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15. Wahlperiode
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   73. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 07. November 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der FDP-Fraktion „Aktionsplan für freie, effiziente und innovative Forschung“ - Drucksache 15/1932 - zu erweitern. Der Antrag soll in Verbindung mit Tagesordnung 16 beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

- Drucksache 15/1880 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister Peter Struck das Wort.

Dr. Peter Struck, Bundesminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Eindämmung des internationalen Terrorismus ist auf absehbare Zeit die zentrale sicherheitspolitische Herausforderung aller Demokratien. Deutschland muss und will dazu weiterhin einen Beitrag leisten. Dieser Beitrag umfasst übrigens weit mehr als nur den Einsatz militärischer Mittel.

   Seit Ende 2001 befindet sich die Bundeswehr gemeinsam mit Verbündeten und Partnern im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Ohne das Engagement von rund 50 Nationen im Rahmen der Operation Enduring Freedom wäre der Kampf gegen den internationalen Terrorismus zum Scheitern verurteilt. Unsere Soldatinnen und Soldaten können schon jetzt eine beeindruckende Leistungsbilanz vorlegen.

   Die deutschen See- und Seeluftstreitkräfte waren während des gesamten vergangenen Jahres am Horn von Afrika und vor der Küste Somalias im Einsatz. Schiffe und Boote unserer Marine sind auch im östlichen Mittelmeer und seit dem 1. Oktober dieses Jahres in der Straße von Gibraltar eingesetzt. Wir haben dort in hohem Maße dazu beigetragen, den Seeraum zu überwachen, Handelsschiffe vor terroristischen Angriffen zu schützen, Aktivitäten terroristischer Gruppierungen aufzuklären, den Terroristen die Rückzugsgebiete zu verwehren und ihre Nachschub- und Transportwege zu versperren.

   Bis zum 15. September dieses Jahres waren Teile des Kommandos Spezialkräfte gegen versprengte Reste von Kämpfern der al-Qaida-Organisation und der Taliban in Afghanistan eingesetzt. Wir haben während jeder Stunde der zurückliegenden zwölf Monate den Airbus A310 sowie die notwendigen Sanitätskräfte für die notfallmedizinische Evakuierung in Bereitschaft gehalten. Bis zum 2. Juli dieses Jahres haben wir ein Kontingent von ABC-Abwehrkräften in Kuwait stationiert, das den Nukleus zur Fähigkeit zur Reaktion auf terroristische Angriffe mit A-, B- oder C-Waffen nicht nur auf amerikanische Verbündete bildete.

   Unsere Soldatinnen und Soldaten haben durch professionelles Auftreten auch international höchstes Ansehen gewonnen. Sie verdienen für ihre hervorragende Arbeit Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ausdruck dieser Wertschätzung des deutschen Beitrages und der deutschen Bundeswehr ist zum Beispiel die Übertragung des Kommandos über eine Taskforce 150 der Marinekräfte vor dem Horn von Afrika, das wir von Mai bis September wahrgenommen haben.

   All dies macht deutlich: Wir haben uns der Verantwortung zur Bekämpfung der Geißel des Terrorismus gestellt - aus Solidarität gegenüber der internationalen Gemeinschaft, gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse. Denn eines bleibt klar: Der Terror bedroht auch uns. Wir haben jedoch immer betont, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht allein und schon gar nicht ausschließlich eine militärische Aufgabe ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Christian Ruck (CDU/CSU))

Unser militärischer Beitrag ist nur ein Teil eines umfassenden politischen Ansatzes, der politische, wirtschaftliche, finanzielle, soziale und auch polizeiliche Elemente einschließen muss. Nur mit einem solchen Ansatz kann es gelingen, die Arterien des Terrorismus abzubinden und illegale Finanzströme, Handel mit Waffen, Sprengstoff und Drogen, aber auch die Migration von Terroristen und ihren extremistischen Auftraggebern zu bekämpfen. Nur mit einem solchen Ansatz können wir die Lebensbedingungen des Einzelnen verbessern und ihm soziale und wirtschaftliche Perspektiven eröffnen, um damit die Hinwendung zum Terrorismus zu verhindern. Auf diese Weise bekämpfen wir den Terrorismus langfristig am wirkungsvollsten, entziehen ihm seinen Nährboden und den Terroristen ihre Rekrutierungsbasis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Die nachhaltige Bekämpfung des Terrorismus ist eine komplexe Aufgabe; aber es gibt bereits sichtbare Erfolge. In den Ländern am Horn von Afrika hat die Präsenz auch der deutschen Marineeinheiten stabilisierende Wirkung entfaltet. In Afghanistan tragen die Bemühungen um den politischen und infrastrukturellen Wiederaufbau erkennbar Früchte. In Schulen wird unterrichtet; auch Mädchen werden unterrichtet. Krankenhäuser werden aufgebaut; die Wasser- und Stromversorgung wird wieder instand gesetzt. Der Prozess des Aufbaus staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen gewinnt an Momentum. Die Vorbereitungen für die Loya Jirga in Afghanistan schreiten voran. Der vorliegende Entwurf einer Verfassung für dieses Land ist ein weiterer großer Schritt nach vorn.

   Doch wir wissen, der Kampf gegen den Terrorismus ist noch längst nicht gewonnen. Ungeachtet aller Fortschritte ist die Befriedung Afghanistans noch nicht dauerhaft gesichert. Die Feinde der Freiheit gruppieren sich neu, die Gefahr eines Rückschlages ist immer noch akut. Es gilt, die erfolgreichen Stabilisierungsbemühungen auch auf Regionen außerhalb Kabuls auszudehnen und die Durchsetzungsfähigkeit der Zentralregierung gegenüber regionalen Machthabern zu ermöglichen.

   Welche Gefahren und Risiken dort, aber auch anderswo nach wie vor lauern, hat das Selbstmordattentat auf den Omnibus der Bundeswehr bei ISAF gezeigt, bei dem am 7. Juni in Kabul vier Bundeswehrsoldaten ihr Leben verloren haben, was uns schmerzlich die Gefahren nach wie vor bewusst gemacht hat. Das Attentat von Casablanca im Mai dieses Jahres und der Anschlag auf ein Hotel in Jakarta im August sind weitere Beispiele für die anhaltende Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Im Irak scheinen internationale Terroristen bei einer Vielzahl von verbrecherischen Anschlägen gegen UN-Organisationen, gegen amerikanische Streitkräfte und gegen irakische Einrichtungen zunehmend eine Rolle zu spielen. Jedes dieser Attentate zeigt: Das Netzwerk des Terrors ist weiterhin weltumspannend aktiv.

   Vor diesem Hintergrund hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Zuge der Erweiterung des Mandates der internationalen Schutztruppe für Afghanistan vor wenigen Wochen erneut zum Ausdruck gebracht, dass er alle internationalen Bemühungen zur Beseitigung des Terrorismus unterstützt. Dabei bleibt der Einsatz militärischer Mittel nach wie vor unverzichtbar.

   Deutschland wird weiterhin ausgewählte militärische Fähigkeiten dafür bereitstellen. Der Beitrag bleibt erforderlich, um flexibel und schnell auf wechselnde Einsatzerfordernisse bei der gemeinsamen Bekämpfung des internationalen Terrorismus reagieren zu können. Allerdings umfasst das Mandat, über das wir heute entscheiden, keine deutschen ABC-Abwehrkräfte mehr.

   Die bisherige Personalobergrenze wird von maximal 3 900 auf 3 100 Soldaten gesenkt. Wir passen damit unsere Kräfte den gegenwärtigen Erfordernissen an.

   Ich will hinzufügen, dass die Frage, warum das Mandat in diesem Umfang von der Bundesregierung beschlossen worden ist, offenbar in den Fraktionen - auch in den Oppositionsfraktionen - diskutiert wird. Ich will darauf eine Antwort geben. Wir haben uns einen Rahmen gesetzt. Innerhalb dieses Rahmens haben wir bestimmte Kräfte beschlossen. Dazu gehört Medevac, also die Bereitschaft, an jedem Ort der Erde sehr schnell Ärzte und Sanitäter einzusetzen. Dazu gehören die Unterstützungskräfte, Pioniereinheiten und vieles anderes mehr.

   Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir hier eine flexible Grenze haben, die es uns ermöglicht, auch auf Situationen reagieren zu können, von denen wir nicht erwarten, dass sie eintreten - wir hoffen, dass das nicht der Fall sein wird -, bei denen wir aber auch nicht ausschließen können, dass sie eintreten. Diese Obergrenze ist erforderlich, meine Damen und Herren.

   Das entspricht im Übrigen auch dem Vorgehen der Vereinigten Staaten von Amerika, die den Einsatz von ABC-Abwehrkräften der internationalen Antiterrorkoalition zur Hilfeleistung nach terroristischen Angriffen in Kuwait beendet haben. Ich darf daran erinnern, dass wir in Kuwait ein gemeinsames Kommando mit Tschechien und den USA hatten. Dieses Kommando ist auf Wunsch der Amerikaner aufgelöst worden, weil es für sein Fortbestehen keinen Grund mehr gab.

   Der durch den Einsatz bedingte Finanzaufwand beläuft sich bei einer angenommenen durchschnittlichen Stärke von 710 Soldaten in den kommenden zwölf Monaten auf insgesamt 150 Millionen Euro. Diese werden aus vorhandenen Ansätzen im Einzelplan 14 finanziert. Dafür ist sowohl im Haushaltsjahr 2003 als auch im Haushaltsentwurf 2004 Vorsorge getroffen.

   Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat von Anfang an die Auffassung vertreten, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus das Engagement und Zusammenstehen aller zivilisierten Staaten erfordert. Nur gemeinsam besteht eine Chance, erfolgreich zu sein.

   Die Risiken, die für Soldatinnen und Soldaten im Einsatz bestehen, sind beträchtlich, wie wir auch für unsere Bundeswehr leidvoll erfahren mussten. Umso wichtiger ist, dass sich die Bundeswehr bei allen Auslandseinsätzen einer breiten parlamentarischen Unterstützung gewiss sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte sehr darum, dass dieser Gesichtspunkt auch bei der in der nächsten Woche zu treffenden Entscheidung des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gebracht wird.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Andreas Schockenhoff, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der umfassende Ansatz zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist richtig. Die Operation Enduring Freedom hat bereits Erfolge gezeitigt. In Afghanistan sind die Taliban vertrieben worden. Vor kurzem ist ein Verfassungsentwurf vorgelegt worden. Im nächsten Jahr sollen Wahlen stattfinden.

   Aber die militärische Absicherung dieses Prozesses ist weiterhin unverzichtbar. Wir hätten nicht vor vierzehn Tagen eine Ausweitung der ISAF-Mission in die Region Kunduz beschließen können, wenn dieser umfassende, auch militärische Schutz nicht gegeben gewesen wäre.

   Wir hatten im vergangenen Jahr bei der Verlängerung des Mandats einen Disput darüber, ob es um den Kampf gegen den Terrorismus oder um den Kampf gegen Massenvernichtungswaffen geht. Herr Minister Fischer, Sie haben damals gesagt: Der Irak hat nichts mit Terrorismusbekämpfung zu tun. Dabei geht es um Massenvernichtungswaffen. Wir haben eine andere Prioritätensetzung.

   Unabhängig davon, wie wir das seinerzeit bewertet haben - wir sind zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen -, glaube ich, dass aus heutiger Sicht niemand mehr sagen würde, dass es im Irak nicht auch um den Kampf gegen den Terrorismus geht. Ich glaube, man kann auch nicht sagen, dass Massenvernichtungswaffen nichts mit dem Terrorismus zu tun haben.

   Sie nehmen zwar bei der Fortsetzung des Mandats die 800 ABC-Abwehrkräfte heraus.

Das könnte uns zu dem Schluss verleiten, dass Massenvernichtungswaffen keine Gefahr mehr darstellen. Aber im Irak gab es Massenvernichtungswaffen. Sie wurden gegen die eigene Bevölkerung und gegen Nachbarstaaten eingesetzt. Der Irak hat nach eigenen Angaben über biologische und chemische Kampfstoffe verfügt. Die Tatsache, dass diese bisher nicht gefunden wurden, bedeutet nicht, dass keine Gefahr durch Massenvernichtungswaffen mehr besteht, sondern, dass diese Massenvernichtungswaffen noch nicht unter internationaler Kontrolle sind. Es könnte also auch dort sehr bald eine Situation entstehen, die erneut den Einsatz von ABC-Kräften notwendig macht. Dann müssten wir uns wieder mit diesem Thema beschäftigen.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war eine Logik! - Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war ein Salto rückwärts in einen Handstand!)

   Als wir das Mandat für Enduring Freedom in einer dramatischen Abstimmung beschlossen haben - damals war die Rücktrittsdrohung des Bundeskanzlers noch etwas Dramatisches -, ging es um den Einsatz in Afghanistan. Das war die Grundlage des Mandats. Heute ist das Einsatzgebiet wesentlich unverbindlicher gehalten. Das Gebiet nach Art. 6 des NATO-Vertrages umfasst die Arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien, Nordostafrika sowie die angrenzenden Seegebiete. Sicherlich haben wir zurzeit nur eine relativ geringe Ausschöpfung des Mandats. Herr Minister Struck, Sie haben gesagt, Sie gingen von bis zu 710 Mann aus. Es herrscht auch kein akuter Einsatzdruck. Aber wir sollen die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag ermächtigen, das Mandat bis auf das Fünffache des heutigen Umfangs in einem kaum überschaubaren Einsatzraum auszuweiten. Das kommt schon einer sehr weit gehenden Ermächtigung gleich. Wir müssen aber über den Einsatzraum und darüber, wie die Bundesregierung mit einer möglichen Ausweitung der Operationen innerhalb des Einsatzraumes umzugehen gedenkt, in der nächsten Woche in den Ausschüssen noch intensiv reden.

   Wir beraten derzeit aber auch über ein Entsendegesetz, das die Beteiligung des Bundestages genauer regeln soll. Wenn diejenigen, die heute ein solches Mandat wollen, uns gleichzeitig ständig sagen, die Bundeswehr sei eine Parlamentsarmee, dann kann man nur feststellen, dass das nicht zusammenpasst. Es ist schon bezeichnend, dass heute ausschließlich Mitglieder der Bundesregierung für die beiden Koalitionsfraktionen sprechen.

(Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch keine!)

Sie, verehrte Abgeordnete, die Sie auf der linken Seite des Hauses sitzen, können sich dazu überhaupt nicht äußern.

(Gernot Erler (SPD): In der nächsten Woche kommen wir!)

Vielleicht haben Sie nächste Woche Gelegenheit - wenn Sie das schon nicht öffentlich tun können -, sich zumindest in den Ausschussberatungen oder in Ihren Arbeitsgruppen auch als einfache Parlamentarier zu diesem Thema zu äußern.

   Vielleicht sollten wir - ich meine das ganz ernst - Anspruch und Wirklichkeit der Parlamentsbeteiligung realistischer sehen. Bei der Formulierung eines Mandats müssen die Grundlagen des Einsatzes so präzise wie möglich beschrieben werden. Ein Mandat muss aber auch der Bundesregierung den Entscheidungsspielraum lassen, um auf veränderte Situationen schnell und im notwendigen Umfang zu reagieren. Es muss jederzeit die umfassende Information des Parlaments sicherstellen. Vor allem haben die Soldaten Anspruch auf eine breite Zustimmung zu ihrem Einsatz. Darüber sind wir uns alle einig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das Verfahren, das Sie heute wieder praktizieren, ist dem aber nicht angemessen. Wir führen einmal pro Jahr eine namentliche Abstimmung über ein sehr weit gefasstes Mandat im Plenum durch. Wir bringen vorher in den Ausschüssen unsere Bedenken zum Ausdruck. Die Bundesregierung trägt diesen mit einer Protokollnotiz Rechnung. Das war es dann.

(Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Sie hält sich auch daran!)

- Herr Kollege Weisskirchen, mir geht es überhaupt nicht darum, den notwendigen Spielraum der Bundesregierung einzuschränken. Wir, das Parlament, müssen aber über die gesamte Dauer eines Mandats in präzise Einsatzentscheidungen zeitnah einbezogen sein.

(Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Sind wir doch!)

Dafür brauchen wir ein kleineres, repräsentatives und kurzfristig entscheidungsfähiges Gremium, das Details eines von uns allen beschlossenen oder von uns allen zu beschließenden Mandats mit der Bundesregierung klärt.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war ein Misstrauensvotum gegenüber dem Verteidigungsausschuss und dem Auswärtigen Ausschuss!)

   Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur Finanzierung von Enduring Freedom sagen. Als wir vor einem Jahr das Mandat verlängert haben, hieß es im Antrag der Bundesregierung: Für die einsatzbedingten Zusatzausgaben ist im Einzelplan 14 bzw. im Haushaltstitel 60 02 Vorsorge getroffen.

Herr Minister Struck, Sie haben letztes Jahr im Verteidigungsausschuss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Finanzierung über den Einzelplan 60 gewährleistet sei, dass also mit einer zusätzlichen Belastung des Verteidigungshaushaltes nicht zu rechnen sei.

   Heute haben Sie gesagt - so steht es auch im Antrag -, es werde lediglich im Einzelplan 14 für die Deckung der zusätzlichen Kosten Vorsorge getroffen. Derzeit sind Gott sei Dank nur einige Hundert Soldaten eingesetzt; das Mandat lässt aber einen Einsatz von bis zu 3 100 Soldaten zu. Wir bitten die Bundesregierung, in den Ausschussberatungen nächste Woche auch etwas zur Finanzierung zu sagen. Die Bundeswehr ist dramatisch unterfinanziert. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass durch langwierige und umfangreiche Einsätze bedingte Zusatzausgaben wie selbstverständlich aus dem laufenden Verteidigungshaushalt bestritten werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies geht schon heute zulasten der Ausstattung. Wir dürfen das im Interesse der Sicherheit der Soldaten nicht dauerhaft hinnehmen.

   Der internationale Terrorismus bleibt eine große Bedrohung. Deutschland wird sich der Bekämpfung dieser Gefahr nicht entziehen. Wir müssen in den Ausschussberatungen der nächsten Woche noch Details mit der Bundesregierung klären.

   Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Bundesminister Joseph Fischer das Wort.

Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Jahren haben wir hier im Deutschen Bundestag die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Enduring Freedom beschlossen. Damit leisten wir im Rahmen der internationalen Gemeinschaft unseren Beitrag zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

   Die Verlängerung - Kollege Struck hat das gerade ausführlich begründet - ist sachlich geboten. Ich füge hinzu: leider. Es wäre uns allen sehr viel lieber, wir könnten heute sagen: Dieses Mandat kann auslaufen.

   Von der Verlängerung geht ein wichtiges politisches Signal an die Partner und an die internationale Staatengemeinschaft aus: Deutschland steht auch in Zukunft zu seiner Mitverantwortung im Kampf gegen diese internationale Herausforderung.

   Für uns ist die Erkenntnis entscheidend, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus der al-Qaida nicht allein eine militärische Herausforderung ist. Wir beschließen hier ein militärisches Mandat, weil es das Grundgesetz so verlangt. Das Spektrum dessen, was zu tun ist, ist allerdings wesentlich breiter. Die Hilfen zur Modernisierung, zur Beendigung bitterer regionaler Konflikte, zum Wiederaufbau zusammengebrochener Strukturen stehen gleichgewichtig neben dem militärischen, dem polizeilichen und dem geheimdienstlichen Engagement.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Auch eine breite internationale Koalition gegen diesen Terrorismus mit engster Informationskooperation ist ohne jeden Zweifel von großer Bedeutung. Ein erfolgreiches Voranschreiten in Afghanistan hat eine überragende Bedeutung für unseren Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

   Herr Kollege Schockenhoff, ich möchte jetzt keine Irakdebatte führen. Die Begründung, die Sie soeben angeführt haben, trägt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe gerade heute auf dem Weg hierhin die Information erhalten, dass es weitere Verluste bei engen Bündnispartnern von uns gegeben hat. Dies und auch der schwere Verlust, den die USA durch den Abschuss eines Transporthubschraubers erlitten haben, in dem sich Soldaten auf dem Weg in den Heimaturlaub befanden, machen klar, dass wir uns in einer Situation befinden, in der die Bewältigung der Herausforderung, den Frieden gemeinsam zu gewinnen, von allergrößter Bedeutung ist. Unsere Betroffenheit gerade über die Verluste, die das amerikanische Militär zu erleiden hat, ist sehr groß. Sowohl der Bundeskanzler als auch ich selbst haben dem amerikanischen Präsidenten und dem amerikanischen Außenminister unser Beileid übermittelt.

   Wir werden diese Frage dennoch an einer anderen Stelle diskutieren müssen. Ich füge hinzu: Sie ist in der Zwischenzeit leider sehr schwierig und komplex geworden.

   Ich möchte mich heute auf die Verlängerung des Mandats konzentrieren. Ich möchte nochmals an die Kollegen appellieren, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:

Es ist natürlich ein ungewöhnliches Mandat, wobei der Begriff des Ungewöhnlichen zu kurz greift. Es war die Reaktion auf eine historische Zäsur, auf den verbrecherischen Terrorangriff des al-Qaida-Terrorismus auf die Menschen und auf die Regierung der Vereinigten Staaten am 11. September 2001. Dort ist eine neue Herausforderung sichtbar geworden, die räumlich nicht eingrenzbar ist. Wir haben daher hier nicht mit der klassischen Mandatsstruktur zu tun. Das gilt bis auf den heutigen Tag.

   Kollege Schockenhoff, ich behaupte: Eine räumliche Eingrenzung - zu diesem Versuch wären wir jederzeit bereit; aber meines Erachtens würde uns das in ziemliche Untiefen führen - über die gegenwärtige Formulierung hinaus, das heißt eine präzisere Fassung, ist angesichts der Herausforderung durch den internationalen Terrorismus schlicht und einfach nicht machbar. Deswegen hat sich die Bundesregierung hier für Kontinuität entschieden.

   Selbstverständlich - das kann ich den Kollegen aller Fraktionen zusagen - gilt die geübte Mandatspraxis. Sie können sich mittlerweile nicht nur auf den Text des Mandats verlassen - ich verstehe völlig, dass das sehr wichtig ist -, sondern auch - das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt - auf die geübte Mandatspraxis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Für die Bundesregierung, insbesondere für den Kollegen Struck und für mich, kann ich sagen: Sollte sich im Rahmen der Mandatspraxis eine Schwerpunktverlagerung ergeben - es wurde zu Recht darauf hingewiesen: Schwerpunkt war Afghanistan, Schwerpunkt war der Schutz der Seewege, Schwerpunkt war der Einsatz der Füchse in Kuwait zur Abwehr und vor allem zur Feststellung einer Gefahr durch Chemiewaffen -, wird selbstverständlich nichts geschehen - das gebe ich hier schon vorweg zu Protokoll -, ohne dass die Bundesregierung die zuständigen Ausschüsse, die Obleute - in Bezug auf das KSK gibt es eine bewährte Praxis auf der Ebene Verteidigungsminister-Obleute - informiert, ohne dass sie vorher ausführlich mit allen Fraktionen spricht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das liegt in unserem Interesse und selbstverständlich auch im Interesse der eingesetzten Soldaten. Insofern muss man an diesem Punkt wirklich den Begriff der geübten Mandatspraxis ernst nehmen.

   Zu einem zweiten Aspekt, der in dem Zusammenhang angesprochen wurde, Kollege Schockenhoff. Ich möchte dazu gleich bei der ersten Lesung etwas sagen. Es geht um die Frage, warum es jetzt zu einer Reduzierung kommt, vor allem bei den Füchsen. Kollege Struck hat darauf hingewiesen, dass vor allem die USA und Tschechien ihre Kräfte in dem Einsatzgebiet aufgelöst haben. Sollte es außerhalb unserer Grenzen zu einer neuen Bedrohung kommen, wird allein die technische Einsatzvorbereitung dem Bundestag jede Möglichkeit zur Entscheidung geben. Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, das Mandat müsse wieder um diese Komponente ergänzt werden - andere Komponenten sind ebenfalls denkbar; da kann aufgrund einer heute noch nicht feststellbaren Bedrohungslage plötzlich ein neuer Bedarf auftauchen; wir wissen, auf welch furchtbare Art und Weise der internationale Terrorismus immer neue Wege findet, um seinem verbrecherischen Handwerk nachzugehen -, werden wir selbstverständlich wieder auf der Grundlage einer Beschlussfassung der Bundesregierung und der vertrauensvollen Information des Parlaments nach sorgfältiger Prüfung einen Mandatsbeschluss zu fassen haben. Die Zeit dafür ist gegeben.

   Zu den anderen Komponenten - ich spreche jetzt nicht von den Unterstützungskomponenten -: Ich hoffe nicht, dass der Einsatz der Sanitätskomponente, vor allem der flugzeuggestützten Sanitätskomponente, notwendig wird. Ich hoffe, dass sie immer nur in Bereitschaft stehen wird. Aber wenn es notwendig wird, sollte sie innerhalb weniger Stunden oder innerhalb eines Tages einsatzfähig sein. Das heißt, hier ist die Bereitstellung unverzichtbar.

   Für das KSK gilt Ähnliches. Falls sich eine erneute Bedrohungsverdichtung, vor allem im bisherigen Einsatzgebiet, ergibt - dort sind wir ja auch im Rahmen eines anderen Mandats mit nicht unerheblichen Kräften präsent -, ist eine schnelle Entscheidung geboten.

   Drittens müssen wir aufpassen, dass wir nicht ein völlig falsches Signal geben. Gott sei Dank haben wir nach dem Angriff auf die USS Cole keinen direkten Angriff auf die Seeschifffahrtswege erlebt; aber die Besorgnis aller Sicherheitsbehörden diesbezüglich existiert. Es wäre ein falsches Signal gegenüber dem internationalen Terrorismus - ein Entwarnungssignal wäre schlicht und einfach nicht angemessen -, es wäre aber auch ein falsches Signal an unsere Bündnispartner. Von daher erklärt sich die hohe Bereitschaftskomponente auch und gerade in Bezug auf den Schutz der Seewege, wobei wir nicht hoffen, dass wir mit einer konkreten Besorgnis oder gar einem konkreten Ereignis konfrontiert werden.

Aber dennoch ist hier eine hohe Einsatzbereitschaft aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, gegeben. Gemäß der Struktur des Mandats bleibt am Ende noch die Aufgabe der Unterstützung von Transportfunktionen sowie der Unterstützung unserer eigenen und der internationalen Stäbe.

   Wir reden hier über Obergrenzen; diese sind allerdings nicht willkürlich definiert worden. Es läuft nicht so ab, dass das Militär willkürlich Vorgaben von der Bundesregierung bekommt, sondern das Militär definiert diese Obergrenzen auf der Basis der eigenen praktischen Erfahrungen. Ich denke, es ist angemessen und richtig und gehört auch zur Übung bei der praktischen Umsetzung des Mandats, dass wir auf die militärische Kompetenz unserer Fachleute vertrauen. Angesichts dessen, was sie bisher geleistet haben, verdienen sie unser Vertrauen. Darüber hinaus gilt ihnen auch unser Dank; denn ohne diese verantwortliche Planung wären die Einsätze der Soldaten in riskanten und gefährlichen Lagen nicht möglich gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, wir werden Zeit haben, dieses Mandat in den Ausschüssen ausführlich zu diskutieren. Ich füge nochmals hinzu: Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in seiner ganzen Breite ist das eigentliche Ziel. Ich meine damit nicht nur die militärische Komponente, sondern denke auch an den breiten Sektor von polizeilichen, zivilen Komponenten und politischen Antworten sowie an Hilfestellungen für die betroffenen Völker, sich von einer totalitären Ideologie zu lösen, sodass sie als konstruktive Mitglieder wieder in die internationale Staatengemeinschaft zurückkehren können. Wir leisten dazu mit dem Mandat für Enduring Freedom im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten einen nicht unerheblichen Beitrag. Die dort eingesetzten Soldaten haben einen nicht ungefährlichen Auftrag gemeinsam mit unseren internationalen Bündnispartnern wahrgenommen. Ich würde mich freuen, wenn wir hier im Bundestag für die Fortsetzung dieses Mandats eine sehr breite Zustimmung bekämen.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Helga Daub, FDP-Fraktion.

Es ist natürlich ein ungewöhnliches Mandat, wobei der Begriff des Ungewöhnlichen zu kurz greift. Es war die Reaktion auf eine historische Zäsur, auf den verbrecherischen Terrorangriff des al-Qaida-Terrorismus auf die Menschen und auf die Regierung der Vereinigten Staaten am 11. September 2001. Dort ist eine neue Herausforderung sichtbar geworden, die räumlich nicht eingrenzbar ist. Wir haben daher hier nicht mit der klassischen Mandatsstruktur zu tun. Das gilt bis auf den heutigen Tag.

   Kollege Schockenhoff, ich behaupte: Eine räumliche Eingrenzung - zu diesem Versuch wären wir jederzeit bereit; aber meines Erachtens würde uns das in ziemliche Untiefen führen - über die gegenwärtige Formulierung hinaus, das heißt eine präzisere Fassung, ist angesichts der Herausforderung durch den internationalen Terrorismus schlicht und einfach nicht machbar. Deswegen hat sich die Bundesregierung hier für Kontinuität entschieden.

   Selbstverständlich - das kann ich den Kollegen aller Fraktionen zusagen - gilt die geübte Mandatspraxis. Sie können sich mittlerweile nicht nur auf den Text des Mandats verlassen - ich verstehe völlig, dass das sehr wichtig ist -, sondern auch - das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt - auf die geübte Mandatspraxis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Für die Bundesregierung, insbesondere für den Kollegen Struck und für mich, kann ich sagen: Sollte sich im Rahmen der Mandatspraxis eine Schwerpunktverlagerung ergeben - es wurde zu Recht darauf hingewiesen: Schwerpunkt war Afghanistan, Schwerpunkt war der Schutz der Seewege, Schwerpunkt war der Einsatz der Füchse in Kuwait zur Abwehr und vor allem zur Feststellung einer Gefahr durch Chemiewaffen -, wird selbstverständlich nichts geschehen - das gebe ich hier schon vorweg zu Protokoll -, ohne dass die Bundesregierung die zuständigen Ausschüsse, die Obleute - in Bezug auf das KSK gibt es eine bewährte Praxis auf der Ebene Verteidigungsminister-Obleute - informiert, ohne dass sie vorher ausführlich mit allen Fraktionen spricht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das liegt in unserem Interesse und selbstverständlich auch im Interesse der eingesetzten Soldaten. Insofern muss man an diesem Punkt wirklich den Begriff der geübten Mandatspraxis ernst nehmen.

   Zu einem zweiten Aspekt, der in dem Zusammenhang angesprochen wurde, Kollege Schockenhoff. Ich möchte dazu gleich bei der ersten Lesung etwas sagen. Es geht um die Frage, warum es jetzt zu einer Reduzierung kommt, vor allem bei den Füchsen. Kollege Struck hat darauf hingewiesen, dass vor allem die USA und Tschechien ihre Kräfte in dem Einsatzgebiet aufgelöst haben. Sollte es außerhalb unserer Grenzen zu einer neuen Bedrohung kommen, wird allein die technische Einsatzvorbereitung dem Bundestag jede Möglichkeit zur Entscheidung geben. Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, das Mandat müsse wieder um diese Komponente ergänzt werden - andere Komponenten sind ebenfalls denkbar; da kann aufgrund einer heute noch nicht feststellbaren Bedrohungslage plötzlich ein neuer Bedarf auftauchen; wir wissen, auf welch furchtbare Art und Weise der internationale Terrorismus immer neue Wege findet, um seinem verbrecherischen Handwerk nachzugehen -, werden wir selbstverständlich wieder auf der Grundlage einer Beschlussfassung der Bundesregierung und der vertrauensvollen Information des Parlaments nach sorgfältiger Prüfung einen Mandatsbeschluss zu fassen haben. Die Zeit dafür ist gegeben.

   Zu den anderen Komponenten - ich spreche jetzt nicht von den Unterstützungskomponenten -: Ich hoffe nicht, dass der Einsatz der Sanitätskomponente, vor allem der flugzeuggestützten Sanitätskomponente, notwendig wird. Ich hoffe, dass sie immer nur in Bereitschaft stehen wird. Aber wenn es notwendig wird, sollte sie innerhalb weniger Stunden oder innerhalb eines Tages einsatzfähig sein. Das heißt, hier ist die Bereitstellung unverzichtbar.

   Für das KSK gilt Ähnliches. Falls sich eine erneute Bedrohungsverdichtung, vor allem im bisherigen Einsatzgebiet, ergibt - dort sind wir ja auch im Rahmen eines anderen Mandats mit nicht unerheblichen Kräften präsent -, ist eine schnelle Entscheidung geboten.

   Drittens müssen wir aufpassen, dass wir nicht ein völlig falsches Signal geben. Gott sei Dank haben wir nach dem Angriff auf die USS Cole keinen direkten Angriff auf die Seeschifffahrtswege erlebt; aber die Besorgnis aller Sicherheitsbehörden diesbezüglich existiert. Es wäre ein falsches Signal gegenüber dem internationalen Terrorismus - ein Entwarnungssignal wäre schlicht und einfach nicht angemessen -, es wäre aber auch ein falsches Signal an unsere Bündnispartner. Von daher erklärt sich die hohe Bereitschaftskomponente auch und gerade in Bezug auf den Schutz der Seewege, wobei wir nicht hoffen, dass wir mit einer konkreten Besorgnis oder gar einem konkreten Ereignis konfrontiert werden.

Aber dennoch ist hier eine hohe Einsatzbereitschaft aus den Gründen, die ich gerade genannt habe, gegeben. Gemäß der Struktur des Mandats bleibt am Ende noch die Aufgabe der Unterstützung von Transportfunktionen sowie der Unterstützung unserer eigenen und der internationalen Stäbe.

   Wir reden hier über Obergrenzen; diese sind allerdings nicht willkürlich definiert worden. Es läuft nicht so ab, dass das Militär willkürlich Vorgaben von der Bundesregierung bekommt, sondern das Militär definiert diese Obergrenzen auf der Basis der eigenen praktischen Erfahrungen. Ich denke, es ist angemessen und richtig und gehört auch zur Übung bei der praktischen Umsetzung des Mandats, dass wir auf die militärische Kompetenz unserer Fachleute vertrauen. Angesichts dessen, was sie bisher geleistet haben, verdienen sie unser Vertrauen. Darüber hinaus gilt ihnen auch unser Dank; denn ohne diese verantwortliche Planung wären die Einsätze der Soldaten in riskanten und gefährlichen Lagen nicht möglich gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, wir werden Zeit haben, dieses Mandat in den Ausschüssen ausführlich zu diskutieren. Ich füge nochmals hinzu: Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in seiner ganzen Breite ist das eigentliche Ziel. Ich meine damit nicht nur die militärische Komponente, sondern denke auch an den breiten Sektor von polizeilichen, zivilen Komponenten und politischen Antworten sowie an Hilfestellungen für die betroffenen Völker, sich von einer totalitären Ideologie zu lösen, sodass sie als konstruktive Mitglieder wieder in die internationale Staatengemeinschaft zurückkehren können. Wir leisten dazu mit dem Mandat für Enduring Freedom im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten einen nicht unerheblichen Beitrag. Die dort eingesetzten Soldaten haben einen nicht ungefährlichen Auftrag gemeinsam mit unseren internationalen Bündnispartnern wahrgenommen. Ich würde mich freuen, wenn wir hier im Bundestag für die Fortsetzung dieses Mandats eine sehr breite Zustimmung bekämen.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Helga Daub, FDP-Fraktion.

Helga Daub (FDP):

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Die Bundeswehr arbeitet in allen Einsätzen hochprofessionell und engagiert. Unsere Soldatinnen und Soldaten genießen unter den Bündnispartnern hohes Ansehen. Im Namen der FDP-Fraktion möchte ich den Dank und die Anerkennung aussprechen, die alle Beteiligten verdient haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Bundesregierung schreibt in ihrem Antrag zu Recht, dass der Kampf gegen den internationalen Terrorismus noch lange nicht beendet ist - trotz aller Fortschritte. Riad, Casablanca und Jakarta sind Beispiele, die uns sehr deutlich vor Augen geführt haben, welche Bedrohung nach wie vor für uns alle besteht. In Ihrem Antrag steht:

Das erfordert die fortgesetzte, lageabhängige Bereitstellung ausgewählter militärischer Fähigkeiten durch Deutschland

- dem ist nur zuzustimmen; aber es müsste eigentlich ein Punkt vor dem Zusatz stehen -

auf der Grundlage der entsprechenden bisherigen Beschlüsse des Deutschen Bundestages.

