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Gültig ab: 06.08.2008 10:19
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Erfolgsgeschichte und Vorbild

Auch die Vertreter Berlins bekennen sich zum Grundgesetz: der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter bei der Unterzeichnung. Rechts Otto Suhr, nichtstimmberechtigtes Berliner Mitglied des Parlamentarischen Rates
Auch die Vertreter Berlins bekennen sich zum Grundgesetz: der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter bei der Unterzeichnung. Rechts Otto Suhr, nichtstimmberechtigtes Berliner Mitglied des Parlamentarischen Rates
© Erna Wagner-Hehmke/HDG

Das Grundgesetz von 1949 bis heute

Als das Grundgesetz in Kraft tritt, beginnt für Deutschland ein neuer Abschnitt seiner Geschichte. Die Hoffnungen sind groß — doch die ersten Schritte der jungen Demokratie im Westen sind noch unsicher. Heute ist aus dem Provisorium eine Erfolgsgeschichte geworden: als Basis einer stabilen Demokratie mit einer lebendigen Verfassungswirklichkeit, in der sich immer wieder erweist, wie modern, robust und entwicklungsfähig das Grundgesetz ist.

Der letzte Akt im Gründungskanon steht noch aus: Die Ratifizierung und Verkündung des Grundgesetzes. Da die Verfassungsmütter und -väter eine Volksabstimmung abgelehnt haben, wird der Grundgesetzentwurf des Parlamentarischen Rates allen elf Landtagen zur Ratifizierung vorgelegt. Innerhalb von drei Tagen — vom 18. bis 21. Mai 1949 — stimmen alle Landtage dem Entwurf zu — mit Ausnahme des Bayerischen Landtags. In leidenschaftlichen Diskussionen begründen CSU-Abgeordnete ihre Abneigung gegen das Grundgesetz, dem sie mangelnden Föderalismus vorwerfen. Doch scheitern lassen wollen die Bayern das Grundgesetz auch nicht. Sie lassen sich ein Hintertürchen offen: Werde das Grundgesetz in zwei Dritteln der deutschen Länder angenommen, soll „die Rechtsverbindlichkeit dieses Grundgesetzes auch für Bayern anerkannt” werden. Genau so geschieht es.

Mann beim Richtfest zum Bau des Plenarsaals des Bundestages, im Hintergrund Arbeiter im Stahlgerüst
Richtfest zum Bau des Plenarsaals des Bundestages in Bonn 1949. Im Hintergrund die Arbeiter im Stahlgerüst
© Erna Wagner-Hehmke/HDG
Am 23. Mai 1949 findet daraufhin die Schlusssitzung des Parlamentarischen Rates mit der feierlichen Verkündung des Grundgesetzes in Bonn statt. Der Festakt — er wird von allen deutschen Rundfunkstationen direkt übertragen — wird von Orgelspiel und Chorälen umrahmt. Präsident Konrad Adenauer betont in seiner Ansprache, dass trotz der auferlegten Beschränkungen die Entscheidung zum Grundgesetz „auf freiem Willen” und „auf der freien Entscheidung des deutschen Volkes” beruhe. Dann sagt er: „Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes.

Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten. Wer die Jahre seit 1933 bewusst erlebt hat, (...) der denkt bewegten Herzens daran, dass heute, mit dem Ablauf dieses Tages, das neue Deutschland entsteht.”

Nach jeweiligem Aufruf unterzeichnen zunächst die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates, danach die Ministerpräsidenten der elf Länder die Originalausfertigung des Grundgesetzes. Nur die Mitglieder der KPD-Fraktion weigern sich, „die Spaltung Deutschlands” zu unterschreiben.

Erfüllte Hoffnungen

Originalseite des Grundgesetzes mit Präambel
Originalseite des Grundgesetzes mit Präambel
© Abbildungen: Picture-Alliance/dpa
Heute liegt die Originalfassung des Grundgesetzes im Panzerschrank des Direktors beim Deutschen Bundestag. Sie wird jedes Mal hervorgeholt, wenn der Bundespräsident und der Bundeskanzler ihren Amtseid vor den Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrats ablegen.

Fast 60 Jahre sind seitdem vergangen. Aus den unsicheren Anfängen ist eine ungeahnte Erfolgsgeschichte, aus dem dauerhaften Provisorium eine freiheitliche, offene und stabile Demokratie geworden, die ihren Platz in der Welt gefunden hat, von ihr respektiert und bewundert wird. Vor allem aber hat sich die Hoffnung des Parlamentarischen Rates, mit der Staatswerdung Westdeutschlands die Einheit in Freiheit Deutschlands nicht zu gefährden, erfüllt — wenn auch erst nach 40 Jahren. Die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands war nicht nur Ziel, sondern ist auch Höhepunkt unserer jüngsten Verfassungsgeschichte. Denn mit dem im Einigungsvertrag vom 31. August 1990 geregelten und zum 3. Oktober 1990 vollzogenen Beitritt der DDR ist das Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung geworden.

