den Grünen. Natürlich kann man über Details unterschiedlicher Auffassung sein; das ist nun einmal so. Aber die Richtung, in die wir gehen, stimmt. Dass wir noch weitere Schritte machen müssen, ist klar. Das wollen wir auch tun. Wir wollen nicht bei 24,9 Prozent stehenbleiben. Wir wollen mehr Anteile der Verkehrsgesellschaften privatisieren, weil das einen größeren Ertrag bringt, den wir dann für die Weiterentwicklung der Infrastruktur zur Verfügung stellen können. Grüne und FDP haben zu diesem Thema eine sehr ähnliche Einstellung wie die Union. Deswegen bedaure ich, dass sie unserem Antrag heute aus unterschiedlichen Gründen nicht zustimmen wollen. Das wird sich in Zukunft sicherlich noch ändern.
Ich freue mich, dass wir das Vorhaben des Antrags von 1994 heute vollenden können. Ich hoffe, dass wir im Sinne einer guten Zukunft der Bahn die richtige Entscheidung treffen. Ich kann Sie nur herzlich bitten: Stimmen Sie dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/9362.
Zuvor möchte ich noch bekanntgeben, dass Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen, und zwar von den Kolleginnen und Kollegen Christine Lambrecht, Michael Roth (Heringen), Peter Friedrich, Klaus Barthel, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Gabriele Hiller-Ohm, Christian Kleiminger, Dr. Bärbel Kofler, Lothar Mark, Hilde Mattheis, Ottmar Schreiner, Andreas Steppuhn, Rüdiger Veit, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Axel Berg, Steffen Reiche (Cottbus), Maik Reichel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Hartmann (Wackernheim), Jörg Tauss, Elvira Drobrinski-Weiß, Dr. Hermann Scheer, Elke Ferner, Dr. Marlies Volkmer, Gabriele Frechen, Jürgen Kucharczyk, Frank Schwabe, Dirk Manzewski, Rolf Kramer, Klaus Hagemann, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Johannes Jung (Karlsruhe), Iris Hoffmann (Wismar), Wolfgang Spanier, Simone Violka, Dr. Reinhold Hemker, Klaus Uwe Benneter und Dr. Peter Danckert.
Möglicherweise sind das noch nicht alle. Das sind aber alle, die uns im Moment bekannt sind.
Wir werden jetzt zunächst zwei namentliche Abstimmungen hintereinander durchführen. Außerdem weise ich darauf hin, dass im Anschluss weitere Abstimmungen zu diesem Tagesordnungspunkt und Wahlen zu Gremien durchgeführt werden müssen. Bei einer Wahl ist die Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich. Deswegen bitte ich Sie, den Saal nach den namentlichen Abstimmungen zur Bahnreform noch nicht zu verlassen.
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/9070 mit dem Titel ?Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahnreform weiterentwickeln?. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verlangen namentliche Abstimmung.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Dann ist die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.
Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstimmung.
Unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9071 mit dem Titel ?Zukunft des Schienenverkehrs sichern?. Wir stimmen über die Beschlussempfehlung ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt hierzu ebenfalls eine namentliche Abstimmung. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint mir nicht mehr der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis werden wir Ihnen später bekannt geben. Bitte bleiben Sie für die weiteren Abstimmungen und insbesondere für die nachfolgenden Wahlen noch im Saal.
Noch Tagesordnungspunkt 29 a. Wir setzen jetzt die Abstimmungen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/9362 fort. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/8774 mit dem Titel ?Bahnprivatisierung zügig und konsequent beschließen?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8046 mit dem Titel ?Keine Bahnprivatisierung am Parlament vorbei?. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalition und der Linken gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP.
Tagesordnungspunkt 29 b. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel ?Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe - Moratorium für die Privatisierung der Deutsche Bahn AG?. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6813, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5270 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition.
Zusatzpunkt 7. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9306 mit dem Titel ?Zukunft der Bahn für die Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen?.
- Wir müssen das kurz klären. Es liegt möglicherweise ein Fehler vor.
Es handelt sich um einen Fehler. Es geht um den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/9306 mit dem Titel ?Zukunft der Bahn für die Menschen sichern - Bahnprivatisierung stoppen?.
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag bei Zustimmung der Fraktion Die Linke, bei Gegenstimmen der Koalition und der FDP-Fraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zu den Zusatzpunkten 8 a bis f, Wahlen zu Gremien:
a) Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl von Mitgliedern in den Stiftungsrat der ?Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur?
- Drucksache 16/9352 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Wahlvorschlag einstimmig angenommen.
b) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl eines Mitglieds des Gremiums gemäß § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes
- Drucksache 16/9353 -
Zu dieser Wahl ist laut Gesetz die Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich.
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist mit der erforderlichen Mehrheit und einstimmig angenommen.
c) Wahlvorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wahl eines vom Deutschen Bundestag zu entsendenden Mitglieds der gemeinsamen Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen
- Drucksache 16/9354 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen.
d) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der Deutschen Nationalbibliothek gemäß § 6 Abs. 1 Nummer 1 des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek
- Drucksache 16/9355 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Wahlvorschlag ist einstimmig angenommen.
e) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Verwaltungsrates der Filmförderungsanstalt gemäß § 6 des Filmförderungsgesetzes (FFG)
- Drucksache 16/9356 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
f) Wahlvorschlag der Fraktion der CDU/CSU
Wahl eines Mitglieds des Stiftungsrates der ?Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF)?
- Drucksache 16/9357 -
Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Wahlvorschlag ist bei Zustimmung des Hauses angenommen, wobei sich die Fraktion Die Linke enthalten hat.
Wie interfraktionell vereinbart, kommen wir zu Tagesordnungspunkt 28 - Umweltschutz -zurück, soweit dieser in der gestrigen Sitzung noch nicht erledigt worden ist: Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel ?Vorschlag der EU-Kommission für den Emissionshandel nach 2012 überarbeiten - Klima schützen, Stromverbraucher entlasten, Wettbewerb stärken? sowie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9334 die Ablehnung des Antrags der FDP auf Drucksache 16/8075. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung des Hauses - bis auf die FDP-Fraktion, die dagegengestimmt hat - angenommen.
Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich weiß jetzt nicht, wie sich die Linke verhalten hat. Ich muss die Abstimmung wiederholen. Wer stimmt für diese Entschließung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Entschließung mit den Stimmen der Koalition und der Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Ich gebe jetzt die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt. Zunächst zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel ?Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - Die Bahnreform weiterentwickeln?. Abgegeben wurden 516 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 355, mit Nein haben gestimmt 158. Es gab 3 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth, Nicole Maisch und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel ?Zukunft des Schienenverkehrs sichern?. Abgegeben wurden 515 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 433, mit Nein haben gestimmt 46. Enthaltungen gab es 36. Damit ist diese Beschlussempfehlung ebenfalls angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 164. Sitzung - wird am
Montag, den 2. Juni 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]