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15. Wahlperiode
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   75. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 13. November 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Die Fraktion der CDU/CSU teilt mit, dass aus dem Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl als stellvertretendes Mitglied ausscheidet und an seine Stelle der Kollege Stephan Mayer (Altötting) treten soll. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Stephan Mayer in das Kuratorium der Stiftung entsandt.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in einer Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zu Plänen, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen

(siehe 74. Sitzung)

2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 23)

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des MAD-Gesetzes (1. MADGÄndG)

- Drucksache 15/1959 -

Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften

- Drucksache 15/1975 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss

3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 24)

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten

- Drucksache 15/1653 -

(Erste Beratung 66. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
(7. Ausschuss)

- Drucksache 15/2009 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Ortwin Runde
Klaus-Peter Flosbach
Hubert Ulrich
Carl-Ludwig Thiele

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (21. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), Renate Blank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Umsetzung des Bundestagsbeschlusses zur Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses

- Drucksachen 15/1094, 15/2002 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Eckhardt Barthel (Berlin)
Günter Nooke
Dr. Antje Vollmer
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Die aktuelle Russlandpolitik der Bundesregierung

5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), Renate Blank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP: Staatsvertrag für die Hauptstadtkultur

- Drucksache 15/1973 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

6 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes

- Drucksachen 15/1861, 15/1965 -

(Erste Beratung 72. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wirksamen Bekämpfung organisierter Schleuserkriminalität (Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes)

- Drucksache 15/1560 -

(Erste Beratung 66. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss)

- Drucksache 15/2005 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Günter Baumann
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bundesgrenzschutz für die EU-Osterweiterung tauglich machen

- Drucksachen 15/1328, 15/2005 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Günter Baumann
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler

   Von der Frist für den Beginn der Beratung soll - soweit erforderlich - abgewichen werden.

   Außerdem ist vereinbart, die Tagesordnungspunkte 19 - EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie - und 24 b - Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See - abzusetzen. Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d auf:

a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)

- Drucksache 15/1974 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Energiespeicherforschung vorantreiben - Höchsttechnologien für die Speichertechnik entwickeln

- Drucksache 15/1605 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Birgit Homburger, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Perspektiven für eine marktwirtschaftliche Förderung erneuerbarer Energien

- Drucksache 15/1813 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss)

- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament
Nukleare Sicherheit im Rahmen der Europäischen Union
KOM (2002) 605 endg.; Ratsdok. 15875/02

- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vorschlag für eine Richtlinie (EURATOM) des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen
Vorschlag für eine Richtlinie (EURATOM) des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle
KOM (2003) 32 endg.; Ratsdok. 8990/03

- Drucksachen 15/503 Nr. 1.3, 15/1153 Nr. 2.20, 15/1781 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Kubatschka
Dr. Rolf Bietmann
Michaele Hustedt
Birgit Homburger

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich erteile dem Kollegen Horst Kubatschka, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Horst Kubatschka (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zuerst mit den Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission zur Sicherheit kerntechnischer Anlagen und zur Entsorgung abgebrannter Brennelemente auseinander setzen. Sie sind für uns ein Trojanisches Pferd, mit dem sich Brüssel zusätzliche Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik aneignen will. Die Weichen zugunsten der Atomenergie sollen neu gestellt werden. Unter dem Etikett der Verbesserung der Sicherheit sollen erhebliche Kompetenzen nach Brüssel verlagert werden. Sie sollen den Einzelstaaten entzogen werden.

   Aber: Ein Oberkontrolleur aus Brüssel ist nicht notwendig. Die Pro-Atom-Haltung der zuständigen Generaldirektion Energie und Verkehr der EU-Kommission wird von uns nicht geteilt. Sie ist mit unserer Politik der Beendigung der Atomkraftnutzung und der Modernisierung unserer Energieversorgung nicht deckungsgleich.

(Beifall bei der SPD)

Die Zeichen der Nachhaltigkeit werden nicht erkannt.

   Wir werden die Rückgängigmachung des Atomausstiegs durch die Brüsseler Hintertür nicht mitmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielmehr ist es unsere Aufgabe, auf einen europäischen Konsens beim Ausstieg aus der Kernenergie hinzuwirken. In der heutigen Europäischen Union ist nur eine Minderheit für die weitere Nutzung der Kernenergie. Die Mehrheit der heutigen EU-Staaten ist in die Nutzung der Atomenergie nicht eingestiegen bzw. plant den Ausstieg. Daraus müsste die EU eigentlich die notwendigen Konsequenzen ziehen.

   Hinzu kommt, dass die Vorschläge der Kommission kaum materielle sicherheitstechnische Verbesserungen bringen. Vielmehr ist zu befürchten, dass der Status quo festgeschrieben werden soll. Damit ist eine dynamische Weiterentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik nicht mehr ausreichend berücksichtigt.

Die Vorgaben der Kommission zur Entsorgung radioaktiver Abfälle sind angesichts der weiterhin bestehenden Kontroverse über geeignete Endlagerstätten unrealistisch. Schlimmer: Sie sind geeignet, falsche Erwartungen zu wecken. Es besteht auch die Gefahr, dass es zu unzureichenden Lösungen kommt. Wir wollen nicht die Option zur Errichtung europäischer Endlager. Sie hebelt den Grundsatz der Betreiberverantwortung aus. Unsere Position war bisher - das galt eigentlich parteiübergreifend -: Die Entsorgung radioaktiver Abfälle muss in nationaler Zuständigkeit erfolgen. Wir stehen nach wie vor zu dem Primat der nationalen Entsorgungsverantwortung. Einen europäischen Atommülltourismus wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die SPD-Fraktion will ebenfalls den Vorrang der nicht nuklearen Energieforschung in der Gemeinschaft erreichen. Die nukleare Energieforschung soll auf die Fragen des Gesundheitsschutzes, der Sicherheit sowie der Zwischen- und der Endlagerung begrenzt werden. Die mittel- und osteuropäischen Länder sollen weiterhin bei der Verbesserung der Sicherheit der bestehenden Anlagen unterstützt werden. Dies gilt auch für die Entsorgung.

   Die SPD-Fraktion bzw. die rot-grüne Koalition lehnt die Richtlinienvorschläge der EU-Kommission in der zurzeit vorliegenden Fassung ab. Wir sehen keine Notwendigkeit für eine Ausweitung der atompolitischen Kompetenzen der EU-Kommission.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Morgen wird ein erstes sichtbares Zeichen des Atomkonsenses gesetzt: Das Atomkraftwerk Stade geht vom Netz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Per Knopfdruck wird der mittelfristige Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland eingeleitet. Das Atomkraftwerk Stade wird abgeschaltet, weil die rot-grüne Koalition am 12. Dezember 2001 das Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität - in Kurzform: Atomkonsens - beschlossen hat. Nach ausführlichen und nicht einfachen Verhandlungen mit der Atomwirtschaft wurde dieser Konsens erreicht. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir uns einen anderen und vor allem einen schnelleren Ausstieg gewünscht haben. Der Atomkonsens war sozusagen keine Liebesheirat. Er war ein Kompromiss zwischen den Beteiligten. Wir stehen aber zu diesem Konsens. Auf unsere Politik und auf die mit uns geschlossenen Vereinbarungen ist Verlass. Ich appelliere mit allem Nachdruck an alle Beteiligten, sich auch ihrerseits an den Atomkonsens zu halten, und zwar auch im Geiste.

(Beifall bei der SPD)

   Eon nennt wirtschaftliche Gründe für die Abschaltung des Kernkraftwerkes Stade. Das zeigt wieder einmal, wie wenig Verlass auf die Aussagen der EVUs ist und wie sie ihre Argumentation nach der jeweiligen Interessenlage ausrichten. Als vor vier Jahren die ersten Gespräche begannen, wurden erhebliche Schadensersatzforderungen der Betreiber für den Fall angedroht, dass Rot-Grün die Atomkraftwerke per Gesetz und ohne Zustimmung der EVUs abschalten werde. Genannt wurde eine wirtschaftliche Lebensdauer von 60 Jahren, die den Schadenersatzberechnungen zugrunde gelegt wurde. Jetzt wird das Atomkraftwerk Stade nach 31 Betriebsjahren abgeschaltet. Nach Angaben der Betreiber geschieht das, weil es sich nicht mehr rechnet. Ist das glaubwürdig?

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

   Natürlich hat die Stilllegung der Kernkraftwerke Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, auf die Arbeitnehmer. Beim allmählichen Ausstieg aus der Kernenergie hat die Arbeitsplatzfrage für uns Sozialdemokraten immer eine wichtige Rolle gespielt. Als Berichterstatter für Kernenergie der SPD-Fraktion habe ich selbstverständlich Gespräche mit meiner Fraktionskollegin Dr. Margrit Wetzel geführt und sie hat mir versichert: Die Lichter gehen nicht aus! Der Konsens zum Kernenergieausstieg hat vielmehr das Ende der Kernkraftwerke berechenbar gemacht. Das gilt für alle Kernkraftwerke.

Es gibt auch keine Auswirkungen auf die energieintensive Industrie der betroffenen Region. Für die Mitarbeiter in den Kernkraftwerken ist die Zukunft durch den Konsens planbar. Außerdem bleibt das Kernkraftwerk Stade noch viele Jahre als Arbeitgeber erhalten. Der Rückbau beschäftigt die Hälfte der Mitarbeiter für die nächsten zehn Jahre. Wer wollte, konnte an andere Standorte innerhalb des Konzerns versetzt werden. Laut Aussage der Eon-Sprecherin Petra Uhlmann wird sich für die 300 Beschäftigten voraussichtlich fast nichts ändern. Sie sagte wörtlich:

Die Mitarbeiter werden am Samstag ganz normal zur Schicht gehen.

   Wir erleben eigentlich eine merkwürdige Situation: Das AKW Stade wird abgeschaltet; gleichzeitig führen einige Stromkonzerne eine halb öffentliche Diskussion über eine Verlängerung der Laufzeiten der Reaktoren. Ich frage mich: Passt das zusammen? Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Döring fordert als treu sorgender Vertreter der Interessen der heimatlichen EnBW eine Verlängerung der Laufzeit auf 50 Jahre, damit das AKW Obrigheim nicht 2005, sondern erst 2018 vom Netz geht, und droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

   Der Eon-Vorstandsvorsitzende setzt noch einen drauf und verlangt gleich eine Verlängerung auf 60 Jahre, womit die Meiler seines Unternehmens noch länger laufen dürften, als sie schon in Betrieb sind. Auch der RWE-Vorstand Maichel lässt in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Atomforums keine Gelegenheit ungenutzt, den Atomausstieg als Unsinn zu bezeichnen.

(Heidi Wright (SPD): Unglaublich!)

   Wenn sich diejenigen Stromkonzerne, die den Atomkonsens mit ausgehandelt und unterzeichnet haben, direkt oder indirekt aus der Vertragstreue stehlen und den Konsens zur Disposition stellen, dann halte ich das für unverantwortlich und für eine nicht hinnehmbare Provokation.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das geht gegen den Geist des Konsenses.

   Es gibt auch Spekulationen über eine deutsche Beteiligung an Atomkraftwerken in Frankreich. Diese Spekulationen wurden von den Stromkonzernen zwar zurückgewiesen; ich möchte trotzdem klar sagen: Eine Beteiligung der deutschen EVUs an den Kernkraftwerken in Frankreich würden wir als ein Bekenntnis zum Wiedereinstieg in die Kernenergie auslegen. Dies würde sicherlich ein erneutes Nachdenken über den Konsens erforderlich machen.

   Dietmar Kuhnt, einer der vier Unterzeichner des Atomkonsenses seitens der EVUs, hat vor kurzem eine zum Teil beachtenswerte Rede gehalten, als er von der Kerntechnischen Gesellschaft zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Er hat in der Höhle des Löwen ausgeführt, dass die Nutzung der Kernenergie mit erheblichen Problemen verbunden sei, die man nüchtern und selbstkritisch analysieren sollte. Die Nutzung der Kernenergie sei nicht mehrheitsfähig. Es mangele an gesellschaftlichem Vertrauen in den sicheren Betrieb von Kernkraftwerken. - Diese kritischen Töne sollten sich die EVUs zu Eigen machen.

   Blicken wir nicht zurück, blicken wir voraus! Im Energiebereich liegen immense Aufgaben vor uns. Das EEG ist nur ein Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Umbau der Energiesysteme in Deutschland. Unsere heutige Energieversorgung muss kritisch hinterfragt werden. Zentrale Großeinheiten, bei denen bis zu zwei Drittel der eingesetzten Energie als Abwärme anfallen und damit verschwendet werden, sind nicht zukunftsfähig.

   Es sei auch ganz deutlich gesagt: Große Offshore-Windkraftwerke allein sind kein Ersatz für die Atomenergie. Sie sind ein wichtiger Bestandteil eines vielfältigen und vernetzten Systems innovativer und überwiegend dezentraler Energietechnik. Ein anderer Baustein ist die Nutzung der Erdwärme in der Grundlast.

   Ich will hier die verschiedenen Bausteine nicht weiter aufführen, weil mir dafür die Zeit fehlt; der Herr Präsident ermahnt mich. Die Zukunft liegt auf jeden Fall in einem innovativen, vernetzten, dezentralen System, das wir für unsere Kinder und Kindeskinder vorbereiten müssen.

   Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Peter Paziorek, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im August dieses Jahres hat der Umweltminister seinen Referentenentwurf zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorgelegt. Seitdem konnten wir einen langen Streit zwischen Umwelt- und Wirtschaftsminister mitverfolgen, einen Streit, der die Branche der erneuerbaren Energien stark verunsichert, Investitionen behindert und Arbeitsplätze gefährdet hat, einen Streit, der aber auch die Konzeptionslosigkeit dieser Bundesregierung in der Klimaschutz- und Energiepolitik deutlich gemacht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Nach wie vor fehlt es der rot-grünen Bundesregierung an einem in sich schlüssigen Energieprogramm für die nächsten 30 Jahre.

(Peter Dreßen (SPD): Das hätten Sie gern!)

Dies stellt sich gerade jetzt als ein großes Versagen der Regierung heraus.

(Peter Dreßen (SPD): Ach Gott! Glauben Sie den Unsinn, den Sie da erzählen?)

Wenn wir über die zukünftige finanzielle Förderung der erneuerbaren Energien diskutieren, dann kann dies sinnvollerweise nur auf der Grundlage eines breiten energiepolitischen und Klimaschutzkonzepts erfolgen. Wir können den Stellenwert und die Größenordnung der erneuerbaren Energien nicht losgelöst von einer solchen Grundsatzentscheidung betrachten. Wir fordern von Ihnen seit Jahren die Vorlage eines solchen energiewirtschaftlichen Konzepts. Sie leisten dies nicht. Der ehemalige Wirtschaftsminister Müller hat noch vor kurzem hier in Berlin erklärt, dass bisher, also auch zu seiner Zeit als Minister, alle Versuche gescheitert sind, in der rot-grünen Koalition einen solchen energiepolitischen Rahmen zu verabschieden.

   Eine Klimaschutz- und Energiepolitik, die heute etwas zum Atomausstieg, morgen etwas zu den erneuerbaren Energien und irgendwann auch zu der Erneuerung des konventionellen Kraftwerkparks beschließt, ohne letztlich zu prüfen, wie das eigentlich zusammenpasst, wird scheitern. Die Folgen Ihrer Streitigkeiten, die Folgen Ihrer Konzeptionslosigkeit treten heute offen zutage.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger (FDP) - Lachen des Abg. Peter Dreßen (SPD))

Sie haben die Branche der erneuerbaren Energien zutiefst verunsichert.

(Peter Dreßen (SPD): Es ist unglaublich, was er da erzählt!)

Das von Ihnen verursachte Durcheinander hat zu einer Gefährdung der Existenz bestimmter Branchen wie Photovoltaik, Biomasse und Biogas geführt. In diesen Bereichen sind die Märkte fast vollständig zusammengebrochen und Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet.

(Ulrich Kelber [SPD]: So ein Quatsch!)

Das haben Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, ganz allein zu verantworten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Es ist auch nicht akzeptabel, wie bei den absehbar unterschiedlichen Positionen der beiden Minister für Umwelt und Wirtschaft in dieser Koalition der Abstimmungsprozess stattgefunden hat. Sie hätten dafür sorgen müssen, dass Sie rechtzeitig zu vernünftigen Entscheidungen kommen. So wie Sie in die Beratungen zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hineingestolpert sind, darf man in der Umweltpolitik nicht agieren. Das spüren immer mehr Menschen in Deutschland, die sich für Umweltpolitik einsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Inzwischen wird das von Ihnen wohl auch so gesehen. Anders ist der heute hier vorliegende Entwurf eines Vorschaltgesetzes zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gar nicht zu verstehen. Sie unternehmen damit jetzt den Versuch, die Versäumnisse und Fehler Ihrer Politik aus den letzten Wochen und Monaten zumindest bei der Photovoltaik zu heilen.

   Wir sehen, wozu die Handlungsunfähigkeit in den letzten Wochen geführt hat. In einem Hauruckverfahren soll das Vorschaltgesetz zur Photovoltaik jetzt durch das Parlament gepeitscht werden, um so ein In-Kraft-Treten zum 1. Januar 2004 zu ermöglichen und um so der betroffenen Wirtschaft noch rechtzeitig ein positives Signal zu geben.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch gut so!)

Richtig wäre es gewesen, die hier heute zu diskutierende Frage einer Förderung der Photovoltaik umfassend im Rahmen der jetzt anstehenden EEG-Novelle zu erörtern.

   Es stellt sich auch die Frage, warum nur die Regelung zur Photovoltaik vorgezogen wird. Sprechen Sie einmal mit den interessierten Verbänden! Die Situation bei der Photovoltaik ist nicht einzigartig. Die gleiche katastrophale Lage ist bei Biogas gegeben. Der gesamte Auftragsbestand ist zusammengebrochen. Im Bereich der Biomasse gibt es Zurückhaltung, weil Ihre Grundsatzentscheidungen zu spät gekommen sind.

(Peter Dreßen (SPD): Sie wollten das doch gar nicht!)

   Darüber hinaus hat der Minister die Chuzpe gehabt - das muss man einmal deutlich sagen -, sich vor dem Brandenburger Tor hinzustellen und zu erklären: „Wir haben uns hervorragend geeinigt“, in seiner Rede aber nicht zu sagen, wie die Einigung für Biomasse und Biogas aussieht. Für diese Bereiche soll unter der rot-grünen Regierung der Förderzeitraum von 20 auf 15 Jahre reduziert werden. Die Eckpunkte, die Sie vereinbart haben, führen zu dem Ergebnis, dass Biomasse und Biogas in Deutschland keine Chance haben. Da kann man nur sagen: Sie fahren die Politik für die erneuerbaren Energien vor die Wand.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Leider wahr!)

   Wie lange wissen Sie denn schon von dem Auslaufen des 100 000-Dächer-Programms für Photovoltaik?

(Peter Dreßen (SPD): Wer hat denn die Anteile gesteigert, Sie oder wir?)

Die Tatsache war schon seit Juni dieses Jahres bekannt. Aber Sie haben das Problem nicht angepackt und es versäumt, rechtzeitig entsprechende Nachfolgeregelungen auf den Weg zu bringen. Sie haben einfach die Dinge schleifen lassen und greifen nun zum Notnagel Vorschaltgesetz, weigern sich aber, uns zu erläutern, ob nicht eventuell auch ein anderes Förderprogramm in der Nachfolge des 100 000-Dächer-Programms möglich gewesen wäre.

(Zuruf von der SPD: Wer sind Sie denn?)

Sie haben die Angelegenheit vor die Wand gefahren und rufen nun das Parlament um Hilfe an. Sie sind inzwischen zu Vertretern einer völlig konzeptionslosen Umweltpolitik geworden. Peinlich, peinlich, kann man da nur sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Es ist ja nicht das erste Mal - das sage ich, weil Sie laufend dazwischenrufen -, dass Sie so verfahren. Ich erinnere nur an das überstürzte Vorgehen bei der Härtefallregelung im vergangenen Jahr. Jetzt wollen Sie bei der Photovoltaik das Gleiche wiederholen. Was Sie, meine Damen und Herren, bei den erneuerbaren Energien betreiben, ist reine Flickschusterei.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   In diesem Zusammenhang möchte ich für die Union grundsätzlich feststellen: Das beschleunigte Verfahren mithilfe eines Vorschaltgesetzes werden wir aufgrund der besonderen Situation der Photovoltaikbranche in diesem Fall akzeptieren.

(Volker Kauder (CDU/CSU): So sind wir eben!)

Die Photovoltaikbranche darf nicht zum Opfer Ihrer falschen und verfehlten Politik werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der großen Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz wird es aber ein Durchpeitschen mit uns nicht geben.

   In dem Zusammenhang ist auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen: Es war ja schon interessant, wie die Arbeitsteilung zwischen dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium in den letzten Wochen und Monaten verlaufen ist.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Nur kein Neid!)

Während der Umweltminister bei Umweltverbänden und Vertretern der erneuerbaren Energien eine bessere Förderung versprochen hat, sagte der Wirtschaftsminister bei den Wirtschaftsverbänden genau das Gegenteil. So berichtet die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 31. Oktober 2003 von einer Vortragsveranstaltung der Handelskammer Deutschland-Schweiz, an der auch Wirtschaftsminister Clement teilgenommen hat. Da wird wie folgt über den Minister geschrieben - ich darf zitieren, Herr Präsident -:

Andererseits geißelte der Superminister der rot-grünen Regierung jedoch die ständig neuen Auflagen im Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz, denen die Industrie genügen muss …

Das, Herr Müntefering, wäre ein berechtigter Anlass für einen Zwischenruf; aber ich sehe ja an Ihrem Gesicht, dass Sie völlig konsterniert und entgeistert schauen.

(Lachen bei der SPD)

Das ist genau das Problem Ihrer Politik: Sie reden so, wie es Ihrer Klientel gerade passt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Deshalb kann ich Ihnen für meine Fraktion ausdrücklich sagen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich zum Verdopplungsziel der Europäischen Union bei den erneuerbaren Energien. Wir bekennen uns damit auch zu dem Teilziel, das Deutschland innerhalb der Europäischen Union bis zum Jahre 2010 erreichen soll, nämlich den Anteil der erneuerbaren Energien auf 12,5 Prozent beim Stromverbrauch zu erhöhen. Genauso deutlich sage ich aber auch: Jetzt schon bei den erneuerbaren Energien verbindliche Ziele zu formulieren, die über das Jahr 2010 hinausgehen, halten wir für falsch.

(Ulrich Kelber (SPD): Aha!)

Wir sollten uns erst einmal darauf konzentrieren, die bestehenden Ziele zu erreichen.

   Nachdem Sie, Herr Kelber, ja gerade so laut „Aha!“ gerufen haben, erlaube ich mir zu entgegnen: Ich habe das bewusst vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Klimaschutzdebatte der letzten Tage und Wochen gesagt. Wir haben da einschlägige Erfahrungen mit Ihnen gesammelt. Von Ihnen werden nämlich laufend neue Ziele formuliert, während Sie sich gleichzeitig von den alten Zielvorgaben klammheimlich verabschieden.

(Ulrich Kelber (SPD): Ja, ja!)

Seit 1998 - übrigens auch in mehreren Koalitionsvereinbarungen - wurde von Rot-Grün das Ziel der Regierung Kohl, den CO2-Ausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu verringern, mehrfach bekräftigt. Jetzt aber, wo absehbar ist, dass Sie dieses Ziel mit Ihrer Politik nicht erreichen können, wird von Ihnen so getan, als ob Sie damit nichts zu tun hätten.

(Peter Dreßen (SPD): Das, was Sie erzählen, wird durch Wiederholung auch nicht wahrer!)

