Unterschiedliche Meinungen zur zukünftigen Juristenausbildung geäußert
Berlin: (hib/KAG) Einigkeit über die Notwendigkeit einer Reform der Juristenausbildung herrscht unter Sachverständigen, die am Mittwochmittag in einer öffentlichen Anhörung des Rechtssausschusses zusammengekommen sind. Grundlage des Hearings ist ein Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion (14/2666). Wie aus den schriftlichen Stellungnahmen zu entnehmen ist, werden einzelne Aspekte dieses Entwurfs kontrovers beurteilt. So kritisiert Professor Ernst-Wolfgang Böckenförde von der Universität Freiburg im Breisgau das derzeitige Rechtswissenschaftsstudium hinsichtlich dessen vornehmlicher Ausrichtung auf das Examen. Daher sollten Leistungen schon im Vorfeld abgerufen werden, weil dies auch die Gesamtdauer verkürze. Der Rechtsunterricht und dessen abschließende Prüfung müssten verbunden werden. Der Mangel sei an der flächendeckenden Existenz von kommerziellen Repititoren ersichtlich, so der Experte. Der Auffassung von Johannes Riedel, Präsident des Landesjustizprüfungsamtes Düsseldorf, das Betreuungsverhältnis zwischen Dozenten und Studierenden sei "unzureichend", schloss sich einer Mehrheit der Sachverständigen an. Auch die einseitige Ausrichtung der universitären Ausbildung auf den Richterberuf bemängeln alle Experten, unter ihnen Peter Hommelhoff, Vorsitzender der Arbeitsgruppe "Juristenausbildungsreform" der Hochschulrektorenkonferenz, und Fillipo Ranieri von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
Weiterhin gibt es verschiedene Meinungen über die im Gesetzentwurf angestrebte Studienabschlussprüfung in Verantwortung der Universitäten. Nur ein Staatsexamen sei geeignet, eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse und einen Praxisbezug der Prüfung herzustellen, legen Sachverständige wie beispielsweise Bettina Leetz vom Deutschen Richterbund dar. Dem widerspricht unter anderem Professor Hein Kötz, Präsident der Bucerius Law School Hamburg, für den die Studienabschlussprüfung in Händen der Hochschule auch bedeutet, dass die während des Studiums erbrachten Leistungen einbezogen werden könnten. Andere Länder würden diesem Modell schon lange folgen.
Wie die F.D.P. vorschlägt, sollen drei Vorbereitungsdienste im Anschluss an die erfolgreiche Abschlussprüfung zur Befähigung zum Richteramt führen oder die Qualifikation für den Anwaltsberuf bzw. die Verwaltungslaufbahn im höheren Dienst sichern. Jürgen Möllering vom Deutschen Industrie- und Handelstag befürwortet diesen Teil der Initiative, denn der spätere Wechsel in andere Tätigkeitsbereiche könne mittels Nachschulungen ermöglicht werden. Es könne auch beim universell ausgebildeten Juristen der Verlust von Kenntnissen in bestimmten Rechtsgebieten nach mehrjähriger praktischer Arbeit nicht verhindert werden. Eine Gefahr für das Ausbildungsziel des "Einheitsjuristen" durch die angestrebte Neuordnung der Vorbereitungsdienste sieht nur der Deutsche Richterbund, der eine "spartenbezogene" Ausbildung ablehnt.