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Debatte um Selektoren erschwert BND die Arbeit

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss- 30.09.2016

Berlin: (hib/WID) Im Bundesnachrichtendienst (BND) ist die politische Diskussion um die Grenzen des Zulässigen in der Fernmeldeüberwachung als schmerzliche Einschränkung der eigenen Tätigkeit empfunden worden. Dies machte am Donnerstag ein Sachgebietsleiter der Abteilung Technische Aufklärung (TA) vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) deutlich. "Im Moment ist es schwieriger, Selektoren einzustellen, weil sie mehrere Prüfschritte durchlaufen", sagte der Zeuge B.R. Der heute 55-jährige Oberstleutnant war nach 18 Jahren bei der Bundeswehr 1998 zum BND gewechselt, wo er seit 2008 in seiner derzeitigen Funktion tätig ist. In den vergangenen Jahren zählte der Schutz deutscher Soldaten in Afghanistan vor Terroranschlägen zu seinen Hauptaufgaben.

Als im Herbst 2013 beim BND die Entscheidung fiel, alle Suchmerkmale zu deaktivieren, die zur Ausspähung von EU- und Nato-Partnern geeignet waren, habe er die Auswirkungen in seinem Zuständigkeitsbereich unmittelbar gespürt, berichtete der Zeuge. Etliche Selektoren, mit denen er bislang gearbeitet habe, seien plötzlich nicht mehr verfügbar gewesen. Er habe negative Folgen für die Informationsgewinnung befürchtet: "Mal schauen, was jetzt weniger kommt", sei sein erster Gedanke gewesen. Er habe sich dann mit seinen Mitarbeitern zusammengesetzt, um zu überlegen: "Wie kann man das auffangen?" Allerdings sei er bald zu dem Schluss gekommen, dass das "im Grunde nicht" möglich sei.

Überraschend habe ihn die Entscheidung dennoch nicht getroffen, betonte der Zeuge, denn er sei damals bereits seit einem halben Jahr an Überlegungen beteiligt gewesen, die bisherige Praxis der Fernmeldeaufklärung und des Einsatzes von Selektoren auf eine neue, rechtlich sichere Grundlage zu stellen: "Ich wusste, wo die Fahrt hinging." Der Anstoß dazu war "im zweiten Quartal 2013" von seinem damaligen Unterabteilungsleiter D.B. ausgegangen, der ihn und drei weitere Mitarbeiter beauftragt habe, Ideen für einen entsprechenden Weisungsentwurf zu entwickeln. Das Ziel sei gewesen, dem einzelnen Sachbearbeiter, der jeweils vor der Entscheidung stand, ob ein bestimmtes Suchmerkmal aus rechtlichen oder politischen Gründen womöglich fragwürdig war, "in einfacher Form" eine Anleitung an die Hand zu geben, aus der hervorgehen sollte, "was er darf und was nicht".

Der Zeuge machte deutlich, dass die bis dahin geübte Praxis aus seiner Sicht keineswegs rechtlich unzulässig gewesen sei. Der Kurswechsel beim BND im Herbst 2013 sei auf eine "politische Änderung" zurückzuführen gewesen. Diese habe sich aus den damaligen Äußerungen der Kanzlerin zum vertrauensvollen Umgang unter Partnerstaaten ergeben. Bei ihrer Sommerpressekonferenz am 19. Juli 2013 hatte Angela Merkel zum Thema Fernmeldeüberwachung erklärt, "dass man das unter Freunden nicht macht. Das geht nicht." Am 23. Oktober 2013 sprach sie die seither geflügelten Worte: "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht."

Er habe diese Äußerungen als Bestätigung der in seiner Abteilung bereits seit dem Frühjahr 2013 angestellten Überlegungen empfunden, sagte der Zeuge. "Wir haben geguckt, ob unsere Fahrt in die richtige Richtung geht. Sie ging in die richtige Richtung." Bereits im August 2013 habe er deswegen etwa 700 fragwürdige BND-Selektoren abgeschaltet. Der gesamte übrige als politisch unerwünscht identifizierte Bestand, insgesamt 15.000 BND-eigene Selektoren zu 3.300 Zielen, sei Anfang November automatisch deaktiviert und in einer gegen fremde Zugriffe abgeschirmten "Gruppenliste" untergebracht worden.