Deshalb ist Ihre Klimaschutzpolitik so unredlich: Sie formulieren Ziele bis 2050,

(Peter Dreßen (SPD): Sie sind nur neidisch!)

sind aber noch nicht einmal in der Lage, selbst gesteckte Ziele bis 2005 zu erreichen. Das muss man Ihnen vorhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Für uns stehen bei einer Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die folgenden vier Ziele im Vordergrund: erstens die Förderung einer nachhaltigen Klimaschutzpolitik, zweitens die Schaffung effizienter Anreize, die zu einer weiteren Verbesserung der einzelnen Technologien und zu einer Senkung der Produktionskosten führen, drittens die Begrenzung der Kostenbelastung durch die EEG-bedingte Förderung für die Stromverbraucher, insbesondere aber auch für stromintensive Unternehmen, und viertens die Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit und damit auch von Exportfähigkeit der erneuerbaren Energien.

   Die Förderung der erneuerbaren Energien dient dazu, möglichst schnell deren Marktreife zu erreichen - ein Grundsatz übrigens, der für alle Förderinstrumente gilt. Daraus folgt natürlich auch, dass die Förderung zeitlich begrenzt sein muss und dass sie vom Gesamtrahmen her nicht aus dem Ruder laufen darf.

   Aber noch haben die erneuerbaren Energien die Marktreife nicht erreicht, auch wenn in den letzten Jahren erhebliche technische Fortschritte und Effizienzsteigerungen erreicht werden konnten.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Dieser Prozess muss beschleunigt werden.

   Deshalb sage ich für meine Fraktion sehr deutlich: Wer jetzt die Förderung der erneuerbaren Energien so beschneiden will, dass sie in ihrer Existenz gefährdet werden, wird bei der Union keine Unterstützung finden.

(Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das finde ich gut! - Horst Kubatschka (SPD): Sie appellieren an sich selber!)

Denn eines muss man in diesem Zusammenhang hervorheben: Wir fördern hier eine junge Industrie, deren Geschäftsfelder sich international gesehen erst entwickeln. Wir gehen davon aus, dass auf diesem Gebiet zukünftig große Chancen im Export liegen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir möchten nicht, dass, wenn in einigen Jahren neue Geschäftsfelder erschlossen werden - wie im Offshorebereich, im Repowering, also bei der Leistungssteigerung der Windkraft, oder bei Biomassekraftwerken, die mit nachwachsenden Rohstoffen arbeiten -, diese dann von ausländischen Anbietern besetzt werden und wir - wie schon in anderen Bereichen - das Nachsehen haben.

   Wir müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze bei uns geschaffen werden, dass deutsche Unternehmen auf den Weltmärkten bestehen können, dass die Technologie bei uns entwickelt wird.

   Aber dafür muss ein klarer Zeithorizont vereinbart werden. Eine Dauerförderung lehnen wir ab. Verbindliche Zielvorstellungen, die über 2010 hinausgehen, sind ohne ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das festlegt, wo wir insgesamt hinwollen, ein völlig falsches Signal.

   Wir, die Unionsfraktion, wollen die Unsicherheit in der Photovoltaikbranche beseitigen und für die Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit und damit Investitionssicherheit schaffen. Der heute hier vorgelegte Gesetzentwurf findet nur deshalb unsere Unterstützung, weil wir uns unserer Verantwortung für die Photovoltaikbranche und die vielen Tausend Arbeitsplätze bewusst sind. Entscheidend für unser Abstimmungsverhalten in der nächsten Sitzungswoche wird aber sein, ob die angedachten Fördersätze in dieser Höhe eine Überförderung bedeuten oder nicht. Eine Überförderung, wie es sie zum Teil bei der Windkraft gab, darf nicht erneut bei der Photovoltaik auftreten.

   So stellt sich zum Beispiel die Frage, warum in Ihrem Gesetzentwurf der Degressionssprung von heute 45,7 auf 43,4 Cent pro Kilowattstunde im Jahre 2004 nicht mehr auftaucht. Sie planen damit eine Erhöhung gegenüber der im EEG vorgesehenen Regelung. Auch müssen die Zuschläge in ihrer Wirkung überprüft werden: Ein Zubauen von Freiflächen in großem Umfang durch Photovoltaikanlagen wäre unter den Gesichtspunkten des Landschafts- und Naturschutzes kontraproduktiv. Die entscheidende Frage wird für uns bei der Prüfung somit sein: Wie werden sich die Zuschläge auswirken?

   Meine Damen und Herren, wir wollen bei diesem Vorschaltgesetz zu einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Lösung kommen, die der Photovoltaikbranche neue Chancen und Perspektiven eröffnet. Wir wollen dazu beitragen, dass Ihre Fehlentscheidungen in diesem Bereich korrigiert werden. Wenn dies gewährleistet ist, können wir zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Dieser Tag wird von zwei großen Ereignissen eingerahmt: Morgen geht das AKW Stade vom Netz. Damit beginnt ganz konkret der Atomausstieg, für den besonders wir Grüne lange gekämpft haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Gestern wurde in Neustadt-Glewe das erste Erdwärmekraftwerk eingeweiht. Wenn auch das eine das andere nicht konkret ersetzt, so sind diese beiden Ereignisse doch Ausdruck der rot-grünen Energiepolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ein Eckpunkt der zukünftigen Energieversorgung steht, nämlich das gemeinsame Ziel der Minister für Wirtschaft und für Umwelt sowie der beiden Fraktionen, dass wir bis zum Jahr 2020 20 Prozent der Stromversorgung durch erneuerbare Energien bereitstellen wollen.

   Ich freue mich, dass die CDU/CSU das mittelfristige Ziel, bis 2010 einen Anteil von 12 Prozent zu erreichen, unterstützt. Damit ist klar, dass all diejenigen, die in der Sommerpause und auch jetzt Fundamentalopposition hinsichtlich der erneuerbaren Energien betrieben haben, keine Chance haben, ihre Position durchzusetzen. Es gibt im Parlament und in der Gesellschaft eine breite Mehrheit, die für die Förderung der erneuerbaren Energien ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das stimmt!)

Die erneuerbaren Energien kommen aus der Ökonische heraus; denn sie werden ein substanzieller Bestandteil der zukünftigen Energieversorgung sein.

   Es gibt die verlogene Debatte, Windkraft sei keine wertvolle Energie. Vor dem Hintergrund, dass in Dänemark die Windenergie einen Anteil von 22 Prozent hat und es dort keine Probleme damit gibt, und vor dem Hintergrund, dass wir einen schwankenden Verbrauch haben und die Energieversorger auch mit einer schwankenden Energieproduktion umgehen könnten - sie müssen nur wollen und einen entsprechenden Kraftwerkspark schaffen; Pumpspeicherwerke, die durch den Ausstieg aus der Atomenergie frei werden, könnten genutzt werden -, muss ich sagen, dass der Ausbau der Windenergie absolut machbar und finanzierbar ist.

(Birgit Homburger (FDP): Machbar ja, finanzierbar nein!)

Deswegen sage ich: Diese Diskussion ist reine Propaganda.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Das EEG ist ein reines Innovationsgesetz. Wir haben in der letzten Zeit eine Kostenreduktion von 60 Prozent erreicht. Herr Paziorek, Sie blasen die Backen so dick auf für einen Erfolg der erneuerbaren Energien. Ich freue mich darüber. Trotzdem muss ich sagen: Zum einen haben Sie beim ersten Mal gegen das EEG gestimmt;

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Immer!)

wir haben es gegen Ihren Widerstand durchsetzen müssen. Zum anderen werden wir sehen, ob Ihre Backen immer noch aufgeblasen sind, wenn es zur Abstimmung über das Gesetz kommt. Ich hoffe, dass Sie es diesmal unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir jedenfalls wollen die breite Entwicklung der erneuerbaren Energien. Wir wollen eine Perspektive für Offshore-Windparks, aber auch für den weiteren Ausbau im Binnenland. Wir wollen eine dynamische Entwicklung im Bereich der Biomasse. Wenn die Vergütungssätze nicht ausreichen, werden wir in diesem Punkt nachbessern. Wir wollen eine dynamische Entwicklung bei der Nutzung der Erdwärme und die Modernisierung der Großen Wasserkraft. Wir sagen auch klar, dass sich das Land Baden-Württemberg positiv zum EEG verhalten muss. Denn es ist ein Widerspruch, auf der einen Seite die Ausgaben, die mit dem EEG verbunden sind, erhöhen zu wollen und auf der anderen Seite gegen das EEG zu sein. Das geht nicht!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Birgit Homburger (FDP): Nur wegen einem Punkt?)

Wir wollen auch eine dynamische Entwicklung bei der Kleinen Wasserkraft.

   Bei der Photovoltaik haben wir uns zu einem Vorschaltgesetz entschlossen. Wir wollen nämlich, dass die nächste Photovoltaiksaison schon genutzt werden kann. Die Menschen entscheiden sich im Frühjahr, wenn die Sonne wieder länger scheint, dass sie sich eine Anlage aufs Dach setzen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Dass sie so eine blöde Regierung haben, denken sie sich im Frühjahr!)

Diese Branche braucht Rechtssicherheit. Deswegen bitte ich Sie, dass Sie das zügige Verfahren mittragen und dass wir zum Wohle der Photovoltaikindustrie mit dieser Beratung schnell vorankommen.

   Ein Wort zur FDP. Erstens. Sie sagen zwar immer, Sie seien für die erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite sagen Sie aber, dass Sie einen Wechsel wollen. Dieser Wechsel der Instrumentarien würde eine große Verunsicherung der Branche bewirken. Denn allein schon die Diskussion, die Herr Paziorek angeführt hat, verunsichert die Branche. Ein Wechsel des Modells hätte dramatische Folgen. So weit zu diesem Punkt.

   Zweitens. Ihr Modell wird in Großbritannien praktiziert; es führt aber zu keinem weiteren Ausbau der Windkraft.

(Birgit Homburger (FDP): Das stimmt nicht!)

Gleichzeitig sind die Vergütungssätze wesentlich höher als in Deutschland.

   Drittens. Sie sagen, Sie wollen Wettbewerb zwischen den Trägern der erneuerbaren Energien. Dann sagen Sie aber auch ganz ehrlich, dass Sie nur den Ausbau der Windkraft, aber keine Nutzung der Photovoltaik, der Biomasse und der Erdwärme wollen.

(Birgit Homburger (FDP): Völliger Quatsch!)

Denn in Konkurrenz zur Windkraft haben die anderen erneuerbaren Energien keine Chance - noch keine Chance.

(Birgit Homburger (FDP): Stimmt doch gar nicht!)

Seien Sie also ehrlich!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die Vision von einem Anteil in Höhe von 20 Prozent, perspektivisch von 50 Prozent - die Grünen sprechen von 100 Prozent - ist eine machbare und eine notwendige Vision; denn wir brauchen den Klimaschutz jetzt und in der Zukunft. Wir müssen die Abhängigkeit vom Öl reduzieren; wir dürfen nicht mehr am Tropf von fossilen Energieträgern aus Krisenregionen hängen.

   Wir sind auf einem guten Weg. Solange wir Grünen an der Regierung beteiligt sind, solange es eine rot-grüne Regierung gibt, werden wir diesen Weg unbeirrbar weiter beschreiten.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Angelika Brunkhorst (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das von den Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Zweite Gesetz zur Änderung des EEG zeigt vor allem eines: Das neue Hätschelkind der erneuerbaren Energien soll die Solarenergie sein. Zur Kompensation des 100 000-Dächer-Programms wird mal eben schnell ein Vorschaltgesetz eingebracht. Das ist Klientelpolitik.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulrich Kelber (SPD): Da kennt sich die FDP ja aus! - Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Genau! Für den Mittelstand!)

Entgegen jeder Vernunft und Logik soll damit die unwirtschaftlichste aller Regenerativenergien als erste bedient werden. Laut Aussagen des BSi, des Bundesverbandes Solarindustrie, wird Solarstrom erst am Ende des Jahrhunderts mit herkömmlichem Strom konkurrieren können. Das ist Schneckentempo.

(Beifall bei der FDP - Ulrich Kelber (SPD): Quelle benennen! Wann und wo?)

- Das hat der BSi auf einem Kongress vor acht Tagen selbst gesagt.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): „Economist“!)

   Die Bedeutsamkeit des Anteils der Solarenergie an den erneuerbaren Energien insgesamt lässt sich auch an folgenden Zahlen ermessen: So wird durch Wasserkraft ein Anteil von 53,9 Prozent erzeugt, Windkraft erbringt einen Anteil von 37,9 Prozent, Biomasse immerhin 8 Prozent und weit abgeschlagen folgt die Solarenergie mit 0,2 Prozent. Da frage ich mich an dieser Stelle: Welchen nennenswerten Anteil kann die Solarenergie hier in Deutschland überhaupt zur Erreichung des Klimaziels erbringen?

(Beifall bei der FDP - Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles hat mal klein angefangen!)

   Mit dem heute hier eingebrachten Vorschaltgesetz soll die Basisvergütung noch einmal angehoben werden. Es gibt eine Reihe von Aufschlägen zu den verschiedenen Installationsvarianten. Insgesamt ist es eine komfortable Verbesserung der Vergütungssätze. Auch Flächeninstallationen will man besonders forcieren. Eines ist merkwürdig: An anderer Stelle erteilt der Umweltausschuss dem TAB den Auftrag, zu untersuchen, wie man die Flächeninanspruchnahme zurückfahren könnte.

(Beifall bei der FDP)

   Meine Überzeugung ist: Die Solartechnologie sollte man vorwiegend in den Ländern installieren, die als sonnenreich bekannt sind,

(Marco Bülow (SPD): Baden-Württemberg, Bayern, Saarland! - Peter Dreßen (SPD): Das ist doch Schwachsinn, was Sie erzählen!)

vor allem auch in den Entwicklungsländern, in denen ein sehr großer Energiebedarf bislang nicht ausreichend gedeckt werden kann.

(Beifall bei der FDP - Peter Dreßen (SPD): Das ist die größte Dummheit, die Sie erzählen!)

   Ich möchte auch noch einmal auf folgende Kostenkonstellation hinweisen: Die Vermeidung einer Tonne CO2 mit Solarenergie kostet in Deutschland 500 Euro, in den Entwicklungsländern dagegen nur 5 Euro, ein Hundertstel. Das sollte man doch bitte einmal auf sich wirken lassen.

(Beifall bei der FDP - Ulrich Kelber (SPD): Ist das wirklich eine Fraktionsmeinung?)

- Ja.

   Wir reden heute zu meiner großen Enttäuschung im Zusammenhang mit diesem Vorschaltgesetz nur über Photovoltaik. Ich sehe hier wieder einmal eine vertane Chance von Rot-Grün, Energie- und Klimapolitik miteinander zu verknüpfen und die Kioto-Instrumente wie CDM zu nutzen. Wir fordern, bei klimarelevanten Investitionsprojekten im Rahmen der technischen Entwicklungspolitik insbesondere auch den internationalen Zertifikatehandel zu forcieren.

   Ich komme zu unserem eigenen Antrag, der Perspektiven für eine marktwirtschaftliche Förderung der erneuerbaren Energien aufzeigt. In unserem Modell wollen wir das Klimaziel mit einem Mengenziel und durch Ausschreibungsverfahren erreichen. Die erneuerbaren Energien sind schnellstmöglich durch marktwirtschaftliche Förderung zur Wettbewerbsfähigkeit zu führen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn die erneuerbaren Energien darüber hinaus zukunftsfähig werden sollen, müssen sie grundlastfähig werden. Dabei darf die Netzeinspeisung bei weitem nicht die alleinige Option bleiben. Eine auf Energiespeicherung aufbauende Nutzung der erneuerbaren Energien hätte den Effekt, dass das Vorhalten von Regelenergie zunehmend entfiele. Beides vermeidet Kosten. Hier ist insbesondere an die Wasserstofftechnologie und die Brennstoffzelle gedacht.

   Nicht zuletzt geht es auch um eine Einbindung des Verkehrssektors in ein klimapolitisches Gesamtkonzept.

   In unserem Antrag zur Energiespeicherforschung, der heute mit beraten wird, fordern wir, hochleistungsfähige Energiespeicher zu entwickeln. Wir wollen hinausgehend über die derzeit praktizierte anwendungsorientierte Forschung, bei der es um die Marktfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit von bereits bekannten Energiespeichersystemen - dies ist die so genannte Ressortforschung - geht, die Grundlagenforschung verstärken. In unserem Energiespeicherantrag wollen wir aber auch mit Blick auf eine zukunftsfähige Gesamtenergieversorgung die Bereiche Kernfusionsforschung und kerntechnische Sicherheitsforschung nicht vernachlässigt sehen.

(Beifall bei der FDP)

Nur so kann sich Deutschland als Standort für die Entwicklung und den Export energiewirtschaftlicher Hochtechnologie bedeutsam positionieren.

   Meine Damen und Herren, angesichts dieser Handlungsmöglichkeiten und Herausforderungen ist der von Umweltminister Trittin vorgelegte Novellierungsentwurf eine - ich muss dieses Wort noch einmal aufgreifen - ideenlose Flickschusterei. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, den erneuerbaren Energien endlich eine langfristig tragfähige Perspektive zu eröffnen. Liberale Vorschläge liegen auf dem Tisch.

   Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Michael Müller, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Michael Müller (Düsseldorf) (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst in der ökonomischen Debatte liegen Sie weit zurück.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Oje!)

Ich verweise auf einen Beitrag des „Economist“ in der vorletzten Woche. Darin wird deutlich herausgestellt, dass, wenn auf dem Energiesektor überhaupt eine Zukunftschance bestehen soll, dies nur die massive Förderung der Solarenergie und der erneuerbaren Energien sein kann. Bei Ihnen gibt es in diesem Zusammenhang einen zentralen Widerspruch. Sie sagen, Sie wollten diese Energien. Aber Sie wollen nichts dafür tun. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da gibt es Konflikte und diese Konflikte muss man austragen.

   Das Grundproblem im Energiebereich ist, dass es hier um lange Nutzungszyklen und hohe Kapazitäten geht. Deshalb müssen am Anfang die notwendigen Weichen durch den öffentlichen Sektor, auch durch den Staat, gestellt werden - natürlich mit dem Ziel, dass sich die erneuerbaren Energien bald selbst tragen. Ohne eine Weichenstellung des Staates werden sie sich nicht durchsetzen. Genau um diesen Punkt drücken Sie sich herum. Aber an diesem Punkt kommen Sie nicht vorbei, wenn Sie es mit den erneuerbaren Energien ernst meinen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es ist gut, dass das Parlament eine Energiedebatte führt. Denn wir stehen wie kaum zuvor in einem Jahrzehnt mit grundlegenden Weichenstellungen im Energiebereich. Auf der einen Seite läuft eine alte Energiephilosophie aus. Diese alte Energiephilosophie war ausschließlich darauf ausgerichtet, hohe Kapazitäten zu schaffen und möglichst niedrige Erzeugerpreise zu gewährleisten. Dabei wurde aber nie darüber nachgedacht, ob das wirklich effizient und zukunftsfähig ist. Auf der anderen Seite müssen wir in diesem Jahrzehnt darüber entscheiden, wie die Energiepolitik der Zukunft aussieht. Deshalb ist es gut, dass wir im Bundestag intensiv darüber debattieren.

   Ich stelle fest: Mit den beiden zentralen Weichenstellungen, die Rot-Grün bisher vorgenommen hat - der Abschied von der verschwenderischen Atomenergie, mit der in der Tat keine Zukunft zu machen ist, und der Einstieg in mehr Effizienz und in die Solarenergie -, liegen wir auf der richtigen Seite - das ist bei aller Kritik im Einzelnen der entscheidende Punkt -, Sie aber stehen auf der falschen Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Dabei muss man auch sehen, dass die Branche das völlig anders sieht, als Sie, Herr Paziorek, es behauptet haben. Sie haben gesagt, Rot-Grün habe die Solarenergie vor die Wand gefahren. Ich glaube, da werden Sie bei denjenigen, die damit tagtäglich umgehen, keine Unterstützung finden. Aber das ist Ihr Problem und nicht unser Problem.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Das glaube ich nicht! Die Äußerungen waren leider ganz anders!)

   Wir stehen vor einer grundlegenden Weichenstellung. Die Notwendigkeit dieser Weichenstellung ist in den letzten Monaten überall deutlich geworden, beispielsweise bei den großen Stromausfällen in Schweden, Nordamerika und Italien. Da hat man gesehen, dass im Strombereich der Markt allein, besonders wenn er nur auf die kurzfristige Sicherung von hohen Kapazitätsauslastungen ausgerichtet ist, keine Sicherheit geben kann. Der bisherige Weg ist heute ökonomisch, ökologisch und gesellschaftspolitisch fraglich. Diesen Weg, den Weg der Großkapazitäten im alten Sinne, werden wir nicht gehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ein weiterer wesentlicher Punkt ist: Heute können wir durch die Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien dezentrale Energietechniken sehr viel besser miteinander verbinden. Wir brauchen nicht mehr die alte Philosophie, zu der immer größere Kraftwerke, immer größere Reserveleistungen und immer größere Entfernungen vom Kunden gehörten. Diese Chance müssen wir nutzen. Diese kleinteiligen Strukturen braucht die Energiepolitik der Zukunft. Auch da sind Sie auf der falschen Seite.

   Herr Teufel spekuliert nämlich darüber, ob es zu einem Neueinstieg in die Atomenergie kommt. Die Atomenergie wird nicht nur aus Sicherheitsgründen und wegen der Entsorgungsproblematik von uns abgelehnt, sondern auch weil sie einer modernen, effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung im Wege steht. Das ist der entscheidende Punkt. Wir öffnen den Weg in die Zukunft und Sie hängen an der Vergangenheit. Das ist in der Energiepolitik deutlicher als in anderen Bereichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Klimaschutz werden wir nicht mit den ineffizienten Großstrukturen der Vergangenheit erreichen, bei denen zwei Drittel der Energie als Abwärme verloren gehen. Das ist nicht der Weg; das kann er nicht sein. Zur Energiepolitik der Zukunft gehören vielmehr Effizienz in der Erzeugung, Einsparen und Solarenergie. Diese drei Säulen bestimmen den Weg von Rot-Grün. Das ist der Weg der Modernisierung unserer Gesellschaft und Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich komme auf den „Economist“ zurück. Wir müssen lernen, was die großen Abhängigkeiten von den fossilen Energieträgern bedeuten. Die Abhängigkeit vom Uran ist übrigens mindestens genauso groß. Das wird immer verschwiegen. Was ist denn in der Golfregion passiert? Was passiert im Bereich des Kaspischen Meeres? Was passiert in großen Teilen der Welt? 2 Milliarden Menschen haben keinen guten Zugang zur Energieversorgung. Wir lösen dieses Konfliktpotenzial nur mit dezentralen, kleinräumigen, effizienten Strukturen. Wir stoßen hier einen Teil einer friedlichen Weltinnenpolitik an.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir führen keinen Glaubenskrieg über große und kleine Kraftwerke. Die entscheidende Frage ist: Wie innovativ, wie erneuerungsfähig, wie modern ist das Energiesystem? Die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft ist unser Maßstab.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Auf jeden Fall moderner als ihr insgesamt!)

- Das ist Herr Kauder aus Baden-Württemberg, wo man zu 60 Prozent vom Atomstrom abhängt, aber vom vernünftigen Energiemix redet. Da fasst man sich doch an den Kopf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind so sehr von einem Energieträger abhängig und reden von Modernität!

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Ihr redet von Kioto! - Volker Kauder (CDU/CSU): Sie reden von Kioto!)

Hier kommen die Sünden der Vergangenheit heraus, wo Sie einseitig auf Atomkraft gesetzt haben, die erkennbar nicht zukunftsfähig ist.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Diese Sünden holen Sie ein. Das ist doch heute Ihr Problem.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Nennen Sie uns die Zahlen zur Biomasse!)

- Wir haben auch bei der Biomasse mehr angestoßen als Sie in Ihren 16 Jahren Regierungszeit. So ist doch die Wirklichkeit. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Welche Fördersätze gab es denn zu Ihrer Zeit? - Die gab es doch gar nicht.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Gucken Sie sich doch einmal Bayern und Baden-Württemberg an! Hervorragende Zahlen!)

