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Juli 02/1998
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Parlament stimmt für Bundesgrenzschutz-Novelle

(in) Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) dürfen künftig auch in Zügen und auf Bahnhöfen, die nach grenzpolitischer Lagebeurteilung zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie auf Vehrkehrsflughäfen jede Person auch ohne konkrete Verdachtsmomente kurzzeitig festhalten und sie nach ihrem Ausweis oder Grenzüberschreitungspapieren befragen. Dies hat das Parlament am 25. Juni auf Empfehlung des Innenausschusses (13/11159) beschlossen.

Die Abgeordneten nahmen damit einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (13/10790) zur Änderung des Bundesgrenzschutzes mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und F.D.P. in geänderter Form an.
Weiterhin sollen die Beamten mitgeführte Sachen "in Augenschein" nehmen dürfen. Von zusätzlichen polizeilichen Befugnissen, wie Durchsuchungen, das Festhalten und Mitnehmen von Personen auf die Wache oder eine erkennungsdienstliche Behandlung, darf demgegenüber erst Gebrauch gemacht werden, wenn "konkrete Verdachtsmomente" dies rechtfertigen. Im 30-Kilometer-Grenzstreifen kann der BGS in Zukunft zudem Lkw-Aufbauten sowie Pkw-Kofferräume ohne besonderen Verdacht durchsuchen.
Schließlich sollen Identitätsfestellungen in diesem Grenzgürtel auch vorgenommen werden dürfen, um grenzbezogene Straftaten zu verhindern. Die Gesetzesänderung ist zunächst auf fünf Jahre begrenzt.

Beamte nicht pausenlos verdächtigen

In der Debatte äußerste Wolfgang Zeitelmann (CDU/CSU) sein Erstaunen darüber, daß die F.D.P. ein "Weniger an Effektivität in der Verbrechensbekämpfung" befürworte, weil sie eine verdachtsunabhängige Kontrolle nur in ganz bestimmten Bereichen, sprich bei der illegalen Einreise, akzeptieren wollten.
Zudem sei zu bedenken, wenn der Begriff "Untersuchung", wie er ursprünglich im Entwurf stand, jetzt auf Grund der Bedenken von Liberalen und Sozialdemokraten auf den Begriff "in Augenschein nehmen" reduziert werde, sei es für den normalen Polizeibeamten schwierig, diesen Unterschied zu bewerten. Er müßte drei Semester Jura studiert haben, um diese feine Unterscheidung nachvollziehen zu können, so Zeitelmann.
Wenn der Regelung von Anfang an nicht nur mit Mißtrauen begegnet worden wäre, sondern mit dem Mindestmaß an Vertrauen gegenüber den eigenen Beamten, so der Unionspolitiker, dann würde manches leichter fallen. Das gehe aber nicht, wenn diese pausenlos verdächtigt würden, nichts Widerwärtigeres zu tun, als flächendeckend und reihenweise alle friedlichen Bürger, die sich auf deutschen Straßen bewegten, zu kontrollieren.
Hans-Perter Kemper (SPD) betonte demgegenüber, verdachtsunabhängige Kontrollen ohne jede Einschränkungen seien nicht das Ding der SPD. Deshalb habe sich die Fraktion im Vorfeld schwergetan, dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zuzustimmen. Den nun gefundenen Kompromiß könnten die Sozialdemokraten aber mittragen, denn er macht die Kontrollen von ganz bestimmten Kriterien, wie zum Beispiel von einem Lagebild oder von Erkenntnissen der Grenzbehörden, abhängig. Das ist laut Kemper die entscheidende Verbesserung. Der jetzt vorliegende Gesetzestext enthalte zwei Zielrichtungen. Zum einen trage er dazu bei, die innere Sicherheit zu erhöhen. Auf der anderen Seite garantiere er aber auch die Freiheitsrechte der Bürger im höchstmöglichem Maße.

Verhältnismäßigkeit wird gewahrt

Innenpolitiker stünden oft vor der Aufgabe, auf veränderte Verhältnisse mit neuen Befugnissen reagieren zu müssen und zugleich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzuhalten, so Max Stadler (F.D.P.). Gerade die Innenpolitik sei eine ständige Abwägung, dem Staat zu geben, was des Staates sei, und den Bürgern zugleich ihre Freiheitsrechte soweit wie irgend möglich zu belassen. Nach Auffassung der Liberalen seien laut Stadler verdachtsunabhängige Ausweiskontrollen auf Grund der Grenzöffnung nach dem Schengener Abkommen, aber auch wegen der verstärkten Mobilität von Straftätern und der damit einhergehenden grenzüberschreitenden Kriminalität prinzipiell notwendig. Mit den vorgenommenen Veränderungen sei nun auch der Grundsatz Verhältnismäßig gewahrt.

Änderungen sind nur Scheinbegrenzungen

Für Manfred Such (Bündnis 90/Die Grünen) sind die vorgenommenen Änderungen lediglich sprachliche Scheinbegrenzungen. Wenn etwa Kontrollen durch den BGS laut Gesetzestext nur noch auf Flughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr durchgeführt werden sollen, dann betreffe das durchweg alle Airports, auf denen der BGS bereits eingesetzt sei. Die neue Formel, betroffene Züge und Bahnhöfe müßten nach genzpolizeilicher Erfahrung zur unerlaubten Einreise genutzt werden, treffe durchweg auf alle Eisenbahnanlagen zu, da sich dort gewiß schon einmal Menschen ohne gültiges Visum aufgehalten hätten. Außerdem solle der BGS nun alle Menschen an diesen Orten lediglich nach ihren Ausweispapieren befragen dürfen. Es liege aber auf der Hand, so Such, daß sich dem vielfach eine volle Identitätsüberprüfung mit Dateiabfrage und erkennungsdienstlicher Behandlung anschließe, wenn jemand gerade zufällig seien Ausweis nicht dabei habe.
Nach Ulla Jelpke handelt es sich um ein weiteres Gesetz, "das rassismusfördernd sein wird". Es dürften den Änderungen zufolge nicht mehr alle verdachtsunabhängig kontrolliert werden, sondern es werde selektiert, selektiert von Polizeibeamten. Damit dürften künftig, so Jelpke, ganz gezielt Menschen, die nicht deutsch aussehen, herausgegriffen und kontrolliert werden. Dies sei ein Skandal.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802018
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