Bildwortmarke des Deutschen Bundestages

Streit über Neuregelung der Leiharbeit


Wann ist „equal pay“, also gleicher Lohn für gleiche Arbeit erreicht? Darüber haben am Donnerstag, 22. September 2016, Koalition und Opposition im Deutschen Bundestag heftig gestritten. Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuregelung von Leiharbeit und Werksverträgen (18/9232) betonten Union und SPD, künftig würden Leiharbeiter besser geschützt. Grüne und Linke warfen ihnen hingegen „Etikettenschwindel“ vor.

Ministerin: Leiharbeit wird auf Kernfunktion zurückgeführt

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) unterstrich in ihrer Rede, mit ihrem Entwurf würde die Leiharbeit wieder auf ihre „Kernfunktionen“ zurückgeführt; nämlich das Abfedern von Auftragsspitzen durch eine zeitlich befristete Anstellung von Leiharbeitnehmern. Weil „mancherorts“ in den vergangenen Jahren „in Vergessenheit“ geraten sei, dass die Leiharbeit kein Instrument sein solle, um Stammbelegschaften zu ersetzen, sei die Neuregelung nötig.

Nahles nannte als wichtigste Klarstellungen, dass Leiharbeiter künftig nach neun Monaten den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte erhalten sollen und die Höchstverleihdauer bei 18 Monaten liegen soll. Dass dabei zahlreiche Ausnahmen möglich sind, begründete die Arbeitsministerin damit, dass man so die Sozialpartner stärke, die das „Herz der sozialen Marktwirtschaft“ seien. Sie bekämen so den nötigen „Spielraum“.

CDU/CSU: Flexibilität nötig

Für die CDU/CSU-Fraktion betonte Karl Schiewerling (CDU/CSU), im Bereich der Leiharbeit habe man es mit regional höchst unterschiedlichen Situationen zu tun: Einerseits gebe es hoch qualifizierte Leiharbeiter etwa im Bereich der Medizin, die in diesen Arbeitsverhältnissen mehr Geld verdienen würden und keines besonderen Schutzes bedürften. Andererseits sei Leiharbeit für viele Menschen ohne Berufsabschluss oder Arbeitslose eine Chance, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

Für die Leiharbeit sei einerseits eine große Flexibilität, andererseits der Schutz von Arbeitnehmern wichtig. Weil es im Bereich der Leiharbeit „Verwerfungen“ gegeben habe, habe die Union schon 2010 angefangen, in diesem Bereich zu regulieren. Es sei, so Schiewerling, nun auch Aufgabe der Branche selbst, Zeichen zu setzen und für ein positives Image zu sorgen. Schiewerling betonte zudem, dass durch den Gesetzentwurf künftig Werkverträge und Leiharbeit besser getrennt seien und ein missbräuchlicher „Spurwechsel“ zwischen beiden Beschäftigungsformen nicht mehr möglich sei.

SPD: Missbrauch wird verhindert

Dies lobte auch der SPD-Abgeordnete Markus Peschke. Man habe hier für schärfere Sanktionen gesorgt.

Gleichzeitig würden mit dem Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen, im Bereich des größten Missbrauchs „die Tore zugemacht“.

Linke: Leiharbeit ist demütigend

Heftige Kritik erntete der Gesetzentwurf dagegen von der Opposition. Dr. Sahra Wagenknecht (Die Linke) argumentierte für die Linke komplett gegen das Instrument der Leiharbeit: Sie sei „demütigend“, schaffe Arbeitnehmer zweiter Klasse und befördere eine beständige „Lebensunsicherheit“. Aus guten Gründen sei die Arbeitnehmerüberlassung lange Zeit nur unter besonders restriktiven Regelungen möglich gewesen, bis die rot-grüne Koalition 2002 den „Renditejägern“ den „roten Teppich ausgerollt“ habe.

In einem Antrag (18/9664) fordert Die Linke deshalb, gegen die Etablierung von Leiharbeit und Werksverträgen vorzugehen. Was Nahles vorgelegt habe, so Wagenknecht, sei „eine Verhöhnung der Betroffenen“: Jeder wisse, dass die meisten Leiharbeiter weniger als neun Monate bei einem Verleiher beschäftigt seien und so nie in den Genuss des versprochenen gleichen Lohns für gleiche Arbeit kämen.

Grüne: Koalition soll zurück auf Anfang

Das kritisieren auch die Grünen: Das Versprechen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erhalten, werde so nicht erfüllt. Für die Grünen-Fraktion sagte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/die Grünen), die angestrebte Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten sorge für neue „Drehtüreffekte“, weil Betroffene in die Arbeitslosigkeit zurückgeschickt würden, während die Unternehmen stets neue Kräfte anheuern könnten. So werde der „Missbrauch gesetzlich legitimiert“.

In einem eigenen Gesetzentwurf (18/7370) forderte ihre Fraktion Gleichbezahlung von Leiharbeitnehmern vom ersten Tag an und zusätzlich einen Flexibilitätsbonus. Das würde dafür sorgen, dass sich Leiharbeit nur noch ein eingeschränkten Fällen betriebswirtschaftlich lohne. Müller-Gemmeke forderte die Koalition auf, „zurück auf Start“ zu gehen. (suk/22.09.2016)