   Meine Damen und Herren, den Anstoß zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien hat diese Bundesregierung gegeben. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Da können Sie noch so toben. So ist es eben. Das sollten Sie zugestehen. Es ist auch eine Frage der Psychologie: Erst muss man aussprechen, was wahr ist; dann hat man eine Chance, etwas zu verändern. Sie sprechen aber nicht einmal aus, was wahr ist. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich noch einmal zum Thema kommen. Wichtig ist, dass wir einen Weg der ökologischen Modernisierung gehen. Das ist ein Innovationsmotor für eine bessere Zukunft. Energiepolitik ist ein zentraler Punkt für ein modernes Europa und eine moderne Gesellschaft. Wir wollen, dass sie eines der Markenzeichen der Modernisierungs- und Reformpolitik der Bundesregierung bleibt. Es geht eben nicht nur um den Umbau der Sozialsysteme, sondern auch um bessere Technologien und Innovationen. Es geht darum, die Idee der Nachhaltigkeit in allen Bereichen zu verwirklichen. Das gilt auch und gerade für die Energiepolitik, weil das ein Schlüsselbereich für die Zukunft unserer Gesellschaft ist.

   Deshalb ist es gut, dass wir morgen mit dem Abschalten des Atomkraftwerks in Stade einen ersten wichtigen Schritt tun. Das ist ein unverzichtbares Zeichen dafür, dass wir einen anderen Weg gehen wollen. Das muss sich nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis niederschlagen. Wir glauben, dass auch die Betreiber der Atomenergie außer wenigen Hardlinern genau wissen, dass das der richtige Weg ist. Der Kollege Kubatschka hat hier zu Recht die Rede von Herrn Kuhn zitiert.

   Wenn wir diesen ersten Schritt gehen, müssen wir aber auch den zweiten Schritt gehen. Es geht nicht nur um Strom, sondern um die ökologische Modernisierung insgesamt: auch im Verkehrssektor oder im Wärmebereich. In der Vergangenheit hat man Energiepolitik einfach nur mit Strom gleichgesetzt und die Einweihung eines neuen Kraftwerks als große energiepolitische Tat gefeiert.

   Energiepolitik der Zukunft setzt aber vor allen Dingen auf die Vermeidung von unnötigen Energieeinsätzen. Das ist ein ganz anderer, aber sehr viel intelligenterer Ansatz, für den wir stehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf der Abg. Birgit Homburger (FDP))

- Wenn ich Sie immer höre, bedaure ich es wirklich, dass Herr Baum nicht mehr im Parlament ist. Mit dem konnte man über solche Fragen immer gut diskutieren. Das ist auch ein Zeichen dafür, dass sich sehr viel geändert hat.

(Peter Dreßen (SPD): Das ist so ein Dinosaurier! - Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist eine Arroganz!)

- Da war die FDP noch eine Partei der Umweltpolitik. Das war damals ein positiver Beitrag für unser Land.

   Wir wollen einen Kurswechsel erreichen. Die Förderung erneuerbarer Energien ist ein Fortschritt und ein Ansatz gegen die Einfallslosigkeit, die in der Vergangenheit geherrscht hat.

   Wir debattieren heute über zwei wichtige Punkte, und zwar zum einen über den nationalen Allokationsplan, den wir gleich verhandeln, und zum anderen über das EEG. Die Novelle des EEG, über die das Parlament noch ausführlich beraten wird, ist ein Zeichen für Kontinuität und Weiterentwicklung. Ich danke Ihnen übrigens dafür, dass Sie uns entgegen Ihrer bisherigen öffentlichen Aussagen dabei helfen, jetzt so kurzfristig über die Frage der Photovoltaik zu entscheiden. Das ist positiv. Das erkenne ich auch an.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Hinsichtlich der zwei gerade angesprochenen Punkte bitte ich darum, dass wir zu mehr Gemeinsamkeit finden. Zum Thema Klimaschutz herrschte in diesem Land einmal große Gemeinsamkeit und das ist diesem Land gut bekommen. Bei der großen Aufgabe, die Energiesysteme zu erneuern, sollten wir wieder zu mehr Gemeinsamkeit finden, unbeschadet dessen, dass wir in Einzelpunkten immer wieder kontroverse Auffassungen haben werden. Es wird unserem Land aber gut tun, wenn wir Vorreiter bei einer neuen, effizienten und solaren Energieversorgung sein werden.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion um erneuerbare Energien wird häufig ideologisch oder emotional oder gar mit einer Mischung aus beidem geführt, wie es ja hier heute Morgen wieder lebhaft vorgeführt wurde. Das ist aber falsch. Das Thema ist nüchtern und sachlich anzugehen. Und die Wahrheit ist immer konkret. Die erneuerbaren Energien haben ihre Berechtigung und sollen zukünftig eine verstärkte Rolle spielen. Der Kollege Paziorek hat vorhin ausgeführt, welche Position die Union dabei einnimmt. Aber die erneuerbaren Energien sind eben kein Allheilmittel.

   Bei aller Begeisterung über die erneuerbaren Energien ist deren Förderung vor allem an den finanziellen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu orientieren. Energiepolitik findet nicht im luftleeren Raum oder gar im Raumschiff „Enterprise" statt. Energiepolitik ist Standortpolitik. Dabei geht es um Arbeitsplätze, um Investitionen, um die Attraktivität des Standortes Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Energiepolitik und insbesondere die Energiepreise sind wichtige Wettbewerbsfaktoren für unsere Unternehmen; ebenso sind günstige Energiepreise für den privaten Konsum wichtig. Wir brauchen in Deutschland Energiepreise, die im europäischen Maßstab wettbewerbsfähig sind. Wir als Union wollen eine langfristig kostengünstige, international wettbewerbsfähige und umweltverträgliche Energieversorgung für Unternehmen und Verbraucher.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir eine Energiepolitik aus einem Guss. Isolierte Aktivitäten in einzelnen Sektoren helfen nicht weiter: hier der Ausstieg aus der Kernenergie mit der nach wie vor ungelösten Entsorgungsfrage, dort die Aktivitäten zur CO2-Reduktion und der Einstieg in den Emissionshandel, dann Planungs- und Investitionsunsicherheit hinsichtlich des Ersatzbedarfs bei Kraftwerken - dies ist schon angesprochen worden; der Ausstieg aus der Kernenergie erfordert einen Ersatzbedarf in Höhe von 22 000 Megawatt, zusätzlich werden in den nächsten zehn, 15 Jahren 40 000 Megawatt bei konventionellen Kraftwerken benötigt -, die Entwicklung der erneuerbaren Energien usw. Überall sind zum Teil hektische Aktivitäten zu verzeichnen, ohne dass ein Gesamtkonzept erkennbar wäre oder gar angestrebt würde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, die Wahrheit sei immer konkret. Wie sieht die konkrete Bilanz in Euro und Cent nach fünf Jahren rot-grüner Energiepolitik aus?

(Ulrich Kelber (SPD): Jetzt kommen Sie doch mal mit eigenen Vorschlägen!)

Ich greife exemplarisch den Stromsektor heraus. Die staatlich verursachte Belastung aller Stromkunden hat sich seit 1998 verfünffacht. Ich wiederhole, meine sehr geehrten Damen und Herren: verfünffacht!

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist unsozial!)

   Ich erläutere Ihnen das im Einzelnen: Sie haben die Ökosteuer beim Strom neu eingeführt, die Konzessionsabgaben sind gestiegen, die Belastung durch die erneuerbaren Energien ist geradezu explodiert und Sie haben das KWK-Gesetz neu eingeführt. Im Jahre 1998 betrug die Belastung der Stromkunden in Deutschland 2,28 Milliarden Euro. Diese Belastung ist in den letzten fünf Jahren über 4 Milliarden Euro, 7 Milliarden Euro, 8,5 Milliarden Euro und 9,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 12,6 Milliarden Euro angestiegen. Das Ergebnis rot-grüner Energiepolitik ist also eine Verfünffachung der Belastung gegenüber dem Jahr 1998.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber (SPD): Jetzt kommen Ihre Vorstellungen!)

   Bei diesen Zahlen wird einem schwindelig. Wenn man jetzt noch die Ökosteuer auf Kraftstoffe dazunimmt, dann sind wir wirklich in Absurdistan. Rot-Grün verfährt hier aber offensichtlich nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Neuverschuldung für das Jahr 2003 waren im Haushalt zunächst 18,9 Milliarden Euro veranschlagt, am Ende werden es 43,3 Milliarden Euro sein.

(Ulrich Kelber (SPD): Machen Sie doch mal eigene Vorschläge!)

- Die kommen gleich. - Bei der Maut fehlen 1 bis 2 Milliarden Euro. Sie rechnen offenbar damit, dass bei Ihrem Chaos die Milliarden bei der Energie irgendwie mit untergehen. Bisher - das muss ich Ihnen in der Tat attestieren - ist Ihre Rechnung aufgegangen. Die Abzocke im Energiebereich ist in der politischen und in der öffentlichen Diskussion untergegangen. Das werden wir ändern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

   Jetzt werde ich noch konkreter: Was bedeutet diese Belastung - die Milliarden sind ja immer nur sehr virtuell und für den einzelnen Bürger nicht so greifbar - für den einzelnen Bürger, die Familien und die Unternehmen in diesem Land? Wir haben einmal ausgerechnet, was Ihre Politik, Ihre Beschlüsse für eine Familie mit zwei Kindern, einer Wohnung mit 100 Quadratmetern, einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 5 000 Kilowattstunden im Jahr, einem Heizölverbrauch von 2 500 Litern pro Jahr sowie einem PKW mit einem Durchschnittsverbrauch von 8,9 Litern auf 100 Kilometer und einer durchschnittlichen Fahrleistung von 12 700 Kilometern im Jahr bedeuten. Sie belasten diese Familie im Jahr 2003 mit staatlich verursachten Abgaben in Höhe von 421,33 Euro.

(Ulrich Kelber (SPD): Eigene Vorschläge!)

   Zum Vergleich: Das Vorziehen der dritten Stufe Ihrer vermurksten Steuerreform von 2005 auf 2004 bringt brutto eine Entlastung von einmalig 16 Milliarden Euro. Wenn man das umrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, dass für den einzelnen Bürger gerade einmal ein Bruchteil dessen übrig bleibt, was Sie ihm über die Energie- und Stromabrechnung auf subtile Weise aus der Tasche ziehen - Prinzip „rechte Tasche, linke Tasche“! Das ist moderne Wegelagerei und nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   In der Wirtschaft sieht es nicht anders aus. Sie beeinträchtigen auf diese Weise die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Ich kann Ihnen ein konkretes Beispiele aus meinem Wahlkreis in der Region Stuttgart nennen

(Ulrich Kelber (SPD): Wir warten auf die eigenen Vorschläge! - Horst Kubatschka (SPD): Wann kommen Sie denn auf Energie zu sprechen? Zukunft!)

- ich spreche gerade über die Zukunft Ihrer Energiepolitik -: Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Automobilzuliefererbereich hat eine Investitionsentscheidung nicht zuletzt aufgrund der explodierenden Stromkosten gegen Deutschland gefällt. Das werden wir nicht weiter mitmachen. Verbraucher und Wirtschaft sind nicht unbegrenzt belastbar.

   Jetzt zum EEG. Wie hat sich das EEG im Detail entwickelt? Am Anfang stand das Stromeinspeisungsgesetz, das zu Beginn der 90er-Jahre übrigens nicht von Ihnen, sondern von der Union eingeführt wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Jörg van Essen (FDP): Mit der FDP!)

- Richtig, zusammen mit der FDP. - Das Vergütungsvolumen betrug 50 Millionen DM pro Jahr. In diesem Jahr wird das Vergütungsvolumen eine Höhe von 2,7 Milliarden Euro erreichen. Mir ist klar, dass man den Wert des eingesparten Stroms entsprechend abzuziehen hat, aber auch dann bleibt noch immer ein Subventionsvolumen von knapp 2 Milliarden Euro übrig, das die Verbraucher und die Wirtschaft zu tragen haben. Wenn Sie das mit der bisherigen Dynamik so weiter treiben, dann kommen wir im Jahr 2010 auf ein direktes Vergütungsvolumen von bis zu 7 Milliarden Euro allein aus dem EEG.

(Ulrich Kelber (SPD): Unsinn!)

Hinzu kommen die Kosten für den Netzausbau und die Regelenergie. Das ist nicht zu schultern. Die Union wird daher in den nächsten Wochen ein Konzept vorlegen, wie wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben und gleichzeitig die Belastung für Wirtschaft und Verbraucher begrenzen und das gesamte System effizienter machen können.

(Ulrich Kelber (SPD): Sagen Sie schon heute etwas dazu!)

   Zum Photovoltaik-Vorschaltgesetz: Die Photovoltaik ist unstrittig eine interessante und zukunftsträchtige Technologie, und zwar nicht nur begrenzt auf den Einsatz in Deutschland, sondern vor allem auch für den Export. Auf diesem Feld wollen wir Technologieführer, Marktführer bei der Produktion und im Verkauf sein. Die Photovoltaik ist bei der regulären Stromerzeugung und der Einspeisung in das Netz - das gilt zumindest für Mitteleuropa - noch weit von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt. Wir befinden uns in der Entwicklungs -, bestenfalls in der Versuchs- und Demonstrationsphase. Es geht in absehbarer Zeit also nicht, wie bei anderen erneuerbaren Energien, um die Markteinführung oder gar um die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Energieträgern aus fossilen oder erneuerbaren Energiequellen, sondern vor allem um Technologieforschung. Das wird auch an den von Ihnen vorgeschlagenen Vergütungssätzen deutlich. Diese reichen von 45,7 Cent pro Kilowattstunde bis 62,4 Cent pro Kilowattstunde. Damit bewegen wir uns, was die Kosten gegenüber anderen Energieträgern angeht, im Bereich von Faktor 10.

   Die Photovoltaik ist heute aber bereits für den Inselbetrieb und vor allem für die Nutzung in anderen, sonnigeren Länder interessant. Um Märkte erschließen und exportieren zu können, sind Größendegressionseffekte bei der Fertigung zu erzielen. Die Frage ist nur: Soll die Exportförderung - das frage ich Sie ernsthaft - der eh schon über Gebühr belastete Verbraucher zahlen? Ist die Exportförderung nicht vielmehr Aufgabe von Forschungs- und Technologieförderung oder von Außenwirtschaftsförderung? Ihr Vorschlag ist insofern systemfremd.

(Ulrich Kelber (SPD): Wir warten immer noch auf Ihre Vorschläge!)

   Kommen Sie mir nicht mit der Haushaltslage. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Bei der Förderung der Zukunftstechnologie Photovoltaik geht es um einige hundert Millionen Euro. Das ist zwar viel Geld, aber Sie sind auch nicht bereit, diese Mittel zur Verfügung zu stellen. Herr Müller, Sie haben gerade dampfplaudernd über viele Bereiche gesprochen, den Bereich Steinkohle haben Sie aber vergessen. Ich will Ihnen in Erinnerung rufen: In dieser Woche hat Ihr Kanzler in den öffentlichen Haushalten en passant 17 Milliarden Euro für die Steinkohle bereitgestellt.

   Sie haben wertvolle Zeit verplempert und die gesamte Branche verunsichert. Spätestens seit Frühjahr dieses Jahres wissen Sie dies. Nachdem Sie ein halbes Jahr nichts unternommen haben, können Sie jetzt nicht andere für Ihre Fehler verantwortlich machen. Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben und beantworten Sie die gestellten Fragen, damit wir für diese und für andere Branchen Planungs- und Investitionssicherheit erreichen können!

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ohne Nachhilfe können die doch keine Hausaufgaben machen!)

   Lassen Sie mich abschließend noch zu einem anderem Thema, das in dieser verbundenen Debatte auch aufzurufen ist, einige Sätze sagen. Es geht um das „Nuklearpackage“. Wir lehnen - auch meine Vorredner haben das gesagt - den Eingriff in originäre nationale Zuständigkeiten ab. Die Rückstellungen der deutschen Energieversorgungsunternehmen gehören zu den wenigen Wettbewerbsvorteilen, die wir innerhalb Europas noch haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für den Rückbau der Nukleartechnik und die Entsorgung in Deutschland haben die deutschen Energieversorgungsunternehmen Rückstellungen in einer Größenordnung von 30 Milliarden Euro getätigt.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Die SPD hat darin herumgewildert!)

In Frankreich, das im Bereich der Kerntechnik einen wesentlich höheren Anteil hat, sind es weniger als 20 Milliarden Euro. Andere haben noch viel geringere Rückstellungen gebildet.

   Wir lehnen die Sozialisierung dieser Rückstellungen innerhalb Europas, die einen Wettbewerbsvorteil für unsere Unternehmen darstellen, im nationalen Interesse ab und rufen die Bundesregierung auf, dies bei den jetzt anstehenden Beschlüssen zu verhindern, damit wir neben den anderen Benachteiligungen, die Sie uns mit Ihrer Politik schon auferlegt haben - ich habe es aufgeführt -, nicht auch noch in diesem Bereich ins Hintertreffen geraten und den letzten Wettbewerbsvorteil innerhalb Europas verlieren.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber (SPD): Unglaublich! - Weiterer Zuruf von der SPD: So viele Minuten ohne ein einziges vernünftiges Wort!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Bundesminister Jürgen Trittin das Wort.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Gibt es den noch?)

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beneide die Kollegin Merkel nicht um ihre Aufgabe, die diversen Positionen, die es in der Union gibt, zusammenzuhalten. Heute muss sie den Herrn Pfeiffer und den Herrn Paziorek zusammenbinden. Herr Paziorek sagt, es gebe viel zu wenig für die Biomasse, und Herr Pfeiffer sagt, wir müssten mit der Förderung drastisch heruntergehen. Dies zusammenzubinden kann man nur im Pfeifferschen Drüsenfieber oder solange man auf der Oppositionsbank sitzt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Morgen geht das Kernkraftwerk Stade vom Netz. Das ist der sichtbare Beleg dafür, dass die Atomenergie in Deutschland keine Zukunft hat.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie haben auch keine!)

In den USA sollen diese Altanlagen 60 Jahre laufen; wir halbieren die Laufzeit. Damit wird der Weg für eine sichere und zukunftsfähige Energiestruktur frei. Abgeschriebene und über Jahre hoch subventionierte Altanlagen dürfen die Investitionen in die Energiestruktur von morgen nicht länger blockieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Allein in Deutschland müssen wir Kraftwerkskapazitäten von 40 000 MW ersetzen; in ganz Europa sind es 200 000 MW. Die Mehrheit der Staaten in der Europäischen Union ist heute frei von Atomenergie oder auf dem Weg heraus aus der Atomenergie. Explizit nenne ich Belgien, Schweden und die Bundesrepublik; implizit trifft das auch auf das Vereinigte Königreich und die Niederlande zu.

   Kein Land steigt aber so schnell aus wie die Bundesrepublik Deutschland. Bis 2020 werden wir die Kraftwerke abgeschaltet haben. Das heißt, bis dahin gehen 30 Prozent der Kraftwerkskapazitäten allein aufgrund dieser Tatsache vom Netz. Für uns alle gemeinsam bedeutet das: Kein Land muss sich so schnell um Ersatzkapazitäten bemühen wie die Bundesrepublik Deutschland. Das geht nur mit einer Energiepolitik, die sich von allen Vereinseitigungen verabschiedet. Sie muss auf drei Säulen begründet sein: auf erneuerbare Energien, auf Effizienz und auf Energieeinsparung.

   Wir haben uns in der Koalition zusätzlich vorgenommen, bis 2020 40 Prozent der Treibhausgase in Deutschland einzusparen.

Wenn wir dies bis 2020 erreichen wollen - Herr Paziorek, das ist der Grund für diese Maßzahl -, dann geht das nur mit konsequenter Energieeinsparung. Man kann nicht hier im Bundestag Energieeinsparung fordern und gleichzeitig alle dafür erforderlichen Instrumente bekämpfen. Aus der von Ihnen beschimpften Ökosteuer zahlen wir die 340 Millionen Euro für die CO2-Einsparungen im Bereich von Gebäuden. Sie haben dafür 12 Millionen Euro aufgewendet.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Was haben Sie eigentlich bei der Kohle gemacht?)

   Wenn wir die Energieeffizienz wirklich verdoppeln wollen, brauchen wir einen ökonomischen Anreiz für effizientere Kraftwerke. Dafür gibt es das Instrument des Emissionshandels. Wir müssen den Ausbau erneuerbarer Energien forciert fördern. Das ist Zweck des Gesetzes. Deswegen haben wir in dem Gesetzentwurf quantifiziert, dass wir bis zum Jahre 2020 20 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen wollen. Es spricht Bände, Herr Paziorek, wenn Sie immer betonen, Sie seien für die erneuerbaren Energien, sich aber gleichzeitig gegen diese Zweckbestimmung wenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Kohle!)

   Diese beiden Ziele, Steigerung der Energieeffizienz und Ausbau erneuerbarer Energien, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Beides kann nur miteinander funktionieren. 20 Prozent zu erreichen ist das Ziel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Aber wir wollen denjenigen, die in diesem Sektor tätig sind, klar machen: Am Ende muss für sie die Marktfähigkeit stehen. Deswegen haben wir die Degression durchgehend auch da festgeschrieben, wo es dem einen oder anderen wehtut, beispielsweise im Bereich der Biomasse, was Sie angesprochen haben.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Da haben Sie zu viel gemacht!)

   Dabei müssen wir auch darauf achten, dass die Kosten für die erneuerbaren Energien die Haushalte nicht übermäßig belasten. Deswegen haben wir dafür Sorge getragen, dass beispielsweise nicht nur große, sondern auch mittlere Unternehmen von der Härtefallregelung profitieren können, aber gleichzeitig eine Deckelung vorgenommen: Wenn heute der Klimaschutz durch die Förderung erneuerbarer Energien 1 Euro pro Haushalt und Monat kostet, dann darf das künftig nur 1,10 Euro sein. Das ist Politik mit Augenmaß: Förderung der erneuerbaren Energien und Beachtung der Kostenseite, aber keine Umgestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in eine reine Konsumentenumlage!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Koalitionsfraktionen beschließen heute ein Vorschaltgesetz für die Photovoltaik, das die Mindestvergütung für Strom aus diesen Anlagen auf 45,7 Cent pro Kilowattstunde festschreibt. Ich will darauf verweisen, dass wir die bürokratische Deckelung bei den großen Anlagen abschaffen und dass die Fördersätze für die Installation an Gebäuden, insbesondere für den Einsatz von Photovoltaik in Fassaden - das ist eine der wesentlichen Zukunftsfragen -, erhöht werden. Damit wird künftig die Förderung der Photovoltaik, die in Deutschland inzwischen dazu geführt hat, dass wir in Europa Spitzenreiter bei der Anwendung der Photovoltaik sind, allein durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz getragen.

   Das ist jedoch nicht nur eine umwelt- und klimapolitische Frage. Ich war letzte Woche bei Solar-World in Freiberg in Sachsen. Dort wird die gesamte Wertschöpfungskette, von der Siliziumproduktion bis zur Fertigung der Module, in einer Fabrik abgearbeitet. Dort sind aus 120 Arbeitsplätzen im Jahr 2000 inzwischen 425 Arbeitsplätze geworden. Der Wirtschaftszweig der erneuerbaren Energien hat schon heute eines erreicht: Mit mehr als 130 000 Menschen arbeiten in dieser Branche mehr als in der Kohle- und Nuklearindustrie zusammen.

   Dies verteilt sich sehr unterschiedlich auf das Bundesgebiet. Ein Schwerpunkt sind die nördlichen Bundesländer - Neustadt-Glewe ist bereits angesprochen worden -, im Osten der Republik tut sich einiges. Aber im Süden, in Bayern und Baden-Württemberg, gibt es noch gallische Dörfer, wo die Landesregierung nichts anderes zu tun hat, als jede Anlage von erneuerbaren Energien mit allen bürokratischen Mitteln zu schikanieren und zu verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Zuruf von der FDP: Quatsch!)

   Reden Sie mal mit den Investoren von Ostwind, reden Sie mit denen, die beispielsweise nicht nur Windanlagen, sondern auch Biomasseanlagen in Bayern genehmigen lassen wollten!