Originalseite des Grundgesetzes mit Adenauers Unterschrift
Originalseite des Grundgesetzes mit Adenauers Unterschrift
© Abbildungen: Picture-Alliance/dpa
Zunächst nur unzulänglich legitimiert, hat das Grundgesetz seine eigentliche demokratische Bestätigung erst durch die öffentliche Anerkennung in jahrzehntelanger Verfassungspraxis erfahren. Heute gilt das Grundgesetz als freiheitlichste und fortschrittlichste Verfassung, die Deutschland je besessen hat. Für einige Staaten ist das Grundgesetz zum Vorbild für eigene Verfassungsvorhaben geworden (siehe Kasten). In Deutschland selbst hat sich das Grundgesetz zwar an veränderte gesellschaftliche Wertvorstellungen undan Entwicklungen, die durch Deutschlands Stellung in Europa und der Welt bedingt sind, angepasst, im Wesensgehalt aber ist es unverändert geblieben und hat so für Stabilität und Akzeptanz gesorgt. Verglichen mit anderen Ländern in Europa ist Deutschland mit seinen kontinuierlichen Regierungen — acht Kanzler in 60 Jahren — und seiner stabilen Parteienlandschaft, die dennoch für die Gründung neuer Parteien wie Die Grünen offen geblieben ist, ein Hort der Beständigkeit.

Wichtige Stationen der Anpassung des Grundgesetzes an eine veränderte Verfassungswirklichkeit sind:

  • Pariser Verträge und die Wehrverfassung: Mit Inkrafttreten der PariserVerträge endet im Mai 1955 endgültig die Besatzungsherrschaft, die Bundesrepublik erhält die Souveränität (es bleiben alliierte Vorbehaltsrechte bis zur deutschen Einheit). Ein Jahr später verabschiedet der Bundestag nach heftigen Auseinandersetzungen die Wehrverfassung und damit die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Aufbau einer Wehrpflichtarmee.
  • Notstandsgesetze: Zur Erreichung der vollen Souveränität gehört auch der von den Alliierten geforderte Erlass einer Notstandsverfassung. Sie regelt 1968 im Kern, wer im Verteidigungsfall das Sagen hat. Viele Kritiker fürchten starke Sonderrechte der Exekutive. Am Ende aber wahrt der Bundestag mit dem „Gemeinsamen Ausschuss” als Notparlament seine Rechte.
  • Reform nach der Einheit: Entgegen den Vorstellungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die eine grundlegende Reform des Grundgesetzes samt anschließender Volksabstimmung anstreben, setzen Union und FDP eine paritätisch besetzte „Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat” durch, die sich auf wenige Änderungen beschränkt. Sie betreffen einmal die Präambel und die Neuverteilung der Sitze im Bundesrat, zum anderen moderate Veränderungen wie die „tatsächliche” Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, ein Diskriminierungsverbot behinderter Bürger und die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel. Kritiker bemängeln, dass eine historische Chance vertan wird.
  • Europa: Die fortschreitende Integration Europas verlangt auch Korrekturen und Ergänzungen am Grundgesetz. So werden 1992 ein europapolitischer Grundsatzartikel, ein Kommunalwahlrecht für EU-Bürger und eine Ermächtigung zur Aufgabenübertragung an die Europäische Zentralbank eingefügt.
  • Privatisierungen: Im Zeichen der Privatisierung von bisher ausschließlichen Staatsunternehmen werden Anfang der 90er-Jahre Regelungen für den Luftverkehr, die Post und die Bahn beschlossen.
  • Asylrecht: Um den Zustrom von jährlich rund 400.000 Asylbewerbern einzudämmen, ringt sich der Bundestag 1993 nach heftigem Streit zu Einschränkungen des Asylrechts durch.
  • Innere Sicherheit: Um der anwachsenden organisierten Kriminalität besser zu begegnen, wird 1998 die Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt. Weil sie die elektronische Überwachung von Wohnungen (Stichwort „Großer Lauschangriff”) ablehnt, tritt die Justizministerin zurück.
  • Frauen in der Bundeswehr: Im Zuge der Gleichberechtigung dürfen auch Frauen seit 2000 freiwillig in der Bundeswehr Dienst mit der Waffe leisten.
  • Föderalismusreform: Um das Zusammenspiel von Bund und Ländern effizienter zu gestalten und das politische System entscheidungs- und handlungsfähiger zu machen, werden im Jahre 2006 insgesamt 25 Grundgesetzartikel reformiert. Somit handelt es sich bei der Föderalismusreform um die größte Verfassungsänderung seit 1949. 

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Text: Sönke Petersen
Bildnachweis: Erna Wagner-Hehmke/Hehmke-Winterer,
Düsseldorf; Haus der Geschichte, Bonn
Erschienen am 13. August 2008

Weitere Informationen:

Vorbild für andere Länder
Wäre das Grundgesetz eine Handelsware, könnte Deutschland gute Geschäfte machen. Denn trotz seiner bald 60 Jahre gilt das Grundgesetz bei vielen Staaten als fortschrittlich und demokratisch vorbildlich. Nicht wenige Länder haben bei ihrer staatlichen Neuorientierung Anleihen beim Grundgesetz genommen. So gibt es etwa in Ungarn, aber auch in Polen, Slowenien und seit einem Jahrzehnt in Belgien analog zu Deutschland ein konstruktives Misstrauensvotum. Spanien hat nach dem Ende der Franco- Herrschaft massiv vom Grundgesetz „abgeschrieben”. Nach dem Wegfall des Ost-West-Konfliktes orientieren sich auch viele mittel- und osteuropäische Staaten am deutschen Grundgesetz. Besonderer Exportschlager dabei: die Grundrechte und die Verfassungsgerichtsbarkeit.

Die Attraktivität des Grundgesetzes ist dabei nicht auf Europa beschränkt. Auch die Südafrikaner haben sich beim Grundgesetz bedient, vor allem bei den Föderalismusbestimmungen und der zweiten Kammer. Und Neuseeland hat mit der personalisierten Verhältniswahl das deutsche Wahlrecht übernommen.

Föderalismusreform
Online-Dossier zur größten Grundgesetzänderung seit 1949:
www.blickpunkt-bundestag.de (Rubrik Spezial-Archiv)


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