Bildwortmarke des Deutschen Bundestages

Bundestag: Angriff auf Konvoi ist ein Verbrechen


Die Bundestagsfraktionen haben den Angriff auf einen Hilfskonvoi der Vereinten Nationen nahe der syrischen Stadt Aleppo, bei dem Anfang der Woche 21 Zivilisten getötet und mindestens 18 Lastwagen mit Essen und Medikamenten zerstört wurden, einhellig als Kriegsverbrechen verurteilt und eine internationale und unabhängige Aufklärung des Vorfalls gefordert. In einer Aktuellen Stunde, die auf Verlangen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD anberaumt wurde, sprachen zahlreiche Redner am Donnerstag, 22. September 2016, von einem „neuen Tiefpunkt“ in dem nunmehr seit fünfeinhalb Jahren andauernden Krieg.

Flugverbotszone unter den Fraktionen strittig

Uneinig waren sich die Abgeordneten in der Frage, ob die von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorgeschlagene vorübergehende Flugverbotszone zur Beruhigung der Lage in Syrien beitragen kann. Während Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Vorstoß unterstützten, lehnte die Linksfraktion ihn mit der Begründung ab, eine solche Zone würde den Krieg nur weiter befeuern. Wer so etwas fordere, müsse auch bereit sein, Flugzeuge, die sich nicht daran halten, abzuschießen, warnte Sevim Dağdelen (Die Linke).

Außerdem würde die Zone auch „freie Fahrt für die Pick-ups des sogenannten Islamischen Staates bedeuten“. Wie ihre Fraktionskollegin Heike Hänsel warnte sie darüber hinaus vor dem Risiko eines realen Aufeinandertreffens von russischen und US-amerikanischen Flugzeugen im syrischen Luftraum.

Grüne fordern Luftbrücke zur Versorgung 

Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) forderte die Bundesregierung auf, die Einrichtung einer Flugverbotszone nicht mehr länger nur vorzuschlagen und zu prüfen, sondern tatsächlich etwas für ihre Einrichtung zu tun. Die Vereinten Nationen appellierten schon seit Monaten an die Mitgliedstaaten, darzulegen, welchen Beitrag sie dazu leisten können. Dies sollte auch die Bundesregierung tun.

Seine Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (18/9687), der ohne Debatte direkt an die Ausschüsse überwiesen wurde, auf, sich mit Nachdruck für die Durchsetzung von Luftbrücken zur Versorgung notleidender Menschen in Syrien einzusetzen.

Ministerium: Ein sicheres Umfeld ist nötig

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), wies jedoch mit Verweis auf die „hochaufgerüstete Luftabwehr“ der syrischen Armee darauf hin, dass solche Luftbrücken ein sicheres Umfeld benötigten. Seiner Ansicht nach ist eine zeitliche begrenzte Flugverbotszone daher eher eine Möglichkeit, aus dem Teufelskreis der Gewalt herauszukommen.

Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) räumte ein, dass die Einrichtung einer Luftbrücke nicht einfach sei. Aber in der akuten Situation gehe es weniger um die Frage, was besser sei, als darum sicherzustellen, dass eine Viertelmillion Menschen nicht verhungern müsse, erklärte sie. Sie kritisierte zudem, dass die Bundesregierung im Jahr 2017 nur 750 Millionen Euro für humanitäre Hilfe ausgeben wolle. Dabei habe Deutschland in diesem Jahr bereits 1,1 Milliarden Euro dafür aufgewendet. „Warum planen wir nicht realistisch?“, fragte Brantner auch mit Blick auf den hohen Finanzbedarf der Vereinten Nationen und des Welternährungsprogramms.

Koalition: Verantwortung liegt bei Putin und Assad

Zahlreiche Redner in der Debatte appellierten an den russischen Präsidenten, seine Verantwortung für den Fortgang dieses Konflikts wahrzunehmen. Wladimir Putin unterstütze den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit militärischen Mitteln und habe großen Einfluss auf das Regime, betonte Jürgen Hardt (CDU/CSU). Jedoch müsse er erkennen, dass dieser Konflikt militärisch nicht zu gewinnen sei. Seine Fraktionskollegin Sabine Weiss warf Putin und Assad eine auf „Machtinteressen ausgerichtete Politik“ vor. Die Menschen in Syrien „nutzen beide nur als Schachfiguren, um an der Macht zu bleiben“.

Nach Ansicht von Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) sprechen viele Indizien dafür, dass Russland oder das Assad-Regime den Hilfskonvoi angegriffen hätten. Darauf deuteten zahlreiche Augenzeugenberichte hin, zudem verfügten beide als einzige Akteure in Syrien über eine Luftwaffe. Ähnlich argumentierte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen (SPD).

Linke: Koalition ist voreingenommen

Heike Hänsel (Die Linke) warf beiden daraufhin vor, trotz verlässlicher Beweise die Anschuldigungen der USA zu übernehmen. Eine solche Voreingenommenheit sei „inakzeptabel und unverantwortlich“. Damit wären sie „nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“.

Zuvor hatte auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Dr. Norbert Röttgen (CDU), Russland für den Angriff mitverantwortlich gemacht. (joh/22.09.2016)