   Damit komme ich zu einem für unsere Fraktion sehr wichtigen Punkt, zur Mandatsverlängerung. In aller Deutlichkeit vorweg: Die FDP steht ausdrücklich und ohne jeden Zweifel zu einer deutschen Beteiligung am Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben das Mandat Enduring Freedom bisher stets unterstützt, wenn eine Entscheidung darüber nicht gerade mit einer Vertrauensfrage des Kanzlers verbunden wurde. Wir möchten das gerne auch nächste Woche tun.

   Der Regierung ist offenbar bewusst, dass ein Kontingent von 3 900 Soldaten auf Widerstand stoßen könnte und hat deshalb die Zahl im vorliegenden Antrag auf 3 100 reduziert. Einige kritische Nachfragen müssen Sie sich schon gefallen lassen: Zum Höhepunkt der Operation Enduring Freedom war das Mandatskontingent von 3 900 nahezu ausgeschöpft. Die Lage heute ist eine völlig andere. Aktuell sind nur noch 299 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Operation Enduring Freedom im Einsatz. Die Bundesregierung kommt auf eine Zahl von 710 Soldaten, weil sie die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation Active Endeavour im Mittelmeer mit einbezieht.

Active Endeavour ist zwar bisher eindeutig kein Teil von Enduring Freedom. Da es sich aber auch um Terrorismusbekämpfung handelt, könnte man die Verknüpfung noch akzeptieren.

   Unklar ist mir allerdings, warum das Parlament ein Mandat für den Einsatz von 3 100 Soldaten erteilen soll, wenn nur knapp über 700 im Einsatz sind und keine konkreten Planungen für eine Erhöhung des Einsatzkontingentes bestehen. Es handelt sich also offenbar um ein „Mandat auf Vorrat“, ein Vorratsmandat ohne jede Not.

(Ute Kumpf (SPD): Personalmanagement ist das!)

- Sie hätten sich durchaus mit einem eigenen Redebeitrag zu Wort melden können. Lassen Sie mich meine Ausführungen jetzt zu Ende führen!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Die Bundesregierung könnte bei Erteilung eines solchen Mandates ohne erneute Befassung des Parlaments mit rund 2 400 Soldaten an bisher nicht bekannten Auslandseinsätzen teilnehmen. Ich möchte ein Beispiel nennen: Im Falle eines Terroranschlags im Jemen oder bei einer Verschärfung der Situation in Afghanistan könnte die Bundesregierung zwölf Monate lang bis zu 2 400 Bundeswehrsoldaten in gefährliche Einsätze entsenden, solange diese nur unter Enduring Freedom gefasst werden - ohne jede Parlamentsbeteiligung.

   Ich glaube Ihnen ja, dass Sie sich gewissenhaft auf diesen Antrag vorbereitet haben und die Zahlen kennen. Deshalb können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass mit diesem Antrag der Parlamentsvorbehalt möglicherweise unterlaufen werden soll. Sie wollen vom Bundestag eine Carte blanche, einen Blankoscheck für den Einsatz von circa 2 400 Bundeswehrsoldaten in einem riesigen potenziellen Einsatzgebiet, ohne dass dann das Parlament noch einmal damit befasst werden müsste. Das lässt sich mit unserer Auffassung von verantwortungsvollem Handeln nicht in Einklang bringen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die FDP-Fraktion fordert Sie auf, einen ehrlichen Mandatsantrag zu stellen. Ich wäre froh, wenn Sie so unsere Befürchtungen widerlegen könnten. Ein sinnvoller Mandatsantrag würde von dem derzeit für erforderlich gehaltenen Mandatsumfang ausgehen und eine Sicherheitsreserve mit einbeziehen. Vorhin kam ja schon öfter zum Ausdruck, dass eine solche Sicherheitsreserve gebraucht wird. Das heißt, dass sich das Mandat auf etwa 1 000 Soldaten beziehen könnte, keinesfalls aber auf eine Verfünffachung des derzeitigen Einsatzkontingents.

   Noch einmal: Wir stellen unsere kritischen Nachfragen ausdrücklich nicht aus Zweifel an der deutschen Beteiligung am Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Es wird aber deutlich, wie dringlich die Verabschiedung eines Entsendegesetzes ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CSU/CSU)

Genau mit einem solchen Fall könnte sich zum Beispiel ein Entsendeausschuss befassen. Die FDP-Bundestagsfraktion wird deshalb in der nächsten Woche hierfür einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.

   Legen Sie einen ehrlichen Mandatsantrag vor, damit wir in der nächsten Woche gemeinsam die Mandatsverlängerung beschließen können!

   Danke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Helmut Rauber, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Helmut Rauber (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anfang dieses Jahres waren noch gut 900 Soldaten in Kuwait, in Dschibuti und auch in Kenia, in Mombasa, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus eingesetzt. Sie haben unter extremen klimatischen Bedingungen einen harten Dienst verrichten müssen. Dafür sagen wir, die CDU/CSU, Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Bedingt durch die veränderte sicherheitspolitische Lage wurde vor wenigen Tagen der Stützpunkt in Mombasa geschlossen. Bereits Ende Mai wurden die 250 deutschen ABC-Abwehrsoldaten aus Kuwait abgezogen. Nach den vorgenommenen Umstrukturierungsmaßnahmen sind derzeit weniger als 300 Soldaten - darunter eine Soldatin - im Rahmen von Enduring Freedom eingesetzt. Die Obergrenze des Mandats liegt, wie bereits genannt, bei 3 100 Soldaten. Wir wollen in diesem Punkt eine Präzisierung; denn uns erscheint die Differenz zwischen Ist und Soll doch etwas zu groß.

   Aus der genannten deutlichen Reduzierung der Anzahl der Soldaten den Schluss zu ziehen, dass der Kampf gegen den Terrorismus bald gewonnen sei, wäre fatal.

Die fast täglich gemeldeten Anschläge im Irak und in Afghanistan zeigen ebenso wie die hinterhältigen Morde in Kenia, auf Bali, auf Djerba und an anderen Stellen in der Welt, dass die Hydra des Terrorismus nach wie vor lebt.

   Wir alle kennen seit Jahren die Ziele und auch die Techniken einer asymmetrischen Kriegsführung. Bis zum 11. September 2001 hatten wir aber keine Vorstellung davon, mit welcher Brutalität und Menschenverachtung sie einmal angewandt werden könnte. Die USA wurden an diesem Tag auf ihrem eigenen Territorium von einer terroristischen Gruppierung nicht mit Massenzerstörungsmitteln, sondern mit „weapons of mass effect“ angegriffen und bis ins Mark getroffen. Im World Trade Center starben Christen ebenso wie Juden und Muslime. Sie starben nicht, weil sie sich persönlich in irgendeiner Form schuldig gemacht hätten, sondern nur, weil sie auf dem Boden einer westlich orientierten Kultur lebten und arbeiteten.

   Diese und viele andere schreckliche Ereignisse dürfen wir nicht verdrängen; denn sie sind - zumindest theoretisch - auch bei uns möglich. Eine terroristische Gruppierung, die den Tod von 20 000 unschuldigen Menschen will, strebt auch 2 Millionen Tote an, wenn sie nur über die entsprechenden Zerstörungsmittel verfügt. Spätestens nach dem 11. September gibt es keine scharfe Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit mehr.

   Wenn wir zu Recht von einem erweiterten Sicherheitsbegriff ausgehen, dann gilt dies auch für die Terrorismusbekämpfung. Die Diskussion über dieses alte und doch so neue Phänomen muss vorurteilsfrei geführt werden. Unsere Verfassung sieht eine klare Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit bzw. zwischen Polizei und Militär vor. In Art. 35 unseres Grundgesetzes ist auch die Rechts- und Amtshilfe bzw. die Katastrophenhilfe geregelt. Die nach dem 11. September neu zu stellende Frage ist, ob militärische Kräfte nicht erst bei Eintritt einer Katastrophe, sondern bereits zur Abwehr einer potenziellen Gefahr - sprich: präventiv - eingesetzt werden können oder dürfen.

   Ich nenne ein Beispiel. Vor dem Irakkrieg im März dieses Jahres baten die Amerikaner unseren Verteidigungsminister, auch ihre Wohngebiete durch Bundeswehrsoldaten sichern zu lassen. Der Minister hat dies ablehnen müssen - ich betone: müssen -, weil diese Aufgabe in die Zuständigkeit der Polizei fällt. Niemand von uns will den Wehrpflichtigen als Terroristenjäger. Worum es geht, ist, Redundanzen zu vermeiden und die vorhandenen Mittel effizient einzusetzen.

   Die Polizei verfügt über keine Aufklärungsmittel im Bereich der ABC-Waffen und sie hat auch keine Kapazitäten, um unsere Lufträume oder Seewege zu kontrollieren. Auch die Überwachung oder der Schutz gefährdeter oder sensibler Räume ist von der Polizei allein schon aufgrund ihres Kräftemangels nicht zu leisten. Niemand ist so naiv, zu glauben, dass es für alle sensiblen Objekte - seien es Kraftwerke, Staudämme oder Überlandleitungen - einen hundertprozentigen Schutz rund um die Uhr gibt. In den USA existieren allein 850 000 Stellen, wo hochgefährliche Chemikalien produziert, verbraucht oder gelagert werden.

   Worum es geht, ist, bei - ich betone - sich abzeichnenden Krisenentwicklungen unsere lebenswichtige Infrastruktur besser schützen zu können. Allein aus diesem Grunde brauchen wir die Bundeswehr in der Fläche. Solange es kein in sich geschlossenes Konzept von Heimat- und Territorialschutz gibt, ist die Auflösung nicht aktiver Truppenteile zu stoppen. Wir, die CDU/CSU, wollen Heimatschutzkräfte, die sich aus Wehrpflichtigen und Reservisten zusammensetzen und die von Fall zu Fall auch die aktive Truppe unterstützen können.

   Ich komme zum Schluss. Wir stimmen der Verlängerung der Operation Enduring Freedom unter den genannten Bedingungen zu. Wir wünschen allen Soldatinnen und Soldaten, dass sie gesund und unbeschadet an Leib und Leben von ihrer schweren Mission nach Hause zurückkehren können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Helga Daub (FDP))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Petra Pau das Wort.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Herbst vor zwei Jahren begannen die USA ihren militärischen Feldzug gegen den Terrorismus. Die Bundesrepublik folgte in - wir erinnern uns - bedingungsloser Solidarität vorerst nach Afghanistan.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Davon war nie die Rede! Selbstständige Solidarität!)

- Nein, Herr Nachtwei. Da haben Sie eine Gedächtnislücke. Lesen Sie noch einmal nach!

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Seither diskutieren wir in regelmäßigen Abständen über Bundeswehrmandate bzw. über deren Verlängerung und Ausweitung - auch heute wieder. So entsteht langsam der Eindruck, als ob es sich um Routine handele. Das ist es aber nicht.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Denn es geht um Kampfeinsätze und um ein Kriegsmandat in einem explosiven Land.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unsinn! Gucken Sie sich die Beiträge an! Kein Kriegsmandat!)

Die PDS im Bundestag bleibt dabei: Schon das Erstmandat war falsch. Wir werden wieder Nein sagen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Herr Bundesaußenminister, wir debattieren im Übrigen über die Fortsetzung des Einsatzes nicht deswegen, weil dies im Grundgesetz verlangt wird, sondern deswegen, weil Sie dieses falsche Mandat verlängern wollen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   In der richtigen Welt gibt es eine ganz einfache Folge: Man setzt sich ein Ziel und bestimmt Mittel und Wege. Nach einer gewissen Zeit überprüft man alle drei: das Ziel, den Weg und die Mittel. Sie tun das nicht. Sie bilanzieren nicht einmal, was von dem einstigen Kriegsziel übrig geblieben ist, obwohl jeder weiß: Osama Bin Laden ist nicht gefunden worden. Die Taliban melden sich zurück. Der Drogenanbau ist umfangreicher denn je. Mit den Rauschgewinnen werden neue Kriege entfacht. - Was soll also die Verlängerung eines falschen Mandates?

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Vor zwei Jahren hatte der Bundesverteidigungsminister ausdrücklich betont, Deutschland werde sich nicht an Kampfeinsätzen beteiligen. Das war schon damals wenig glaubwürdig. Das wird noch unglaubwürdiger, wenn man weiß, dass das KSK mit im Einsatz war, jenes Krisenspezialkommando, von dem Phoenix in dieser Woche berichtete: Keiner darf sagen, wer er ist. Keiner darf sagen, was er tut. Aber jeder ist ein Spezialkrieger vor dem Herrn.

   Auch einen weiteren Vorwurf bekommen Sie nicht entkräftet. In dem selben Maße, wie die USA im Irakkrieg um Entlastung buhlen, wächst das deutsche Engagement in Afghanistan. Dafür hat der Bundeskanzler das ausdrückliche Lob des US-Präsidenten eingeheimst; aber ein Friedenspreis ist das Gegenteil davon.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) - Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fragen Sie einmal die Afghanen dazu!)

Wir haben immer davor gewarnt, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak durch die Hintertür zu unterstützen.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diese Unterstellung hat sich eben nicht bewahrheitet!)

Auch deshalb werden wir wieder mit Nein stimmen.

   Noch einen Anwurf will ich Ihnen nicht ersparen. Sie kürzen den Rentnern die Rente. Sie nehmen Arbeitslosen die Hilfe und kassieren von Kranken Gebühren. Zugleich beschließen Sie Mal um Mal, Millionen am Hindukusch zu verpulvern.

(Joseph Fischer, Bundesminister: Und was macht die PDS in Berlin?)

Um Irrtümern vorzubeugen: Ich gehöre nicht zu den Linken, die den Wehretat so weit aufteilen, bis alle Übel der Welt gelöst sind. Aber ein Widerspruch bleibt; denn Sie reformieren den Sozialstaat bis zur Unkenntlichkeit.

   Herr Bundesaußenminister, um auf Ihren Zuruf zu antworten: Wenn Sie die letzte Stufe der Steuerreform vorziehen, gehen meiner Heimatstadt Berlin 400 Millionen Euro zusätzlich zu dem verloren, was uns SPD und CDU mit dem Bankenskandal eingebrockt haben. Hier wäre das Geld besser eingesetzt, als es am Hindukusch zu verpulvern.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Kurz und gut: Das Ziel ist verlogen, der Weg ist falsch und die Mittel sind vergeudet.

(Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre Konsequenz ist also ISAF-Abzug, ja?)

Deshalb lehnt die PDS die Verlängerung des Afghanistanmandates ab.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz aller Anstrengungen und aller Erfolge der Operation Enduring Freedom: Das Bedrohungspotenzial des internationalen Terrorismus hat sich kaum verringert; da sind wir uns alle einig. Es kann nur dann erfolgreich und nachhaltig entschärft werden, wenn die Weltgemeinschaft geschlossen einen umfassenden Politikansatz verfolgt. Da bin ich mit Verteidigungsminister Struck einer Meinung.

   Aber dies bedeutet national wie international: Die Außenpolitik, die Sicherheitspolitik und die Entwicklungspolitik sollten aus einem Guss sein. Für uns ist wichtig, dass in dem spektakulären Alltagsgeschäft der Terrorbekämpfung ein entscheidender Zusammenhang nicht untergeht:

Wenn wir verhindern wollen, dass für jeden ausgeschalteten Terroristen zehn neue aufstehen und dass aus Terrororganisationen breite Bewegungen werden, müssen wir im Kampf gegen Armut, Unbildung und Perspektivlosigkeit von Millionen von Menschen in den Entwicklungs- und Tranformationsländern entschlossener, geschlossener und konzeptionell besser aufgestellt sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   In vielen dieser Länder liegen nicht nur die Rückzugsbasen für die Terroristen, sondern auch die Nährböden des Sympathisantentums aufgrund der vielfach untragbaren politischen, ökonomischen und sozialen Zustände. Staaten im Zerfall oder am Rande des Zerfalls in Afrika und anderswo werden zu idealen Zulieferern für organisierte Kriminalität und internationalen Terrorismus. Deswegen ist es eine der großen Aufgaben der Entwicklungspolitik, diese weltweiten Zeitbomben langfristig zu entschärfen und der Entstehung von noch mehr Terrorismus und Kriminalität vorzubeugen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Helga Daub (FDP))

   Viele von uns haben eine kurze, aber dennoch sehr beeindruckende Reise nach Kabul gemacht. Dort haben wir die symbiotische Wirkung zwischen außenpolitischer Konzeption, Militäreinsatz und Wiederaufbauhilfe erlebt. Außenpolitische Konferenzen und der Einsatz der Streitkräfte schaffen erst die Sicherheit dafür, dass aufgebaut werden kann und Staaten wieder zu einer gewissen Verfassung zurückfinden. Wenn aber die außenpolitische Konzeption fehlerhaft ist oder wenn die Wiederaufbauhilfe zu langsam kommt und Erwartungen enttäuscht, sind auch unsere Streitkräfte, sind unsere Soldaten in Gefahr.

   Meine Damen und Herren von der Koalition, bei der Umsetzung des Gesamtmodells ist noch erheblicher Sand im Getriebe der Bundesregierung und das kann unter Umständen fatale Folgen haben. Die Politik der Bundesregierung ist mitnichten widerspruchsfrei und koordiniert. Ich möchte einige Beispiele nennen, die sehr eng mit Enduring Freedom verbunden sind.

   Erstes Beispiel, verdeutlicht an Afghanistan: Drei Minister reisen getrennt, handeln getrennt und reden getrennt. Die offenkundigen Animositäten der Leitungs- und Arbeitsebenen von Außenministerium und Entwicklungsministerium sind ein offenes Geheimnis. Ein Resultat daraus ist der absurde Aufbau von Doppelstrukturen. Ich finde es auch bezeichnend, dass heute niemand aus dem Entwicklungsministerium auf der Regierungsbank sitzt. Das stelle ich mit Bedauern fest.

   Die Entwicklungsministerin fuhr nach Kabul und erklärte schon vorab, dass sie keine Soldaten sehen will.

(Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Das ist unglaublich!)

