Gesetzlicher Auftrag
Nach dem im Grundgesetz festgelegten Auftrag hat der Wehrbeauftragte zum "Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der parlamentarischen Kontrolle" über die Streitkräfte tätig zu werden. Das Gesetz über den Wehrbeauftragten definiert seine Aufgaben im einzelnen. Danach wird er tätig, wenn ihm Umstände bekannt werden, die auf eine Verletzung der Grundrechte der Soldaten oder auf Verstöße gegen die Grundsätze der Inneren Führung schließen lassen. (Der Begriff Soldat wird hier zusammenfassend für Soldatinnen und Soldaten venwendet.)
"Grundrechte der Soldaten" und "Grundsätze der Inneren Führung" sind damit die Begriffe, die zunächst die Zuständigkeit des Wehrbeauftragten umreißen. Gleichzeitig umschreiben sie Umfang und Inhalt des parlamentarischen Kontrollauftrages.
Die Aufgaben des Wehrbeauftragten beschränken sich jedoch nicht darauf, im Auftrag des Parlamentes die Streitkräfte zu kontrollieren. Das Wehrbeauftragtengesetz hat ihm darüber hinaus die Aufgabe einer besonderen Petitionsinstanz zugewiesen. Jeder Soldat hat das Recht, sich einzeln ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden.
Grundrechte der Soldaten
Bei dem Begriff "Grundrechte der Soldaten" geht es um die in unserer Verfassung garantierten Grundrechte. Der Soldat steht in einem durch das Prinzip von Befehl und Gehorsam geprägten hierarchischen Verhältnis, das durch ein starkes Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit und den sonstigen Rechten des einzelnen Soldaten einerseits und den besonderen Erfordernissen des militärischen Dienstes andererseits gekennzeichnet ist. Grundsatz unserer Verfassung ist es zwar, dass dem Soldaten als Grundwehrdienstleistenden oder als Zeit- oder Berufssoldaten seine Freiheiten und Rechte garantiert bleiben, wie sie auch den anderen Bürgern zustehen. Der Soldat bleibt also Bürger, Staatsbürger in Uniform.
Seine Grundrechte können jedoch im Rahmen der Verfassung eingeschränkt werden, soweit dies der militärische Dienst zwingend erfordert. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. So gelten für den Soldaten weiterhin, um dies beispielhaft zu verdeutlichen:
- Der uneinschränkbare Grundsatz der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde. Der Soldat darf also z.B. im Rahmen einer harten Ausbildung nicht herabgewürdigt und erniedrigt werden.
- Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Die Meinungsfreiheit kann zu Gunsten der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte eingeschränkt werden. Dem Soldaten ist es aber unbenommen, sich z.B. außerhalb des Dienstes auch parteipolitisch zu betätigen.
- Das Grundrecht auf Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen durch staatliches Handeln. So kann er, wie jeder andere Bürger auch, die Gerichte zu seinem Schutz anrufen.
Unter dem Begriff "Grundsätze der Inneren Führung" wurde bei der Errichtung der Bundeswehr ein Reformkonzept erörtert, von dem die neuen Streitkräfte in bewusster Abkehr von früheren Traditionen geprägt sein sollten. Der Begriff wurde, ohne dass er definiert wurde, in das Wehrbeauftragtengesetz aufgenommen. Bis in die jüngste Vergangenheit wurde lebhaft um Wesen und Wirkung der Inneren Führung diskutiert. Danach verkörpern die Grundsätze der Inneren Führung zum einen das Grundkonzept für die innere Ordnung der Bundeswehr, zum anderen die Einbindung der Streitkräfte in Staat und Gesellschaft.
Im Innenverhältnis der Streitkräfte sollen die Grundsätze einer zeitgemäßen Menschenführung praktiziert werden. Innere Führung dient dazu, die Spannungen auszugleichen und ertragen zu helfen, die sich aus den individuellen Freiheitsrechten des Bürgers einerseits und den militärischen Pflichten des Soldaten andererseits ergeben. Wesen und Formen des Führungsverhaltens der Vorgesetzten müssen von der Menschenwürde als Grundlage der verfassungsmässigen Ordnung geprägt sein. Dem jeweiligen Stand der politischen, gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland sowie den Ergebnissen des Wandels im militärisch-technischen Bereich ist Rechnung zu tragen. Innere Führung soll "in Führung und Ausbildung, in der Handhabung der Disziplinargewalt, in der politischen Bildung und Information der Truppe, in der Betreuung und Sorge um den Menschen, im außerdienstlichen Gemeinschaftsleben" wirksam werden (so Graf von Baudissin, einer der geistigen Väter des Reformkonzeptes, am 10. Januar 1953).
