Koalition plant umfassende Reform des Sozialhilferechts
Berlin: (hib/RAB) Das Sozialhilferecht soll umfassend reformiert und weiterentwickelt werden. Zu diesem Zweck hat die Koalition einen Gesetzentwurf (15/1514) vorgelegt, mit dem gleichzeitig das Sozialhilferecht in einem Sozialgesetzbuch XII zusammengefasst werden soll. SPD und Bündnis 90/Die Grünen argumentieren, die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt habe sich seit 1980 etwa verdreifacht. Hauptursachen seien der Anstieg der Arbeitslosigkeit, unzureichende Erwerbseinkommen, fehlende Schul- und Berufsabschlüsse, veränderte Familienstrukturen sowie ein Überschuldung der Haushalte. Kinder unter 18 Jahren stellten mit rund 1,1 Millionen die größte Gruppe der Hilfeempfänger dar. Die Sozialhilfequote von Kindern sei mit 6,8 Prozent fast doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Die Koalitionäre schreiben, durch diese veränderten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Umstände sei es unumgänglich geworden, die grundlegenden Strukturen des bestehenden Sozialhilferechts umfassend zu reformieren. Ziel sei es, ein einfaches, transparentes und in sich schlüssiges System der Gewährung von materiellen Hilfeleistungen zu schaffen und durch mehr individuelle Unterstützung Sozialhilfebedürftigkeit zu vermeiden bzw. zu überwinden. So enthalte das neue Sozialhilferecht verwaltungsvereinfachende Regelungen, die zu verwaltungskostenbedingten Einsparungen auf der Ebene der Sozialhilfeträger führten. Durch Pauschalierung bestimmter Leistungen erhielten die Leistungsberechtigten einen größeren Spielraum. Den Angaben zufolge wird damit der Koalitionsvertrag vom Oktober 2002 umgesetzt, mit dem für die laufende Legislaturperiode eine Gesamtreform des bestehenden Sozialhilferechts anvisiert wurde. Parallel zum neuen SGB XII soll "das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsplatz" verabschiedet werden, mit dem Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Hilfeempfänger in eine neue Leistung, dem so genannten Arbeitslosengeld II/Sozialgeld zusammengeführt werden soll. Daher würden sich notwendige Änderungen im Sozialhilferecht mit Blick auf den anspruchsberechtigten Personenkreis und die Schnittstellen zwischen beiden Leistungen ergeben.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen sind davon überzeugt, dass bereits im ersten Jahr nach Inkrafttreten des neuen Sozialgesetzbuches insgesamt 66 Millionen Euro eingespart werden können. Diese sollen ausschließlich den Ländern und Kommunen zugute kommen. Im Einzelnen entstünden zwar Mehrkosten für verbesserte aktive Leistungen in einer voraussichtlichen Höhe von 150 Millionen Euro, dem gegenüber ständen aber Entlastungen in Höhe von 130 Millionen Euro durch die Streichung des Zusatzbarbetrages und 65 Millionen Euro durch die Neuregelungen des Unterhaltsanspruches. Außerdem sollen künftig einmalige Leistungen für Bekleidung, Wäsche, Schuhe und Hausrat pauschal mit in den Regelsatz einbezogen und in einem monatlich auszuzahlenden Gesamtbetrag zusammengefasst werden. Damit steigt nach Auffassung der Koalitionäre die Selbstverantwortung und die Selbständigkeit des Leistungsberechtigten. Bei Bedarf könne somit künftig ein Teil der monatlichen Leistungen für eine größere Anschaffung angespart werden. Gleichzeitig bedeuteten diese Änderungen für die tägliche Arbeit der Sozialämter erhebliche Verwaltungsvereinfachungen. Detaillierte Bedarfsprüfungen und Einzelfallentscheidungen würden ebenso vermieden wie langwierige Auseinandersetzungen zwischen Ämtern und Leistungsberechtigten sowie Widerspruchs- und Gerichtsverfahren.