Bundesrat will Abweichungen von Tarifverträgen ermöglichen
Berlin: (hib/VOM) Beschäftigungsorientierte Abweichungen von Tarifverträgen zu ermöglichen ist das Ziel eines Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Modernisierung des Arbeitsrechts (15/1889). Dabei müsse allerdings die Tarifautonomie beachtet werden. Betriebliche Bündnisse für Arbeit und beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen will die Länderkammer gesetzlich absichern. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, im Tarifvertragsgesetz klarzustellen, dass Unternehmen Arbeitslose während des ersten Jahres unter Tarif beschäftigen können.
Der Bundesrat will ferner die für mittelständische Betriebe "kostentreibenden" Teile der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes aus dem Jahr 2001 zurücknehmen. Das Kündigungsschutzgesetz solle nicht für Neueinstellungen bei Unternehmen gelten, die weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Ferner solle den Arbeitnehmern die Option eingeräumt werden, gegen die vorherige Vereinbarung einer Abfindung auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten. Für Existenzgründer sieht der Entwurf vor, während der ersten vier Jahr ihrer Existenz auf den Kündigungsschutz für ihre Arbeitnehmer zu verzichten. Auch möchte der Bundesrat "zu weit gehende" Regelungen im Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge aus dem Jahr 2000 beschränken. Dazu werde vor allem der generelle Teilzeitanspruch auf einen lediglich bei notwendiger Betreuung von Familienangehörigen begrenzten Teilzeitanspruch reduziert. Die Möglichkeit einer befristeten Einstellung ohne sachlichen Grund will der Bundesrat von zwei auf drei Jahre verlängern. Die Altersteilzeitförderung durch die Bundesanstalt für Arbeit solle ab 2004 ebenso gestrichen werden wie die Möglichkeit für ältere Arbeitslose, leichter Arbeitslosengeld zu erhalten. Um die Lohnnebenkosten zu senken, wird vorgeschlagen, den Beitragssatz in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in drei Jahresschritten von 6,5 auf 5 Prozent zu senken. Schließlich wollen die Länder die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes im Regelfall auf zwölf Monate beschränken. Mit einer höheren Zahl von Beitragsjahren solle diese Leistung auf höchstens 18 Monate erweitert werden. Für einen Übergangszeitraum ist ein maximaler Leistungsanspruch von 24 Monaten bei 40 Beitragsjahren vorgesehen.
Die Bundesregierung weist in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf darauf hin, dass mit dem im September beschlossenen Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt die Grundlagen zum Abbau arbeitsrechtlicher Einstellungshemmnisse und zur Senkung der Lohnnebenkosten in der Arbeitslosenversicherung geschaffen worden seien. Die Vorschläge des Bundesrats deckten sich zwar in einigen Punkten mit diesem Gesetz, würden aber zum Teil drastische Eingriffe in Schutzrechte der Arbeitnehmer vorsehen, vor allem beim Kündigungsschutz und in der Tarifautomomie. Die Regierung hält die Vorschläge für sozialpolitisch verfehlt, weil sie die Anspruchsdauer von langjährigen Beitragszahlungen abhängig machen wollten und damit Arbeitnehmer begünstigten, die ein geringes Risiko bei Arbeitslosigkeit tragen, während häufig arbeitslose Arbeitnehmer benachteiligt würden. Auch würde die Arbeitslosenversicherung damit von einer kurzfristigen Risikoversicherung in eine "Ansparversicherung" umgewandelt. Darüber hinaus würden Eingriffsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht voll beachtet, und es würde ein komplexes bürokratisches Verfahren zur Ermittlung der individuellen Anspruchsdauer geschaffen.