Rolle der grünen Gentechnik bei der Hungerbekämpfung umstritten
Berlin: (hib/POT) Die Rolle, die die grüne Gentechnologie bei der Verbesserung der Welternährungssituation und der Verwirklichung des Rechts auf Nahrung spielen kann, wurde bei einer Sitzung des Verbraucherschutzausschusses am Mittwochvormittag kontrovers beurteilt. Der Diskussion lagen Anträge der Koalitionsfraktionen (15/1316) und der CDU/CSU (15/1216) zugrunde. Während der Antrag der Koalitionsfraktionen angenommen wurde, fand der Unionsantrag nicht die notwendige Mehrheit.
Die Union hatte in ihrem Antrag unter anderem gefordert, die Erforschung der Potenziale der grünen Gentechnik für die Agrarentwicklung und die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern durch deutsche und internationale Forschungseinrichtungen zu verstärken sowie die Anwendung von transgenen Pflanzen und deren Sicherheitsbewertung in Entwicklungsländern durch eine stärkere Zusammenarbeit zu verbessern. Die Koalitionsfraktionen setzen sich in ihrem Antrag (15/1316) unter anderem dafür ein, die Entwicklung und Verwirklichung internationaler Leitlinien zum Recht auf Nahrung entsprechend der Resolution "Welternährungsgipfel - Fünf Jahre danach" vom Juni 2002 mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern und für eine inhaltliche Ausgestaltung der Leitlinien einzutreten. Zudem sollten Maßnahmen der Entwicklungsländer im Agrarsektor unterstützt werden, die die heimische Grundnahrungsmittelproduktion und -versorgung fördert, und Landreformprozesse mit dem Ziel der Sicherung von Grundnahrungsmitteln durch bäuerliche Landwirtschaft unterstützend begleitet werden.
Die Union mahnte bei den Koalitionsfraktionen eine pragmatischere Haltung bei der Nutzung der Chancen der grünen Gentechnik für die Verbesserung der Welternährungssituation an. Die bisher mehr als 10.000 Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen hätten insbesondere in Bezug auf Erträge und Einkommen der Bauern positive Ergebnisse erbracht. Diese Erkenntnisse der Agrarforschung dürften den Entwicklungsländern nicht vorenthalten werden, da es von entscheidender Bedeutung für diese Länder sei, bei weiter zunehmenden Bevölkerungszahlen und limitierter Ackerfläche das Ernteertragspotenzial deutlich zu steigern. Die FDP kritisierte, dass im Koalitionsantrag die Chancen der grünen Gentechnik bei der Bekämpfung des Hungers mit keinem Wort erwähnt würden. Da die von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien bisher keine gesundheitsschädlichen Folgen beim Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen erbracht hätten, dürfe den Entwicklungsländern nicht aus ideologischen Gründen die Entscheidung darüber verwehrt werden, ob sie die Gentechnik nutzen wollen oder nicht.
Bündnis 90/Die Grünen kritisierten insbesondere die Akzentsetzung des Unionsantrag, der die Chancen der grünen Gentechnik bei der Verbesserung der Welternährungssituation überzeichne. Der Koalitionsantrag sei breiter angelegt, da er das Recht auf Nahrung durch die Schaffung gerechterer Weltwirtschaftsstrukturen erreichen wolle und auch den Abbau von Subventionen in der EU vorsehe. Die Sozialdemokraten warnten in Bezug auf die Nutzung der grünen Gentechnologie vor einer "Zwangsbeglückung der Entwicklungsländer". Die gegenwärtig vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden seien noch nicht ausreichend, um die Auswirkung der grünen Gentechnik auf die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit abschließend zu beantworten. Statt einseitig die Interessen weniger internationaler Nahrungsmittelkonzerne in Fragen der grünen Gentechnik zu forcieren, sei es notwendig nach Wegen zu suchen, wie bäuerlich-familiäre Landwirtschaftsstrukturen in den Entwicklungsländern erhalten werden können.