Dann wissen Sie, was bayerische Regelungswut und bayerische Bürokratie alles bewirken kann, nämlich die Verhinderung von Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das passt nicht mit den Reden über erneuerbare Energien zusammen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Mit dem Dosenpfand machen Sie Arbeitsplätze kaputt!)

- Über das Dosenpfand brauchen Sie mir nichts zu erzählen. Ich habe gegen die Bayerische Staatsregierung die Vernichtung der bayerischen mittelständischen und kleinen Brauereien verhindert. Das sehen die genauso.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)

   Zu der Frage der Energieeffizienz in der Energiepolitik.

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Trittin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Klaeden?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Bitte schön, Herr von Klaeden.

Eckart von Klaeden (CDU/CSU):

Herr Bundesminister, da Sie eben selber das Dosenpfand angesprochen haben,

(Marco Bülow (SPD): Hat er nicht! - Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Er hat es aufgegriffen!)

darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass mittlerweile eine eidesstattliche Erklärung von acht Personen, allesamt Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter - von Beruf sind diese Linienführer, Dreher, Maschinist, Industriemeister, Maschinenschlosser, Maschinenführer, Elektroniker -, vorliegt, die an einem Gespräch mit Ihrem Staatssekretär teilgenommen haben,

(Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach nein! - Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wonach auf die sinngemäße Feststellung eines Betriebsrats, dass die Einwegindustrie und die Arbeitsplätze den Bach heruntergingen, Ihr Staatssekretär, Herr Baake, gesagt habe: „Ja, meine Herren, dies ist politisch auch so gewollt.“

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Was?)

Sie haben hier vor dem Deutschen Bundestag genau das Gegenteil behauptet. Ich darf Sie bitten, zu dieser eidesstattlichen Erklärung Stellung zu nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Herr von Klaeden, Sie können sich ganz schnell wieder hinsetzen. Ich habe der Feststellung - die ich hier schon gemacht habe -, dass mein Staatssekretär diese Unterstellung schon mehrfach zurückgewiesen hat, nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen.

(Abg. Eckart von Klaeden (CDU/CSU) will wieder Platz nehmen)

- Bevor Sie sich hinsetzen,

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sie haben doch gerade gesagt, ich solle mich hinsetzen!)

möchte ich Sie fragen - dann ist die Frage abschließend beantwortet, Herr Parlamentarischer Geschäftsführer -, ob es mit den Regeln, die sich dieses Haus gegeben hat, vereinbar ist, Debatten zu Themen auf diese Weise zu gebrauchen, um nicht das Wort „missbrauchen“ zu verwenden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das entscheiden Sie noch lange nicht!)

Das müssen die Parlamentarischen Geschäftsführer untereinander klären; dafür fehlt mir die Beurteilung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt sind Sie sprachlos!)

   Wir kommen zum Thema zurück: Wie sieht die Energieversorgung von morgen aus? - Es bedarf auch der Effizienz. Was knapp ist, wird sorgsam und kosteneffizient bewirtschaftet. Für die Knappheit gibt es ein Instrument, nämlich den Vertrag von Kioto. Bis 2010 dürfen Industrie, Energiewirtschaft, Gewerbe, private Haushalte und Verkehr in Deutschland nicht mehr als 841 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das ist die Obergrenze und diese Obergrenze gilt ohne Ausnahme.

   Damit bekommt der CO2-Ausstoß einen Preis, der in Tonnen gemessen wird. Künftig kostet übermäßige Klimabelastung den Verursacher Geld.

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sie können den Zeigefinger wieder einfahren!)

Einsparungen aber kann man überall in Europa verkaufen. Grundlage für die Vergabe dieser Mittel wird der CO2-Emissionshandel sein. Das Einsparziel der deutschen Industrie von 45 Millionen Tonnen ist maßgebend, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

   Sie werden sich mit dem zugrunde liegenden Gesetz, das heißt mit der Frage der wesentlichen Regeln, auf deren Basis wir diese Emissionsrechte verteilen, hier im Bundestag beschäftigen müssen. Die Bundesregierung wird im Dezember das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz verabschieden und danach haben Sie zu entscheiden. Sie haben danach nicht nur über diese allgemeinen Regeln zu entscheiden, sondern Sie werden sich untereinander - auch zwischen den Positionen von Herrn Pfeiffer und Herrn Paziorek - zu einigen haben.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das lassen Sie mal unsere Sorge sein!)

Sie werden sich über die Frage zu einigen haben, wie viele Millionen Tonnen CO2 die privaten Haushalte, wie viele Millionen Tonnen CO2 der Verkehr, wie viele Millionen Tonnen CO2 die Energiewirtschaft, die Industrie und das Gewerbe emittieren dürfen, und zwar bis 2020, spezifiziert nach nachrechenbaren Tonnen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Klären Sie das mal mit Clement!)

   Ich bin sehr gespannt,

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Was Herr Clement sagt!)

ob Sie das Vorgehen, das Sie hier an den Tag legen - nämlich die von Ihnen selbst bewirkte Verfehlung klimapolitischer Ziele zu bejammern, aber gleichzeitig jede konkrete Maßnahme zur Erreichung dieser Ziele im Bundestag zu blockieren -, auch weiter durchhalten werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich bin der festen Überzeugung: Der Emissionshandel bietet eine Chance für die deutsche Wirtschaft; er erleichtert ihr übrigens auch den Klimaschutz. Mehr Effizienz ist eine der Säulen der Versorgungssicherheit von morgen. Effizienz, erneuerbare Energien und Energiesparen bilden die Grundlage für die Versorgungssicherheit, aber auch für einen vernünftigen Klimaschutz auch und gerade im Interesse künftiger Generationen.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute ein sehr wichtiges Thema. Herr Minister Trittin, Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, der Ausstieg aus der Kernenergie sei der Einstieg in eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung. Dem muss ich entgegenhalten: Ohne ein konkretes Energiekonzept für den Wirtschaftsstandort Deutschland

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): So ist es!)

ist der Ausstieg aus der Kernenergie noch lange kein Einstieg in eine sichere Energieversorgung. Ein solches Konzept fehlt, Herr Trittin!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Deswegen möchte ich für meine Fraktion betonen: Wir wollen ein Energiekonzept, das auf der einen Seite die Versorgungssicherheit für dieses Land gewährleistet, das aber auf der anderen Seite einen neuen Energiemix beinhaltet, der Unabhängigkeit von politisch instabilen Regionen schafft. Angesichts der beim Erdöl und Erdgas bestehenden Abhängigkeit von Ländern, die politisch bei weitem nicht stabil sind, ist ein umfassendes Energiekonzept geboten.

   Dazu gehören aber mehrere Komponenten, nämlich das Energiesparen und die Energieeffizienz.

(Siegfried Scheffler (SPD): Donnerwetter! Sie haben etwas gelernt!)

Einzubeziehen ist nicht nur der Strommarkt, sondern sind auch der Wärmemarkt und - Herr Müller hat es angesprochen - der Verkehrsbereich. Wenn Sie das alles mit einbeziehen wollen, dann müssen Sie den Mut aufbringen, in moderne Technologien - auch in die Speichertechnologie - einzusteigen. Nur dann werden Sie es schaffen, den erneuerbaren Energien eine Zukunft zu geben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Guten Morgen! - Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist ganz neu!)

   Das hat zum einen damit zu tun, dass die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien zum Teil sehr schwankt. Sie müssen zum anderen auch berücksichtigen, dass beim Netzausbau und dem Vorhalten der Regelenergiereserve Kosten entstehen. Deswegen ist es dringend erforderlich - aus diesem Grunde haben wir unseren Antrag zum Thema Speichertechnologie vorgelegt -, die Netzunabhängigkeit der erneuerbaren Energien zu erreichen.

(Ulrich Kelber (SPD): Das ist eine falsche Schlussfolgerung!)

Nur so können wir ihnen in Deutschland eine riesige Zukunftsperspektive geben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Im Zusammenhang mit den beiden in Ihren Vorlagen zum Thema Atomenergie erwähnten Richtlinien der Europäischen Union, über die wir heute auch beraten, möchte ich Ihnen eines sagen: Wir sind uns ein einigen Punkten durchaus einig, aber Sie nutzen das wieder für eine ideologische Kundgebung. Das kann ich nicht nachvollziehen.

   Wenn wir über die sichere Energieversorgung dieses Landes diskutieren, dann geht es nicht um heute und morgen. Es geht vielmehr um eine Perspektive für die nächsten 50 Jahre oder mehr. Wenn wir in solchen Perspektiven denken, dann geht es nicht an, den Vorrang von nicht nuklearer Energieforschung in Europa festzuschreiben, wie Sie das wollen. Wir müssen vielmehr die Chance ergreifen, mit dem internationalen Projekt ITER die Fusionsforschung in Europa zu halten und die Bundesrepublik Deutschland daran zu beteiligen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte noch etwas zu der Feststellung der Kollegin Hustedt anmerken, dass die Energieversorger durchaus in der Lage seien, schwankende Energiemengen zu handhaben. Ich möchte Ihnen nur eines sagen, Frau Hustedt: Technisch ist das möglich. Aber Sie müssen auch die finanziellen Auswirkungen einplanen. Wir sind der Meinung, dass wir, wenn wir die Zukunftsfähigkeit der erneuerbaren Energien sicherstellen wollen, eine intelligente Verknüpfung der Photovoltaik - über den Entwurf eines entsprechenden Vorschaltgesetzes reden wir ja heute morgen - mit dem Emissionshandel brauchen. Herr Minister Trittin, Sie haben gesagt, dass Sie das machen wollen. Aber warum haben Sie das nicht schon längst getan? Das ist doch die Frage, die Sie sich stellen lassen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich sage klar und deutlich: Wir können durch die Verknüpfung mit dem Emissionshandel Exportmöglichkeiten und riesige Chancen für die Photovoltaik eröffnen; das will die FDP. Wenn wir den erneuerbaren Energien nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eine Zukunft geben wollen, dann müssen wir das Ganze effizient organisieren und Kostensenkungspotenziale realisieren. Das sind wir den Menschen in diesem Lande schuldig.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Marco Bülow, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Marco Bülow (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange Zeit haben konservative Kräfte geleugnet, dass die Erde um die Sonne kreist. Doch sie konnten den Fortschritt nicht aufhalten. Dieses Phänomen scheint sich nun zu wiederholen. Vehement leugnen heute andere starke Kräfte, dass bereits in absehbarer Zeit ein Großteil des Energiehungers mit der Kraft der Sonne gestillt werden kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich der Fortschritt erneut durchsetzen wird.

(Beifall bei der SPD)

   Diesmal steht allerdings mehr auf dem Spiel und wir haben deutlich weniger Zeit. Der bildliche Satz „Nach mir die Sintflut!“ könnte zur grausigen Realität werden. Damit das nicht Realität wird, reicht nicht nur die Erkenntnis aus - diese haben auch einige aus der Opposition -, dass wir große Potenziale der erneuerbaren Energien, insbesondere der Sonnenenergie, nutzen können. Das muss vielmehr auch in die Tat umgesetzt werden und darf auf keinen Fall verhindert werden. Dem ist die rot-grüne Koalition mit zahlreichen Initiativen und Gesetzen nachgekommen. Das wohl wichtigste - und auch sehr erfolgreiche - Gesetz war das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Ich hoffe, dass auch in der Opposition in zunehmenden Maße die Erkenntnis wächst - ich weiß, dass das bei einigen Abgeordneten bereits der Fall ist -, dass es notwendig ist, mehr als nur vollmundige Lippenbekenntnisse zu den erneuerbaren Energien abzuliefern. Dafür bieten die anstehenden Beratungen über die Entwürfe einer Novelle zum EEG und eines Photovoltaik-Vorschaltgesetzes eine hervorragende Möglichkeit.

   Ich wollte heute eigentlich eine friedensstiftende Rede halten, die uns zusammenbringt. Doch einige Meinungsbekundungen von der Opposition veranlassen mich, ein, zwei Sätze zu sagen, die nicht in diesem Sinne sind. Herr Paziorek, Sie spielen sich heute als Retter der erneuerbaren Energien auf. Dabei gibt es viele in der Union - das ist auch heute wieder deutlich geworden -, die die erneuerbaren Energien eigentlich lieber verteufeln. Welchen Stand Sie in der Branche haben, haben Sie selbst auf der von Ihnen erwähnten Demonstration erlebt. Der Applaus für Sie war nicht besonders groß.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Ganz im Gegenteil!)

Ich erinnere nur an 1998, als viele aus der Branche gesagt haben: Wir haben Angst vor einem Regierungswechsel. Deswegen bleiben uns die Kunden weg. - Das ist die Realität in diesem Land. Die Branche weiß genau, was sie an Rot-Grün hat und was sie mit Ihnen bekommen würde.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU)

- Angesichts Ihrer Zurufe möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Sie von der Union nehmen die Umweltschutz- und die Energiepolitik so ernst, dass Sie Herrn Hohmann in den Umweltausschuss strafversetzen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Vorsicht! Vorsicht! Das war überzogen!)

   Herr Pfeiffer, überprüfen Sie bitte Ihre Kostenberechnungen. In 14 Minuten haben Sie keinen einzigen Vorschlag gemacht, aus dem hervorgeht, wie Sie eine Erneuerbare-Energien-Politik machen wollen. Sie sind doch noch viel zu jung, um ein Dinosaurier zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

   Über den Entwurf der EEG-Novelle wollen wir mit allen Fraktionen intensiv beraten und dann möglichst zügig beschließen; denn die Branche braucht Planungssicherheit. Es darf in diesem innovativem Bereich zu keinem Fadenriss kommen. Ich weiß, dass es an einigen Stellen, beispielsweise in der Biogasbranche - hier gebe ich Ihnen Recht -, trotzdem sehr eng werden wird.

   Das Auslaufen des erfolgreichen 100 000-Dächer-Programms würde aber selbst bei einem reibungslosen Novellierungsverfahren zumindest für einen Teil der Photovoltaikbranche zu spät kommen. Ich habe eine Liste mit Firmen, die schon jetzt mehr als nur zu kämpfen haben. Beispielsweise hat einer der größten deutschen Solarzellenproduzenten in den neuen Ländern wegen der unsicheren politischen Lage für 2004 noch keinen einzigen festen Auftrag. Das ist ein Novum. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann sind über 10 000 zukunftsfähige Arbeitsplätze gefährdet, und das in einer jungen Branche mit großem Potenzial. Ich brauche hier nicht zu erklären, dass eine junge Branche natürlich keine großen Rücklagen gebildet haben kann, um in einem solchen Fall darauf zurückzugreifen.

(Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Das gilt aber auch für andere in diesem Lande!)

   Wir gefährden unsere gute Position auf dem Weltmarkt. Mithilfe des 100 000-Dächer-Programms hat sich die deutsche Photovoltaikwirtschaft in einer Zukunftstechnologie an die internationale Spitze katapultiert. Dem ging ein Gesetz voraus, das Rot-Grün auf den Weg gebracht hat. Außerdem gefährden wir das Erreichen unserer Klimaziele. Wir begrüßen es deshalb, dass sich das Bundesumweltministerium dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen nach einem Photovoltaik-Vorschaltgesetz angeschlossen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Die Förderbeiträge des vorliegenden Vorschaltgesetzes sollen bereits am 1. Januar 2004 ihre Wirkung entfalten. Schon im Vorschaltgesetz sind die Änderungen enthalten, die sich später in der großen Novelle wiederfinden. Statt einer Vergütungsstufe plädieren wir für eine Basisvergütung und eine mögliche Zusatzvergütung. Dies ermöglicht eine zielgenauere Förderung und eine Bevorzugung von Anlagen auf Fassaden, Dächern und Lärmschutzwänden. Für Anlagen auf Freiflächen ist die Basisvergütung vorgesehen, sie unterliegen aber dem Geltungsbereich des Bebauungsplans.

   Die Förderung von Photovoltaik ist ein gutes Beispiel für unsere Idee der Gesamtförderung der erneuerbaren Energien. Durch die Maßstäbe, die wir anlegen, tragen wir dazu bei, auch beim Klimaschutz Rücksicht auf den örtlichen Umweltschutz zu nehmen. Wir bringen die Interessen der Ökologie und der Ökonomie zusammen, sodass beide profitieren. Außerdem setzen wir auf eine immer effizientere Förderung.

   Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Die Degression bei Photovoltaik beträgt 5 Prozent; das heißt, die Förderung wird jedes Jahr um 5 Prozent zurückgefahren. Hinzu kommt die Inflation. Wir haben von Anfang an, auch beim ersten Gesetz, auf die Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien gesetzt. Es wäre äußerst wohltuend, wenn diese harten Auflagen beispielsweise bei der Atomenergie gegolten hätten. Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätten wir in diesem Land einige Probleme weniger.

   Gerade diejenigen, die bei den erneuerbaren Energien mehr Abstriche fordern, drücken bei den herkömmlichen Energieressourcen gerne beide Augen zu. Dies ist unangemessen und ungerecht. Die Diskussion über die Kosten der erneuerbaren Energien war vom ersten Tag an eine einzige Farce. Ich hoffe, wir werden die folgenden Diskussionen sachlicher und fairer führen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Dabei ist es keine Frage, dass einige Erneuerbare-Energien-Branchen schon in absehbarer Zeit wettbewerbsfähig sind. Deren Innovationskraft und Effizienzsteigerung - Frau Brunkhorst, hören Sie gut zu! - geben uns dazu einen guten Anhaltspunkt. Hinzu kommt, dass ein großer Teil des fossilen Kraftwerksparks erneuert werden muss. Dies geht nicht zum Nulltarif. Selbst die vorsichtige Schätzung von RWE Schott Solar besagt, dass die Wettbewerbsfähigkeit von Solarstrom in zehn Jahren in Südeuropa und in weiteren zehn Jahren in Mitteleuropa erreicht wird. Das ist die Realität.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Kostenschere zwischen den erneuerbaren und den herkömmlichen Energien wird sich schließen, selbst ohne Einbeziehung der externen Kosten, also beispielsweise ohne Einbeziehung der Umweltkosten, die auf der Stromrechnung niemals ihren Niederschlag finden, obwohl wir und vor allen Dingen die nachfolgenden Generationen sie zu tragen haben.

   Die Energiewende hin zu mehr Effizienz und einer Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien ist keine Utopie. Anders als uns einige immer weismachen wollen, ist sie vor allen Dingen kein Luxus, den man sich nur leisten kann, wenn man genug Geld dazu hat. Luxus ist vielmehr, die Chancen von heute verstreichen zu lassen. Dies würden uns unsere Kinder niemals verzeihen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Energiewende ist unser nachhaltigstes Projekt überhaupt: Sie schafft Arbeitsplätze, sichert unsere Lebensgrundlage und ist die Basis unserer Wirtschaft. Der Freidenker Ludwig Uhland hat einmal gesagt:

Umsonst bist du von edler Glut entbrannt, wenn du nicht sonnenklar dein Ziel erkannt.

Wir haben unser Ziel erkannt. Dieses Ziel heißt: Auf zur Nutzung „der edlen Glut“ der Sonne!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Doris Meyer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Doris Meyer (Tapfheim) (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Photovoltaikbranche wird heute vermutlich aufatmen und vorsichtigen Optimismus an den Tag legen, Optimismus, weil ihr geholfen werden kann.

(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Wohl wahr!)

Nach dem Wegfall des 100 000-Dächer-Programms Mitte dieses Jahres verspürte sie keine oder nur noch geringe Motivation, in neue Anlagen zu investieren. Es musste Abhilfe geschaffen werden. Abhilfe verspricht man sich nun von dem heute vorliegenden Vorschaltgesetz, dem 2. EEG-Änderungsgesetz.

   Bereits das 1. Änderungsgesetz zum EEG sollte Abhilfe schaffen. Die durch das EEG bedingten Schmerzen der besonders energieintensiven Unternehmen sollten damit beseitigt werden. Beseitigt werden sollten aber auch wieder einmal handwerkliche Fehler der rot-grünen Koalition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die rot-grüne Koalition hat sich in den Diskussionen über das Für und Wider einer Härtefallregelung verheddert. In einem Schnellschussverfahren hat sie die Härtefallregelung in Gesetzesform gegossen.

   Genauso ist es nun mit dem Vorschaltgesetz zur Photovoltaik. Das schon erwähnte Förderprogramm ist Mitte dieses Jahres ausgelaufen. Nun stellt sich heraus: Die Photovoltaik kommt nicht mehr vorwärts. Die Solarindustrie ist in ihrer Existenz bedroht.

   Bereits Mitte August wurde mit dem Referentenentwurf des BMU die neue Runde der EEG-Novellierung eingeläutet. Sie ist bei den Ressortabstimmungen oder, besser gesagt, bei den Streitereien zwischen dem Umweltminister Jürgen Trittin und seinem Kollegen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement unter die Räder gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wer von den beiden den Streit angezettelt hat, vermag schon niemand mehr zu sagen. Hat nun der eine das zum Energiegipfel hochstilisierte Treffen beim Kanzler ohne Beteiligung des anderen stattfinden lassen oder hat der andere seinen Referentenentwurf noch kurz vorher vorgelegt, um den einen zu ärgern?

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Interessant! - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): So war es!)

Es fällt schwer, unter den beiden einen Verantwortlichen auszumachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das Problem bei solchen Streitereien unter den Ressortchefs ist die Verzögerung, die sich daraus unweigerlich ergibt. Sie lähmt die dringend notwendige Sacharbeit. Ob einem der beiden geholfen ist, wenn er über seinen Kollegen obsiegt, interessiert vielleicht noch die rot-grüne Koalition, aber nicht die von den Gesetzen betroffenen Unternehmen. Die interessiert, wie sich die Gesetze für sie und auf ihre Pläne in den nächsten Jahren auswirken.

   Ergebnis dieser Streitereien ist das Herauslösen bzw. Vorziehen der Regelung zur Photovoltaik. Nach der Härtefallregelung ist das heute vorliegende Vorschaltgesetz also ein zweiter Schnellschuss. Wir als verantwortungsbewusste Parlamentarier müssen uns gegen diese Art und Weise des Zustandekommens vehement wehren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Dem Änderungsgesetz können wir von den Unionsfraktionen zwar grundsätzlich zustimmen; zu den einzelnen Vergütungssätzen besteht aber noch Diskussionsbedarf.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Wohl wahr!)

Die Erhöhung der Mindestvergütungen für die so genannten gebäudeintegrierten Fassadenanlagen geht in die richtige Richtung. Wir dürfen die Flächenversiegelung nicht forcieren. Die Solaranlagen müssen konsequent in die Gebäudeflächen einbezogen werden. Solaranlagen an oder auf Gebäuden und baulichen Anlagen sind eindeutig solchen auf Freiflächen vorzuziehen. Das bislang erzielte Abstimmungsergebnis zwischen den beiden Ministerien kann wieder nur eine Grundlage bilden, auf der wir verhandeln. Wir müssen alles im Einzelnen genau betrachten.

Mit Einführung des Stromeinspeisungsgesetzes Anfang der 90er-Jahre war fraktionsübergreifend die Zielrichtung klar. Die meisten Energieträger sind endlich. Deshalb musste im Sinne der Nachhaltigkeit eine Änderung herbeigeführt werden. Langfristig kann somit nur ein Mix aus herkömmlichen und regenerativen Energien helfen, die Energieversorgung zu sichern. Dies sollten gelegentlich auch die Gegner der einen oder anderen Energieart einmal bedenken.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Das ist richtig!)

