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Sozialliberale Sensation

Die Bundestagswahlen – Teil 6: 1969

Willy Brandts Kabinett bei Bundespräsident Gustav Heinemann
© picture-alliance / dpa
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Eine Sensation am Ende der sechziger Jahre: Zum ersten Mal nach 20 Jahren ändern sich in Bonn die politischen Machtverhältnisse. Willy Brandt wird erster SPD-Kanzler der Bundesrepublik. Doch die Bundestagswahlen 1969 bringen noch mehr Veränderungen mit sich. Die F.D.P. schreibt sich nun mit Pünktchen, die Sozialdemokraten verabschieden sich vom harten Rot und versuchen es mit einem weicheren Orange. Erstmals engagieren die Parteien Werbeagenturen für einen professionellen Wahlkampf und drehen moderne Fernsehspots.

Schon im Vorfeld wird die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD brüchig. In den Umfragen kurz vor der Wahl liegen beide Parteien gleichauf. Am 28. September 1969 sind fast 39 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, 86,7 Prozent von ihnen geben ihre Stimme ab. 13 Parteien haben sich zur Wahl gestellt. Die Hochrechnungen ergeben zunächst einen Wahlsieg der Union. Doch als Regierungspartei ist sie nicht mehr unumstritten. Die SPD war in den Wochen zuvor in der schwierigen Lage, Regierungspartner und Wahlkampf-Opposition zugleich zu sein.

Wahlkampf mit Klimbim

Bei dieser Wahl lassen sich CDU, SPD und FDP zum ersten Mal von Werbeagenturen beraten. Für die SPD dreht der Regisseur der Fernsehserie „Klimbim“ einen Wahlspot, der mit seinen schnellen Schnitten, Kamerafahrten und symbolischen Bildern innovativ und provokativ ist.

Die SPD verfolgt eine Strategie der Mischung von Information und Emotion. Parolen ihrer Plakate wie "Wir schaffen das moderne Deutschland – wir haben die richtigen Männer" sollen die Partei mit Fortschritt gleichsetzen, ihr neues Orange steht für die weiterentwickelte SPD. Unterstützt wird die SPD von Prominenten, das ist auch neu. In München wird eine „Sozialdemokratische Wählerinitiative" gegründet, der 110 Schriftsteller, Professoren, Schauspieler, Verleger und Journalisten angehören.

Union betreibt Kanzlerwahlkampf

Die CDU betreibt einen Kanzlerwahlkampf und betont die Sicherheit einer kontinuierlichen Regierung. „CDU – auf den Kanzler kommt es an“ steht über Amtsinhaber Kurt Georg Kiesinger. Die SPD kann sie nicht mehr als regierungsunfähig hinstellen, denn sie ist seit 1966 an der Regierung beteiligt.

Die Liberalen setzen auf Reformen. Das neue Image der Partei bringt auch die geänderte Schreibweise F.D.P. zum Ausdruck. Ihre Strategie zielt auf Reformen und die Große Koalition, dabei verzichtet sie auf eine Personalisierung und plakatiert politische Aussagen wie „Sie können Deutschland verändern – machen Sie Schluß mit der großen Koalition“ oder „Wir schaffen die alten Zöpfe ab“.

Spitzenkandidaten

CDU/CSU stellen ihren Wahlkampf ganz auf die Person von Kanzler Kiesinger ab. Er verkörpert die Kontinuität der CDU/CSU-Regierung. Er gilt als ausgleichend und politischer Schöngeist, „Häuptling Silberzunge“, wie sein Spitzname lautet, führt sein Amt in einem neuen Stil. Noch am Wahlabend sieht er sich als Gewinner, doch bleibt er ein Übergangskanzler.

Die SPD wirbt mit den Erfolgen von Willy Brandt als Außenminister im Kabinett Kiesinger. Bei Teilen der Bevölkerung gilt er als „deutscher Kennedy“, andere werfen ihm die Emigration und Annahme der norwegischen Staatsbürgerschaft während des Nationalsozialismus vor.

Zweites Wahlkampfabkommen der Parteien

CDU, CSU, SPD und FDP schließen im Wahljahr wieder ein freiwilliges Wahlkampfabkommen. Erstmals in der deutschen Parteiengeschichte trafen die Parteien 1965 eine „Vereinbarung über die Führung eines fairen Wahlkampfes“.

Im Folgeabkommen einigen sich die Parteien zudem auf die „zeitliche Begrenzung bestimmter zentraler Aktionen“, konkret auf eine begrenzte Plakatwerbung auf 20 Tage vor der Wahl und den Verzicht auf „Luftwerbung“. Im ersten und einigen späteren Abkommen wurde auch die Begrenzung der Wahlkampfkosten festgelegt.

Union erstmals in der Opposition

Die CDU/CSU erhalten schließlich 46,1 Prozent und sind auch wieder größte Fraktion, die SPD gewinnt 42,7 Prozent. Die Liberalen erreichen nur noch 5,8 Prozent. Damit verfügen sie zusammen über eine knappe Mehrheit. Die NPD scheitert mit 4,3 Prozent an der Fünfprozent-Hürde.

Schnell verständigen sich SPD und F.D.P. auf die Bildung einer Regierungskoalition. CDU und CSU müssen nach 20 Jahren Regierungsverantwortung zum ersten Mal in die Opposition. Am 21. Oktober 1969 wählt der Bundestag Brandt mit 251 gegen 235 Stimmen zum neuen Kanzler. Außenminister und Vizekanzler wird der Parteivorsitzende der F.D.P., Walter Scheel.




Ausdruck aus dem Internet-Angebot des Deutschen Bundestages

www.bundestag.de/btg_wahl/wahlgeschichte/wahl1969/index.jsp

Stand: 16.08.2009