Wir sagen: Für uns ist die Arbeit der Soldaten in Afghanistan oder auf dem Balkan sehr wichtig für den Wiederaufbau, weil das dort Sympathie schafft. Das wurde auch von den Nichtregierungsorganisationen in Kabul ausdrücklich anerkannt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Helga Daub (FDP))

   Ein weiteres Beispiel: Herr Außenminister, Sie haben gestern zu Recht davon gesprochen, dass sich Enduring Freedom vor allem gegen den islamistischen Terrorismus wendet. Wir alle wissen, dass auch der Balkan ein mögliches Einfallstor dafür ist. Das militärische Engagement der NATO hat vorläufig Frieden gebracht, aber die außenpolitische Konzeption beispielsweise für Bosnien-Herzegowina oder für den Kosovo ist - das ist zu befürchten - eine Sackgasse. Die Aufbauarbeit auf dem Balkan ist vielfach stecken geblieben und die Bundesregierung fährt die Hilfen für Südosteuropa drastisch zurück. Auch das hat etwas mit Enduring Freedom zu tun.

   Nächstes Beispiel: Herr Außenminister, Sie waren ja in Afrika. In den Afrika-Debatten der jüngsten Zeit wurde auch über den Zusammenhang von Gewalt und Chaos auf der einen Seite und Unterstützung für den Terrorismus auf der anderen Seite diskutiert. Auch die Afrika-Politik der Bundesregierung ist nach wie vor gespickt mit Widersprüchen.

   Es kann doch niemand leugnen, Herr Außenminister - damit komme ich zum Irak -, dass die Stabilisierung und die langfristige Friedenssicherung im Irak für die Friedenssicherung der gesamten Region und damit auch für Enduring Freedom sehr wichtig sind. Deswegen kritisieren wir noch einmal nachdrücklich, dass Sie sich einem nennenswerten Beitrag zum Aufbau im Irak bisher verweigert und damit jeden Einfluss auf die zukünftige Gestaltung dieses Landes verloren haben.

(Joseph Fischer, Bundesminister: Nein!)

Das ist ein eklatanter Widerspruch zu Sinn und Zweck von Enduring Freedom.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Helga Daub (FDP))

   Enduring Freedom ist wichtig. Wenn aber der gefährliche Auftrag einen Sinn haben soll, müssen wir uns alle breiter aufstellen.

Dann muss auch die Bundesregierung gerade im Zusammenwirken von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gefährliche Fehler abstellen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1880 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b sowie Zusatzpunkt 10 auf:

16. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kretschmer, Katherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Die Innovationskraft Deutschlands stärken - Zukunftschancen durch moderne Forschungsförderung eröffnen

- Drucksache 15/1696 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung von Wagniskapitalgesellschaften

- Drucksache 15/1405 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Aktionsplan für freie, effiziente und innovative Forschung

- Drucksache 15/1932 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Michael Kretschmer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Michael Kretschmer (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit technologischen Erfindungen und innovativen Produkten haben wir in den vergangenen Jahrzehnten unseren Lebensstandard finanziert. Das ist auch in Zukunft unsere einzige Chance in einer sich immer weiter globalisierenden Welt. Deshalb muss uns der aktuelle Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit alarmieren.

   Die Exportnation Deutschland führt mittlerweile mehr „Wissen“ ein, als sie exportiert. Kontinuierlich nimmt unser Export an technologischen Dienstleistungen ab. Innerhalb von vier Jahren hat sich der Negativsaldo auf ein Rekordminus von 7,5 Milliarden Euro im Jahr 2001 nahezu verdoppelt. Unser Welthandelsanteil an forschungs- und entwicklungsintensiven Waren liegt bei mageren 14,8 Prozent. Dabei stützt sich dieser Außenhandelserfolg des deutschen Technologiesektors mittlerweile fast ausschließlich auf die Automobilindustrie. Würde man sich das Experiment erlauben und diesen Automobilsektor aus der Außenhandelsbilanz herausrechnen, dann würde Deutschland nicht einmal mehr zu den Ländern gehören, die sich im internationalen Handel auf forschungsintensive Produktion spezialisiert haben. Man könnte diese Liste noch weiterführen. Besonders dramatisch ist, dass wir auch im Bereich der Schlüsseltechnologien immer weiter zurückfallen.

   Meine Damen und Herren, die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Was ist der Grund für diese Entwicklung und wie kommen wir aus dieser Situation heraus? Das Ziel ist klar: Deutschland muss im Bereich Forschung und Entwicklung wieder an die Weltspitze zurückkehren. Wenn wir auch in zehn oder 20 Jahren unseren Lebensstandard noch mit den Erfindungen unseres Landes finanzieren wollen, müssen wir heute in Forschung und Entwicklung investieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ein Kernsatz von Max Planck lautet: Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen. Sie, Frau Bulmahn, versuchen es andersherum. Die Ergebnisse kann man im Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit nachlesen, der seit einem halben Jahr vorliegt. Das Einzige, was Sie bisher zu diesem erschreckenden Befund zu sagen hatten, war der Hinweis auf die Aufwuchszahlen Ihres BMBF-Haushaltes seit 1998.

   Doch diese Zahlen können nur noch Laien beeindrucken. Tatsächlich lebt der Forschungsstandort Deutschland von seiner Substanz. Im Vergleich der OECD-Länder hinsichtlich der Intensität von Forschung und Entwicklung ist Deutschland dramatisch zurückgefallen. Länder wie die USA, Japan und Korea, aber auch unsere europäischen Nachbarn Schweden, Finnland und die Schweiz haben uns im Wettbewerb um die Ausgaben für Forschung und Entwicklung längst überholt und investieren, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, weit mehr in Forschung und Wissenschaft als wir.

(René Röspel (SPD): Das liegt aber nicht am öffentlichen Anteil!)

   Wenn Sie, Frau Bulmahn, in einer stillen Minute einmal ehrlich zurückschauen und sich fragen, warum das Glück Sie verlassen hat,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sieht nicht so unglücklich aus! Täuschen Sie sich da mal nicht!)

dann werden Sie feststellen, dass es Ihnen in erster Linie an einer Strategie für die Forschung in Deutschland gefehlt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Außer Ankündigungen hat es bei Rot-Grün nicht viel gegeben. So kämpft die Ministerin mit ihrem Kollegen Clement um den Titel „größter Ankündigungsminister im Kabinett Schröder“. Ich möchte Sie fragen, Frau Minister: Was ist eigentlich aus dem Hightechmasterplan geworden? Ist er genauso wie Ihr Staatssekretär verschwunden? Ist er schon im Papierkorb gelandet oder werden wir in den nächsten Wochen und Monaten noch etwas von ihm hören?

(Jörg Tauss (SPD): Ein bisschen mehr Niveau können wir auch von Ihnen erwarten, Herr Kretschmer!)

   Der warme Regen aus UMTS-Mitteln ist ebenfalls versiegt. Damit ist wohl auch das Ende von einigen wirklich wichtigen und hochgejubelten Zukunftsprojekten vorprogrammiert. Die Patentverwertungsoffensive, der Bereich optische Technologien oder das nationale Genomforschungsnetzwerk sind nur einige Beispiele, bei denen aktuell gekürzt wird. Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein. Wir schlagen in unserem Antrag deshalb einen Dreiklang aus folgenden Maßnahmen vor: Anhebung der staatlichen Forschungsförderung, Erhöhung der Anreize der Wissenschaft zur Kooperation mit der Wirtschaft und schließlich die Verbesserung der Innovationstätigkeit der Unternehmen.

   Als Erstes müssen wir die Haushaltsmittel für die Forschungsförderung erhöhen. Wir müssen so umschichten, dass wir zu weniger konsumtiven Ausgaben und zu mehr Ausgaben für Forschung und Wissenschaft kommen. Das Gegenteil ist derzeit aber der Fall: Im Jahr 2004 stehen 155 Millionen Euro weniger zur Verfügung als noch in diesem Jahr. Und seit gestern sind es noch einmal 84 Millionen Euro weniger. Frau Ministerin, das ist der Beitrag des BMBF zu dem Gesamtbetrag, der dazu dienen soll, den Rentenbeitrag stabil zu halten. Wir verfrühstücken für die Renten von heute das Geld, das uns später fehlen wird, um durch Forschung Beschäftigung zu schaffen, wovon wir wiederum Renten bezahlen können. Das ist mit Sicherheit der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Im Ergebnis steht eine Kürzung der Projektgelder und Mittel für den Hochschulbau an - und das im Jahr der Technik. Bis vor wenigen Wochen lautete der Titel noch „Jahr der Wissenschaft“; der Schwerpunkt sollte auf der Wissenschaft liegen. Der Kanzler hat gemerkt, dass daraus nichts mehr wird, und ruft deswegen schnell das Jahr der Technik aus. Dass sich die deutschen Wissenschaftler betrogen fühlen und die ausländischen Kollegen nur den Kopf schütteln, dürfte angesichts dessen nur verständlich sein.

   Zweitens müssen die Mittel in Forschung und Entwicklung wesentlich zielgerichteter eingesetzt werden. Wir können es uns nicht leisten, so wie in der Vergangenheit, unser Geld für ideologische Spielwiesen zu verschwenden. Mir ist es unerklärlich, warum wir Spitzenreiter bei der Erforschung gesellschaftlicher Strukturen und Beziehungen sein müssen. Mein Eindruck ist, dass unsere britischen Freunde beschäftigungspolitisch freundlicher und klüger handeln, wenn sie mit 1,5 Milliarden Euro dreimal so viel Geld wie wir für Forschung im Bereich Schutz und Förderung der menschlichen Gesundheit ausgeben. Das Ergebnis ist: Großbritannien ist der Pharmastandort Europas.

   Gerade die Projektmittel in den Bereichen Luft- und Weltraumforschung, Nanotechnologien und Optik müssen aufgestockt werden. Der jetzige Trend, die Grundfinanzierung der Forschungsorganisationen zulasten der Projektmittel zu erhöhen, ist der Höhepunkt der Absurdität. Projektförderung ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen der Zugang in die externe Forschung, beispielsweise in Netzwerke mit Forschungsinstitutionen. Der Mittelstand ist durch die Ausgründungsbestrebungen der Industrie und die sinkende Fertigungstiefe der Finalproduzenten der Schlüssel für mehr Innovation in der deutschen Wirtschaft. Daher brauchen wir mehr Projektmittel und nicht weniger.

   Drittens. Künftig wollen wir den Hochschulen und später auch den Forschungsinstitutionen für eingeworbene Drittmittel eine Forschungsprämie bezahlen. Leistung muss sich lohnen. Das Geld soll die Neigung der Einrichtungen, mit Unternehmen zu kooperieren, erhöhen. Ob diese Mittel für technische Ausstattung, für Honorare von wissenschaftlichen Mitarbeitern oder zur Finanzierung einer eigenen Professur eingesetzt werden, muss Sache der Hochschulen selbst sein.

   Viertens wollen wir die Mittel für die industrielle Gemeinschaftsforschung jährlich um mindestens 5 Prozent erhöhen. Dieses Instrument hat sich bewährt und muss ausgebaut werden.

   Fünftens. Ganz entscheidend ist die Mobilität zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass das der entscheidende Punkt für Unternehmungs- und Existenzgründungen ist. Unser starres BAT-Gerüst verhindert mit seiner Alimentierung, dass die Wissenschaftler nicht aus der Wissenschaft in die Wirtschaft wechseln. Sie bleiben in der Forschung. Das müssen wir ändern. Wir brauchen Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Damit komme ich - das ist mein sechster Punkt - zu den neuen Bundesländern. Hier müssen wir die wissenschaftlichen und die industriellen Stärken weiter ausbauen; das ist ganz entscheidend. Ich will nicht von den Problemen und Defiziten sprechen. Unser Blick ist nach vorne gerichtet. Wir sehen, wie viele positive Beispiele es gibt: die vielen Wissenschaftler, die nach vorne schauen, die große Zahl der Unternehmensgründungen.

   Die Forschung ist der entscheidende Faktor beim Aufbau Ost. Davon sind wir überzeugt. Mit der Kürzung der Hochschulbaumittel gefährden Sie allerdings den Aufbau der Wissenschaftsinfrastruktur. Alle Maßnahmen, die jetzt gestoppt werden, wurden positiv evaluiert und sind dringend notwendig. Wir fordern von der Bundesregierung, die Kürzungen im Haushalt 2004 rückgängig zu machen.

   Wir erwarten außerdem von Ihnen, Frau Ministerin, dass Sie die Frage der Grundfinanzierung der Forschungs-GmbHs endlich klären. Seit Jahren ist der Fortbestand dieser Einrichtungen, die aus den Akademieinstituten der DDR hervorgegangen sind, ungewiss. Bis heute wird ihnen eine Grundfinanzierung vorenthalten. In Berlin-Adlershof kämpft gerade ein solches Institut, das Institut für Angewandte Chemie, ums Überleben.

Ende des Jahres läuft die institutionelle Förderung des Bundes aus. Wovon das Institut ab Februar seine Mitarbeiter bezahlen soll, ist unklar.

   Vor zwei Wochen hat uns der Staatssekretär hier noch erklären wollen, dass man sich um das ACA keine Sorgen machen müsse. Das war zur selben Zeit, als das BMBF seine Mitarbeiter aus dem Kuratorium abziehen wollte. Das kann nicht wahr sein. Ich sage Ihnen ganz klar: Für uns sind die Forschungs-GmbHs und das ACA die Nagelprobe dafür, wie ernst es Ihnen beim Aufbau Ost mit der Wissenschaft ist. Wir werden das ganz intensiv beobachten.

   Die Wirtschaft in den neuen Bundesländern ist extrem kleinteilig. Deshalb brauchen wir spezielle Forschungsprogramme für die Kooperation. Die Programme „Inno-Regio“ und „Regionale Wachstumskerne“ sind Wege dahin. Mit diesen sind viele Probleme verbunden, weil die Bürokratie zu groß ist. Wir haben oft darüber geredet, Sie haben aber nichts daran geändert. Das bedauern wir sehr. Ich will aber trotzdem nicht weiter darüber reden.

   Viel spannender ist nämlich die Frage, wie es weitergeht. Das Projekt „Regionale Wachstumskerne“, das aus acht Einzelteilen besteht, läuft Ende dieses Jahres aus. Es ist völlig unklar, wie es weitergeht. Frau Ministerin, ich habe schon vor langer Zeit gefragt, was damit eigentlich passiert. Was ist dabei herausgekommen? Sie haben bis heute keine Evaluation vorgenommen und wissen bis heute nicht, ob sich das Projekt bewährt hat oder nicht. Unsere Forderung ist, sich diese Projekte in Zukunft ganz gezielt anzuschauen und schon lange vor dem Ende der Projektlaufzeit zu entscheiden, ob man sich in diesen Projekten weiter engagiert oder ob man sie auslaufen lässt.

   Bezogen auf die Arbeitslosigkeit ist die Situation in den neuen Bundesländern dramatisch. Aus diesem Grund kann man vom Bundesforschungsministerium, wenn es um den Aufbau Ost geht, erwarten, dass es genau hinschaut und dort andere Regeln anwendet, als es vielleicht im übrigen Deutschland geschieht.

   Wir erwarten, dass schon vor dem Ende eines Projekts abgeklärt wird, ob zukünftig weiterführende Förderungen möglich sind und dass nicht einfach nur ein Impuls gesetzt wird. Dabei darf es nicht bleiben. Man muss etwas mehr Zeit für den Aufbau Ost aufwenden.

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Bundesministerin Edelgard Bulmahn das Wort.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Innovationen sind das Lebenselixier und die Basis für wirtschaftliches Wachstum, für unseren Wohlstand und für unsere Gesellschaft insgesamt. Nur mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Verfahren stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten. Nur mit Innovationen schaffen wir neue zukunftsfähige Arbeitsplätze für die Menschen in unserem Land.

   Über diese Punkte besteht glücklicherweise ein breiter Konsens. Wie die Rede meines Vorgängers gezeigt hat, endet dieser Konsens bei den Fragen, wo wir stehen und wie wir weiter vorangehen. Faktenkenntnisse und abgewogene Urteile zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands spielen eine erstaunlich geringe Rolle. Bei der Verwendung mancher Zahlen - den Eindruck hatte ich bei Ihrer Rede, Herr Kretschmer - ist allerdings nicht selten auch eine bewusste Irreführung mit im Spiel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Stellen Sie sich einfach der Realität, Frau Bulmahn!)

   Ich denke hier zum Beispiel an den Umgang mit Daten der technologischen Zahlungsbilanz, die lediglich die Gestaltung von Verrechnungspreisen innerhalb multinationaler Unternehmen widerspiegelt.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): So einfach ist es leider nicht!)

Genau das haben Sie nämlich beschrieben. Rückgänge im internationalen Handel mit Patenten und Lizenzen sind also keineswegs ein Hinweis darauf, dass unser Land heute insgesamt mehr Wissen importiert als exportiert. Das weiß auch jeder, der sich mit der Sache etwas ausführlicher und detaillierter beschäftigt.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): So steht es aber in dem Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit! Schauen Sie sich die Realität an!)

Trotzdem werden diese Zahlen mit seltener Uneinsichtigkeit immer wieder verwendet, um genau diesen Unsinn zu behaupten.

(Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Dann hätten Sie Ihren Bericht besser redigieren müssen! - Ute Kumpf (SPD), zu Abg. Georg Fahrenschon (CDU/CSU) gewandt: Hören Sie einfach mal zu! Das könnte Ihnen helfen!)

   Richtig ist Folgendes: Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, den Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung aufgewendet haben, ist - hören Sie gut zu - von 2,2 Prozent im Jahre 1998 auf 2,5 Prozent im Jahre 2001 gestiegen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Trotzdem stehen wir nur an siebter Stelle, Frau Bulmahn!)

Das ist die eigentlich wichtige Entwicklung. Seitdem ist dieser Wert stabil; er ist nicht wieder gesunken.

(Ulrike Flach (FDP): Er ist aber nicht hoch!)

Wir haben ihn steigern können und er bleibt stabil.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Andere Länder haben mehr, Frau Bulmahn!)

Das ist uns ungeachtet der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der wir uns generell befinden, gelungen.

Ich finde, das ist ein Zeichen für das inzwischen weit verbreitete Bewusstsein für die Bedeutung von Zukunftsinvestitionen, welches mir besonders wichtig ist; denn das ist für die kommenden Jahre entscheidend.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Deswegen kürzen Sie in diesem Jahr!)

   Hochtechnologien und deren Anwendung sowie Innovationen spielen heute wieder eine Schlüsselrolle in unserem Land. Deutschland ist der zweitgößte Technologieexporteur der Welt. Mitte der 90er-Jahre hatte nur jede vierte Firma ein Produkt im Angebot, das auf neuen Forschungsergebnissen beruhte. Heute hat jedes dritte Unternehmen ein neues Angebot, mit dem es auf den Markt drängt.