Zeitgemäße Menschenführung beinhaltet als weitere Forderung, dass die Rahmenbedingungen des militärischen Alltags, wie sie durch Organisationsformen, Grundsätze der Personalführung und Infrastruktur vorgegeben werden, den Menschen als eigenständige, verantwortliche Persönlichkeit respektieren.
Im Außenverhältnis sollen sich die Streitkräfte als Institution und die Soldaten als Einzelne wie alle anderen in die staatliche und gesellschaftliche Ordnung einordnen. Sie sollen sich als integraler Bestandteil der Gesamtgesellschaft verstehen und auch von außen so gesehen werden. Mit diesem Aspekt wird der Sorge entgegengewirkt, dass sich die Streitkräfte verselbständigen und zum "Staat im Staate" werden könnten - eine Gefahr, die jede bewaffnete Macht latent in sich birgt.
Die Diskussion in der Bundeswehr über den Begriff der Inneren Führung fand ihren vorläufigen Abschluss durch den Erlass der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 - Innere Führung - im Februar 1993. In ihr wird die Konzeption der Inneren Führung beschrieben.
Ziele der Inneren Führung sind,
- politische und rechtliche Begründungen für den soldatischen Dienst zu vermitteln und den Sinn des militärischen Auftrages einsichtig und verständlich zu machen,
- die Integration der Bundeswehr und des Soldaten in Staat und Gesellschaft zu fördern sowie Verständnis für die Aufgaben der Bundeswehr zu wecken,
- die Bereitschaft der Soldaten zur gewissenhaften Pflichterfüllung zu stärken und die Disziplin und den Zusammenhalt der Truppe zu bewahren,
- die innere Ordnung der Streitkräfte menschenwürdig, an der Rechtsordnung orientiert und in der Auftragserfüllung effizient zu gestalten.
Was Innere Führung im militärischen Alltag konkret bedeutet und anstrebt, ist zu allererst in einer Reihe von Gesetzen, Erlassen und Dienstvorschriften festgelegt.
Maßgebliche Grundlage ist in erster Linie das Soldatengesetz, in dem die Rechte und Pflichten der Soldaten, insbesondere auch in ihrer Rolle als Vorgesetzte und Untergebene, beschrieben sind. Innere Führung erschöpft sich jedoch nicht in einer konkreten Anwendung geltender Vorschriften. Dies gilt insbesondere auch für das Verhalten der Vorgesetzten gegenüber den Untergebenen im militärischen Alltag. Die Vorgesetzten sollen ihre Untergebenen nicht nur nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern mit "Herz und Verstand" führen. Die Soldaten sollen als Staatsbürger in Uniform freie Persönlichkeiten sein, als verantwortungsvolle Bürger handeln und sich für den Auftrag einsatzbereit halten. Gefordert wird von ihnen nicht blinder Gehorsam, sondern Gehorsam aus Einsicht.
Aufgaben des WehrbeauftragtenDer Wehrbeauftragte nimmt seine Tätigkeit aus zwei Anlässen auf. Er muss tätig werden, wenn ihm der Bundestag oder der Verteidigungsausschuss eine entsprechende Weisung erteilen. Dies geschah bisher nur selten. Der Wehrbeauftragte kann auch beim Verteidigungsausschuss um eine Weisung zur Prüfung bestimmter Vorgänge nachsuchen.
Aufgrund eigener Entscheidung wird der Wehrbeauftragte tätig, wenn ihm Umstände bekanntwerden, die auf eine Verletzung der Grundrechte der Soldaten oder der Grundsätze der Inneren Führung schließen lassen. Die Umstände, die den Wehrbeauftragten zu einer Überprüfung veranlassen, können ihm bei einem Truppenbesuch, durch Mitteilung von Mitgliedern des Bundestages, durch Eingaben oder auf andere Weise, z. B. durch Berichte in Hörfunk, Presse, Fernsehen oder Auswertung der Meldungen der Truppe an den Bundesminister der Verteidigung über "Besondere Vorkommnisse", bekannt geworden sein. Ein Tätigwerden des Wehrbeauftragten unterbleibt, soweit der Verteidigungsausschuss den Vorgang zum Gegenstand seiner eigenen Beratungen gemacht hat.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Wehrbeauftragten liegt eindeutig beim Tätigwerden aufgrund eigener Entscheidung.
Seine Kontrollbefugnis erstreckt sich auf alle Institutionen in Regierung und Verwaltung, die sich mit der militärischen Landesverteidigung befassen. Dies sind in erster Linie der Bundesminister der Verteidigung und dessen Geschäftsbereich.