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Fraktionen: Gefahr durch Antibiotikaresistenzen


Antibiotikaresistenzen stellen eine Gefahr für die gesamte Menschheit dar. In dieser Einschätzung waren sich Agrar- und Gesundheitspolitiker aller Fraktionen sowie die für diese Bereiche zuständigen Bundesminister Christian Schmidt (CSU) und Hermann Gröhe (CDU) am Freitag, 30. September 2016, in der Debatte zu Anträgen der Koalitionsfraktionen (18/9789) sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3152) einig.

Antibiotikaeinsatz im Tierbereich halbiert

Sowohl im Bereich der Tiermedizin als auch in der Humanmedizin müssten Anstrengungen zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes unternommen werden, forderten sämtliche Redner. Während die Regierungsvertreter und die Koalitionsabgeordneten auf schon erreichte Verbesserungen hinwiesen, kritisierten die Oppositionsfraktionen das Festhalten an der Intensivtierhaltung und die Hygienesituation in deutschen Krankenhäusern.

In der Zeit zwischen 2011 und 2016 habe sich der Antibiotikaeinsatz im Tierbereich halbiert, sagte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Als Folge der seit vergangenem Jahr laufenden Minimierungsstrategie mit Meldepflichten seien 35 Prozent der Antibiotikaeinsätze „als überflüssig zu betrachten“. Die Landwirte, so der Minister, seien sich der besonderen Verantwortung für Tiere und Menschen bewusst. Tiere würden im Krankheitsfall mit Antibiotika behandelt. „Sie werden nicht damit vollgestopft, damit sie schneller wachsen“, betonte Schmidt.

Linke: Intensivtierhaltung ist auf Antibiotika angewiesen 

Viele Forderungen aus dem Koalitionsantrag seien richtig, sagte Karin Binder (Die Linke). Gleichwohl weigerten sich Union und SPD die wirklichen Ursachen für den massiven Antibiotikaeinsatz zu bekämpfen. „Die krankmachende Intensivtierhaltung ist unser Problem. Da müssen wir ran“, forderte Binder.

Je größer die Ställe und je dichter der Tierbestand ist, desto größer sei die Gefahr, dass die Tiere erkranken und sich anstecken. „Der massive Einsatz von Antibiotika ist damit vorprogrammiert, weil vorsorglich der ganze Bestand medikamentiert wird“, so die Linke-Abgeordnete. Es müsse also Bestandsobergrenzen geben ebenso wie eine verringerte Bestandsdichte, forderte sie. 

SPD: Zeit der Schuldzuweisungen ist vorbei

Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) blickt zurück auf die Zeit, als er selbst seine berufliche Laufbahn als Tierarzt begann. Damals, so Priesmeier, sei die Einstellung von Landwirten und Tierärzten zu Antibiotika noch wesentlich anders ausgeprägt gewesen. Damals habe man Antibiotika noch als Produktionsmittel gesehen. „Das hat zur Entwicklung von Resistenzen geführt, wie wir sie heute beobachten“, sagte der SPD-Abgeordnete.

Inzwischen habe ein Umdenken eingesetzt. Antibiotika würden nicht mehr so sorglos verschrieben. Auch sei die Zeit der Schuldzuweisungen zwischen Tier- und Humanbereich vorbei. Die von Minister Schmidt erwähnte Halbierung des Antibiotikaeinsatzes zeigt laut Priesmeier: „Wir sind auf einem guten Weg.“ Beunruhigend sei aber der Anstieg der Reserveantibiotika. Diese seien in der Veterinärpraxis nicht ohne weiteres verzichtbar, müssten aber entsprechenden Regelungen und Beschränkungen unterworfen werden. 

Grüne: Maßnahmen der Koalition reichen nicht

Antibiotikaresistenzen seien weltweit zu einer ernsten Bedrohung geworden, sagte Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen). „Wir laufen Gefahr, in die Zeit vor der Erfindung des Penicillin zurückzufallen“, warnte sie. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen wieder an leichten Infektionen sterben können.“ Die in den Koalitionsantrag enthaltenen Handlungsaufforderungen seien nicht ausreichend, um zu einer tatsächlichen Reduzierung zu gelangen.

Es fehlten beispielsweise die Reduktionsziele, kritisierte sie. Es sei doch das Mindeste, „das man sagt, wohin man kommen möchte, wenn man gemeinsame Anstrengungen unternimmt“. Benötigt werde eine verbesserte Aufklärung, forderte die Grünen-Abgeordnete. In Frankreich sei es gelungen, mit einer Massenkampagne, den Einsatz der Antibiotika um ein Drittel zu reduzieren. „Warum steht das nicht in dem Antrag“, fragte Schulz-Asche. 

Minister Gröhe setzt auf Aufklärung

Aufklärung sei wichtig, bestätigte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. „Ich lade alle dazu ein, die guten Materialien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu nutzen“, sagte er. So müssten Eltern beispielsweise darüber informiert werden, dass es falsch ist, ohne eine entsprechende Diagnostik vorschnell auf den Einsatz von Antibiotika zu dringen und diesen nach vermeintlicher Verbesserung abzubrechen.

Öffentliche Aufklärung und Weiterbildungsangebote an die Ärzte gehörten ebenso zu den Maßnahmen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen „wie die Fülle der Maßnahmen, die wir im Bereich der Krankenhaushygiene ergreifen“. Deutschland, so der Bundesgesundheitsminister, sei Schrittmacher im internationalen Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Man habe das Thema nicht nur auf die Tagesordnung der G7-Konferenz der führenden Industriestaaten gesetzt, sondern handle „konsequent im nationalen wie auch internationalen Rahmen“. 

CDU/CSU: Antibiotikaresistenzen sind tickende Zeitbomben

Gitta Connemann (CDU/CSU) nannte Antibiotikaresistenzen „tickende Zeitbomben“. Deutschland habe darauf reagiert: 2008 sei die erste nationale Strategie gegen Antibiotikaresistenzen vorgelegt worden, die Kanzlerin habe das Thema auf die Agenda der G7 gebracht, „denn Bakterienresistenzen kennen keine Grenzen“. Auch nicht zwischen Mensch und Tier, wie die Unionsabgeordnete hinzufügte.

Gegenseitige Schuldzuweisungen würden niemandem helfen, sagte Conneman und kritisierte den Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, der mit dem Finger auf die Landwirtschaft und die Tierärzte zeige, obwohl der Antibiotikaeinsatz stark reduziert worden sei. Damit stelle er den Berufsstand der Landwirte und der Tierärzte an den Pranger und verunsichere die Bevölkerung.

Connemann betonte, benötigt werde künftig mehr Prävention und „Hygiene, Hygiene, Hygiene im Stall und im Krankenhaus“. Das werde zu Kosten führen. „Das sind aber Investitionen, die Leben retten“, sagte sie. (hau/30.09.2016)