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Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen unternehmen einen Versuch, um das ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (Ceta) im Deutschen Bundestag zu stoppen. Das Parlament berät am Donnerstag, 22. September 2016, über drei Anträge der Linken und zwei Anträge der Grünen mit dem Ziel, Ceta im Rat der Europäischen Union abzulehnen. Auch CDU/CSU und SPD haben einen Antrag zu Ceta eingebracht. Die auf eine gut einstündige Dauer veranschlagte Debatte soll um 11.30 Uhr beginnen. Im Anschluss wird über die Anträge abgestimmt, über einen Antrag der Linken (18/9665), den Antrag der Koalition (18/9663) und einen Antrag der Grünen (18/9621) jeweils namentlich.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Union und SPD fordern die Bundesregierung auf (18/9663), den Bundestag zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit Ceta umfassend und frühzeitig zu informieren und darauf hinzuwirken, dass zwischen der EU und Kanada gemeinsam getroffene Vereinbarungen zu Ceta im Zuge des weiteren Prozesses in rechtsverbindlichen Erklärungen festgehalten werden.
Darüber hinaus müsse durchgesetzt werden, dass in Abstimmung zwischen EU-Ministerrat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament Ausnahmen von der vorläufigen Anwendung vereinbart werden, wo dies aufgrund von Zuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten rechtlich geboten ist sowie in jedem Fall im Bereich des Investitionsschutzes. Die ausgenommenen Bereiche könnten zur Sicherung deutscher und europäischer Interessen über die in früheren Abkommen ausgenommenen Teile hinausgehen.
Nach dem Willen der Grünen soll Ceta nicht nur abgelehnt, sondern es soll auch nicht vorläufig angewendet werden. Der Antrag (18/9621) bezieht sich damit auf die Vorschläge der EU-Kommission, Ceta zu beschließen (Ratsdokument 10968/16) und vorläufig anzuwenden (Ratsdokument 18/10969/15). Zur Abstimmung steht noch ein weiterer Antrag der Grünen (18/6201), in dem die Fraktion fordert, Ceta in der aktuellen Fassung nicht zuzustimmen.
Während die Abgeordneten der Linksfraktion in einem Antrag (18/9665), das Gemeinwohl vor Konzerninteressen zu stellen und Ceta zu stoppen, verlangen sie von der Bundesregierung in einem zweiten Antrag (18/8391), dass sie im Rat der EU die vorläufige Anwendung von Ceta ablehnt. In einem dritten Antrag (18/9030) dringen sie schließlich darauf, die Regierung solle dafür Sorge tragen, dass das Freihandelsabkommen als gemischtes Abkommen neben dem Bundestag auch dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt wird. Begründet wird dies damit, dass Ceta Kompetenzen der EU-Mitgliedsländer berühre und in die Kompetenzen und Angelegenheiten der Bundesländer eingreife.
Zur Begründung heißt es, die geplanten Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada und auch TTIP mit den USA seien extrem umstritten und würden in der Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt. Im Zentrum der Debatte stehe die Sorge, dass hinter dem Rücken der Bürger Entscheidungen getroffen würden, „die gravierend in deren Leben eingreifen, zuvor aber niemals mit ihnen besprochen wurden“, wird kritisiert.
Mit der vorläufigen Anwendung würden die Teile des Abkommens bereits vor Ratifizierung der Mitgliedstaaten in Kraft treten, die in die alleinige EU-Zuständigkeit fallen würden. Dabei sei unklar und umstritten, welche Bereiche des Abkommens überhaupt in den Verantwortungsbereich der Mitgliedstaaten fallen und deswegen nicht vorläufig in Kraft gesetzt werden könnten. Mit der vorläufigen Anwendung würden Fakten geschaffen, „die durch nachgelagerte eventuelle parlamentarische Entscheidungen in den Mitgliedstaaten kaum rückholbar sind. Faktisch präjudiziert eine vorläufige Anwendung den Ausschluss der Parlamente der Mitgliedstaaten von der Entscheidungsfindung“.
Die Grünen begründen ihren Vorstoß unter anderem mit der Regelung zu den Schiedsgerichten, mit der „ein System unnötiger und gefährlicher Klageprivilegien für Investoren“ fortgeschrieben werde. Die Investitionsschutzbestimmungen seien einseitig auf den Schutz von Investoren ausgerichtet. Außerdem weisen die Abgeordneten auf eine Einschränkung der Gestaltungsspielräume der Länder und Gemeinden im Bereich der Daseinsvorsorge hin.
Im Ceta-Vertrag sei es versäumt worden, sensible Bereiche wie die kommunale Daseinsvorsorge, öffentliche und private Dienstleistungen sowie öffentliche Infrastruktur durch klare und umfassende Ausnahmen zu schützen. Als Folge könnten kanadische Investoren Entscheidungen der Kommunen, Länder und des Bundes im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge wie der Wasserversorgung, Abfall, Verkehr oder Krankenhäuser vor Sondergerichten angreifen.
Zudem werde durch Ceta das Vorsorgeprinzip geschwächt, argumentieren die Abgeordneten. Das Vorsorgeprinzip ermögliche vorsorgliches politisches Handeln insbesondere dann, wenn es deutliche Anhaltspunkte gebe, dass ein Produkt schädlich sei, selbst wenn noch nicht alle Risiken nachgewiesen seien. Ceta orientiere sich stattdessen in weiten Teilen am risikobasierten Ansatz.
„Er lässt zu, dass Menschen und Umwelt Schaden nehmen, weil erst eingegriffen wird, wenn der letzte Nachweis über die Schädlichkeit erbracht ist“, wird von der Fraktion argumentiert. Dadurch und durch die eingeräumten Klagemöglichkeiten für Investoren könnten Anbauverbote für gentechnisch veränderte Pflanzen gekippt werden könnten. Zusammenfassend bezeichnen die Abgeordneten Ceta als „gefährliches Abkommen“. (hle/21.09.2016)