Alle wissen um diese Notwendigkeiten, aber nur die wenigsten handeln danach. Die meisten sind immer noch alten Denkstrukturen verhaftet. Das führt uns eines Tages in die energiepolitische Sackgasse, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Besser ist es, Chancen und Potenziale zu nutzen, die die verschiedenen Energiearten bieten, und deren Vorteile miteinander zu kombinieren. Die Wasserkraft beispielsweise ist eine jahrhundertealte Energieart. Dem jüngsten Gutachten von Professor Ripl ist zu entnehmen, wie positiv sich Kleinwasserkraftwerke auf die Natur auswirken. Dieses Werk kann ich allen Skeptikern zur Lektüre empfehlen. Die so genannte kleine Wasserkraft aber durch noch strengere Vorgaben als die der Wasserrahmenrichtlinie und der Naturschutzgesetze zu hemmen ist unsinnig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Bei der Biomasse das gleiche Spiel: Gerade die Betreiber kleinerer Anlagen brauchen ein deutliches Signal, wohin die Reise gehen soll. Ist wirklich eine dezentrale Energieversorgung gewünscht oder nicht? Wir müssen uns entscheiden, meine Damen und Herren: Es ist unverantwortlich, die Dauer des Mindestvergütungsanspruchs bei Strom aus Biomasse auf 15 Jahre herunterzufahren, statt sie bei den 20 Jahren zu belassen, die für alle anderen Stromarten gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine solche Maßnahme gibt ein falsches Signal an die Anlagenbetreiber und -bauer.

   Wir von der Union wollen bei der EEG-Novelle kein Hauruckverfahren wie jetzt bei der Photovoltaik-Förderung, sondern genügend Zeit für Beratungen.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sehr richtig!)

Wir halten am Ziel fest, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2010 auf 12,5 Prozent zu steigern. Wir wollen eine nachhaltige Klimaschutzpolitik. Wir wollen effiziente Anreize zur Verbesserung der Technologien schaffen. Wir wollen Anreize zur Senkung der Produktionskosten geben. Wir wollen den Standort Deutschland für die erneuerbaren Energien erhalten. Schließlich wollen und müssen wir die regenerativen Energien zur Wettbewerbsfähigkeit führen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/1974, 15/1605 und 15/1813 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/1781 zu zwei Unterrichtungen durch die Bundesregierung über EU-Vorlagen zur nuklearen Sicherheit. Der Ausschuss empfiehlt in Kenntnis der Unterrichtungen durch die Bundesregierung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Nationalen Allokationsplan als Parlamentsgesetz gestalten

- Drucksache 15/1791 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Klaus Lippold, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine kurze Vorbemerkung machen, bevor ich zum Sachthema komme. Ich habe gerade erlebt, wie Sie, Herr Trittin, im Zusammenhang damit, dass Sie, wie Ihr Staatssekretär gesagt hat, durch die Verpackungsverordnung mutwillig Arbeitsplätze vernichten, wiederum ausweichend geantwortet und faktisch so getan haben, als sei die eidesstattliche Erklärung der acht Betriebsräte infrage zu stellen. Ich sage ganz offen: Ich habe für Ihre Haltung kein Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es passt aber zu Ihrer Grundhaltung, Herr Trittin. Denken wir nur an die Verlautbarung Ihres Pressesprechers, dass Sie die Abschaltung des Kernkraftwerkes Stade - die Vernichtung von Arbeitsplätzen - mit einem Empfang, einer Fete mit Musik und allem Drum und Dran, verbinden. Das ist doch zynisch, Herr Trittin. Dass Sie in Ihrem Ministerium die Vernichtung von Arbeitsplätzen feiern und zu dieser Feier alte Kampfgefährten einladen -

(Birgit Homburger (FDP): Mit Steuergeldern!)

das kann ich so nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das wäre ein Punkt, an dem wir einmal über die Streichung von Haushaltsmitteln in Ihrem Etat nachdenken müssten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Das ist ein Punkt, über den zwischen allen Fraktionen dieses Hauses Einvernehmen herrscht. Ich glaube, dass die Klimakatastrophe nicht nur entschiedenes nationales, sondern auch internationales Handeln erfordert. Mit dem Kioto-Protokoll machen wir einen Versuch, aber noch ist das Kioto-Protokoll nicht ratifiziert. Deshalb ist der Versuch der Europäischen Union, verschiedene Instrumente zum Klimaschutz zu aktivieren, damit wir die Situation verbessern, zu begrüßen. Insofern begrüßen wir die Richtlinie zum Emissionszertifikatehandel. Ich glaube, auch das ist ein Punkt, in dem wir uns einig sind. Allerdings - das sage ich ganz deutlich - wollen wir festhalten, dass wir ein Verfahren wählen, das unbürokratisch und flexibel ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen Punkt, den man sich klar machen muss: Das Kernstück der Richtlinie ist der nationale Allokationsplan. Mit dem Allokationsplan wird die Gesamtmenge der in einer Handelsperiode zuzuteilenden Emissionsberechtigungen festgelegt. Das klingt sehr abstrakt - was bedeutet das? Wir legen fest, wie viel CO2 ein Unternehmen emittieren darf, also wie viel Energie es verbrauchen darf. Wir legen fest, wie viel Energie ein Sektor der Wirtschaft verbrauchen kann. Wir legen fest, wie die Verteilung der Emissionen auf die Sektoren der Wirtschaft vorgenommen wird.

   Da bleiben im Moment noch eine ganze Reihe von zentralen Fragen zu stellen. Warum? Mit der Zuteilung von Energie ist auch die Zuteilung von Chancen oder das Versagen von Chancen verbunden. Wenn jemandem zu wenig Emissionsberechtigungen zugeteilt werden, muss er seine Produktion einschränken, Arbeitsplätze zurückfahren, Arbeitsplätze abbauen. Wenn ich diese Fragen behandle, muss ich wissen, wie es weitergehen soll: Treffe ich eine Regelung, die für den Betrieb, die für den Sektor adäquat ist?

   Wir sind in einer von dieser rot-grünen Regierung mit zu verantwortenden rezessiven Phase. Es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn eine wirtschaftliche Erholung - trotz Ihrer Politik - eintritt. Die Aufwärtsentwicklung in den USA könnte ja der Anlass dafür sein, dass die Wirtschaft auch bei uns anspringt, dass die Wirtschaftler sagen: Die weltweite Entwicklung überspielt die katastrophale Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. - Was wird dann mit den einzelnen Unternehmen? Haben wir die nötigen Reserven, um den Unternehmen dann mehr Emissionsberechtigungen zuzuteilen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Für uns ist das eine wichtige Frage!)

   Schließlich sollen sich trotz der Politik dieser Bundesregierung auch neue Unternehmen gründen können. Diesen neuen Unternehmen müssen wir Emissionsberechtigungen kostenlos zuteilen können, denn wenn sie sie nicht kostenlos erhalten, werden sie unter Umständen überlegen, ob sie einen anderen Standort wählen. Die Arbeitsplätze würden dann an einem anderen Standort entstehen. Das kann nicht angehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Es ist auch eine Frage, wie es aussieht, wenn Sie - was nicht eintreten wird, aber was ja sein könnte - den Ausstieg aus der Kernenergie wirklich durchsetzen. Dafür ist - das war heute schon zu hören - ein völlig emissionsfreier Ersatz nicht möglich.

   Es kann doch nicht sein, dass die Wirtschaft, die Haushalte und auch der Verkehrssektor dafür bestraft werden, dass Sie eine falsche Entscheidung treffen. Es müssen vielmehr Vorkehrungen getroffen werden, mit denen sichergestellt wird, dass die zusätzlichen Emissionen aus einer Reserve, die die Bundesrepublik Deutschland und niemand anders bereitstellt, abgedeckt werden. All diese Fragen, die sich in der derzeitigen Situation ergeben, sehe ich überhaupt noch nicht geregelt.

   Ich sage ganz deutlich: Die Antworten auf diese Fragen sind für den Arbeitsmarkt und für die zukünftige Entwicklung von Ausbildungsplätzen - mit der Ausbildungsplatzabgabe werden Sie das Gegenteil bewirken - so wichtig, dass sie nicht en passant von der Bundesregierung allein beantwortet werden können. Über diese Fragen muss im Parlament diskutiert werden; sie sind zu wichtig, als dass die Regierung allein darüber entscheiden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dass in unserem Antrag - ich sage das einmal so - ein gewisses Misstrauen gegenüber der Bundesregierung und ihren Ansätzen mitschwingt,

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Berechtigt!)

ist wohl mehr als berechtigt. Es ist schade, dass Herr Trittin im Moment nicht auf der Regierungsbank sitzt; ich hoffe aber, dass er im Saal anwesend ist.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Der muss sich gerade zum Dosenpfand oder zu den eidesstattlichen Erklärungen äußern!)

- Das könnte durchaus sein. - Ich sehe bislang nicht, dass sich der Minister für Umwelt und die Spitze seines Hauses bewegen und entsprechende Positionen artikulieren. Diese zentrale Frage kann nicht unter der Hand geregelt werden. Hier muss das Parlament entscheiden.

   Eine ähnliche Korrektur haben wir schon früher in anderen Bereichen erlebt. Nachdem wir das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verabschiedet hatten, haben wir festgestellt, dass wesentliche politische Inhalte nicht im Gesetz selber, sondern in Verordnungen geregelt sind. Daraufhin hat dieses Haus beschlossen, die wesentlichen Verordnungen zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zustimmungspflichtig zu machen. Damit wurde die Entscheidung in das Parlament zurück verlagert, wo sie auch hingehört. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

   Auch hinsichtlich des nationalen Allokationsplans sollte dieses Haus so handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte gerne wissen, wie hierzu der Stand der Diskussion ist und welche Verteilungsmengen für die Sektoren Verkehr, Haushalte, Industrie und Gewerbe vorgesehen sind.

(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Das wird auch allmählich Zeit!)

Um dieses Thema von der anderen Seite politisch aufarbeiten zu können, möchte ich von Ihnen auch gerne wissen, wie Überschreitungen der Mengen in einem Sektor ausgeglichen werden sollen. Auch da kann ich nicht erkennen, dass Sie eine entsprechende Vorsorge betreiben.

   Es gibt noch einen anderen Punkt. Durch Ihre Verkehrspolitik wird kein reibungsloser Ablauf des Verkehrs ermöglicht; durch Ihre Verkehrspolitik werden Stauemissionen und Emissionen auf der Straße vergrößert. Das lässt sich alles im Einzelnen nachweisen. Wie sollen diese erhöhten Emissionen ausgeglichen werden? Ich sehe nicht, dass hierfür schon Abhilfe vorgesehen ist.

   Ich fasse zusammen. Lassen Sie uns die Diskussion in diesem Hause führen. Lassen Sie uns Antworten auf die Frage gemeinsam erarbeiten, wie wir im Falle einer wirtschaftlichen Erholung, im Falle von Existenzgründungen und bei der Erweiterung von Produktion verfahren.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Das wollen wir!)

Dazu gehört auch die Frage, wie es mit der Kernenergie weitergeht.

   Lassen Sie uns in Ergänzung dazu darüber diskutieren, wie wir auf die internationale Politik Einfluss nehmen können, damit das Kioto-Protokoll ratifiziert wird und in Kraft treten kann und wir die Instrumente Clean Development Mechanism und Joint Implementation nutzen können. Ich bin dafür, dass wir hier keine Caps setzen oder zumindest nur solche, die wesentlich oberhalb der derzeitigen Caps liegen. Ich glaube, das ist eine richtige Vorgehensweise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie vergeben sich nichts, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Wir können die Auseinandersetzung in der Sache führen, aber wir sollten sie hier und öffentlich führen. Wir sollten diese Diskussion nicht in die Arbeit von Kommissionen oder in die Verhandlungen einzelner Ministerien verlagern, wie es in anderen Politikbereichen - ich erinnere an den Nachhaltigkeitsrat - bedauerlicherweise der Fall ist.

   Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. Unsere Kooperation in dieser Grundsatzfrage ist Ihnen gewiss.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger (FDP))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Jürgen Trittin das Wort zu einer Kurzintervention.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gern - auch für diejenigen, die vorhin vielleicht nicht ganz richtig zugehört haben oder eventuell nicht da gewesen sind - das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe, weil mir sehr daran gelegen ist, die gemeinsame Kooperation an dieser Stelle zu pflegen.

(Birgit Homburger (FDP): Ach, seit wann das denn?)

   Die Bundesregierung wird Ihnen einen Gesetzentwurf zum Handel mit Emissionszertifikaten vorlegen,

(Tanja Gönner (CDU/CSU): Wann denn?)

der beinhalten wird, dass der Gesetzgeber über die wesentlichen Regeln - das ergibt sich übrigens schon aus dem Grundgesetz, Wesentlichkeitstheorie - bei der Verteilung der Emissionsrechte entscheidet und dass er eine Verordnungsermächtigung für die Einzelverteilung hat. Das ist, glaube ich, eine sinnvolle Arbeitsteilung. Insbesondere wird er den Gesetzgeber in die Lage versetzen, über die Verteilung auf die einzelnen Makrosektoren zu entscheiden. Ich wiederhole: Wir dürfen im Jahre 2010 - genauer gesagt, zwischen 2008 und 2012 - im Jahresmittel nicht mehr als 846 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Das ist kein erfundener Cap, das ist die absolute Grenze im Kioto-Protokoll, dem Sie und wir alle zugestimmt haben. Dieses Haus hat über die Verteilung der daraus resultierenden Emissionsreduktionen auf die einzelnen Sektoren der Gesellschaft zu entscheiden. Das wird der Punkt sein, über den der Bundestag zu entscheiden hat.

   Ich habe vorhin gesagt, um auf Ihren Zwischenruf zu antworten, liebe Frau Dött: Die Bundesregierung wird noch im Dezember nach der Anhörung der Verbände, die zurzeit stattfindet, also noch vor Weihnachten, über diesen Gesetzentwurf entscheiden und ihn Ihnen zuleiten. Wir werden ihn zustimmungsfrei gestalten. Wir werden ihn aber so gestalten, dass der Bundesrat in der Sitzung im Februar seine Stellungnahme dazu abgeben kann. Ich vermute, es wird eine parallele Einbringung geben. Das heißt, die Beteiligungsrechte des Bundestages und des Bundesrates sind in vollem Umfang erfüllt. Insofern können Sie sich jeden Verdacht sparen, wir wollten die Rechte des Parlaments einschränken. Wir sind in dieser Frage sehr an Ihrer Kooperation und konstruktiven Haltung interessiert.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Lippold, Sie haben die Chance zur Reaktion, bitte.

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU):

Herr Minister Trittin, ich habe Ihnen sowohl vorhin wie auch jetzt sehr aufmerksam zugehört und dabei ist mir aufgefallen, dass Sie eine Teilmenge meiner Fragen in die Parlamentsdiskussion einbeziehen wollen. Sie haben aber weder etwas zur Frage der notwendigen Reservebildung noch dazu gesagt, wie Sie die Abgrenzung zu anderen Instrumenten, die ich vorhin aus Zeitgründen nicht erwähnt habe, wie zum Beispiel Ökosteuer, KWK-Verpflichtungen und eine ganze Reihe anderer Fragen, regeln wollen.

   Uns geht es auch um diese Fragen, weil sie von genauso zentraler Bedeutung sind, gerade die Frage der Reservebildung. Wenn wir uns darauf einigen könnten, Herr Trittin, dass Sie auch diese Punkte mit in das Gesetz aufnehmen, ist das etwas anderes. Wenn diese Punkte jedoch außen vor bleiben sollten, bleibt unser Antrag nach wie vor aktuell.

   Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Ulrich Kelber, SPD-Fraktion, das Wort.

Ulrich Kelber (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist Spitzenreiter beim Klimaschutz und wir müssen auch einfach einmal selbstbewusst sagen: Kein anderes großes Industrieland hat ähnliche Erfolge beim Klimaschutz vorzuweisen wie Deutschland. Wir haben unsere Verpflichtungen aus den internationalen Klimaschutzvereinbarungen schon fast erfüllt. Dabei ist die Erreichung der Ziele in diesen Vereinbarungen erst für das Jahr 2010 vorgesehen und wir haben noch sieben weitere Jahre vor uns, in denen wir erfolgreich Politik machen können.

   Zunehmend zeigt sich, dass Klimaschutz eben nicht nur ein moralisches und ökologisches Erfolgsthema für Deutschland ist, sondern dass Klimaschutz auch ein wirtschaftlicher Knüller für unser Land ist. Wir verkaufen weltweit die Technologien für Emissionsminderung, für Energieeffizienz und für erneuerbare Energien. In all diesen Bereichen sind wir seit 1998 Weltmarktführer geworden. Eine kleine Anlehnung an die vorherige Debatte: Wenige Monate vor dem Regierungswechsel im September 1998 hatte der letzte Hersteller von Solarzellen das Land verlassen, weil die Politik der Vorgängerregierung aus CDU/CSU und FDP keine Grundlage mehr bot, hier mit der Herstellung von Technologien für erneuerbare Energien Geld verdienen zu können.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

   Außerdem werden die deutschen Firmen, die am Emissionshandel teilnehmen werden, ab dem Jahr 2005 an Firmen in anderen EU-Ländern Emissionsrechte verkaufen dürfen, weil die Firmen in anderen EU-Ländern ihre Klimaschutzvereinbarungen nicht eingehalten haben. Klimaschutz ist damit zum Innovationsmotor für Deutschland geworden; gerade der Emissionshandel zeigt dies.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Kelber, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grill?

Ulrich Kelber (SPD):

Ja, selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte, Herr Grill.

Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU):

Herr Kollege Kelber, Sie haben eben gesagt, dass vor dem Regierungswechsel die letzten Solarzellenhersteller das Land verlassen haben. Ist Ihnen bekannt, dass der damalige Bundesforschungsminister Rüttgers sowohl in Nordrhein-Westfalen, in Gelsenkirchen, als auch in Bayern mithilfe von Bundesmitteln zwei Solarzellenfirmen mit auf den Weg gebracht hat und bei der Grundsteinlegung anwesend war? Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die alte Bundesregierung zwei Solarzellenfabriken in Deutschland initiiert hat?

Ulrich Kelber (SPD):

Zunächst weiß ich, dass Jürgen Rüttgers der Minister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie war, der als Erster in der Geschichte der Republik die Mittel für diesen Etat gekürzt hat, was danach wieder geändert wurde.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Aber Herr Kelber, die Frage ist doch richtig, die er gestellt hat!)

   Entscheidend ist aber die Frage, welchen Stand wir auf dem Weltmarkt im Jahre 1998 hatten und welchen wir heute haben. Damals lagen wir bei der Photovoltaik am Ende der Skala. Heute sind wir hinter den Japanern die Nummer zwei.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Weil diese Fabriken vor allem mit öffentlichen Mitteln gebaut worden sind!)

Bei den anderen Technologien sind wir vorne. Der entscheidende Punkt ist dabei. Es wird ein marktwirtschaftliches Instrument angewandt; die Investitionen tragen nämlich heute die Unternehmen selbst.

(Beifall bei der SPD - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Zu kurz gesprungen, Herr Kelber!)

   Der Bundestag debattiert heute ausführlich über einen ganz bestimmten Aspekt des Emissionshandels: über den nationalen Allokationsplan. Der Bundestag zeigt damit - das ist wichtig -, für wie wichtig er die Maßnahme des Emissionshandels im Rahmen des Klimaschutzes hält; denn er ergänzt andere erfolgreiche Maßnahmen. Ich nenne als Beispiele die Förderung der erneuerbaren Energien, die Energieeinsparverordnung und die Ökosteuer.

   Wir können festhalten: Deutschland ist heute beim Klimaschutz auf einem guten Weg. Wir werden alle internationalen Vereinbarungen voll erfüllen. Dabei sollten wir uns nicht davon abbringen lassen, bereits jetzt über neue, noch ehrgeizigere Ziele für die Zeit nach 2010 nachzudenken.

   Durch den Verkauf von Klimaschutztechnologie und von Emissionsrechten wird der Emissionshandel für Deutschland zum wirtschaftlichen Gewinn. Voraussetzung ist ein vernünftiges Emissionshandelssystem innerhalb der EU. Es ist vor allem wichtig - Herr Lippold hat dies angesprochen; dies ist ein Nachklapp aus einer Debatte der letzten Woche -, bei der Anrechnung von Billigstmaßnahmen im Ausland, die den Klimaschutz zu Hause ersetzen sollen, eine Obergrenze einzuhalten. Diese Obergrenze wollen CDU/CSU und wohl auch - wenn ich an den damaligen Applaus denke - die FDP streichen, obwohl sich alle Umweltgruppen, die meisten Wirtschaftsverbände, die Wissenschaft, die Mehrheit des Bundestages, die Gesamtheit des Bundesrates sowie die Bundesregierung für die Beibehaltung dieser Obergrenze aussprechen - und dies aus guten Gründen: Die Aufhebung dieser Obergrenze wäre schlecht für den Klimaschutz und für unsere Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn dann könnten sich die Klimasünder in Europa, die bisher nichts getan haben, billig davonstehlen, anstatt mit den gleichen Technologien arbeiten zu müssen, mit denen wir unsere Erfolge an dieser Stelle erreicht haben. Auch diese Wahrheit gehört zur Debatte über den nationalen Allokationsplan.

   Man kann nach außen eine gewisse Beruhigung hinsichtlich Ihres Planes signalisieren: Gott sei Dank haben ihn Ihre eigenen Parteifreunde im Bundesrat bereits abgelehnt.

   Die nationalen Regeln des Emissionshandels bestimmt der nationale Allokationsplan: Welcher Sektor der Volkswirtschaft soll welche Verpflichtungen übernehmen? Mit welchen Klimaschutzprogrammen sind diese Ziele real hinterlegt? Welche Vorgaben erhalten die einzelnen Branchen? Dabei muss man immer berücksichtigen, welche Emissionsminderungen sie physikalisch wirklich noch herausarbeiten können. Wie sieht nach Bedarfs- oder Effizienzgrad die Erstausstattung betroffener Anlagen aus? Wie wird mit dem Atomausstieg umgegangen? Wie sieht es mit einer Reserve aus? Wie wird mit neuen Anlagen umgegangen, wie mit Stilllegungen? Welchen Schutz bekommen getätigte Investitionen?

   All das müssen wir am Ende im nationalen Allokationsplan regeln.

(Birgit Homburger (FDP): Nicht nur da! Das müssen wir auch im Gesetz regeln!)

Damit wird der Klimaschutz Bestandteil von Börsenbewertungen und Bestandteil der Finanzrechnung von Unternehmen.

   Wenn wir sagen, der Emissionshandel mache Deutschland zu einem wirtschaftlichen Gewinner, dann wird der nationale Allokationsplan natürlich darüber entscheiden, welche Branchen innerhalb Deutschlands zu den Gewinnern gehören und welche Branchen besondere Anstrengungen unternehmen müssen.

   Deswegen muss der nationale Allokationsplan selbstverständlich im Parlament beraten und beschlossen werden: seine Eckpunkte, die wichtigsten Regelungen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

An dieser Stelle gibt es aus meiner Sicht keinen Unterschied zwischen den Meinungen von Abgeordneten der Koalition und der Opposition. Vielen Dank, Herr Bundesminister, dass Sie klargestellt haben, dass die Kernpunkte des nationalen Allokationsplans, dass die wesentlichen Regelungen in einem Gesetz festgelegt werden, das im Parlament beraten wird. Sie sind damit nicht nur der antragstellenden Opposition entgegengekommen, sondern auch den eindringlichen Forderungen der Koalitionsabgeordneten.

(Marie-Luise Dött (CDU/CSU):
Stimmen Sie jetzt unserem Antrag zu?)

   Dass die Regelungen des nationalen Allokationsplans als Gesetz diskutiert werden, hat aber nicht nur mit dem Selbstverständnis des Parlaments zu tun. Die Diskussion über den nationalen Allokationsplan ist auch der Augenblick, wo im Klimaschutz einmal Butter bei die Fische muss. An dieser Stelle kann man sich nicht mehr hinter Sonntagsreden verstecken.

   Die Klimaschutzvereinbarungen der Europäischen Union geben eine klare Obergrenze für die Emissionen eines jeden Staates vor. Diese Verpflichtung muss auf Sektoren aufgeteilt werden: private Haushalte, Wirtschaft, Verkehr, Energieerzeugung. Die vom Emissionshandel betroffenen Anlagen bekommen weitere Reduktionsziele vorgegeben; die anderen Sektoren müssen dann den Rest erfüllen. Damit das zu einem echten Ergebnis führt, müssen die Staaten ihre nationalen Allokationspläne von der Europäischen Union sozusagen genehmigen lassen. Hinter den Zielen müssen auch reale Programme stehen: kein Wolkenkuckucksheim, kein „Wir haben doch vor“, kein „Wir wollen doch fördern“, sondern ganz konkrete Programme, die bewertet werden können.