(Christoph Hartmann (Homburg) (FDP): Das ist das Verdienst der Bundesregierung!)

Keine Frage, wir müssen noch besser werden. Aber es gibt eine positive Entwicklung in diesem Bereich, die wir weiter unterstützen müssen.

   Deutschland verfügt inzwischen über die höchste Dichte innovativer Unternehmen in Europa. Ein Beispiel: Noch Anfang der 80er-Jahre war Deutschland bei der Produktion von Laserstrahlquellen Entwicklungsland.

(Jörg Tauss (SPD): Ja!)

Heute halten deutsche Unternehmen einen Weltmarktanteil von 40 Prozent.

(Jörg Tauss (SPD): 80 000 Beschäftigte!)

Mehr als 50 000 zusätzliche Arbeitsplätze sind allein in diesem Bereich entstanden.

(Beifall bei der SPD)

Von diesen Entwicklungen in der Lasertechnik profitieren auch für uns so wichtige Bereiche wie der Maschinenbau oder die Fertigungstechnik. Das ist genau der Weg, den wir gehen müssen: unsere Stärken ausbauen und Arbeitsplätze durch Innovationen zukunftssicher machen. Das ist meine Politik.

(Ulrike Flach (FDP): Sie haben in diesen Bereichen doch quer gekürzt!)

   Wir haben mit unserem regionalen Förderansatz - insofern wiederspreche ich Ihnen, Herr Kretschmer; es kann nicht um eine Förderung mit der Gießkanne gehen,

(Beifall bei der SPD - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das habe ich auch nicht gesagt! Sie haben mir nicht zugehört!)

wir brauchen einen fokussierten Ansatz - in den neuen Bundesländern Erfolge erzielt. Ich nenne nur das Beispiel Dresden.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Nennen Sie einmal ein anderes Beispiel als Dresden!)

Dort ist das Silicon Valley Europas entstanden, mit erheblicher öffentlicher Förderung gerade aus meinem Ministerium. 1,2 Milliarden Euro öffentlicher Mittel sind in diese Region geflossen. Schon heute liegt der Return bei 6 Milliarden Euro; 11 000 Arbeitsplätze sind dort entstanden. Unternehmen aus Frankreich und den USA - Sie haben sich das doch angeschaut -

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Aber Sie nicht!)

haben jüngst ihre Entwicklungsabteilung dorthin verlegt und die Produktion eröffnet. Das zeigt, wie wichtig Investitionen in Forschung und Entwicklung sind; es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass man sie an der richtigen Stelle einsetzt.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das ist wohl wahr!)

   Meine sehr geehrten Herren und Damen, diese Beispiele und Zahlen zeigen eines sehr deutlich: Die technische Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft ist gut. Allerdings werden auch die anderen Länder immer besser.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Die werden aber schneller besser als wir!)

Dabei zeigt sich, dass sowohl in Europa als auch weltweit die Länder mit den höchsten Investitionen in Forschung und Entwicklung das höchste wirtschaftliche Wachstum haben. Finnland, Schweden und die USA stehen beispielhaft dafür. Genau diese Länder sind unser Maßstab; denn wir müssen uns mit den Besten der Welt messen und nicht mit denen, die auf Platz 30 oder 35 stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Richtig, Frau Bulmahn! Fangen Sie einmal an!)

   Wir wollen im weltweiten Innovationswettlauf nicht nur mithalten, sondern den Takt der Entwicklung mitbestimmen. Deshalb brauchen wir eine neue Wachstumsdynamik. Die Reformen unseres Sozialstaates, die wir gerade durchführen, eine klare Politik für weniger Bürokratie und eine klare Politik pro Bildung und Forschung sind dafür die wichtigsten Voraussetzungen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Selbstverständlich.

Cornelia Pieper (FDP):

Frau Ministerin, wenn das so ist, wie Sie argumentieren, können Sie mir dann bitte erklären, warum 80 Millionen Euro gerade in Ihrem Haushalt - zulasten von Bildung und Forschung - gestrichen werden sollen, um Rentenlöcher zu stopfen?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Liebe Frau Pieper, nicht nur in meinem Haushalt werden 80 Millionen Euro gekürzt. Die Bundesregierung insgesamt hat die Agenda 2010 beschlossen, welche zwei Zielsetzungen hat. Diese können wir nur durchsetzen, wenn Sie alle in diesem Parlament mitmachen und sich für das Gelingen einsetzen. Wir wollen mit dieser Agenda 2010 die Säulen unseres sozialen Sicherungssystems stabilisieren und damit unser Rentensystem und unser Krankenversicherungssystem zukunftssicher machen.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Nicht rumschwafeln, Frage beantworten!)

Dazu müssen wir alle einen Beitrag leisten. Das ist schmerzhaft. Aber wenn wir wollen, dass wir in Zukunft wieder finanzielle Spielräume haben,

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das ist aber jetzt ziemlich verschwommen!)

gerade auch im Bereich von Bildung und Forschung, dann kommt es auf Sie alle an. Es wird sich zeigen, ob Sie - FDP, CDU und CSU - im Bundesrat den Mut haben, beim Subventionsabbau mitzumachen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Unser Vorschlag liegt vor, Frau Bulmahn!)

Wir werden sehen, ob Sie nach Ihren Reden hier im Bundestag auch im Bundesrat den Mut und die Bereitschaft aufbringen,

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Hören Sie auf!)

mit uns gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass wir in den kommenden Jahren wieder finanzielle Spielräume für Bildung und Forschung bekommen, um die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu leisten.

(Ilse Falk (CDU/CSU): Wird denn nun gekürzt oder nicht?)

Das ist sozusagen der Lackmustest, dem Sie sich stellen müssen. Dieser Test wird zeigen, ob Sie es mit Ihrer Forderung nach mehr Geld für Bildung und Forschung ernst meinen.

(Beifall bei der SPD)

   Ich hoffe, dass Sie es ernst meinen, weil ich davon überzeugt bin: Wir müssen deutlich mehr Geld in Bildung und Forschung investieren.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Oh, oh, oh!)

Daran möchte ich überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Sie wissen, dass wir dies alleine nicht entscheiden können.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Nachfrage von Frau Pieper?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Wir haben ganz konkrete Vorschläge zur Erhöhung der Mittel in diesem Bereich auf den Tisch gelegt. Ich hoffe, Sie werden ihnen zustimmen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Noch einmal: Gestatten Sie eine Nachfrage von Kollegin Pieper?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Nein, ich möchte mit meiner Rede weitermachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Thomas Rachel (CDU/CSU): Die Frage wurde gar nicht beantwortet! Das ist ja lächerlich! Das ist ja peinlich!)

   Wir schaffen genau diese notwendigen finanziellen Spielräume mit der Agenda 2010, um in diesen so wichtigen Bereich weiterhin investieren zu können. Das haben wir im Übrigen auch in den vergangenen Jahren getan. Wir haben eine neue Dynamik in diesem Bereich erreicht. In diesem Jahr stehen über 9,1 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung. Das bedeutet im Vergleich zu 1998 einen Zuwachs von mehr als 25 Prozent.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Entscheidend ist, was hinten rauskommt, Frau Bulmahn!)

Ich möchte aber ausdrücklich sagen: Andere Länder sind genauso gut. Deswegen dürfen wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, sondern müssen zulegen.

   Veränderungskraft und neue Ideen sind allerdings nicht allein eine Frage des Geldes. Lassen Sie mich auch das klar sagen: Innovation braucht vor allem kluge Köpfe,

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Und eine neue Regierung!)

Akademiker genauso wie hoch qualifizierte Fachkräfte. Zugespitzt formuliert: Wir dürfen nicht gleichzeitig älter, weniger und dümmer werden. Deshalb gehört zur Verbesserung unseres Innovationssystems die Reform unserer Bildungs- und Ausbildungssysteme. Das sind Kernpunkte einer Erfolg versprechenden Innovationspolitik.

(Beifall bei der SPD - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Bei der Berufsbildung probieren Sie seit fünf Jahren, sie zu reformieren!)

   Die Basis für Innovationen wird mit exzellenter Forschung gelegt. Dafür brauchen wir eine zielgenaue Förderpolitik, die Kreativität und Kompetenzen für neue Lösungen bündelt, Disziplingrenzen überwinden hilft und die branchenübergreifenden Netzwerke aktiv fördert. Wir haben deshalb die Mittel für die themenorientierte Projektförderung neu gebündelt und dort konzentriert, wo auf der einen Seite die größte Hebelwirkung für wirtschaftliches Wachstum zu erwarten ist und auf der anderen Seite dringender gesellschaftlicher Bedarf besteht.

   Wir fördern den Ausbau bestehender Märkte in der Mikrosystemtechnik. Die Erfolgsstory in Dresden ist ein Ergebnis dieser Förderung in die Mikrosystemtechnik, der optischen Technologien und der Materialforschung.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Überall gekürzt!)

Wir erschließen neue Wachstumsfelder durch die gezielte Förderung der Bio- und der Nanotechnologie, die sich mehr und mehr zu starken Wachstumsmotoren für viele andere Branchen entwickeln.

   Wenn Sie von der Opposition diese Schwerpunktsetzung nicht wollen, dann müssen Sie andere Schwerpunkte nennen.

(Ulrike Flach (FDP): Wer sagt denn das?)

Ich halte es für richtig, dass wir unsere Schwerpunkte genau auf diesen Feldern setzen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Sie haben doch keine Schwerpunkte! Sie haben einfach nur weniger Geld!)

   Zwischen 20 und 25 Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums in Deutschland beruhen auf dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien. Nachdem in den 90er-Jahren vor allem andere Länder, die hier früher viel stärker investiert hatten, von diesen neuen Technologien profitierten, hat Deutschland wieder Anschluss gefunden. Heute ist Deutschland einer der modernsten IT-Standorte der Welt. Unter dem Dach der Fraunhofer-Gesellschaft haben wir die europaweit größte IT-Forschungseinrichtung mit einem erheblichen und inzwischen sehr gut funktionierenden Forschungspotenzial geschaffen. Mit dem Programm „IT-Forschung 2006“ stellen wir insgesamt 3 Milliarden Euro für Forschung zur Verfügung, um die Innovationskraft genau in diesem Bereich langfristig zu sichern.

   Die Biotechnologie gehört zu den wichtigsten Innovationsfeldern des 21. Jahrhunderts. Wir erwarten, dass bis zum Jahre 2020 biotechnologische Methoden an etwa der Hälfte aller wichtigen Innovationen beteiligt sind.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Wie viel in Ihrer Rede ist Wunsch und Wirklichkeit?)

Gerade in der Biotechnologie haben wir, nachdem wir den Start in den 80er- und 90er-Jahren verschlagen haben, im internationalen Vergleich endlich wieder kräftig aufgeholt.

Nirgendwo sind in den letzten Jahren mehr neue Biotechnologiefirmen als in Deutschland gegründet worden. Nach einer Konsolidierungsphase stehen wir gerade in Deutschland in diesem Bereich vor einem neuen Aufschwung.

   In den Jahren 2001 bis 2005 steht rund 1 Milliarde Euro für die Förderung der Biotechnologie zur Verfügung. Wir haben erheblich aufgestockt und die Mittel für die Projektförderung in nur fünf Jahren gegenüber Ihren Ansätzen verdoppelt.

(Beifall bei der SPD)

Damit setzt sich im Übrigen Deutschland bei der Finanzierung der Genomforschung durch die öffentliche Hand in Europa an die Spitze und nimmt weltweit hinter den USA die zweite Stelle ein. Allein für das Nationale Genomforschungsnetz, das genannt worden ist - ich habe gerade in der letzten Woche die zweite Phase gestartet -, werden wir in den kommenden drei Jahren 135 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Auch weniger als bisher!)

Dieses Forschungsnetz ist für die Innovationskraft unseres Landes von erheblicher Bedeutung. 17 Patente, 80 Patentanmeldungen und 94 konkrete Produktideen sind hier bereits zu verbuchen. Ich bin sicher, dass wir in Kürze auch mit einer Reihe von Firmengründungen rechnen können.

   Damit wir aber nicht nur gut in der Forschung sind, sondern auch exzellent in der Anwendung und der Umsetzung - in der Nanotechnologie sind wir zum Beispiel weltweit in der Forschung Spitze -, habe ich im Frühjahr dieses Jahres den Hightechmasterplan vorgestellt.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Aha!)

Dabei geht es im Kern um folgende Punkte:

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Wo ist er denn?)

Die Bundesregierung hat bereits ein neues Modell - das ist das Ergebnis der Diskussion, der Gespräche und der Verhandlungen, die wir auf der Grundlage dieses Hightechmasterplans geführt haben - der öffentlichen Förderung von Wagniskapital eingeführt, das den geänderten Rahmenbedingungen von Venture Capital im Markt gerecht wird. Wir haben einen neuen Dachfonds gegründet.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das war es dann?)

Wir haben ihn vor ungefähr drei bis vier Wochen vorgestellt, Herr Kretschmer. Das ist Ihnen vielleicht entgangen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das war der Hightechmasterplan, ja?)

Damit haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in unserem Land Venture Capital wieder in größerem Umfang zur Verfügung steht. Wir werden damit Venture Capital in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro mobilisieren können.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ferner verbessern wir auch die steuerlichen Rahmenbedingungen für die jungen Technologieunternehmen und ihre Finanziers in Deutschland. Die Bundesregierung wird deshalb in Kürze wichtige steuerliche Einzelfragen im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung von VC-Fonds abschließend regeln und über einen Gesetzentwurf zum so genannten Carried Interest, den Bund und Länder gemeinsam vorbereiten, wird hier im Bundestag beraten.

   Zu der Politik, die ich geschildert habe, gibt es keine Alternative

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

und deshalb werden wir sie auch fortsetzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Cornelia Pieper, FDP-Fraktion, das Wort.

(Zuruf von der SPD: Das darf doch nicht wahr sein!)

Cornelia Pieper (FDP):

Frau Ministerin, Sie haben die FDP-Fraktion direkt angesprochen, was die Unterstützung gerade für Forschung und Wissenschaft und insbesondere die Entscheidung im Bundesrat und in diesem Hohen Haus anbelangt. Ich möchte ausdrücklich für die FDP-Fraktion festhalten, dass wir sehr daran interessiert sind, dass es keine weiteren Kürzungen im Bereich Forschung, Wissenschaft und Bildung gibt.

   Ich muss Sie fragen, Frau Ministerin, ob ich den gestrigen Bericht in einer renommierten Tageszeitung Deutschlands ernst zu nehmen habe, dass Ihr Haushalt - so konnte ich es lesen - um 80 Millionen Euro zulasten von Forschung und Bildung gekürzt werden soll.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): So ist es!)

Selbst wenn es nicht 80 Millionen Euro sind, sondern ein geringeren Betrag, so werden wir von der FDP-Fraktion das sicher nicht mittragen.

(Ute Berg (SPD): Deshalb senken Sie die Steuern!)

Das erwarten wir auch von Ihnen als Ministerin.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich will noch einmal von meiner Seite festhalten: Es geht um Zukunftsinvestitionen. Sie selbst sind damals als Ministerin mit dem Ziel angetreten, die Zukunftsinvestitionen zu verdoppeln. Sie haben dieses Ziel wieder infrage gestellt. Wir haben mehrmals mit unseren Initiativen und mit unserem heutigen Antrag deutlich gemacht, dass wir bereit sind, dieses Ziel zu unterstützen. Ich erinnere daran, dass es eine CDU/CSU-FDP-Bundesregierung war, die die Initiative zur Biotechnologie, Bio-Regio, gestartet hat. Ich bitte, keine falschen Behauptungen in den Raum zu stellen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Michael Kretschmer (CDU/CSU))

Uns liegt sehr daran, dass Sie die Forschungsförderung, insbesondere auch die Industrieforschung, in den neuen Bundesländern voranbringen.

   In den neuen Ländern macht die Industrieforschung nur noch 5 Prozent der Forschung aus. Darauf sind Sie in Ihrer Rede gar nicht eingegangen.

   In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie angekündigt:

Bei der Entscheidung über neu einzurichtende Forschungszentren des Bundes wollen wir die ostdeutschen Länder vorrangig berücksichtigen.
(Thomas Rachel (CDU/CSU): Lug und Trug!)

   Ich erwarte von Ihnen einen klaren Vorschlag. Die Neutronenspallationsquelle wird eines der größten europäischen Forschungsvorhaben in den nächsten zehn Jahren darstellen. Es besteht die Chance, ein Großforschungszentrum in den neuen Bundesländern einzurichten. Wo bleibt Ihre Initiative, Frau Ministerin?

(Ulla Burchardt (SPD): Warum hat Ihre Fraktion Ihnen denn keine Redezeit gegeben? - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Flach, lassen Sie sich das nicht gefallen!)

   Verzichten Sie bitte auf leere Worte und Versprechungen! Lassen Sie uns vielmehr Taten sehen und verhindern Sie weitere Kürzungen in Ihrem Haushalt. Wir werden Kürzungen jedenfalls nicht unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, Sie haben die Gelegenheit zur Antwort.

(Ute Berg (SPD): Zehn Minuten Antwort wären gut! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt ist doch die Frau Flach dran!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrte Frau Pieper! Erstens ist es richtig, dass mein Haushalt - wie auch alle anderen Haushalte der Bundesregierung - zu Kürzungen herangezogen wird. Das ist zwar schmerzhaft,

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Aha!)

aber ich weiß, wofür wir das tun. Mit den Kürzungen - das sage ich ausdrücklich - werden wir die finanziellen Spielräume schaffen, damit in den kommenden Jahren wieder mehr Mittel für Bildung und Forschung eingesetzt werden können. Wir müssen - das ist der entscheidende Punkt - unsere sozialen Sicherungssysteme sichern.

   Alle Haushalte - auch meiner - werden herangezogen. Das ist zwar schmerzlich, aber wir tun das, damit wieder mehr Geld für Bildung und Forschung zur Verfügung steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Liebe Frau Pieper, es ärgert mich, wenn Sie fordern, mehr Geld für Bildung und Forschung bereitzustellen. Auch wir wollen das und werden das auch wieder tun. Wenn Sie aber gleichzeitig die Kürzung der Eigenheimzulage ablehnen, dann ist das nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Wer auch in finanziell schwierigen Phasen die notwendigen Mittel für Bildung und Forschung aufbringen will,

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Die haben Sie doch gar nicht!)

muss bereit sein, an anderen Stellen Subventionen abzubauen.

