Der Bevölkerung
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Dr. Heinrich Fink (PDS): Liebe Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Peter Behrens von der Berliner jüdischen Eisengießerei die Giebelinschrift für den deutschen Reichstag gestaltete, verstand der deutsche Kaiser dieses sein deutsches Volk durchaus noch als seine Untertanen, die dann in demokratischen Gremien aktiv im Parlament streiten durften. Vaterlandsliebe und Treue zum Kaiser galten vielen als unaufgebbare Werte.

Die beiden Kunstschmiede, die sich damals, als sie die Lettern "Dem Deutschen Volke" in Metall setzten, noch als Deutsche zählen und fühlen durften, wurden ab 1935 durch den Arierparagraphen zu Undeutschen degradiert. Im Namen des nunmehr rassisch reinigenden deutschen Volkes ist der eine der Eisengießer in Plötzensee hingerichtet und der andere der Eisengießer in Theresienstadt ermordet worden.

1935 hat Bertolt Brecht in seinem im Exil verfassten Aufsatz über die fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit geschrieben Wer in unserer Zeit statt Volk Bevölkerung sagt, unterstützt schon viele Lügen nicht. Diese Aussage - so Hans Haacke - habe ihn wesentlich inspiriert.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS und der SPD)
Der hier eingebrachte Antrag, die Entscheidung des Kunstbeirates beim Bundestagspräsidenten, der beauftragt ist, mithilfe von Sachverständigen über die Kunst im Reichstag zu befinden, rückgängig zu machen, gilt meinem Eindruck nach nicht der künstlerischen Konzeption von Hans Haacke, sondern den beiden Worten "Der Bevölkerung". Sie sind das eigentliche Ziel des Protestes. Das bestätigen mir auch die vielen Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, übrigens - das ist für mich auch interessant - bis jetzt nur aus den alten Bundesländern, die ihrer Empörung oft sogar mit Begriffen aus brauner Vergangenheit Luft gemacht haben.

"Der Bevölkerung" ist keine Umwidmung dieses geschichtsträchtigen Hauses, sondern bringt für das deutsche Volk 82 Jahre Ringen um demokratische Veränderungen künstlerisch gestaltet ins Wort
(Beifall bei Abgeordneten der PDS, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und bringt damit Politiker, Gäste und Besucher hoffentlich dauerhaft in die Diskussion. Deshalb finde ich dieses Kunstwerk notwendig und deshalb gefällt es mir.
(Beifall bei der PDS und der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

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