   Damit wird die Luft für die Klimasünder in der Europäischen Union dünner. Diese Verpflichtung zu konkreten Programmen und Zahlen hat aber auch für Deutschland Folgen. Jede Tonne CO2, die nicht in Industrie und Energieerzeugung eingespart werden soll, müssten private Haushalte und Verkehr zusätzlich erbringen. Schutzzäune, die die Opposition für bestimmte Industrien und Energieerzeuger aufstellen will, führen zu Mehrbelastungen anderer Unternehmen und der privaten Haushalte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wer den Vorschlag der Bundesregierung zur Aufteilung auf die Sektoren und Branchen ändern will, muss sagen, mit welchen Mitteln er das tun möchte und wen er mehr als vorher belasten will. Das ist das Schöne für die Koalition: Für die Opposition ist das Ende der Worthülsen in der Klimaschutzdebatte gekommen. Bisher haben Sie nämlich einfach alle konkreten Maßnahmen abgelehnt. Jetzt kommt diese neue Pflicht dazu. Ablehnen reicht nicht mehr. Jetzt braucht die Opposition eigene Vorschläge. Dann kann Herr Pfeiffer nicht noch einmal 14 Minuten von einem Thema zum anderen springen, ohne einen einzigen eigenen Vorschlag vorzutragen. Dann muss Butter bei die Fische.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Bei der Debatte über den nationalen Allokationsplan und die technischen Fragestellungen rund um den Emissionshandel darf man nicht vergessen: Der Emissionshandel ist kein Selbstzweck. Er ist ein Mittel, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Der Emissionshandel soll den Innovationsmotor Klimaschutz unterstützen. Der Emissionshandel sorgt dafür, dass Anstrengungen und Investitionen für den Klimaschutz sich noch schneller wirtschaftlich amortisieren. Dadurch bekommen verfügbare effiziente Technologien bessere Marktchancen.

   Ein einfaches Beispiel: Veraltete Kraftwerke werden durch den Emissionshandel für den Besitzer zu einer finanziellen Belastung. Die Investition in neue, effizientere Technologien lohnt sich. Also werden wir die Modernisierung schneller bekommen als ohne Emissionshandel. Das ist ein einfacher Vorteil, den man belegen kann.

   Da der Emissionshandel aber auch langfristige Perspektiven öffnet, wird sich die Entwicklung neuer Technologien beschleunigen - vorausgesetzt, Deutschland und die Europäische Union setzen sich auch für die Zeit nach 2010, nach 2012 anspruchsvolle Klimaschutzziele. Mit diesen neuen Technologien könnten wir erreichen, dass über Energieeinsparungen und den Ausbau erneuerbarer Energien die Strommenge ersetzt wird, die bis 2020 durch den notwendigen Ausstieg aus der Atomenergie wegfallen wird. Die Modernisierung des Kraftwerksparks und ein klimafreundlicherer Verkehr ermöglichen weitere Emissionsminderungen.

Zwei Punkte, die in der Energiedebatte fast schon wieder in Vergessenheit geraten sind, nämlich „Negawatt statt Megawatt“ und Least-Cost-Planning, werden mit dem Emissionshandel zu einer Renaissance finden. Sie waren gute Instrumente und sind in einer rein an Betriebskosten - nicht volkswirtschaftlichen Kosten - orientierten Debatte fast in Vergessenheit geraten.

   Voraussetzung für diese positive Vision von einer energieeffizienten Zukunft sind weitere ambitionierte Ziele im Klimaschutz für die Zeit nach 2010. Nur wenn die Marschrichtung klar ist, kann die Effizienzrevolution auch kommen. Wir brauchen quantitative Ziele für die Jahre 2020 und 2050 und auch für das Jahr 2100. Deswegen ist es richtig, sich eine Emissionsminderung bei den Treibhausgasen um 40 Prozent bis zum Jahre 2020 vorzunehmen, wenn sich gleichzeitig die EU auf einen Senkung um 30 Prozent einlässt. Es ist keine Zeit, bis 2010 abzuwarten. Es ist aber der neue Trend der Opposition, zu sagen: Wir warten einmal ab. Klare Vorgaben zum richtigen Zeitpunkt sind die beste Methode, die Effizienz aus der Industrie, aus den privaten Haushalten und aus der Forschung herauszukitzeln.

   Wir sind in der Lage, die Emissionen bis zum Jahre 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Wir sind in der Lage, noch in diesem Jahrhundert vollständig auf eine Solarwirtschaft umzusteigen. Das ist nicht nur ökologisch vernünftig. Spätestens seit dem Bericht der Enquete-Kommission wissen wir, dass dies auch wirtschaftlich für Deutschland eine riesige Chance bietet: neue Produkte, neue Dienstleistungen und damit auch neue Jobs durch den Klimaschutz.

(Beifall bei der SPD)

   Für diese Ziele brauchen wir einen funktionierenden Emissionshandel, aber auch ergänzende Maßnahmen, so etwa den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier haben wird die Weltmarktführerschaft gewonnen und die lassen wir uns auch nicht wieder nehmen.

   Auch im Verkehrsbereich müssen wir weitere Fortschritte erzielen. Wir sind das erste Industrieland, das es in den letzten drei Jahren geschafft hat, den Trend hin zu immer mehr CO2-Emissionen im Verkehr zu stoppen und umzudrehen. Jetzt aber kommt die große Herausforderung durch die EU-Osterweiterung mit dem zusätzlichen Güterverkehr auf uns zu. Gerade in diesem Zusammenhang ist es eine Ungeheuerlichkeit, dass sich die europäischen Automobilhersteller von ihrer Selbstverpflichtung zum Klimaschutz verabschieden wollen. Nach meiner Information stehen an der Spitze übrigens die deutschen Automobilbauer.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn diese Selbstverpflichtung nicht eingehalten wird, muss aus meiner Sicht eine gesetzliche Obergrenze für den Flottenverbrauch her. Wenn sich die Automobilindustrie von dem Klimaschutzziel verabschieden will, können wir das nicht akzeptieren. Wir können die bisher im Verkehrsbereich erzielten Erfolge beim Klimaschutz nicht wieder zunichte machen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Für die Zeit nach 2010 müssen wir uns um neue internationale Ziele im Klimaschutz bemühen. Es reicht nicht, allein nationaler Vorreiter zu sein. Eine stärkere Einbeziehung der Schwellen- und Entwicklungsländer ist nur dann möglich, wenn wir im eigenen Land mit gutem Beispiel vorangehen. Dafür sind ein konsequenter nationaler Allokationsplan und ein funktionierendes Emissionshandelssystem eine gute Voraussetzung. Wir brauchen allerdings auch andere Maßnahmen. Für diese anderen konkreten Maßnahmen wünsche ich mir das gleiche Engagement der Opposition wie beim nationalen Allokationsplan und beim Emissionshandel.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über ein ganz zentrales Instrument des Klimaschutzes: über den Emissionshandel und damit verbunden über den nationalen Allokationsplan. Am Beginn einer solchen Debatte steht immer die Frage nach Zielen. Herr Kelber, Sie haben völlig Recht, wenn Sie sagen, wir müssten uns ehrgeizige Ziele setzen. Ich möchte Sie aber auf eines hinweisen: Wir, die FDP-CDU/CSU-Koalition, haben uns in der Klimapolitik ehrgeizige Ziele gesetzt und damit die Klimapolitik in Deutschland angeschoben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich möchte Ihnen sehr deutlich sagen: Wir halten am nationalen Emissionsminderungsziel von 25 Prozent bis zum Jahre 2005 fest.

(Ulrich Kelber (SPD): Mit welchen Maßnahmen unterlegt?)

Wir halten auch am europäischen Klimaschutzziel und am europäischen Burden-Sharing fest. Sie können sich nicht hier hinstellen und en passant sagen: Dieses Ziel wird erreicht, deswegen setzen wir jetzt neue Ziele. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Ihnen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mehrfach - zuletzt in diesem Jahr - deutlich gesagt hat, dass Sie das nationale CO2-Minderungsziel nicht erreichen werden.

(Beifall bei der FDP)

Bevor Sie über neue Ziele reden, reden Sie erst einmal darüber, wie Sie die jetzigen Ziele erreichen wollen. Da ist noch sehr viel zu tun. Angesichts dessen kann man nur feststellen, dass Sie die ganze Diskussion und vor allen Dingen die Notwendigkeit, dafür in Deutschland Regelungen zu schaffen, schlicht verschlafen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir haben im Deutschen Bundestag den Emissionshandel mehrfach diskutiert, nicht aber auf Antrag von SPD und Grünen und auch nicht deswegen, weil diese glorreiche Bundesregierung irgendetwas vorgelegt gehabt hätte; wir haben über diese Fragen im Wesentlichen deshalb diskutiert, weil die FDP-Bundestagsfraktion mehrere Anträge dazu vorgelegt hatte. Daher werden wir das Emissionshandelsgesetz, das Sie jetzt im Deutschen Bundestag vorlegen wollen, ganz intensiv und kritisch begleiten. Wir nehmen uns das Recht dazu heraus, weil wir die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag sind, die schon vor Jahren einen Antrag vorgelegt hatte, in dem vorgeschlagen wurde, wie die Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft beim Klimaschutz mit dem internationalen Emissionshandel verknüpft werden kann. Damals haben wir Sie aufgefordert, beizeiten die nötigen Regelungen zu schaffen. Sie haben es nicht getan. Deswegen sind wir jetzt unter Druck und in Schwierigkeiten.

(Ulrich Kelber (SPD): Wir sind nicht in Schwierigkeiten!)

Trotzdem werden wir uns jetzt daran beteiligen und uns das Recht herausnehmen, Herr Kelber, an den Stellen, an denen die Vorlage nichts taugt, es auch deutlich zu machen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber (SPD): Und Gegenvorschläge zu machen!)

   Es spricht Bände, dass der Herr Bundesminister Trittin in dieser Debatte nicht ans Rednerpult tritt. Er hat sich hier in einer kurzen Erklärung dahin gehend geäußert, er wolle die Rechte des Parlaments schon irgendwie wahrnehmen. Wenn man aber die Rechte des Parlaments wahrnehmen will, meine Damen und Herren von der Koalition, dann muss man den Gesetzentwurf rechtzeitig vorlegen. Sie wissen, dass bis Ende dieses Jahres das Gesetz beschlossen sein muss. Bis heute ist es weder im Kabinett beschlossen noch dem Deutschen Bundestag vorgelegt. Wir sollen bis Ende März nächsten Jahres den Allokationsplan zu Ende beraten haben. Dafür fehlt aber die Grundlage, das Gesetz. Deswegen sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Sorgen Sie dafür, dass die Vorlage schnell eingebracht wird, damit wir wirklich genug Zeit haben, darüber zu diskutieren. Nur dann werden die Rechte des Parlaments tatsächlich wahrgenommen werden können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Der nationale Allokationsplan ist das Herzstück dieses Emissionshandels. In ihm geht es um die Anfangszuteilung von Emissionsrechten; insofern ist er für die Anlagen betreibenden Unternehmen von zentraler, herausragender Bedeutung. Daher ist die Feststellung in dem Antrag, den wir heute diskutieren, zutreffend, dass die erforderlich werdende staatliche Zuteilung von Emissionsrechten sowohl die Freiheit der Berufsausübung als auch das Grundrecht auf Eigentum wesentlich berührt. Die Forderung, bei so weit reichenden Eingriffen die Parlamente maßgeblich einzubeziehen, ist meines Erachtens selbstverständlich. Das betrifft sowohl die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages als auch die der Länderkammer, des Bundesrates. In diesem Punkt teilt die FDP die Einschätzung des vorliegenden Antrages.

   Allerdings ist die Schlussfolgerung, die daraus gezogen wird, dass der nationale Allokationsplan als formelles Gesetz rechtlich eigenständig ausgestaltet werden solle, meines Erachtens nicht zwingend; darüber sollten wir noch einmal reden. Dabei ist es hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, worum es bei dem nationalen Allokationsplan geht: um die konkrete Festlegung der Zuteilungsmengen für jede einzelne der 4 000 bis 5 000 Anlagen in Deutschland, um die Spezifizierung bestimmter Technologien, um die rechtsverbindliche Beschreibung von Tätigkeiten in Bezug auf Neuanlagen und Anlagenerweiterungen, um Regelungen zu Anlagenstilllegungen und Ersatzanlagen, über die Kostenpflichtigkeit der Zuteilung und ihre nachträgliche Korrektur sowie ihre Überführung in die nachfolgende Zuteilungsperiode und vieles andere mehr. Ich habe dies deswegen hier aufgezählt, weil ich deutlich machen will, dass es sich um die Festlegung einer Fülle technischer Details handelt. Hier wäre nach meiner Meinung die Rechtsverordnung der Weg, der für solche Dinge aus guten Gründen üblicherweise gewählt wird.

   Deshalb schlagen wir vor, diese Details auch im Rahmen einer Rechtsverordnung zu regeln. Das muss aber noch lange nicht am Parlament vorbeigehen. Wir haben sowohl im Abfallrecht als auch nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz heute schon die Möglichkeit, bei Verordnungen eine Zustimmungspflicht von Bundestag und Bundesrat vorzusehen. Dafür haben wir beispielsweise in § 48 b Bundes-Immissionsschutzgesetz ein Verfahren festgelegt, das hier Anwendung finden könnte. Wir wollen also eine Beteiligung des Parlaments, aber es muss nicht unbedingt im Rahmen eines Gesetzes sein, wie es von der CDU/CSU vorgeschlagen wurde.

(Beifall bei der FDP)

   In höchstem Maße ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung nach wie vor kein Gesetz zum Emissionshandel eingebracht hat. Wir sind spät, eigentlich schon zu spät dran. Die Wirtschaft wird sich nicht mehr darauf einstellen können. Ein großes Problem ist vor allem, dass im Referentenentwurf eines Emissionshandelsgesetze, der bekannt wurde - ein Gesetzentwurf liegt dem Deutschen Bundestag noch nicht vor -, eine Regelung zu wesentlichen Fragen bisher schlichtweg fehlt.

   Ich nenne einige Beispiele: Es muss eine Regelung in das Emissionshandelsgesetz aufgenommen werden, die die Vorausleistungen der deutschen Wirtschaft im Klimaschutz bei der Zuteilung der Emissionsrechte berücksichtigt. Wir brauchen eine Regelung der Frage, wie Neuanlagen, die nach 2005 in Betrieb gehen, behandelt werden sollen. Es bedarf im Gesetz auch einer grundsätzlichen Regelung der Frage einer nationalen Reserve bei den Emissionshandelsrechten. Das sind die Punkte an denen sich entscheidet, ob das Emissionshandelsgesetz ein Erfolg oder ein Desaster werden wird. Regelungen hierzu fehlen zurzeit und sind auch nicht vorgesehen. Wir fordern, sie aufzunehmen; Art. 80 des Grundgesetzes erfordert das geradezu. Der Referentenentwurf von Minister Trittin wird sowohl den rechtlichen Grundsätzen wie auch den inhaltlichen Notwendigkeiten in dieser Hinsicht in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Bei der Ausgestaltung des Gesetzes ist natürlich auch die Frage der Mitwirkungsrechte der Länder zu klären. Wir müssen darüber nachdenken, wer den Emissionshandel in Deutschland vollziehen soll, also ob es einen Zentralvollzug des Emissionshandels gibt oder einen Vollzug, an dem die Länder beteiligt sind. Das ist eine Fachfrage, die sehr intensiv diskutiert werden muss. Denn es kann nicht sein - das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich -, dass die Handelsrechte vom Bund vergeben werden und die Länder den Vollzug vorzunehmen haben. Wenn es dann nämlich zu Streitigkeiten und womöglich zu Klagen kommt, sind die Länder die Beklagten. Eine solche Konstruktion halte ich für nicht akzeptabel und für unfair.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich freue mich auf die inhaltliche Diskussion über Fachfragen. Ich hoffe, dass die Verantwortung, die hierbei besteht, von allen Fraktionen im Deutschen Bundestag gleichermaßen wahrgenommen wird. Wir müssen dieses Thema im Parlament beraten. Auch könnte das Parlament mal wieder einen Änderungsantrag formulieren.

(Ulrich Kelber (SPD): Das wäre schön!)

Das haben wir lange Zeit nicht mehr gemacht. Sie von Rot-Grün sind nämlich dazu übergegangen, alles, was die Bundesregierung einbringt, im Schweinsgalopp durchzuwinken, ohne darüber nachzudenken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das können wir uns bei einer solch zentralen Frage nicht leisten.

   Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass der Emissionshandel ein Erfolg wird, wenn er entscheidend zur Reduzierung von CO2-Emissionen in Deutschland und der Welt sowie zur Realisierung von Kostensenkungspotenzialen im Klimaschutz beitragen soll. Wenn wir das schaffen, haben wir ein großes Ziel erreicht. Das müssen wir aber auch erreichen; denn wenn dieses Instrument durch Missmanagement dieser Regierung an die Wand gefahren wird, dann stehen wir klimapolitisch ziemlich nackt da.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Kritik an der Sprache beginnen, die an uns alle gerichtet ist. Wenn man die Debatte verfolgt, dann hört man Begriffe wie Allokation, Innovation, Effizienz, Grenzkosten, Mikroplan oder Makroplan. Wir müssen aufpassen, dass wir dieses Thema so darstellen, dass die Öffentlichkeit es nachvollziehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn wenn es um Klimaschutz geht, ist es wichtig, zu erklären, warum wir diese Regelungen vorsehen und welche Ziele wir damit verfolgen. Das darf man nicht vergessen; denn sonst gleitet diese Diskussion in eine Technokratendiskussion ab, die vielleicht nur eine Hand voll Leute verfolgen kann, die aber niemanden wirklich noch erreicht.

   Wir unternehmen diese Anstrengung, weil Klimaschutz eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit und ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit ist und weil die Kosten unterlassenen Handelns im Klimaschutz wesentlich größer sein können, als wir alle erwarten. Das sind die Motive.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir unternehmen diese Anstrengung aber auch, weil wir glauben, dass ökologischer Strukturwandel ein wichtiger Beitrag zur Lösung unserer wirtschaftlichen Probleme und der Beschäftigungsprobleme ist. Wir in der Bundesrepublik, wir in Europa müssen zeigen, dass wirtschaftliche Prosperität auf der einen Seite und das Verfolgen ökologischer Ziele auf der anderen Seite Hand in Hand gehen können. Dafür ist der Emissionshandel ein ganz wichtiger Beitrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir tun das übrigens auch, weil das ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit ist. Das knüpft ein wenig an das an, was Uli Kelber gesagt hat. Es geht natürlich darum, dass man auf dem internationalen Parkett bei den Klimaverhandlungen und anderswo wirklich nur dann glaubwürdig agieren kann, wenn man seine Hausaufgaben erledigt und zeigt, dass es geht. Dieser Zusammenhang ist ganz klar.

   Bei aller Freundschaft zum CDM und zur Joint Implementation, also dem Recht, die Maßnahmen auch außerhalb des Landes durchführen zu können, ist zu sagen: Es ist schön und gut, dass man flexibel ist, wichtig ist aber, dass wir zeigen, dass es geht, dass wir unsere technologische und ökonomische Kompetenz in dieser Richtung weiterentwickeln und dass wir keinen Innovationsdruck aus dem Kessel herausnehmen, sondern ihn aufrechterhalten. Das ist der Sinn und Zweck des Emissionshandels.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich komme zum Verfahren. Frau Kollegin Homburger, ich muss schon sagen: Das, was Sie sagen, ist einfach nicht richtig. Das Europaparlament hat im Juli in abschließender Lesung entschieden. Seit Oktober ist es in Kraft. Wenn ich es richtig sehe, haben wir jetzt November. Das heißt, die Bundesregierung ist bei der Bearbeitung rasend schnell.

(Birgit Homburger (FDP): Aber nicht in der Vorbereitung!)

Es ist allerdings ganz klar, dass wir ein Dilemma haben: Die Exekutive muss handeln - es geht um die Erarbeitung eines nationalen Allokationsplans -, ohne dass es dafür eine Grundlage gibt, nämlich ein Gesetz, legislatives Handeln. Dieses Defizit werden wir sehr bald beheben. Ich gehe davon aus, dass das Kabinett im Dezember beschließen wird und dass wir uns, nachdem wir wieder zusammengekommen sind, im Januar oder Februar mit dem Thema beschäftigen können. Insofern kann man hier überhaupt nicht den Vorwurf erheben, das Verfahren werde verschleppt oder es sei zu langsam. Es ist ganz wichtig zu sagen: Wir sind in time.

   Ich komme zu den Zielen. Bei dem Beitrag des Kollegen Paziorek in der letzten Debatte habe ich eine gewisse Inkonsistenz festgestellt. Einerseits haben Sie gesagt, wir brauchten endlich ein Konzept, das weit über den Tag hinausweist, damit alle Investoren Planungssicherheit haben. Dazu kann ich nur sagen: Jawohl, das dauert aber; hierfür muss man eine Perspektive von 20, 30 oder auch 50 Jahren ins Auge fassen. Andererseits haben Sie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz beklagt, dass man sich auf gar keinen Fall Ziele über das Jahr 2010 hinaus vornehmen sollte.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Für die erneuerbaren Energien!)

Das passt einfach nicht zusammen, das ist nicht logisch.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Das passt gerade zusammen!)

   Deswegen sagen wir: Wir brauchen mittel- und langfristige Ziele - zum Beispiel die Reduktion bis zum Jahre 2020 um 40 Prozent -, damit wir ein klares Investitionsfenster haben. Das ist der Korridor, in dem Investitionen getätigt werden können und auch willkommen sind. Das ist unsere Botschaft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mit den langfristigen Zielen stehen wir keineswegs alleine. Großbritannien hat sich vor kurzem das Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2050 60 Prozent seiner Emissionen zu reduzieren. Das ist ein ganz zentraler Punkt.

   Ich gebe Ihnen allerdings Recht: Mit dem Verweis auf morgen und übermorgen kann man nicht begründen, weshalb man die Ziele von heute leider nicht erreichen kann. Wir müssen aufpassen, dass wir uns kurz-, mittel- und langfristige Ziele setzen. Wenn wir bestimmte Ziele, wie zum Beispiel das 2005-Ziel, nicht erreichen - es sieht ja danach aus, dass wir vielleicht bei 20 Prozent und nicht bei 25 Prozent liegen werden -, dann müssen wir genau analysieren, warum das so ist und was geändert werden muss, damit wir den Zielen näher kommen.

   Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der FDP, um einmal ganz ehrlich zu sein: So ganz glaube ich Ihnen Ihre Krokodilstränen bezüglich des Verfehlens des 25-Prozent-Ziels nicht. Sie haben gegen die ökologische Steuerreform, gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz, gegen das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien, gegen das 100 000-Dächer-Programm bei der Photovoltaik, gegen das Altbausanierungsprogramm und gegen das KWK-Gesetz gestimmt. Das passt nicht zusammen. Man kann nicht einerseits über das Verfehlen des Ziels klagen und andererseits immer fordern: weniger, weniger, weniger. Sie haben hier eine echte Glaubwürdigkeitslücke. Das haben Sie bei der letzten Wahl ja auch gemerkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich komme jetzt zu einem Aspekt, der mir sehr wichtig ist. Ich glaube, dass der Emissionshandel ein wunderbarer Beitrag auch zum Bürokratieabbau ist, wenn wir ihn richtig aufziehen; das ist ganz zentral. Beim Emissionsschutzrecht und der ganzen Bürokratie können wir zu deutlichen Reduzierungen kommen, wenn wir in den Emissionshandel einsteigen; das muss man einmal sagen. Wir können die Ziele ökologische Effizienz und Bürokratieabbau gut miteinander verbinden.