   Was ich von Ihnen erwarte, ist, dass Sie nicht auf der einen Seite mehr Geld für Bildung und Forschung fordern - darin, dass dies notwendig ist, stimmen wir mit Ihnen überein -, während Sie auf der anderen Seite nicht bereit sind, die schmerzhaften Einschnitte bei den Subventionen vorzunehmen, die für die Stärkung der finanziellen Ressourcen notwendig sind.

   Ich erwarte von Ihnen nicht mehr und nicht weniger, als dass Sie die von uns im Bundestag beschlossenen Vorschläge im Bundesrat mittragen, damit wieder mehr Mittel für Forschung und Bildung aufgebracht werden können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich komme zum zweiten Punkt. Sie haben die neuen Bundesländer angesprochen, Frau Pieper. Diese Bundesregierung hat die Förderung der Forschung in den neuen Bundesländern zu einem wichtigen Schwerpunkt ihrer Politik gemacht.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Sie kürzt und kürzt und kürzt! - Christoph Hartmann (Homburg) (FDP): Wie war das noch mit der Chefsache Ost?)

Wir haben allein dafür die Mittel von 1,2 Milliarden auf 1,5 Milliarden Euro erhöht.

   Des Weiteren haben wir es mit dem Inno-Regio-Programm erreicht, Forschung und Wirtschaft zusammenzubringen und damit nicht nur in Dresden, sondern auch in vielen anderen Regionen der neuen Bundesländer Wirtschaftswachstum in Gang zu setzen und neue Unternehmen und Arbeitsplätze zu schaffen. Zum Beispiel haben wir mit dem Inno-Regio-Programm in einem wirtschaftlich so schwierigen Land wie Sachsen-Anhalt mehrere Tausend Arbeitsplätze geschaffen, und zwar in einer relativ kurzen Zeit von knapp fünf Jahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das bricht doch alles wieder weg, wenn die Förderung aufhört! Man muss nachhaltig arbeiten!)

   Wir werden diesen Kurs, aufbauend auf hervorragendem Forschungspotenzial, in Zusammenarbeit mit kleinen und großen Unternehmen, aber vor allen Dingen durch Neugründungen Arbeitsplätze zu schaffen und die Forschung in den neuen Bundesländern zu stärken, fortsetzen.

   Ich komme zum letzten Punkt. Es kann nicht sein, dass einerseits die Landesregierungen auch weiterhin für ihre Forschungseinrichtungen zuständig sein wollen - das gilt für die Forschungs-AGs; für diese Forschungseinrichtungen ist der Bund nicht zuständig; wir haben aber die Forschungs-AGs durch Projektförderung unterstützt -, dass sie aber andererseits nicht entscheiden, wie es weitergehen soll. Das ist notwendig; erst dann können wir vonseiten der Bundesregierung mit den Bundesländern darüber verhandeln, wie diese Vorschläge umgesetzt werden können. Solange die Länder nicht wissen, wie sie mit den Forschungs-AGs verfahren wollen, kann ich nicht handeln.

(Beifall bei der SPD - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Die wissen schon, was sie wollen!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion, das Wort.

Ulrike Flach (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bulmahn, für die FDP ist ganz klar: Unser Schwerpunkt in dem vorliegenden Haushalt sind Bildung und Forschung. Wir haben das schon vorher deutlich gesagt. Wir sind bereit, entsprechende Haushaltsmittel einzustellen, und wir haben auch bewiesen, dass wir das tun wollen.

   Des Weiteren wollen wir insgesamt 20 Prozent der Subventionen abbauen; das wissen Sie. Aber wir wollen auch eine Steuerreform, die zu niedrigen Steuersätzen führt. Das gehört zusammen. Wir wollen die Menschen in diesem Land nicht einseitig belasten, sondern für einen entsprechenden wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.

(Beifall bei der FDP - Jörg Tauss (SPD): Wie finanzieren Sie das? - Gegenruf des Abg. Christoph Hartmann (Homburg) (FDP): Durch Subventionsabbau, Herr Kollege Tauss! Wenn Sie einfach zuhören würden!))

Genau das tun Sie natürlich nicht.

   Frau Bulmahn, Sie erklären ständig, dass Sie einen Anteil von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung ausgeben wollen. Inzwischen liegt dieser Anteil in der Privatwirtschaft bei gerade einmal 1,7 Prozent und beim Staat bei 0,8 Prozent. Das bedeutet in Zahlen - das sollte man den Menschen ruhig einmal sagen -: Sie müssten 4 Milliarden Euro mehr ausgeben, um das angestrebte Ziel von 3 Prozent zu erreichen. Wo ist denn dieses Geld, Frau Bulmahn?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Auch Herr Matschie - ich schätze ihn sehr und habe mit Interesse gelesen, dass er als Nachwuchshoffnung der SPD propagiert wird - hat zu Subventionskürzungen aufgerufen. Aber in der gleichen Pressemeldung sagt er, dass das Ministerium die Mittel für die Projektförderung - das ist besonders interessant - um 84 Millionen Euro kürzen werde. Dabei hat es schon einen Haushalt mit flächendeckenden Kürzungen um einen hohen Prozentsatz in diesem Bereich gegeben. Trotzdem erklären Sie, Frau Bulmahn, uns zehn Minuten lang, dass das alles nicht wahr sei. Was sollen wir denn eigentlich noch glauben? Wo sind denn hier der nach vorne gerichtete Ansatz der Regierung und vor allem das Plus für Bildung und Forschung? Wir können das nicht erkennen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich möchte Ihnen einen ganz persönlichen Rat mit auf den Weg geben. In den vorangegangenen Tagen war zu lesen, dass von den 300 Millionen Euro für das von Ihnen so hoch gelobte Ganztagsschulprogramm gerade einmal 35 Millionen Euro abgerufen worden sind.

(Nicolette Kressl (SPD): Das ist nicht wahr! - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Furchtbar! So ein Flop!)

Ich komme aus einem Bundesland, in dem 1,5 Prozent der Grundschulkinder von diesem Programm profitieren könnten. Jetzt frage ich als Liberale: Wo bleibt die Gerechtigkeit? Was ist mit der Solidarität? Dieses Programm ist doch ein Flop größten Ausmaßes, Frau Bulmahn. Nehmen Sie endlich die Gelder für das Ganztagsschulprogramm, die von den Ländern offensichtlich nicht gewollt werden - rennen Sie doch nicht hinter den Ländern her; das bringt doch nichts -, und setzen Sie sie im Bereich von Bildung und Forschung ein, und zwar an den Stellen, wo wir sie brauchen!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ute Berg (SPD): Das ist doch Blödsinn!))

   Deutschland ist im Bereich von Forschung und Technologie zur Importnation geworden. Wir führen inzwischen mehr Wissen und Hightech ein, als wir exportieren. Dagegen hilft auch kein Hightechmasterplan, Frau Bulmahn.

   Aber es fehlt nicht nur Geld, was wir auch in unserem Antrag, den wir eingebracht haben, deutlich machen. Vielmehr ist auch eine Strukturreform der deutschen Forschungsförderung notwendig. Der Wissenschaftsrat hat Ihnen schon vor Monaten ins Stammbuch geschrieben, dass es an Koordination von Förderinitiativen, an Verfahren, Lücken aufzuspüren, an einer Prioritätensetzung, an variablen Begutachtungsverfahren und auch an spezifischen Förderinstrumenten für unkonventionelle Forschungsprojekte fehle. Wir finden es gut, dass der Bundesrat - das möchte ich ausdrücklich sagen - jetzt einen Vorschlag zur Besteuerung von Wagniskapitalgesellschaften gemacht hat; denn gerade junge, innovative Unternehmen brauchen Wagniskapital. Die bisherigen ungünstigen steuerlichen Rahmenbedingungen sind ein Hemmschuh für private Kapitalgesellschaften.

   Der Unionsantrag enthält eine Reihe von sinnvollen, aber leider auch sehr teuren Forderungen. An dieser Stelle möchte ich den Kollegen von der Union sagen: Ich hätte mich gefreut, wenn Sie an den Haushaltsberatungen teilgenommen hätten.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Bei diesem Haushalt kann man das nicht machen! Dieser Haushalt ist Makulatur!)

Das wäre sehr hilfreich gewesen. Nun warten Sie mit einer Reihe von Forderungen auf, die Sie aber nicht entsprechend hinterlegt haben, Herr Kretschmer. Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich wie wir konstruktiv eingebracht. Dann gäbe es jetzt entsprechende Vorlagen, über die wir beraten könnten. Die FDP hat dies getan.

(Beifall bei der FDP)

   Unsere Etatforderungen begleiten wir heute mit unseren entsprechenden strukturellen Forderungen. Wir unterstützen die Forderung des Wissenschaftsrates nach einem Forum für Forschungsförderung. Dann könnten endlich Dopplungen und Lücken vermieden werden.

Wir wollen dem Vorschlag folgen, einen europäischen Forschungsrat einzurichten. In einen solchen Forschungsrat gehören übrigens - das sagen wir an dieser Stelle sehr ausdrücklich - Wissenschaftler und nicht Politiker. Außerdem wollen wir eine ressortübergreifende Schwerpunktsetzung. Ich sage ebenfalls ganz klar: Wir stehen in Konkurrenz zu Ländern wie den USA. Dort gibt es in allen Bereichen riesige Programme. Dort ist klar erkennbar: Dieses Land führt eine gewaltige Nanoinitiative und eine gewaltige Life-Science-Initiative durch.

   Bei uns „tröpfeln“ entsprechende Ansätze durch die verschiedenen Haushalte.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein Defizit!)

Wer sich zum Beispiel die Energieforschung anschaut, der stellt fest: Diese Ansätze „tröpfeln“ sogar durch Haushalte von Ministerien, die sich bekämpfen. Was die Energieforschung angeht, sind mittlerweile sowohl Frau Künast als auch Herr Trittin als auch Herr Klement als auch Sie, Frau Bulmahn, am Hebel. Offensichtlich sind Sie die Schwächste in dem ganzen Konzert. Das ist nicht produktiv.

   Überlegen Sie einmal, mit welchen Größenordnungen wir es zu tun haben! Allein der Aufwuchs der Mittel für die Biowissenschaften eines Jahres in den USA entspricht dem Gesamtansatz der deutschen Wissenschaftsorganisationen Max-Planck-Gesellschaft und Deutsche Forschungsgemeinschaft. Ich wiederhole: Das Plus dieser Mittel in den USA entspricht dem Gesamtansatz dieser deutschen Wissenschaftsorganisation. Machen Sie sich das einmal bewusst! Frau Bulmahn, insofern brauchen wir uns nicht der Illusion hinzugeben, dass Sie auf einem positiven Weg sind.

   Ich will Ihnen an dieser Stelle aber sagen: Ich wäre wirklich froh, wenn Sie es wären. Wir von der FDP unterstützen Ihre Strukturreformen und Ihre Forderung nach mehr Geld. Da ich gerade Frau Zypries sehe: Wir freuen uns über Ihren innovativen Impuls.

(Jörg Tauss (SPD): Von der Bundesregierung kommen nur innovative Impulse!)

Wir erwarten von der Regierung aber, dass sie diesen Impuls auch umsetzt. Hüpfen müssen Sie selbst, liebe Frau Bulmahn!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Kretschmer. Die Betonung liegt auf „kurz“, da Sie schon ausführlich geredet haben.

- Für Ihr Problem gibt es in Apotheken eine Lösung, nämlich Baldrian, Herr Kollege.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Jörg Tauss (SPD): Johanniskraut! - Nicolette Kressl (SPD): Ob das noch hilft?)

   Dass ein Antrag des Bundesrats auf dem Tisch liegt, der bessere und berechenbare Rahmenbedingungen für Wagniskapitalgesellschaften verlangt, und dass wir da zu einer Einigung kommen werden, ist ein positiver erster Schritt.

(Beifall der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Herr Professor Riesenhuber, Sie werden zugeben: Dass der Dachfonds jetzt eingerichtet ist, der mit privaten Beteiligungsgebern auf ein Volumen von immerhin 1,7 Milliarden Euro kommen wird, ist ein wichtiger Schritt für Wagnisfinanzierung und für innovative Firmen, vor allem in der zweiten Phase, in der es bei den Investitionen große ökonomische Probleme gibt. Gegenüber der letzten Debatte sollte man einfach einmal festhalten: Jetzt gibt es einen Fonds, aus dem innovative Firmen Mittel abrufen können. Das ist ein Fortschritt für den Innovationsstandort Bundesrepublik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Opposition muss immer klagen, aber sie muss auch erkennen, was sich positiv verändert hat. Ich bin froh, Herr Riesenhuber, dass Sie nach mir sprechen werden, weil Sie ein Mensch des Konstruktiven und nicht des Wadenbeißens sind.

(Jörg Tauss (SPD): Warten wir die Rede mal ab!)

   Wir müssen in der Tat mehr für die Bildungskette in Deutschland vom Kindergarten bis zur Hochschule, Forschung und Weiterbildung tun. Ich stimme Ihnen von der FDP zu, wenn Sie sagen: Da muss mehr geschehen; da darf nicht gekürzt werden. - Allerdings: Wenn Sie genau hinschauen, stellen Sie fest, dass der Bund gegenüber 1998, als Sie noch regiert haben, also in fünf Jahren, trotz der Kürzungen, die jetzt stattfinden, insgesamt 1 Milliarde Euro mehr für Forschung und Entwicklung ausgegeben hat.

(Ulrike Flach (FDP): Aber wir müssen nach vorn! - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Schauen Sie sich die anderen Länder an!)

Das einzuräumen gehört zur Redlichkeit dazu.

   Es ist etwas aufgewachsen. Wir von den Grünen sagen: Das ist zu wenig. Auch die SPD sagt: Es ist zu wenig. - Wenn die finanziellen Verhältnisse durch Abbau der Arbeitslosigkeit wieder besser werden, dann werden wir versuchen, das weiter aufzufüllen.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Wenn sie wieder besser werden!)

Da besteht Konsens in der Regierung; da freuen Sie sich, Frau Bulmahn. Aber es stimmt, dass in der ganzen Bildungskette mehr getan werden muss.

   Was Sie zu den Ganztagsschulen gesagt haben, ist übrigens nicht richtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

In den einzelnen Ländern geschieht jetzt Folgendes: Das wächst systematisch auf. Der Widerstand der Länder geht zurück, weil vor Ort die Bevölkerung, vor allem die Eltern, Druck ausübt dahin gehend, dass man in einem konstruktiven Konzept den Einsatz dieser Mittel mit Landesmitteln verknüpft.

(Ulrike Flach (FDP): Aber es sind nur 35 Millionen abgerufen! Das sind doch die Zahlen Ihrer Ministerien!)

- Da sind Sie einfach nicht richtig informiert, liebe Kollegin.

   Wenn wir das Ziel „3 Prozent vom BIP für Forschung und Entwicklung“ erreichen wollen - das wollen Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das wollen die Kollegen von den Schwarzen und das wollen wir -, dann gibt es eine entscheidende Anforderung - da müssen Sie sich bewegen -: Wir müssen uns gemeinsam energisch an den Abbau von Subventionen machen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Sie schieben das Problem doch weg! - Arnold Vaatz (CDU/CSU): Sie setzen sich nicht durch!)

Sie fordern mehr für Forschung und Bildung, aber immer dann, wenn ein Subventionsabbauvorschlag auf den Tisch kommt, finden Sie eine Lobby, aus deren Sicht heraus Sie argumentieren können, dass gerade dieser Vorschlag nicht umgesetzt werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Schauen Sie sich doch an, wie das mit den Vorschlägen läuft! Herr Stoiber, der bayerische Ministerpräsident, macht einen Teildeckungsvorschlag für das Vorziehen der letzten Stufe der Steuerreform. Wo will er kürzen? - Er will - das müssen Sie sich jetzt leider anhören - bei den Weiterbildungsmitteln der Bundesanstalt für Arbeit kürzen, weil er die Weiterbildung offensichtlich nicht für ein zentrales Instrument hält, das dazu beiträgt, in Deutschland zu mehr Innovationen zu kommen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Wir reden doch jetzt über Forschung!)

Solange Sie so etwas gutheißen, brauchen sie uns nicht zu erzählen, wir sollten mehr für Bildung tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Sie kürzen da, wo es Ihnen gefällt. Damit verlieren Sie entscheidend an Glaubwürdigkeit. Herr Hinsken, Sie als Handwerker wissen doch, wie wichtig es ist, dass man glaubwürdig bleibt.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Das muss eine Umfallerpartei sagen!)

Wenn man nicht glaubwürdig bleibt, kann man seine Produkte und seine Politik nicht mehr verkaufen.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Sie fallen schneller um, als Sie reden können!)

   Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, auf den wir uns verständigen müssen. Systematischer, als es in einer Zahlendebatte geschieht, müssen wir einmal fragen, was eigentlich Innovationen blockiert.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Ihre Politik, Herr Kuhn!)

- Jetzt einmal etwas ernster, Herr Kollege! Sie müssen in solchen Debatten mehr Ernsthaftigkeit aufbringen.

   Ich will zwei Punkte nennen. Sie können entscheiden, ob Sie die teilen.

   Erstens. Fehlender Wettbewerb ist schlecht für Innovationen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das habe ich gesagt!)

Ich will ein Beispiel nennen. Ich glaube, dass der Gesundheitsmarkt, der Markt für Gesundheitstechnik und Gesundheitstechnologien, einer der größten innovativen Märkte der Zukunft überhaupt ist.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Bleiben Sie doch bei der grünen Biotechnologie!)

   Das wird auch in der Forschungs-Community nicht bestritten. Wenn das so ist, dann dürfen wir nicht eine Gesundheitsreform machen, die sich nicht das Ziel setzt, echten Wettbewerb der Anbieter im Gesundheitssystem zu ermöglichen. Da müssen wir ran, wenn wir Innovationen wollen. Wir dürfen nicht die Kartelle schonen, wie dies in der Vergangenheit geschehen ist.

Wettbewerb zwischen der pharmazeutischen Industrie, den Ärzten, den Krankenkassen und den Anbietern im Gesundheitssystem ist also gut für Innovationen. Demgegenüber sperren wir uns in einer Art großer Koalition, indem diese Frage gar nicht erst aufgeworfen wird.

