Der Bevölkerung
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Allerdings akzeptiere ich ausdrücklich nicht die Erwartung, dass die Kunst sich der Politik grundsätzlich in kritischer Auseinandersetzung, die Politik sich der Kunst dagegen vorzugsweise mit andächtiger Bewunderung zu nähern habe.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU - Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)
Zensur findet nicht statt. Aber ein ästhetisches Urteil muss erlaubt sein, zumal bei einem Projekt, das auch unter den so genannten Sachverständigen allein unter ästhetischen Gesichtspunkten mindestens so viel Widerspruch wie Zustimmung gefunden hat. Die Einwände, das Plenum des Bundestages dürfe nicht über Kunst in seinem Gebäude entscheiden, lassen ein prinzipielles Misstrauen gegenüber der Politik im Umgang mit Kunst erkennen.
(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist eine Frechheit! Ich hänge mir doch zu Hause auch kein Bild hin, das ich nicht mag!)

Der Deutsche Bundestag verdient ein solches Misstrauen nicht. Ich kenne kein anderes Parlament in der Welt, das sein Gebäude statt mit einer Gemäldegalerie großer Köpfe und geschichtlicher Ereignisse demonstrativ mit zeitgenössischen Kunstwerken ausstattet. Der Deutsche Bundestag hat sich nicht für eine möglichst unauffällige, unanstößige, dekorative künstlerische Gestaltung entschieden, sondern die von ihm selbst angesprochenen Künstler aus Deutschland wie dem Ausland ausdrücklich zu einer Auseinandersetzung mit dem Parlamentsgebäude und seiner Geschichte aufgefordert. Künstler wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Günther Uecker, Christian Boltanski, Bernhard Heisig, Jenny Holzer und nicht zuletzt Norman Foster haben diese Herausforderung in einer Weise angenommen, die keineswegs unumstritten ist, aber jeden Streit lohnt.

In den letzten Jahren hat der Deutsche Bundestag zudem zwei denkwürdige Entscheidungen getroffen, die seiner Souveränität auch im Umgang mit ästhetischen Fragestellungen ein beachtliches Zeugnis ausstellen: Es sind die weltweit bejubelte Verhüllung des Reichstages durch Christo, die nach jahrzehntelangen vergeblichen Anläufen schließlich vom Plenum des Deutschen Bundestages möglich gemacht worden ist,
(Beifall der Abg. Hanna Wolf (München) [SPD] und Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
und die Entscheidung für die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas, das über seine politische Bedeutung hinaus auch eine höchst anspruchsvolle ästhetische Form durch das Stelenfeld von Peter Eisenman finden soll, die ganz gewiss nicht am viel beschimpften Publikumsgeschmack orientiert ist.

Ich persönlich habe übrigens für beide umstrittenen Entscheidungen sehr engagiert gefochten;
(Wolfgang Thierse [SPD]: Sie persönlich ja!)
und ich nehme mir nun ganz selbstverständlich das Recht, meine Auffassung in dieser Angelegenheit ebenso engagiert zu vertreten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

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