   Beim Emissionshandel reduziert der Staat seine Rolle im Prinzip darauf, die Ziele zu setzen und den Rahmen vorzugeben. Innerhalb dieses Rahmens sind die Akteure bei der Entscheidung, wie sie diese Ziele erreichen, vollständig frei. Der Staat kommt am Anfang, wenn er die Emissionsrechte ausgibt, und am Ende vor, wenn er schaut, ob die Ziele auch tatsächlich erreicht worden sind. All das, was dazwischen stattfindet, also Handel, Zertifizierung und verschiedene Dienstleistungsaktivitäten, sind neue Wirtschaftsaktivitäten, aus denen sich der Staat völlig heraushält. Ich glaube, das passt sehr gut in die aktuelle Debatte über Bürokratieabbau. Vor allen Dingen entstehen auch viele neue strategische Geschäftsfelder.

   Ich komme jetzt zu dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Ich kann ganz klar sagen: Zu 50 Prozent können wir ihm zustimmen und zu 50 Prozent nicht.

(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Geben Sie sich doch einmal einen Ruck!)

Wir können dem Antrag der CDU/CSU in dem Punkt zustimmen, dass Sie ein transparentes Verfahren unter größtmöglicher Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit fordern.

Wir brauchen im Gesetz eine Festlegung der Ziele und der Prinzipien. Das unterstützen wir. Wir wollen vor allen Dingen auch, dass die Umweltverbände in diesem Dialogprozess in angemessener Weise berücksichtigt werden; denn sie besitzen sehr große Kompetenz. Darum geht es uns. Dazu können wir uneingeschränkt Ja sagen.

   Den Teil jedoch, in dem Sie fordern, dass der nationale Allokationsplan im Parlament behandelt werden soll, können Sie nicht ernst meinen. Es geht hier um Emissionsrechte für 5 000 Anlagen. Wir sind keine Beamte, sondern Politiker. Unser Werkzeug ist das Argument, nicht der Rechenschieber. Darüber möchte ich hier im Parlament im Einzelnen wirklich nicht diskutieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich komme kurz zu einzelnen Punkten. Erstens. Unsere Position ist, angemessene absolute Reduktionsziele kurz- und mittelfristig umzusetzen. Ich habe schon gesagt, es muss erkennbar sein, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.

   Zweitens. Wir erwarten von der Industrie, dass sie die zugesagte Reduktion des Kohlendioxidausstoßes von 45 Millionen Tonnen bis 2010 gegenüber 1998 tatsächlich erbringt. Wir haben immer klar gemacht: Die Industrie muss sich keine Sorgen machen. Im Rahmen des Emissionshandels verlangen wir von der Industrie nicht mehr als das, was sie im Zuge der freiwilligen Selbstverpflichtung in der ersten Verpflichtungsperiode bis 2010 zugesagt hat. Wir halten unser Wort. Wir erwarten aber von der Industrie, dass auch sie ihr Wort hält. Das ist eindeutig.

   Es darf nicht zu einer Querabwälzung kommen. Die Industrie darf ihre Kosten nicht anderen aufbürden, sodass den privaten Haushalten und dem Verkehr überproportionale Kosten entstehen. Es muss schon eine gewisse intersektorale Gerechtigkeit herrschen. Dafür werden wir uns einsetzen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie das berücksichtigt.

   Drittens. Natürlich muss es einen Reservefonds geben; das ist völlig klar. Es wird hoffentlich neue Akteure und neue Unternehmen geben. Aufgrund der Konjunktur und des Strukturwandels entstehen viele Unwägbarkeiten. Insofern brauchen wir einen Reservefonds. Wir betrachten es jedoch nicht als Aufgabe des Staates, diesen Reservefonds bereitzustellen, sondern dieser muss aus dem gesamten Emissionsbudget aufgebracht werden. Am Ende des Tages wird sowohl im Rahmen der EU-Lastenteilung, des Burden Sharing, als auch des Kioto-Protokolls abgerechnet, um zu sehen: Was haben wir insgesamt erreicht? Wir können nicht einfach Geld zur Verfügung stellen; das geht nicht. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen berühmten Oggersheimer Philosophen zitieren: Entscheidend ist, was hinten herauskommt. Genau das ist die Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD))

   Wichtig sind für uns auch Privilegien für die Kraft-Wärme-Kopplung; denn sie ist mit die effizienteste Form der Energieerzeugung. Das heißt, wir wollen bei der Kraft-Wärme-Kopplung eine wie auch immer geartete Form der Bonuszuteilung. Für die Kernenergie lehnen wir eine pauschale Kompensation ab. Es kann nicht sein, dass den Unternehmen der Kernenergieausstieg extra bezahlt wird.

   Vor allen Dingen wollen wir - das sagte ich schon - den Emissionshandel mit Bürokratieabbau verbinden, also weniger Ordnungsrecht und mehr moderne effiziente Umweltinstrumente mit einem größtmöglichen Freiheitsgrad für die Akteure zur Erreichung der Ziele. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen werden. Ich freue mich, dass die Opposition hier Zusammenarbeit signalisiert hat.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Marie-Luise Dött (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden bald eine neue Währung bekommen, eine Währung für den Klimaschutz, eine Währung für Kohlendioxidemissionen. In wenig mehr als einem Jahr wird der europaweite Emissionshandel auch in Deutschland Wirklichkeit. Die Einführung dieser neuen Klimaschutzwährung ist in ihren Auswirkungen durchaus mit der Einführung des Euro vergleichbar. Immerhin steht uns ein grundlegender Systemwechsel bevor: vom traditionellen Ordnungsrecht hin zu einem marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrument.

Starttermin ist der 1. Januar 2005. Bereits vorher, schon in fünf Monaten, hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission den nationalen Allokationsplan vorzulegen. Es ist also langsam an der Zeit, die Bürger und vor allem die Unternehmen darüber zu informieren, was sie erwarten wird. Tatsächlich aber ist genau das Gegenteil der Fall: Es macht sich gerade bei der Bundesregierung und im Umweltministerium erschreckende Ahnungslosigkeit breit. Bisher hat das Umweltministerium lediglich einen Referentenentwurf für das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz vorgelegt. Doch in diesem Gesetz steht nichts Substanzielles. Die wesentlichen Punkte werden auf den wenigen Seiten, die der Entwurf umfasst, nicht angesprochen.

   Der Gesetzentwurf trifft keine Aussage zur Berechnung der zuzuteilenden Zertifikatmengen, keine Aussage zur Einbeziehung von Vorleistungen, keine Aussage zur Kostenpflichtigkeit der Zuteilung, keine Aussage zu Anlagenerweiterungen, keine Aussage zu Anlagenstilllegungen,

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Was sagt er denn überhaupt?)

keine Aussage zu Neuanlagenzulassungen und auch keine Aussage zu Reservebildungen und Puffern.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Steht überhaupt was drin?)

- Wenig. - Stattdessen finden sich in nur 23 Paragraphen insgesamt zehn Verordnungsermächtigungen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh, sehr gut!)

   Auch das Herzstück der nationalen Umsetzung, die Regeln der Allokation, sollen in einer Rechtsverordnung und nicht in einem Gesetz stehen. Herr Trittin, ich verstehe, dass Sie die alleinige Entscheidungsgewalt in Ihrem Haus behalten wollen. Sie umgehen damit aber die Beteiligung des Parlaments.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Praxis ist verfassungsrechtlich bedenklich. Namhafte deutsche Verfassungsrechtler stimmen mir in dieser Aussage zu, zum Beispiel Professor Eckard Rehbinder von der Universität Frankfurt. Es besteht die Gefahr, dass der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz der Anlagenbetreiber beschränkt wird, wenn die Zuteilungsentscheidung zunächst auf der Grundlage eines Planes und erst später als Verwaltungsakt getroffen wird.

   Wichtiger im Zusammenhang mit unserem Antrag erscheint mir jedoch die Entscheidung der Bundesregierung, auch die Regeln der Zuteilung ohne Beteiligung des Parlaments festzusetzen. Es ist Ausdruck unseres Rechtsstaatssystems, dass solche wesentlichen Entscheidungen durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber getroffen werden. Dieser Gedanke liegt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zugrunde.

   Der Grundsatz verlangt, dass sich das gesetzliche Programm nach Zweck, Art und Umfang aus der Verordnungsermächtigung ergibt. Um es einfacher zu sagen: Wenn ein Bürger in das TEHG schaut, muss er dem Gesetz entnehmen können, mit welcher Tendenz und mit welchem Inhalt das Bundesministerium für Umwelt von der Befugnis Gebrauch machen kann, den nationalen Allokationsplan zu erstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Unter diesem Gesichtspunkt birgt die Verlagerung der Regelungsgewalt auf die Exekutive zweierlei Probleme. Zum einen kommt der angesprochene Systemwechsel im TEHG nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. Zum anderen ist aus dem Gesetzentwurf nicht zu erkennen, wie die Frage der Zuteilung der Zertifikate durch den Verordnungsgeber angegangen werden soll. Das Gesetz lässt also völlig offen, wie der nationale Allokationsplan aussehen soll. Die zentralen Fragen der Erstzuteilung, der Behandlung von early actions und des Marktzugangs für Neuanlagen sind in dem Entwurf zum TEHG nicht hinreichend bestimmt.

   Da keine aussagekräftigen Kriterien genannt werden, ist nicht erkennbar, in welcher Richtung die Regelung durch das Umweltministerium erfolgen soll. Dabei entscheidet der nationale Allokationsplan über Wohl und Wehe der betroffenen Unternehmen. Er legt fest, welches Unternehmen wie viele Zertifikate bekommt. Damit werden den Betrieben wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten direkt zugestanden oder aber auch versagt.

   Wir fordern Sie daher auf, die wesentlichen Fragen der nationalen Ausgestaltung nur mit Beteiligung des Parlaments zu treffen. Sie, Herr Minister Trittin, scheinen auch so langsam zu dieser Einsicht zu kommen. Der von der Rechtsprechung entwickelte Wesentlichkeitsgrundsatz verpflichtet Sie dazu. Verlagern Sie die wesentlichen Entscheidungen nicht auf die Verordnungsebene, sondern gestalten Sie den nationalen Allokationsplan als formelles Gesetz!

   Ich bin gespannt auf Ihren Gesetzentwurf, den Sie für Dezember angekündigt haben. Aber erlauben Sie mir, in dieser Sache sehr skeptisch zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker von der SPD-Fraktion.

Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD):

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich suche zunächst einmal nach den gemeinsamen Punkten. Das heutige Beratungsziel ist die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse. Darin sind wir uns sicherlich einig. Dieses Ziel werden wir erreichen. Das ist schon einmal ein gutes Symbol.

   Darüber hinaus - das sehe ich ähnlich wie Herr Loske - sind wir uns darüber einig, dass das Parlament intensiv beteiligt werden muss. Eine andere Frage ist, ob wir großen Spaß daran finden, über 5 000 oder 6 000 einzelne Anlagen zu beraten und in das Feilschen über die Startlizenzen einzutreten. Das wäre ziemlich abwegig. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass dies das Ziel Ihres Antrags ist, Herr Dr. Paziorek.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Nein!)

Wenn das der Fall wäre, dann müssten wir darüber streiten. Denn es entspricht nicht dem, was wir im Bundestag mit der Klimapolitik beabsichtigen.

   Bei der Klimapolitik handelt es sich - das haben schon viele Redner festgestellt - um eine sehr langfristige Aufgabe. Sie erfordert eine größere Gemeinsamkeit und einen stärkeren Willen zur Gemeinsamkeit, als es bisher vielleicht zum Ausdruck gekommen ist. Unseren Enkeln wird es ziemlich egal sein, wer im Jahr 2003 im Bundestag die schönere Rede gehalten hat. Es wird ihnen aber sehr darauf ankommen, was in der Praxis wirklich geschieht.

   In einem solchen Zeitraum wechseln auch schon einmal die Mehrheiten. Man sollte nicht darauf bauen, dass sich eine bestimmte Doktrin 50 Jahre lang hält. Insofern ist auch Flexibilität erforderlich.

   Ich sehe den eigentlichen Charme des Emissionshandels darin, dass der Markt hinsichtlich der höchsten Effizienz immer wieder neu justiert werden kann. Es sind nicht ständig neue Entscheidungen notwendig. Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt die Logik des bisherigen Referentenentwurfs zum Teil darin, Frau Dött, dass nicht alles von vornherein festgelegt wird.

(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Aber die Unternehmen brauchen Planungssicherheit!)

- Für die Planungssicherheit ist der mit der Senkung der Emissionen auf 846 Millionen Tonnen CO2 eingezogene Deckel notwendig. Der Markt erlaubt keine wirkliche Planungssicherheit; das ist der Sinn der Marktwirtschaft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Eben!)

Darüber kann man sich nicht beim Ministerium beklagen.

   Ich bin aber sehr froh darüber, dass zum Beispiel Herr Lippold die Festlegungen durch das Kioto-Protokoll und die EU-Richtlinie ausdrücklich begrüßt hat, dass sich Herr Paziorek in der Diskussion zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt zum Anwalt der erneuerbaren Energien gemacht hat - das ist sehr erfreulich - und dass Frau Homburger die Rolle der FDP bei der Entwicklung des Grundgedankens des Emissionshandels herausgestellt und die Notwendigkeit der Effizienztechnologien und - im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien - auch der Speichertechnologien betont hat. Ich habe den Eindruck, dass es einen breiten Spielraum für eine Einigung gibt.

   Konkret werden wir den Antrag in den zuständigen Ausschüssen einschließlich des Umweltausschusses beraten. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Beratungen zu einer Stärkung des Parlaments in den Grundsatzfragen führen.

   Der Emissionshandel ist insgesamt ein Novum. Das hat Frau Dött sehr zutreffend dargestellt. Gleichzeitig stehen wir unter einem von außen erzeugten enormen Zeitdruck. Das impliziert für den Gesetzgeber und das Ministerium, sich zunächst pragmatisch auf das zu beschränken, was wenigstens einigermaßen einfach und durchschaubar ist. Darin liegt der Sinn des nationalen Allokationsplanes, den auch die anderen europäischen Länder erstellen müssen. Das stellt eine in pragmatischer Hinsicht unvermeidliche Selbstbeschränkung auf einen Bereich des Klimaschutzes dar, in dem man es mit wenigen großen Akteuren zu tun hat. 5 000 Akteure sind relativ wenig.

Auf die Dauer wird aber der Klimaschutz nicht kostengünstig möglich sein, wenn nicht auch die Millionen von kleinen Akteuren berücksichtigt werden, die bisher nichts von einer Verwirklichung des nationalen Allokationsplanes haben. Es muss den Bundestag auf die Dauer interessieren, wie wir den Strukturwandel über die großen Akteure hinaus ausdehnen und den Preis, der den CO2-Emissionen jetzt zugewiesen wird, transparent machen können. Das muss zum Teil mit anderen Instrumenten als mit einem nationalen Allokationsplan geschehen. Aber das muss jedenfalls im Visier der Energiepolitik sein.

   Heute früh ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir in diesem Jahrzehnt vor grundlegenden energiepolitischen Entscheidungen stehen und dass es in den kommenden Jahren - vielleicht anderthalb Jahrzehnten - notwendig sein wird, etwa 40 000 Megawatt der heutigen Kraftwerkskapazität zu ersetzen, weil zahlreiche Kraftwerke aus Altersgründen vom Netz genommen werden müssen. Die entscheidende Frage ist, wie diese Kapazitäten ersetzt werden sollen. Eine Möglichkeit ist - diese wird von den Kraftwerksbetreibern ständig propagiert -, effizientere Kraftwerke, zum Beispiel Gas-Dampf-Kombinationskraftwerke, zu bauen. Hier ist die Arena für den Emissionshandel nach dem nationalen Allokationsplan; das ist auch richtig so.

   Nach meiner Vision können so aber nur 40 Prozent der 40 000 Megawatt ersetzt werden. Weitere 20 Prozent kann man durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen abdecken; auch das ist in der Zielsetzung. Die restlichen 40 Prozent sollten durch die Steigerung der Endnutzereffizienz erzielt werden, die bisher kaum im Gespräch ist. Das betrifft also die Haushalte und den Verkehr. Natürlich sind die großen Energieverbraucher in Industrie und Gewerbe schon jetzt einbezogen. Wir müssen uns also zusätzlich in eine andere große Arena begeben, wenn wir die energiepolitischen Entscheidungen dieses Jahrzehnts mit Vernunft und einer langfristigen Zielsetzung angehen wollen.

   Ich glaube, es war Herr Kelber, der darauf hingewiesen hat, dass es nicht angeht, dass sich eine große Branche, die in Deutschland einiges Ansehen genießt, stillschweigend von einer Selbstverpflichtung verabschiedet. Das ruft den Gesetzgeber geradezu auf den Plan, nun endlich feste Rahmenbedingungen - auch um der Planungssicherheit willen - zu setzen; denn wir können es uns nicht leisten, noch in zehn Jahren eine Dinosaurierautomobilflotte und entsprechende Gebäude zu haben. Wir müssen jetzt in die Energie sparende Technologie einsteigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich freue mich sehr auf die Debatte über den im Grundsatz sehr vernünftigen Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf parlamentarische Beteiligung an der Erarbeitung eines nationalen Allokationsplans. Ich bin sehr erfreut und auch beruhigt über die Auskunft des Herrn Ministers, dass er selbstverständlich das Parlament, wie es sich gehört, im Zusammenhang mit der Ermächtigung für eine Verordnung in die Beratungen über den Entwurf eines Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes einbeziehen will.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Petzold von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ulrich Petzold (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider sind die Vorstellungen der Bundesregierung zur Umsetzung eines nationalen Emissionszuteilungsplanes - um das einmal so auszudrücken - noch sehr im Dunkeln und sorgen gerade in den neuen Bundesländern für erhebliche Unruhe. Immer wieder werden Fragen nach der Berücksichtigung von bereits erbrachten Emissionsminderungen, den so genannten early actions, und deren Vorhaltemöglichkeit an mich gerichtet.

   Wenn wir ohne Voreingenommenheit zurückblicken, dann stellen wir fest: Die beträchtlichen Minderungen beim CO2-Ausstoß, die Deutschland seit 1990 erreicht hat, wurden im Wesentlichen durch den schmerzlichen Umbau der Wirtschaft in den neuen Bundesländern erbracht.

(Ulrich Kelber (SPD): Richtig!)

Des Weiteren wurden dort Betriebe zum großen Teil nach dem neuesten Stand der Technik errichtet, sodass sie kaum noch über Minderungspotenziale bei Klimagasen verfügen. Durch eine restriktive Zuteilung von Emissionsrechten würde in den neuen Bundesländern ein Zustand verfestigt, der dort eine selbst tragende Wirtschaft auf Dauer verhindern und diese Länder zu dauerhaften Subventionsempfängern machen würde. Aus dieser Situation würden sie nicht wieder herauskommen.

   Es liegt bei der Zuteilung von Emissionsrechten daher im gesamtstaatlichen Interesse, die den Mitgliedstaaten von der Europäischen Union eingeräumten Ermessensfreiräume zu nutzen. Diese Freiräume bestehen zum Beispiel bei den als early actions bezeichneten Vorleistungen, bei einer für die wirtschaftliche Entwicklung notwendigen Zertifikatsreserve und beim Banking, also einem Ansparen von Emissionszertifikaten.

   Das Gutachten von Professor Arndt von der Universität Mannheim zeigt uns exemplarisch auf, wie weit wir bei der Gestaltung dieser verteilungspolitischen Aspekte in unseren nationalen Gesetzen und Verordnungen gehen können, um Verwerfungen in unserer Wirtschaft zu vermeiden.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): So ist es!)

Er greift unter anderem vier Problemfelder auf, auf denen sich die Bundesregierung im Hinblick auf ihr weiteres Handeln anscheinend noch unschlüssig ist und auf denen sie in streitiger Diskussion mit den betroffenen Ländern steht.

   Erstens. Der Zeitpunkt, ab dem early actions als Vorleistungen für den Klimaschutz angerechnet werden sollten, sollte sich eindeutig auf das Jahr 1990 beziehen. Wie könnte die Bundesrepublik eine CO2-Minderung bezogen auf das Jahr 1990 abrechnen, wenn man dieses Jahr nicht gleichzeitig als Basisjahr ihres nationalen Allokationsplanes festlegte?

   Zweitens. Professor Arndt fordert in seinem Gutachten geradezu einen Vertrauensschutz für early actions infolge der strikten Klimavorsorgeanforderungen in der Bundesrepublik an die Wirtschaft bereits seit Anfang der 90er-Jahre. Eine Gleichstellung von Vorreitern und Nachzüglern im Klimaschutz verbietet sich danach sogar in Anbetracht von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Eine Gleichbehandlung von Ungleichen würde jeden Vertrauensschutz und jede zukünftige Aktivität von Vorreitern torpedieren. Auch bereits erfolgte Stilllegungen müssten als Klimaschutzvorleistungen anerkannt werden, wenn Betreiber zukünftiger Stilllegungen mit ihren Zertifikaten handeln dürften. Im Zweifel müssten die Klimaschutzvorleistungen durch bereits erfolgte Stilllegungen einer Reserve der förderungsbedürftigen Länder zugeführt werden, die einer Ausstattung von Neuansiedlungen dient.

   Drittens. Ich trete der Auffassung energisch entgegen, dass beihilferechtliche Bestimmungen einer Zuteilung bei early actions entgegenstehen. Diese Zuteilungen erfolgen kostenlos und ohne Belastung des Staatshaushaltes. Damit sind wesentliche Voraussetzungen für die Bewertung als Beihilfe nicht gegeben. Außerdem bedeutet die Einführung des Zertifizierungsmodells für ein Unternehmen nicht von vornherein einen Vorteil, sondern ist eher eine Belastung, die von uns nicht künstlich zu einem Vorteil schöngeredet werden sollte.

   Viertens. Ein Banking, also eine Übertragung von Vorleistungen in eine nachfolgende Handelsperiode, sollte für uns - da es für spätere Phasen zwingend zugelassen wird - auch für den Übergang von der ersten zur zweiten Handelsperiode gelten. Es wäre unverständlich, wenn Unternehmen, die ihre Emissionen durch die Modernisierung von Anlagen um mehr als zwei Drittel gemindert haben, in ihrer Fähigkeit zum Wachstum gehemmt werden, indem sie für die Erweiterung ihrer Produktion nicht den Zeitraum nutzen können, der für sie wirtschaftlich am vorteilhaftesten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich hoffe, es wurde deutlich, dass wir Parlamentarier genauso wie die betroffenen Bundesländer auf unserer Beteiligung an der Umsetzung der Richtlinie bestehen müssen; ansonsten werden wir in der Folgezeit nur den Reparaturdienst im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu leisten haben.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Michaele Hustedt vom Bündnis 90/Die Grünen.

Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kanada hat verkündet, dass es aufgrund von Naturkatastrophen deutliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen musste. Mit Naturkatastrophen waren Dürren, Stürme und Katastrophen im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Fehlplanungen gemeint. Auch uns in Deutschland haben die Folgeschäden der Überschwemmungen und der Dürre getroffen. Diese Schäden sind wirtschaftlich keine Peanuts mehr, sondern kommen uns mittlerweile richtig teuer zu stehen.

   Wenn wir den Klimaschutz nicht ernst nehmen und wenn wir das Anwachsen des Treibhauseffekts nicht begrenzen können, dann hat das tatsächlich weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen und kann auch Wirtschaftssysteme sehr stark gefährden. Deswegen ist Klimaschutz keine grüne Spielwiese - wir machen das nicht, um Menschen zu ärgern -, sondern Klimaschutz ist eine objektive Notwendigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Hier wird immer Planungssicherheit eingefordert, speziell im Emissionshandel, aber auch allgemein für die Zukunft. Wer dies fordert, muss die Grünen unterstützen, wenn sie sagen: Wir brauchen neue Klimaschutzziele über das Jahr 2010 bzw. 2012 hinaus. Nur dann, wenn wir Klimaschutzziele festlegen, gibt es Planungssicherheit. Ansonsten wird aufgrund der geschilderten objektiven Notwendigkeit, die sich Bahn brechen wird, jede Regierung ruckartig handeln müssen und dann entsteht das Gegenteil von Planungssicherheit. Wer Planungssicherheit einfordert, der muss sich also auch dafür einsetzen, dass wir uns auf nationale und auf europäische Klimaschutzziele über die jetzt bestehenden hinaus verständigen.