   Der zweite Punkt betrifft die Subventionen. Es gibt einen ganz einfachen Satz: Wenn wirtschaftliche Strukturen subventioniert werden, kommt es zu Fehlsteuerungen. Wenn für Unternehmen der Subventionswettlauf einfacher ist als der Innovationswettlauf, dann entscheiden sie sich für den Subventionswettlauf. Das ist eine ganz einfache ökonomische Tatsache. Subventionen, die über einen langen Zeitraum gewährt werden, stellen ein Trägheitsmoment in einer innovativen Gesellschaft dar. Deshalb müssen Sie nicht nur aus finanzpolitischen Gründen, sondern auch, um ökonomische Fehlsteuerungen zu verhindern, dabei mithelfen, Subventionen abzubauen, und dürfen nicht als Sprachrohr der Lobbys der Subventionsempfänger hier im Bundestag auftreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich will noch einen weiteren Punkt nennen, der für mehr Innovation genauso wichtig ist. Wer die Geschichte von Innovationen in anderen Gesellschaften und anderen Zeiten studiert, der wird immer feststellen, dass ein vernünftiges Maß an Einwanderung, also dass Leute von außen mit höheren Qualifikationen hereinkommen, die Voraussetzung dafür war, dass Gesellschaften Innovationen hervorbringen konnten. Ihr Verhalten gegenüber dem Zuwanderungsgesetz kann man jedoch nicht anders als Blockade bezeichnen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Schauen Sie sich einmal an, wie viele Leute in den wichtigsten US-amerikanischen Publikationslisten und wie viele Preisträger der wichtigsten Preise amerikanische Staatsbürger mit einem spanischsprachigen Einwanderungshintergrund sind. Das ist der innovativste Teil der Wissenschaftsszene in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das können Sie nicht einfach ignorieren. Sie müssen sich hier öffnen, weil sich ein Land, das seine Produkte überall in der Welt verkaufen will, im Wissenschaftsprozess nicht abschotten darf. Aber genau das ist ja leider Ihre Strategie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Deswegen müssen wir zwar über Geld und Finanzierungsbedingungen - da ist Bewegung drin und in diesem Bereich haben wir Fortschritte erzielt -, aber genauso gut auch über den gesellschaftspolitischen Rahmen von Innovationen reden. Hier müssen Sie den Fuß von der Bremse nehmen. Dann können wir endlich eine Strategie verfolgen, die dazu beiträgt, dass in Deutschland innovative Produkte und Dienstleistungen hervorgebracht werden, die woanders nicht hergestellt bzw. erbracht werden. Damit können Arbeitsplätze geschaffen werden.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Sie, Herr Riesenhuber, sind der nächste Redner. Ich freue mich schon auf Ihre Rede.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Werter Kollege Riesenhuber, Ihnen ist schon das Wort erteilt worden. Sie sind nun auch wirklich an der Reihe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU):

Herr Präsident! Lieber Präsident Kuhn! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vieles von dem, was Sie, Herr Kuhn, sagen, hat ja durchaus seinen Reiz und ist intelligenter als das, was ich vonseiten der Regierung höre.

(Jörg Tauss (SPD): Keine Polemik!)

   Bezüglich der Frage Subventionswettlauf könnte man einmal eine Debatte über die Windenergieförderung führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bezüglich der Frage Subventionsabbau könnten wir einmal eine Debatte darüber führen, wer die anspruchsvollsten Vorschläge macht.

(Ulrich Kasparick (SPD): Es gibt sogar ein entsprechendes Gerichtsurteil! Das sind keine Subventionen! Sie sollten zumindest Gerichtsurteile zur Kenntnis nehmen!)

Es gibt kein energischeres Subventionsabbauprogramm als das, was Friedrich Merz vorgelegt hat. Das ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt. Vergeuden Sie nicht Ihre Mühen in irgendwelchen Detailfragen, sondern lassen Sie uns ein strategisches Gesamtkonzept erstellen, die Steuern senken und Freiräume schaffen, damit die Leute das Geld, das sie verdient haben, wirklich in ihre Arbeit stecken und etwas für die Zukunft tun können. Dann sind wir dabei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - René Röspel (SPD): Dieses Plädoyer müssen Sie im Bundesrat halten und nicht hier! - Jörg Tauss (SPD): Herr Kuhn, zu früh gefreut!)

   Es wäre ja wirklich reizvoll, viele von den einzelnen genannten Punkten aufzunehmen. Beispielsweise wäre es faszinierend, hier über die Kürzungen in Höhe von 80 Millionen Euro zu sprechen. Frau Pieper und Frau Flach haben das angesprochen. 60 Millionen Euro sind an Kürzungen im Haushalt des BMWA vorgesehen und die Ausgaben für BTU, das Beteiligungsprogramm für kleinere Technologieunternehmen, sind erheblich unterveranschlagt. Ich bin einmal gespannt, was da alles noch herausradiert werden wird.

(Ulrike Flach (FDP): So ist es!)

   All dem stelle ich jetzt einmal die Diskussion über die Ganztagsschulen gegenüber. Natürlich sind solche Schulen eine wunderbare Sache. Aber der hochverehrte Herr Müntefering, der heute nicht leiblich unter uns weilen kann, sagt: In Forschung und Innovation liegt das Geheimnis des Wohlstandes.

(Jörg Tauss (SPD): Richtig!)

Gut. Weiterhin sagt er: Viele in Partei und Regierung sind zu stark auf die Sicherung des Sozialstaates fixiert, aber nicht auf die Sicherung von Wohlstand.

(Ulrike Flach (FDP): Hört! Hört!)

Ja, Freunde, jetzt setzt mal Prioritäten! Wir sprechen über Milliardenbeträge für Ganztagsschulen. Dass die Länder zugreifen, wenn ihnen Geld - in welcher Form auch immer - angeboten wird, das entspricht der menschlichen Natur.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dass das eine sinnvolle Allokation knapper Ressourcen in einer begrenzten Welt sei, kann aber doch kein vernünftig Denkender sagen. Herr Müntefering gibt uns die Leitlinie, wir sollten in den Wohlstand, in Innovationen investieren, nicht vor allem in den Sozialstaat. Folgen Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden mit seiner zukunftsweisenden Idee und vertrauen Sie darauf, dass er eingesehen hat, was richtig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Situation des Haushalts ist ziemlich tragisch: Der Forschungsbereich beim BMBF sinkt um 1,8 Prozent, die Projektförderung gar um über 8 Prozent. Wenn die Projektförderung sinkt, heißt das, dass Programme abreißen. Einige Projekte müssen sogar zurückgerufen werden. Darunter leidet die Kontinuität. Das heißt, dass einige Programme nicht mehr funktionieren.

   Der Wirtschaftsminister sagt voller Stolz: In den vergangenen fünf Jahren ist unser Forschungsetat nominal um 5 Prozent gewachsen. - Das ist nicht unbedingt das, was uns versprochen worden ist: Der Weg zu Forschungsausgaben in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in jedem europäischen Land ist damit nicht unbedingt direkt beschritten.

   Das Geld ist das eine, die Frage der Prioritäten im Haushalt aber das andere. Verhält man sich populistisch oder setzt man auf die Zukunft, auf Innovationen, auf das, was unseren Wohlstand begründen wird?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sicher ist das eine Frage des knappen Geldes, aber manchmal fehlen anscheinend auch ein wenig die Ideen. Herr Kuhn - mit Ihnen plaudere ich ja gerne -, Sie haben das Gesundheitswesen angesprochen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der hat immer gute Ideen!)

- Das sage ich ja. - Das ist ein faszinierender Bereich. Wo stehen wir denn da? Helge Braun hat gerade einen Antrag eingebracht, mit dem er die klinische Forschung verbessern will. Für Gesundheitsforschung geben wir in Deutschland jährlich 3 bis 3,5 Milliarden Euro aus; das ist das, was die Länderhaushalte für die Universitätskliniken vorsehen.

   Hier ist Deutschland nicht erkennbar, hier ist eine strategische Linie nicht ersichtlich. Das Ministerium macht von seiner Führungs- und Gestaltungskraft keinen Gebrauch, hat keine einheitliche Strategie und lässt einen großen Teil der Mittel irgendwo, aber nicht in der Forschung versickern. Deswegen sind die Prägekraft, die Zielsetzung und die Leidenschaft für die Zukunft, die wir erreichen wollen, nicht mit hinreichender Klarheit zu erkennen.

   Nun ist der Hightechmasterplan diskutiert worden. Er geistert seit Februar hier herum und ist in wesentlichen Elementen vom „plan innovation“ der Franzosen abgeschrieben. Das ist eine wunderbare Sache: Früher haben die Franzosen unsere Projekte abgeschrieben, jetzt lernen wir von den Franzosen.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Aber er schreibt schlechter ab!)

Die Zeiten ändern sich: Jede Regierung hat ihren eigenen Stil.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

   Was war hier vorgeschlagen? Da war vorgeschlagen, dass man innovative Betriebe begünstigt besteuert. Davon ist nicht mehr die Rede. Das war Punkt eins. Da war vorgeschlagen, dass eine Hightechbörse eingerichtet wird. Auch davon ist nicht mehr die Rede. Ich bin einmal gespannt, was von dem ganzen Masterplan übrig bleibt.

   Was ist mit der anderen großen Initiative? Noch im Sommer haben wir im Ausschuss, lieber Herr Kuhn, ein Dokument des Wirtschaftsministers vorgelegt bekommen, nach dem im Sommer ein Konzept für Innovation und Forschung im Mittelstand hätte vorgestellt werden sollen. Ich schaue auf die Homepage des Wirtschaftsministers - da ist nichts zu finden. Ich schaue bei Google nach - der Begriff kommt nicht vor. Dieses ganze Konzept ist plötzlich wieder in irgendeiner Ritze verschwunden.

   Aber ich bin voller Zuversicht, Herr Tauss, dass Sie jetzt auf Ihrem Parteitag in dieser Sache glanzvolle Lichter aufstellen und dieses Thema mit Kraft auch in den Bundestag sickert. Aber muss das so lange dauern?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hier geht es um Deutschland. Wir müssen zu Entscheidungen kommen. Das ist doch das Problem, vor dem wir stehen. Ideen - strukturelle Ideen, thematische Ideen - sind in großem Reichtum vorhanden. Sie werden nur nicht aufgegriffen.

   Im Januar vergangenen Jahres haben wir besprochen, dass ein Programm zur Nanotechnologie wohl angezeigt sei.

Jörg Tauss (SPD):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute Morgen einmal mehr das Thema Innovation. Ich halte dies für richtig. Insofern bedauere ich es ein wenig, Herr Kollege Riesenhuber, dass Sie den an Sie gestellten hohen Erwartungen unseres Kollegen Kuhn nicht gerecht geworden sind.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Das sagt der Richtige!)

Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass es weniger Polemik und dafür mehr substanzielle Beiträge von Ihrer Seite gegeben hätte. Den einen oder anderen Punkt, den Sie vorgetragen haben und den Sie unter Zugrundelegung der Komplexität insgesamt gesehen nicht falsch dargestellt haben, auf Gemeinsamkeit abzuklopfen wäre mir bei Ihnen sicherlich leichter gefallen als bei dem Kollegen Kretschmer.

   Herr Kollege Kretschmer, es ist einfach blöd, wenn man morgens beim Frühstück eine Rede schreibt. Dann kann man schon einmal Dinge verwechseln. Es ist ein großes Problem, wenn man wie Sie Statistiken zum Thema Wissen mit Statistiken zum Thema Waren verwechselt. Das erschwert die gemeinsame Diskussion. Das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden.

   Bei der gestrigen Debatte, bei der es um die Bund/Länder-Bildungsplanung ging, haben Sie gezeigt, wie isoliert und wie weit Sie von der Mehrheit in diesem Hause entfernt sind. In die Mehrheit dieses Hauses, was die künftige Bildungs- und Forschungskoordination angeht, schließe ich die FDP mit ein. Sie haben bewiesen, wie stark Sie dem Provinzialismus verhaftet sind und wie weit Sie sich von den Forschungsbedürfnissen entfernt haben.

(Beifall bei der SPD)

   Über Forschung zu reden, aber gleichzeitig die Hochschulen provinzialisieren zu wollen, wie es Ihnen die Hochschulrektorenkonferenz ins Stammbuch geschrieben hat, ist kein Konzept. Deswegen würde ich an Ihrer Stelle nicht mit der Arroganz auftreten, die Sie an den Tag gelegt haben.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Das sagt der Richtige! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen, wenn Sie es wünschen. Ich lese mit Interesse in Ihrem Antrag, dass Sie die Fachhochschulen stärken wollen. Wir hatten gerade dieser Tage bei mir im Wahlkreis eine große Festveranstaltung. Da ging es um das fünfjährige Bestehen der Existenzinitiative KEIM. Wir versuchen, in den Universitäten und Hochschulen die Idee der Gründung von Unternehmen aus Universitäten und Hochschulen heraus zu verankern. Das war in der Vergangenheit ein Erfolgskonzept. Vom Vertreter der Landesregierung Baden-Württemberg - es war übrigens der Vertreter von Herrn Döring, liebe Frau Kollegin Flach - haben wir, nachdem sich der Rektor der Fachhochschule Karlsruhe bitter darüber beklagt hat, dass ihnen in Baden-Württemberg das finanzielle Grundwasser abgeschnitten werde, gehört, es sei richtig, Bildung und Forschung mit der Rasenmähermethode zu kürzen, weil man nur so zu mehr Effizienz komme.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Anja Vollmer)

   Ich hätte die herzliche Bitte - Herr Riesenhuber, hier gäbe es vielleicht Berührungspunkte -, zu erkennen, dass wir alle miteinander als Bildungs- und Forschungspolitiker und -politikerinnen das Problem haben - Sie in den Ländern, in denen Sie regieren; zugegebenermaßen auch wir in den Ländern, in denen wir regieren, und auf Bundesebene -, den Finanzbeamten klar zu machen, dass Innovationen, Forschung und Investitionen in die Zukunft etwas mit Zukunftssicherung zu tun haben

(Zustimmung bei den Abgeordneten der SPD)

und dass das keine Investitionen in negativem Sinne sind, die überhaupt nicht in der Statistik erscheinen, sondern in der Tat Zukunftsinvestitionen. Das sollten wir gemeinsam angehen.

(Beifall bei der SPD)

   Sie sagen, Sie seien auf diesem Gebiet erfolgreich. Ich verweise auf die Länder. Ich kann nur feststellen: Die Lage dort ist nicht sehr schön. Hätten sich die Niedersachsen erträumt, dass nach dem Wahlsieg als Erstes bei den Fachhochschulen Kahlschläge erfolgen? Hätten sich die Bayern erträumt, dass als Erstes der Forschungsbereich Kahlschläge erlebt?

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Bleiben Sie bei der Wahrheit! - Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wer im Glashaus sitzt und so wie Sie vorgeht, sollte hier anders auftreten. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Sie haben völlig Recht - ich glaube, da sind wir uns einig -: Innovationen, Forschung und Wissenschaft sind die Zukunftsfelder unseres Landes. Wir leben heute im Export im Wesentlichen davon - Herr Kretschmer, da gebe ich Ihnen sogar Recht; wo Sie Recht haben, haben Sie Recht -

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Muss ich jetzt Angst bekommen?)

- nein, Sie brauchen keine Angst zu bekommen; es ist richtig -, dass wir vor 100 Jahren Erfinder hatten - ich erinnere an Namen wie Benz, Siemens und andere -, von deren Arbeit wir noch heute leben. Dies betrifft Exporte im Maschinenbau und im Fahrzeugbau. Im Bereich der Elektrotechnik verdienen wir heute unser Geld mit Produkten, die zum Teil erst in den letzten fünf Jahren entstanden sind. Das heißt, wir brauchen einen kontinuierlichen Prozess an Innovationen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Bei dieser Gelegenheit füge ich allerdings hinzu: Wenn Sie fordern, im geisteswissenschaftlichen Bereich die Mittel, was Innovationen angeht, zu kürzen, haben Sie den Innovationsbegriff nicht richtig verstanden.

(Beifall bei der SPD)

Es geht vielmehr darum, Innovationen in allen Bereichen, in den technischen und in den gesellschaftlichen, zu entwickeln.

   Dies zu vermitteln wäre unsere Aufgabe, Herr Riesenhuber. Ich bedauere, dass Sie diese Chance heute vertan haben. Da war unser Gespräch, das wir neulich miteinander geführt haben, wesentlich freundschaftlicher. Kuhn hat doch Recht, wenn er, was die derzeitige Situation betrifft, sagt, dass die besten Köpfe im Moment nicht nach Deutschland kommen, weil Sie ein provinzielles Ausländerrecht auf den Weg bringen wollen - wenn es überhaupt dazu kommt. Das alles haben wir doch in der Anhörung dieser Woche gehört. Sie verhindern, dass Fachkräfte zu uns kommen. Noch viel schlimmer: Sie schüren an den Stammtischen - im bayerischen Landtagswahlkampf war es deutlich zu erkennen - die Angst der Menschen davor, international stärker zu kooperieren und um die besten Köpfe zu werben. Das ist Ihre Schuld, die Sie in diesem Falle auf sich laden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Übrigen sage ich ganz deutlich: Ich halte nichts davon, Herr Riesenhuber - da gewinnt keiner von uns -, wenn man, und sei es als Gag hier im Saale, Bildungsinvestitionen in Ganztagesschulen gegen Forschung und Wissenschaft ausspielt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen Investitionen in beide Bereiche! In meinem Wahlkreis - Sie werden es nicht anders erleben - gibt es im Moment einen Wettlauf um Mittel für Ganztagesschulen. Alle sagen, wir bräuchten mehr davon - und nicht deswegen, weil es schön ist, Geld auszugeben, sondern deswegen, weil der Bedarf für mehr Ganztagsbetreuung und mehr Betreuung der Kinder insgesamt hoch ist.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist eine gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns gemeinsam zu stellen haben.

   Von daher ist es bedauerlich, dass in diesem Lande mehr über Probleme beim Zahnersatz - natürlich gibt es auch die - als über die Frage, wie viel Geld wir in Wissenschaft und Forschung stecken, diskutiert wird. Der Ansatz der Agenda 2010 ist richtig: Wir müssen, um die Sozialversicherungssysteme stabil zu halten, sparen.