   Die Basis dafür kann natürlich die objektive Notwendigkeit sein. Die objektive Notwendigkeit ist, bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 40 Prozent zu reduzieren.

   Über einen Eckpunkt haben wir vorhin schon diskutiert: Die erneuerbaren Energien sollen zukünftig 20 Prozent der Energieversorgung sicherstellen. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sehr notwendig ist, bis dahin eine absolute Energieeinsparung von mindestens 10 Prozent durchzusetzen. Wenn wir aus der Atomkraft ausgestiegen sein werden, wird für die fossilen Energieträger im Jahr 2020 ein Anteil von circa 70 Prozent bleiben.

   Das bedeutet: Wenn wir ambitionierte Klimaschutzziele durchsetzen wollen, dann müssen wir in dem Bereich eine drastische Effizienzsteigerung durchsetzen. Das entscheidende Instrument dafür ist der Emissionshandel. Jetzt müssen die Hälfte der Kraftwerkskapazitäten in Deutschland und 200 000 Megawatt in der Europäischen Union ersetzt werden. Da muss der Emissionshandel dafür sorgen, dass es im neuen Kraftwerkspark zu drastischen Einsparungen von CO2 kommt. Das ist auch möglich. Ersetzt man ein altes Kohlekraftwerk durch ein neues, kann man 30 Prozent CO2 einsparen. Ersetzt man ein altes Kohlekraftwerk durch ein Gaskraftwerk, kann man 50 Prozent CO2 einsparen. Ersetzt man ein altes Kohlekraftwerk gar durch ein Kraftwerk mit Auskopplung von Wärme, also durch ein Kraftwerk, bei dem man die Wärme für die Stromerzeugung nutzt, dann kann man 80 bis 90 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Das heißt, das Ziel 40 Prozent CO2-Reduktion, also Klimaschutz, und der Atomausstieg sind miteinander vereinbar.

   Wir brauchen eine Vielfalt der Technologien in Deutschland. Wir brauchen Deutschland als Schaufenster auch für den Export. Weltweit wird der Energieverbrauch um 30 Prozent steigen. Angesichts dessen sind Technologien gefragt. Es müssen moderne Technologien sein. Moderne Technologien sind Klimaschutztechnologien. Da wollen wir alles im Einsatz haben: die Kraft-Wärme-Kopplung, die Brennstoffzelle, die Mikroturbine, die Blockheizkraftwerke und die gesamte Palette der erneuerbaren Energien.

   Ein Problem wird sein, den Emissionshandel mit der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zu verzahnen. Auf gar keinen Fall darf es durch den Emissionshandel eine Benachteiligung der Kraft-Wärme-Kopplung geben. Was den Strom angeht, so sinkt der Effizienzgrad zwar etwas, insgesamt allerdings wird der Energieträger optimaler ausgenutzt.

   Eine spezielle KWK-Regelung ist unabdingbar. Sie muss Lösungen bringen, ohne dass es zu einer Überfrachtung des Systems kommt. Ein optimaler Weg wäre eine Befreiungsregelung für den Brennstoffeinsatz, der der Wärmeerzeugung zuzurechnen ist. Ob das im Rahmen der EU-Richtlinie machbar ist, muss man überprüfen.

   Wir werden uns das Ergebnis des Emissionshandels angucken und werden genau prüfen müssen, ob auch ein ausreichendes Signal gesetzt wird, Kraft-Wärme-Kopplung in diesem Land tatsächlich zu fördern. Wenn der Emissionshandel dazu nicht ausreicht, dann wird man nachgelagert im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz zusätzliche Anreize setzen müssen.

   Ich sage abschließend: Der Emissionshandel wird neben dem EEG zu einem zentralen Instrument werden, um eine zukunftsfähige Energieversorgung durchzusetzen. Zusammen mit dem Energiewirtschaftsgesetz bilden sie die drei zentralen Säulen einer zukünftigen Energieversorgung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Kurt-Dieter Grill von der CDU/CSU-Fraktion.

Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gerne die Gelegenheit nutzen, bevor ich mich mit dem nationalen Allokationsplan und der Klimapolitik im europäischen Kontext auseinander setze, hier festzuhalten, dass Sie, Herr Kelber, meiner Frage ausgewichen sind. Ich möchte hier auch für die Öffentlichkeit noch einmal deutlich machen, dass Ihre Behauptung, dass Produzenten von Solarzellen vor dem Regierungswechsel 1998 Deutschland den Rücken gekehrt haben, schlicht und einfach falsch ist.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Nein!)

Der damalige Minister Rüttgers hat nämlich noch kurz vor der Wahl die Grundsteinlegung von zwei Solarzellenfabriken begleitet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Der kennt Gelsenkirchen nicht!)

   Weiterhin haben Sie, Herr Kollege Kelber, auf die Erfolge der Klimaschutzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland abgehoben. Ich möchte Sie dabei auf folgende Dinge hinweisen:

   Erstens. An der Bilanz, die Sie jetzt vorlegen können, trägt die Klimaschutz- und Energiepolitik der Regierung Kohl und der CDU/CSU-FDP-Koalition einen erheblichen Anteil.

   Zweitens. Die internationalen Vereinbarungen, die die Grundlage für Kioto bildeten, sind eine Folge der international engagierten Entwicklungs- und Umweltpolitik von Helmut Kohl, Klaus Töpfer und Angela Merkel. Überhaupt nur auf diesen Fundamenten können Sie über heutige Erfolge in Deutschland reden. Sie bilden die Basis dafür, dass es überhaupt eine international verbindliche Klimaschutzpolitik geben kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD)

- Ich sage das nur deswegen, weil Sie hier immer den Eindruck zu erwecken versuchen, die Ära der erneuerbaren Energien und der Klimaschutzpolitik hätte 1998 begonnen.

(Ulrich Kelber (SPD): Es geht um heutige Politik!)

Wenn Sie das nicht ständig wider besseres Wissen wiederholten, bräuchte ich eine solche Bemerkung an dieser Stelle nicht zu machen.

   Drittens. Sie beklagen beredt die Haltung der europäischen Automobilwirtschaft und -industrie. Ich teile diese Einschätzung und kritisiere sie auch. Vielleicht setzen Sie aber an dieser Stelle einmal Ihren Autokanzler in Bewegung, der immer dann aufgetreten ist, wenn es darum ging, wirtschaftliche Belastungen von der Automobilindustrie fern zu halten. Das ist meine herzliche Bitte. Sie haben ja alle Möglichkeiten dafür, wenn ich mir bestimmte Habita des Herrn Bundeskanzlers anschaue.

(Zurufe von der SPD: Habita?)

   Viertens. Ich habe zwar eine Reihe von Argumenten für die Energiepolitik dieser Koalition und der Bundesregierung gehört, aber ein schlüssiges Konzept dazu, wie der Ausstieg aus der Kernenergie ökonomisch vernünftig und CO2-neutral durchgeführt werden kann, haben Sie auch heute hier nicht vorgetragen. Das können Sie nämlich nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   In dieser Woche sind 17 Milliarden für die deutsche Steinkohle auf den Tisch gelegt worden. Frau Hustedt hat hier über 70 Prozent fossile Kraftwerke - vorgestern waren es noch 80 Prozent - geredet. Ich bin ja durchaus der Meinung, dass das eine der Möglichkeiten ist, möchte dazu aber zwei Anmerkungen machen: Wenn diese Kraftwerke den Anteil der Kernkraftwerke kompensieren sollen, dann müssen Sie zunächst sagen, dass dadurch mehr CO2 ausgestoßen wird.

(Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nein!)

- Aber natürlich. - Weiterhin sollten Sie sich in dieser Bundesregierung dann dazu entschließen, gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen ein modernes, hocheffizientes Kohlekraftwerk zu bauen. Das müssen wir ja überhaupt erst einmal erproben, denn wir haben in Deutschland auf diesem Sektor sozusagen einen Negativtrend, weil es in Deutschland keinen Kraftwerkshersteller mehr gibt. Wir müssen daher erst einmal Technologien für hocheffiziente Kohlekraftwerke erproben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Haushalt sind für die Forschung zur Energiegewinnung aus Kohle nur 10 Millionen Euro vorgesehen. Das steht doch in keinem Verhältnis zu den 17 Milliarden Subventionen für die Steinkohle.

   Herr Minister Trittin sprach ja eben davon, dass seine Energiepolitik auf drei Säulen basiere: erneuerbare Energien, Einsparungen und Effizienzsteigerung. Ich will mich an der Stelle gar nicht mit der Frage der erneuerbaren Energien auseinander setzen, denn die Defizite Ihrer Politik liegen in den Punkten Effizienzsteigerung und Energieeinsparung. Das können Sie unter der Hand von jedem besseren Umweltverband in Deutschland hören.

   Ihr Kollege Müller hat vor dem Regierungswechsel 1998, als Sie noch in der Opposition waren, gesagt: Wenn wir an der Regierung sind, werden wir bis 2010 einen Rückgang der Emissionen um 30 Prozent erreichen; das schaffen wir locker. - Ihre Bilanz ist, gemessen an Ihren Ansprüchen und Versprechungen, jämmerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir müssen uns über die Förderinstrumente unterhalten. Die KfW-Programme werden nicht akzeptiert.

(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch! - Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt doch gar nicht! Das CO2-Minderungsprogramm wird akzeptiert!)

- Lieber Herr Loske, wir haben uns gerade, auch im Beirat der Dena, über den Erfolg dieser Dinge unterhalten. Denken Sie bitte auch an die Situation im Hausbau. Wir müssen über den Gebäudebestand reden - das will ich überhaupt nicht bestreiten - und sicherlich mehr tun, als wir bis 1998 gemacht haben; das gebe ich freimütig zu. Die Versuche unserer damaligen Umweltgruppe, etwas mehr zu machen, waren nicht von Erfolg gekrönt. Aber im Neubau setzen Sie - ich sage das nicht als Vorwurf; setzen wir, wenn Sie so wollen - die Energieeinsparverordnung nicht um. Nach den Untersuchungen zu diesem Bereich genügen maximal 40 Prozent der Neubauten dem Anspruchsbereich von Wärmeschutzverordnung und Energieeinsparverordnung. Deswegen müssen wir über das Ganze noch einmal nachdenken.

   Wir haben über den Export gesprochen. Gerade in diesen Tagen ist deutlich geworden, dass Ihre Exportpolitik gescheitert ist.

(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Wohl wahr! Wir konnten es nachlesen!)

Wir haben Ihnen von dieser Stelle aus gesagt, dass das, was Sie planen, zu bürokratisch ist und nicht greift. Ich kann nur sagen: Wer will, dass erneuerbare Energien und andere Technologien aus Deutschland Exportschlager seien, der muss auch die Weichen dafür stellen, dass diese in der Welt akzeptiert und gekauft werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Ulrich Kelber (SPD): Hören wir noch was zum Thema Ihres eigenen Antrags?)

- Ich bin dabei, mich mit Ihren Argumenten auseinander zu setzen, Herr Kelber. Wenn Sie das nicht gemerkt haben, kann ich nichts dafür.

(Ulrich Kelber (SPD): Es war ja Ihr eigener Antrag!)

- Zu diesem Antrag ist hier vieles gesagt worden. Ich setze mich mit Ihren Argumenten auseinander. Aber vielleicht können Sie das ja nicht ganz begreifen.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Sie haben ja etwas anderes beantragt!)

   Der Kioto-Prozess steht - deswegen ist es notwendig, dass wir uns im Parlament mit diesen Fragen auseinander setzen - möglicherweise vor dem Scheitern. Wenn aus den USA ähnliche Nachrichten gekommen wären, wie wir sie diese und letzte Woche aus Russland gehört haben, nämlich dass das russische Parlament das Kioto-Protokoll nicht ratifizieren will, dann hätten Sie sich heute Morgen an diesem Pult in Ihrer Kritik an Bush und den USA und der Verletzung der internationalen Verpflichtungen in der Klimapolitik überboten. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es bei der Frage, ob Russland das Kioto-Protokoll ratifiziert oder nicht, um mehr geht als um die Frage, ob ein Land ratifiziert: Es geht darum, ob diese Vereinbarung völkerrechtlich verbindlich wird oder nicht.

   Wenn wir in diesem Zusammenhang über die nationale Umsetzung europäischer Politik reden, müssen wir zwei Ereignisse berücksichtigen, die bedauerlicherweise passiert sind: Erstens. Auf dem deutsch-russischen Gipfel ist über das Kioto-Protokoll überhaupt nicht geredet worden. Zweitens. Wir haben mit Entsetzen festgestellt, dass Herr Berlusconi als Ratspräsident gegen alle Regeln verstoßen hat. Die Folge ist, dass in dem Protokoll von Russland und Europa das Wort Kioto überhaupt nicht auftaucht, geschweige denn die Ratifizierung dieses Protokolls durch Russland. Somit befinden wir uns in der katastrophalen Situation, dass wir zwar über eine Politik reden, die im Kern, auch bezüglich der marktwirtschaftlichen Komponenten, richtig angelegt ist - das will ich hier ausdrücklich betonen -, aber in eine Wettbewerbssituation geraten, die sich, angesichts der außenwirtschaftlichen Entwicklung, für die deutsche Wirtschaft negativ darstellt. Zudem wird dadurch auch die Frage der Entwicklungspolitik berührt; denn wenn das Kioto-Protokoll völkerrechtlich nicht verbindlich wird, werden Joint Implementation und CDM massiv berührt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Deswegen müssen wir von dieser Stelle aus die russische Regierung, aber auch unsere Kollegen in der russischen Duma nachhaltig auffordern, die Ratifizierung nicht zu verweigern. Russland braucht - das weiß ich aus persönlicher Erfahrung - einen solchen Strategiewandel, und zwar vor dem Hintergrund dessen, was hier vorgetragen worden ist, nur umgekehrt:

Die Russen haben offensichtlich geglaubt, sie könnten mit dem Verkauf von CO2-Emissionszertifikaten Geld verdienen. Jetzt aber gibt es in Russland Wirtschaftswachstum. - Eine Nebenbemerkung: Wenn wir das Wachstum hätten, von dem Sie träumen, dann müssten wir über eine ganz andere CO2-Bilanz in diesem Lande reden. - Aufgrund ihres Wachstums benötigen die Russen ihren Emissionsanteil selber und können daher mit dem entsprechenden Handel von Zertifikaten kein Geld mehr verdienen.

   Wenn Joint Implimentation und CDM als ein Element der kostengünstigeren Emissionsbeseitigung ausfallen, dann schaffen wir ein ökonomisches Problem, was die Kosten der CO2-Politik in der Europäischen Union angeht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es war deshalb ausgesprochen gut, Herr Kollege von Weizsäcker, dass Sie deutlich gemacht haben, dass es zu einem Dialog im Umweltausschuss und in den anderen Gremien des Deutschen Bundestages kommen wird. Ich kann nur hoffen, dass unser Antrag die Basis dafür ist, das Parlament in dieser Frage angemessen zu beteiligen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Rolf Hempelmann von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Einzige, der Vorschusslorbeeren kriegt!)

Rolf Hempelmann (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Man kann zum Ende dieser Debatte feststellen, dass sie - das gilt zumindest für den Zeitraum bis zur Rede des Kollegen Kurt-Dieter Grill -, weitgehend sachlich verlief. Viele haben sogar zum Thema gesprochen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Auch ich will das versuchen und deshalb eine Änderung im Stil im Vergleich zum letzten Redebeitrag einführen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Emissionshandel ist in der Tat ein völlig neues Instrument, das eine sehr große Chance bietet. Wenn dieses Instrument gut entwickelt wird - der Allokationsplan, über den heute gesprochen wird, ist da natürlich eine ganz entscheidende Weichenstellung -, dann haben wir eine große Chance, dass es ein sehr integratives Instrument sein kann. Ich jedenfalls glaube, dass wir im weiteren Verlauf - nicht am Anfang des Prozesses der Entwicklung dieses Instrumentes - die Möglichkeit haben, unser gesamtes energiepolitisches Instrumentarium daraufhin zu überprüfen, inwieweit nicht manches in Zukunft durch den Emissionshandel erledigt werden kann, was bisher mithilfe von Einzelinstrumenten erledigt werden musste.

   Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass die SPD-Bundestagsfraktion einer Aufforderung, die von anderen Fraktionen gelegentlich an sie gestellt wurde, nachgekommen ist und eine energiepolitische Agenda formuliert hat. Damit wird der Versuch unternommen, die verschiedenen energiepolitischen Themen und Herausforderungen der nächsten Zeit miteinander zu verbinden und daraus ein ganzheitliches Konzept zu machen.

(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Das ist eine sinnvolle Geschichte! Sehr gut!)

   Dass wir im Instrument des Emissionshandels auch die Chance sehen, Themen miteinander zu verbinden, sehen Sie daran, dass der Emissionshandel in diesem Papier eine besondere Erwähnung findet. Ich will die entsprechende Stelle, die Ihre Forderung aufgreift, einmal vorlesen:

Bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Handel mit Treibhausgasemissionen werden wir die mit den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls ermöglichten kostengünstigen CO2-Minderungsstrategien mit industrie- und strukturpolitischen Wertschöpfungsaspekten verbinden. Wir werden dieses potenziell hocheffiziente Instrument so einsetzen, dass gleichzeitig auch standortpolitische Aspekte sowie die nationalen Vorleistungen berücksichtigt und internationale Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Dabei ist sicherzustellen, dass der Emissionshandel mit den weiteren existierenden bzw. vorgesehenen nationalen und internationalen Klimaschutzmaßnahmen so harmonisiert wird, dass ein optimaler Beitrag zur Bewältigung der globalen Aufgabe des Klimaschutzes geleistet wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, hieran wird deutlich, dass vieles von dem, was von den verschiedenen Fraktionen zu Recht angesprochen worden ist, auch von uns als Aufgabe im Rahmen des Emissionshandels und seiner Entwicklung gesehen wird.

Ich freue mich im Übrigen - auch das darf ich hier sagen -, dass auch der Koalitionspartner, die Grünen, ein Energiekonzept entworfen und in dieser Woche verabschiedet hat. Wir können dort, wie ich gehört habe, eine Vielzahl an Schnittmengen entdecken und werden versuchen, daraus etwas Gemeinsames zu entwickeln.

   Das Bundeswirtschaftsministerium hat uns gestern im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages mitgeteilt, dass auch die beiden bei Energiefragen federführenden Häuser, also das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium, sich über ein gemeinsames Energiekonzept abstimmen werden. Damit entspricht diese Bundesregierung einer lange formulierten Forderung sowohl aus dem Parlament als auch aus dem außerparlamentarischen Raum. Ich freue mich sehr darüber.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Emissionshandel soll die Kosten für den Klimaschutz, insbesondere in den Industrieländern, deutlich verringern. Das ist der eigentliche Grund, warum die Industrieländer, federführend die USA, dieses Instrument sozusagen erfunden haben. Und es ist schon interessant, dass auch große transnationale Konzerne dieses Instrument seit Jahren entwickeln und konzernintern ausprobieren. Wenn der Vorstand von BP Deutschland im Rahmen einer Sitzung des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages sagt, der Emissionshandel „erbringt klimapolitische Effizienz im volkswirtschaftlichen Schongang, spürbarer Klimaschutz zu spürbar geringeren Kosten“, sollte uns das jedenfalls insgesamt zuversichtlich stimmen und uns veranlassen, dieses Instrument jetzt auch bei uns zu entwickeln.

   Einige Redner haben darauf hingewiesen, dass wir im Zusammenhang mit dem Emissionshandel auch Joint Implementation und Clean Development Mechanisms integrieren müssen. Ich denke, das ist in der Tat auch eine große Chance dieses Instrumentes. Es ist eben nicht nur ein nationales, sondern es ist ein international angelegtes Instrument.

   Schon im Zusammenhang mit dem klassischen Umweltschutz kennen wir die Grenzkostenproblematik und wissen, dass die Vermeidung der letzten Prozente in der Größenordnung von Mikro- oder Nanogramm zu immensen Kosten führt. Insofern ist es sinnvoll, dass wir im Rahmen dieses Instruments auch die Chance suchen, eine Kostenoptimierung dadurch zu erzielen, dass wir insbesondere CO2-Reduzierungen dort vornehmen, wo sie kostengünstig zu erreichen sind.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt allerdings nicht, dass wir uns im nationalen Rahmen vor notwendigen CO2-Reduzierungen drücken dürfen. Diese beiden Dinge müssen zusammengebunden werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Einige Stichworte, die ich noch aufgreifen will, sind von verschiedenen Rednern aller Fraktionen hier ebenfalls genannt worden. Ich denke, es ist von zentraler Bedeutung, dass bei der Umsetzung des Allokationsplans eine ausgewogene Makro- und Mikroallokation gelingt. Ich will hier auch deutlich sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Parlament insbesondere bei der Makroallokation ein deutliches Wort mitzureden haben. Deswegen begrüße ich ausdrücklich die heutige Ankündigung von Minister Trittin, dass auch die Regierung die Auffassung teilt, insbesondere die wesentlichen Regeln des Emissionshandels seien durch den Gesetzgeber, also durch uns, zu definieren. Ich denke, das ist eine berechtigte Forderung, in der sich die Fraktionen in keiner Weise voneinander unterscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Emissionshandel und mit dem jetzt vorzulegenden Allokationsplan eröffnen wir vor allen Dingen Chancen für die deutsche Wirtschaft. Natürlich sind wir in einer Phase offener Fragen. Es gibt zurzeit den Dialog innerhalb der Branchen und den Dialog der Branchen mit der Bundesregierung. Sicherlich gibt es auch unterschiedliche Interessen innerhalb der deutschen Wirtschaft. Wer in Veranstaltungen, etwa mit dem BDI, über den Emissionshandel redet, spürt das. Es gibt nicht das homogene Interesse daran, wie denn der Emissionshandel und der Allokationsplan zu organisieren sind. Es geht hier um Verteilung.

Deshalb gilt, was der Kollege Kelber eben gesagt hat: Wer dann, wenn ein Vorschlag zum Allokationsplan vorliegt, anderer Auffassung ist, muss nicht nur sagen, wo er jemanden entlasten will, sondern muss auch sagen, wo er dann belasten will. Das ist eine Forderung, die nicht nur den Koalitionsfraktionen, sondern allen Mitgliedern dieses Hauses gilt. Ich denke, das macht die Diskussion im Deutschen Bundestag in den nächsten Monaten besonders spannend.

   Die Opposition ist hier zu konstruktiver Mitarbeit aufgefordert. Ein bloßes Nein reicht nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube aber, in dieser Debatte einige Stimmen gehört zu haben, die deutlich machen: Es gibt - jedenfalls in Teilen der Opposition - durchaus Bereitschaft zur Mitarbeit.

   Abschließend ein Wort zu Russland: Es ist richtig, dass wir Besorgnis darüber haben müssen, dass in Russland - jedenfalls zurzeit - keine Bereitschaft zu erkennen ist, das Kioto-Protokoll und die Energiecharta zu unterzeichnen. Auch die deutsche Bundesregierung ist gefordert, im Dialog mit Russland deutlich zu machen, dass wir eine bestimmte Erwartung an Russland haben. Aber genauso falsch wäre es, daraus abzuleiten, dass wir im Deutschen Bundestag so lange die Hände in den Schoß legen, bis dieses Problem gelöst ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine „Arbeitsniederlegung“ im Deutschen Bundestag hilft uns in dieser Sache überhaupt nicht weiter.

   Insoweit ist es begrüßenswert, dass jetzt ein Entwurf vorliegt und wir bald sehr konkret über den Emissionshandel und den Allokationsplan in Deutschland diskutieren können.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1791 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 75. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 14. November 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15075
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