Wir müssen sparen und können Rentenerhöhungen nicht auf Pump durchsetzen, denn wir brauchen die Mittel, um auch zukünftig in Forschung und Wissenschaft investieren zu können. Wir müssen den Rentnerinnen und Rentnern erklären, dass sie im Grunde genommen einen Beitrag dafür leisten, dass es ihren Enkeln nicht in die Schulen hineinregnet. Diese Zusammenhänge müssen wir noch deutlicher erklären. Wenn wir es nicht schaffen, in diesen Bereichen voranzukommen, werden wir in zehn Jahren über ganz andere Entwicklungen in unserem Sozialstaat diskutieren, weil dann die Grundlagen für Wachstum nicht mehr vorhanden sind. Wir sind mit der Agenda auf dem richtigen Weg. Es ist richtig, die Investitionen hier vorzunehmen.

   Ich habe eine abschließende Bitte, Frau Flach, Herr Kretschmer, Herr Riesenhuber und andere: Heute Morgen haben Sie Ihre Vorstellungen zur Finanzierung der Steuerreform, zu der ich stehe, publizieren lassen. Sie sagen, wir müssen die Steuerreform im Wesentlichen durch Einsparungen finanzieren. Ich denke, Sie sollten die Ehrlichkeit aufbringen, dann auch zu sagen, dass die freien Mittel, bei denen gespart werden könnte, genau in dem Bereich stecken, über den wir heute diskutieren,

(Ulrike Flach (FDP): Das haben wir doch gesagt!)

nämlich im Bereich Wissenschaftsförderung.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Wie kommen Sie darauf? Das ist Unsinn!)

- Selbstverständlich. Schauen Sie sich doch einmal die Leistungsgesetze an. dann sehen Sie, welchen Spielraum wir haben. Da haben wir im BMBF doch nur die Projektförderung. Diese Ehrlichkeit sollten Sie an den Tag legen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulrike Flach (FDP): Haben wir doch!)

   Es ist verkehrt zu sagen, wir wollen in diesen Bereichen einsparen. Sagen Sie, wo Sie sparen wollen. Alle Einsparvorschläge bis hin zu den Vorschlägen von Koch und Steinbrück zielten auf andere Bereiche. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie hier nicht ehrlich genug sind.

   Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Fahrenschon.

Georg Fahrenschon (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, zur Tagesordnung und zu den vorliegenden Anträgen zurückzukommen. Einer Ihrer Nebensätze, Herr Kuhn, macht mir das leicht, weil ich hoffe, dass wir wieder einmal einen Punkt finden werden, an dem wir gemeinsam in Deutschland etwas zum Guten wenden können.

   Die verbundene Debatte stellt neben der Diskussion um den Innovationsstandort eine Bundesratsinitiative, die Bayern angestoßen hat, zur Wagniskapitalbesteuerung in den Mittelpunkt. Wagniskapitalgesellschaften sind mittlerweile ein immer wichtiger werdendes Instrument der außerbörslichen Unternehmensfinanzierung. Man muss wissen, dass es dabei nicht nur um junge Unternehmen, also um Start-ups, geht, sondern auch um etablierte Unternehmen, die expandieren wollen und dafür Geld brauchen. Die Wagniskapitalgesellschaften sind ein zentraler Mittler zwischen den Kapitalanlegern einerseits und den zu finanzierenden Unternehmen andererseits.

   In den Jahren 1998 bis 2000 war es ein hoch interessanter Markt, der eine wichtige Funktion übernommen hatte. Im Jahr 2000 gab es einen Einbruch und danach war im Grunde auf weiter Fläche nichts mehr zu sehen. Das hat unterschiedliche Gründe.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Börsencrash!)

Es hat konjunkturelle Gründe, aber auch die politische Unsicherheit spielt eine Rolle. Die bestehende Verunsicherung hinsichtlich der Besteuerung der Wagniskapitalgesellschaften ist ebenfalls ein Grund.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist platt!)

- Nein, es ist nicht platt, Herr Tauss. Das ist ein wesentlicher Punkt, ich will es Ihnen erklären, zumindest will ich es versuchen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn wir in Deutschland im Wettbewerb mit internationalen Kapitalgebern stehen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass die Höhe der Besteuerung dieser Kapitalgeber im Wettbewerb mitentscheidend ist.

(Jörg Tauss (SPD): Völlig einverstanden!)

Der Status quo ist, dass es in Deutschland keine abgestimmte Regelung für ausländische und für inländische Wagniskapitalfonds gibt. Wir haben keine Regelung. Im Vergleich zu Frankreich, wo es eine klare Bevorteilung gibt, ist das ein schlechter Status quo.

(Jörg Tauss (SPD): Sie haben ja Recht, aber das hat mit dem Einbruch nichts zu tun!)

Deshalb müssen wir uns damit auseinander setzen, Herr Tauss. Wir sind alle froh - ich knüpfe an Herrn Kuhn an -, dass der Bundesrat den Antrag Bayerns mit Mehrheit beschlossen hat.

   Wenn Sie sich detailliert damit auseinander setzen, werden Sie folgende Lage erkennen: Die bisherigen Pläne des BMF sehen vor, die Besteuerung durch eine Verwaltungsanweisung zu regeln.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Als Übergangslösung! Vorsicht!)

Im Mittelpunkt stehen die Gewerblichkeit von Wagniskapitalfonds und das Problem der Besteuerung der so genannten Carried interests. Was ist ein Carried interest? Dabei geht es um die Frage, wie der Gewinn, den der Investor aus dem Fonds herausnimmt, behandelt wird. Wird er genauso behandelt wie sein Anteil am Kapital oder wird er aufgrund des höheren persönlichen Einsatzes, des Managements, besser, also bevorteilt besteuert?

   Solange wir denjenigen, der Risikokapital in die Hand nimmt, um junge und expandierende Unternehmen zu unterstützen, gleich oder möglicherweise schlechter besteuern als die anderen Beteiligten, wird er nicht nach Deutschland kommen. Das ist der wesentliche Punkt.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist als untergesetzliche Regelung möglich!)

Es ist möglich, eine Regelung zu finden. Daran müssen wir arbeiten. Es wundert uns, dass die Bundesregierung bislang noch keinen Vorschlag unterbreitet hat und dass der Bundesrat hat aktiv werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der Vorschlag des Finanzministeriums verwundert uns noch viel mehr.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Es gibt keinen Vorschlag!)

- Doch, den gibt es, er liegt vor; machen Sie sich schlau, bevor Sie etwas dazwischenrufen. Der momentane Entwurf sieht vor, dass dann, wenn es sich bei dem Initiator um einen privaten Anleger handelt, laufende Gewinnanteile Einkünfte aus Kapitalvermögen sind, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen. Anteile am Veräußerungsgewinn sind dementsprechend steuerfrei.

   Der carried interest, also der erhöhte Gewinnanteil desjenigen, der über die normale Beteiligung hinaus investiert, soll im Gegensatz dazu als erhöhter Gewinnanteil voll versteuert werden, weil er als Entgelt für die entsprechende Tätigkeit angesehen wird. Das ist eine Benachteiligung.

   Auch dann, wenn Initiator eine Kapitalgesellschaft ist, sollen die laufenden Gewinnanteile als Dividenden, als Anteil am Veräußerungsgewinn angesehen werden und demnach steuerfrei sein, wenn sie dem Kapitalanteil entsprechen. Wenn sie dem Kapitalanteil nicht entsprechen, was unser Ziel ist, der Carried interest als Entgelt angesehen und ist damit voll steuerpflichtig. Der Steuersatz liegt bei uns momentan bei 25 Prozent. Hinzu kommt - Stichwort Doppelbesteuerung -, da Kapitalgesellschaften der Körperschaft- und der Gewerbesteuer unterliegen, hier die Gewerbesteuer noch obendrauf.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Sie von der Einkommensteuer abziehen können!)

   Es erfolgt hier also eine Doppelbesteuerung, die nach dem aktuellen Status quo nicht abzugsfähig ist.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber später!)

   Deshalb ist das Ziel der bayerischen Bundesratsinitiative vernünftig und wird von der CDU/CSU-Fraktion unterstützt, nämlich die Eröffnung des Halbeinkünfteverfahrens für die Kapitalbeteiligungen am Fonds. Im Gegensatz zu den Vorschlägen des BMF werden dadurch laufende Gewinnanteile und Veräußerungserlöse einheitlich behandelt. Damit können wir den Carried interest, also den Gewinnanteil desjenigen, der den Fonds initiiert und ihn auch stützt und trägt, genauso behandeln wie den aller anderen Kommanditisten, weil es sich dann um die gleiche Einkunftsart handelt. Das ist der wesentliche Punkt des neuen § 2 c des Einkommensteuergesetzes, den wir vorschlagen.

   Wir hoffen auf eine interessante inhaltliche Debatte im Ausschuss und auf einen positiven Abschluss hier im Bundestag. Denn, Herr Tauss, das sage ich klipp und klar: Im globalen Wettbewerb um Investoren wird es uns so lange nicht gelingen, diese nach Deutschland zu holen, wie der Standort Deutschland für einen Investor nicht berechenbar ist, wie die Finanzverwaltung machen kann, was sie will, und der Gesetzgeber, also diese Koalition, das Thema aussitzt. Das wollen wir ändern.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Ich möchte in meinem Beitrag nur auf die Bund-Länder-Finanzierung von Forschungseinrichtungen am Beispiel der Max-Planck-Gesellschaft eingehen. Die Institute der Max-Planck-Gesellschaft werden bekanntermaßen je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert.

(Jörg Tauss (SPD): Falsch! Bei Max Planck sind es 90 Prozent!)

Das ist ein offensichtliches Problem für arme Länder, die ihren 50-prozentigen Anteil kaum noch aufbringen können und denen das Geld schon jetzt für notwendige Ersatzinvestitionen fehlt.

   Natürlich ist da die Versuchung groß, dem Ruf aus München oder Stuttgart zu folgen und sich in den reichen Ländern anzusiedeln, dort, wo es schon eine breit gefächerte und funktionsfähige Wissenschaftsinfrastruktur gibt.

   Doch das kann nicht die Lösung für das ganze Land sein. Gerade im Osten brauchen wir überproportional viel Wissenschaft und Forschung und wir brauchen dringend Spitzenforschung.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Ich will das begründen, und dass vorhin ausgerechnet von der CDU ein Zwischenruf kam, passt besonders gut:

   Erstens. Von der Abwicklung von Wissenschaft und Forschung nach der Wende, die Herr Schäuble mit seinem Einigungsvertrag mit zu verantworten hat, hat sich die Industrieforschung und haben sich die Universitäten sowie die außeruniversitäre Forschung nicht erholt.

   Zweitens. Alle müssen nun erkannt haben, dass mit Lausitz-Ring und Vergnügungsparks der Osten nicht zu retten ist. Nur langfristig wirkende Investitionen wie zum Beispiel die Ansiedlung von Max-Planck-Instituten bringen den Osten wieder auf die Beine.

(Jörg Tauss (SPD): Potsdam, Jena, Dresden!)

   Drittens. Wenn wir die Jugend im Osten halten wollen, dann müssen wir Wissenschaft und Forschung im Osten ansiedeln, um kreativem wissenschaftlichen Nachwuchs auch eine Zukunft zu geben.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Es ist nicht akzeptabel, dass von den 1,6 Milliarden Euro, die die Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren für Großforschungsgeräte ausgeben will, nur 12,25 Millionen Euro in die neuen Länder fließen. Das sind weniger als 0,8 Prozent! Auch wenn wir uns die Verteilung der Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der DFG, anschauen, müssen wir feststellen, dass der Osten dabei nicht gut wegkommt.

   Wir als PDS sehen die dringende Notwendigkeit, die Forschungsinfrastruktur im Osten auszubauen. Dabei brauchen wir mehr als nur Außenstellen von Großforschungseinrichtungen. Es wäre wichtig, die Bund-Länder-Finanzierung so zu ändern, dass es auch ärmeren Ländern möglich ist, Investitionen zu tätigen. Das ist keine utopische Forderung; denn bekanntlich hat sich der Bund bereit erklärt, die Finanzierung für die Max-Planck-Gesellschaft zu 100 Prozent zu übernehmen. Das wäre meiner Meinung nach aber nicht die Lösung, denn der Einfluss auf die Grundlagenforschung sollte nicht ganz der Bundesregierung überlassen werden.

   Ich bin der Überzeugung, dass die verstärkte Ansiedlung von Wissenschaft und Forschung in Ostdeutschland das nachhaltigste Programm für den Osten wäre. Der Erfolg würde sich wahrscheinlich nicht bis zu den Wahlen 2006 einstellen; denn bekanntlich hält sich Wissenschaft nicht an Wahlperioden. Aber damit müssen alle Parteien leben.

   Herzlichen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Zuruf von der SPD: Das war doch alles nichts Neues!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dieter Grasedieck.

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt kommt die steuerliche Aufklärung!)

Dieter Grasedieck (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie von der CDU/CSU fordern für alle Bereiche, für alle Budgets und auf allen Ebenen mehr Geld. Sie wollen die Eigenheimzulage erhalten - das ist eines Ihrer Anliegen -, wollen es aber nicht zulassen, dass Schulden aufgenommen werden. Im Gegenteil: Sie fordern wie selbstverständlich, die Steuern sollten auch noch gesenkt werden. Das alles passt einfach nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Was Sie alles aus unserem Antrag herauslesen!)

   Sie müssen sich entscheiden. Manchmal habe ich das Gefühl, Sie haben Angst vor Entscheidungen und wollen gar nicht wissen, was Sie eigentlich erreichen möchten.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Reden Sie über sich oder über uns?)

Das will ich an einigen Beispielen festmachen:

(Ulrike Flach (FDP): Wir reden gerade über Forschung!)

   Erstes Beispiel: das Rentensystem. Vor zwei Wochen haben Sie zum ersten Mal seit langer Zeit - das haben Sie im Übrigen selbst gesagt - einen Vorschlag hierzu gemacht. Damit haben Sie von Anfang an ein allgemeines Durcheinander erzeugt. Zum Beispiel sollte eine Kopfpauschale in Höhe von 260 Euro eingeführt werden; darüber wurde ausführlich diskutiert.

(Michael Kretschmar (CDU/CSU): Da ging es um die Krankenversicherung!)

   Herr Seehofer, die CSU und die CDA waren dagegen. Die Rentenproblematik wird nun wirklich lange genug diskutiert. Sie haben es aber noch immer nicht geschafft, ein Konzept vorzulegen. Dabei müssen wir so schnell wie möglich eine Entscheidung und damit eine Verbesserung herbeiführen.

   Bei der Steuerpolitik ist es ähnlich. Die nächste Stufe der Steuerreform soll vorgezogen werden. Das erwarten die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger. Hierüber müssen wir eine Entscheidung fällen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bereits vor Monaten haben wir deshalb einen Koalitionsentwurf vorgelegt. Drei Wochen vor der endgültigen Entscheidung legt uns nun Herr Merz auf einmal ein neues Modell mit Steuerstufen von 12 Prozent, 24 Prozent und 36 Prozent vor. Vorgestern spricht sich Herr Glos für ein lineares Gegenmodell aus.

(Jörg Tauss (SPD): Chaos, wohin man schaut!)

- Richtig, das ist absolutes Chaos. - Der saarländische Ministerpräsident Müller spricht sich dafür aus, ein Gespräch mit Gerhard Schröder zu führen. Vorher müsse er aber versuchen, den Vorschlag von Merz zu verbessern. Herr Stoiber spricht unter anderem von der Streichung von ABM-Stellen. Widersprüchlicher kann man die Politik nicht gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Aus taktischen Gründen haben Sie sich nicht entschieden und wollen sich auch nicht entscheiden. In der Bibel steht:

Ich kenne Deine Werke. Du bist weder kalt noch heiß. Weil Du aber lau bist, will ich Dich aus meinem Munde ausspeien.

Denken Sie daran!

(Beifall bei der SPD)

Das taktische Lavieren wird der Bürger ganz sicher nicht honorieren.

   Sie wollen die steuerlichen Regelungen zum Beispiel für Business Angels verbessern. In Ihrer Fraktion fordern Sie zum einen eine Wesentlichkeitsgrenze von 10 Prozent.

Innerhalb des Bundesrates unterstützen Sie aber den Vorschlag von Bayern, nach dem die Wesentlichkeitsgrenze 1 Prozent beträgt. Was wollen Sie eigentlich? Welche Punkte wollen Sie hier ansprechen?

   Die Koalition, die Grünen und die SPD, unterstützt den zweiten Antrag, der innerhalb dieser Diskussion gestellt wurde; Herr Fahrenschon hat das bereits angesprochen. Wir begrüßen es natürlich, dass Wagniskapital gefördert und unterstützt wird. Durch Venture Capital Fonds und Private Equity Fonds werden Unternehmen im Bereich der Biotechnologie und der Medizintechnologie gefördert, die neue Technologien und Überlegungen vorweisen. Das unterstützen wir natürlich, weil wir genau wissen, dass dies wichtige Fonds sind; denn erstens wird die Beschaffung von Eigenkapital über öffentliche Kapitalmärkte sinnvoll ergänzt und zweitens haben die mittelständischen Unternehmen häufig keinen Zugang zu einer Börse. Es ist wichtig, auch das zu bedenken.

   Deshalb brauchen wir mehr Transparenz bei der Besteuerung und deshalb ist es wichtig, dass wir hier eine Verbesserung einbauen. Dadurch würden wir den Mittelstand unterstützen, so wie wir von der Bundesregierung das schon seit Jahren tun.

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): „Wir von der Bundesregierung“?)

Ich will nur daran erinnern, dass wir die kleinen und mittleren GmbHs mit unserem Steuerprogramm unterstützen. Durch unsere Steuerreform wurde hier eine wesentliche Verbesserung erreicht. Der Steuersatz ist von 45 Prozent auf 25 Prozent heruntergegangen. Dies stellt eine Unterstützung des Mittelstandes dar. So soll es auch bleiben. Deshalb unterstützen wir den Antrag des Landes Bayern und des Bundesrates.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Georg Fahrenschon (CDU/CSU))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Danke schön. - Ich schließe damit die Aussprache.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/1696, 15/1405 und 15/1932 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 - StÄndG 2003)

- Drucksache 15/1562 -

(Erste Beratung 64. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 - StÄndG 2003)

- Drucksachen 15/1621, 15/1798 -

(Erste Beratung 69. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksachen 15/1928, 15/1945 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Lydia Westrich
Peter Rzepka

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksache 15/1929 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

   Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann verfahren wir auch so. Das Wort hat zunächst die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 14. Sitzung - wird morgen,
Montag, den 10. November 2003,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15073
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