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November 11/2000
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MEHRHEIT VON SPD UND BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Plenum beschließt zweistufige Rente bei Erwerbsminderung

(as) Die bisherigen Renten wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sollen durch eine zweistufige Erwerbsminderungsrente ersetzt werden. Dies hat der Bundestag beschlossen, indem er am 16. November einen Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/4230) mit den Stimmen der Antragsteller und gegen das Votum der anderen Fraktionen in geänderter Fassung annahm.

Danach soll die Erwerbsunfähigkeitsrente bei einem Restleistungsvermögen von unter drei Stunden vollständig und bei drei bis sechs Stunden zur Hälfte ausgezahlt werden. Bei einem Restleistungsvermögen von über sechs Stunden soll die Rente entfallen. Außerdem soll nach dem Willen der Koalition das Arbeitsmarktrisiko zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung sachgerecht verteilt werden, indem die Bundesanstalt für Arbeit Erstattungen an die Rentenversicherung leistet.

Die Berufsunfähigkeitsrente soll für Versicherte wegfallen, die bei In-Kraft-Treten der Reform noch nicht 40 Jahre alt sind. Schließlich ist im Gesetzentwurf vorgesehen, die Altersgrenze bei der Rente für Schwerbehinderte stufenweise auf das 63. Lebensjahr anzuheben. Insgesamt wird der Bund Angaben der Koalition zufolge von 2001 bis 2004 durch die vorgesehenen Reformen um 1,5 Milliarden DM entlastet. Die Erstattungen der Bundesanstalt für Arbeit würden sich auf jährlich 400 Millionen DM ab dem Jahr 2002 belaufen. Für 2010 sei ein Beitragssatz zur Rentenversicherung von 18,7 Prozent zu erwarten.

Reform notwendig

Zur Begründung erklärten die Abgeordneten, in Fachkreisen, Wissenschaft und Politik bestünde weitgehende Einigkeit darüber, dass die Erwerbsunfähigkeitsrenten reformiert werden müssten. Zur Zeit trage die Rentenversicherung nicht nur das Invaliditätsrisiko, sondern auch das Arbeitsmarktrisiko. Das gegliederte System der sozialen Sicherung behalte seine Berechtigung jedoch nur, wenn die Risiken gerecht zugeordnet würden. Auch die Aufteilung in Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten werde kritisiert. Die Rente wegen Berufsunfähigkeit habe sich zu einer "Prestigerente" für Versicherte mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen entwickelt. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete es aber, dass die Versicherten im Maße ihrer Beitragszahlung gleiche Möglichkeiten haben müssten, Leistungen in Anspruch zu nehmen, so Sozialdemokraten und Bündnisgrüne.

"Sachgerechte Risikoverteilung"

Als "sachgerechte Risikoverteilung zwischen den Sozialversicherungssystemen" bezeichnete die SPD am 15. November in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung die im Zusammenhang mit der Reform gefundene Lösung der Koalitionsfraktionen. Die voraussichtlichen Mehrkosten würden auf faire Weise zwischen der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung verteilt, hieß es weiter. Ein Vertreter der Bundesregierung erklärte im Ausschuss, die Koalition habe Ausgleichsmaßnahmen vereinbart, falls die auf die Krankenversicherungen zukommenden Mehrkosten die geschätzten 250 Millionen DM im Jahr übersteigen würden. Dies könne zum Beispiel durch Änderungen im Altersvermögensgesetz geschehen.

Die SPD führte in der Diskussion aus, die Krankenversicherungen würden unter anderem durch den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuregelung von Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld entlastet und könnten die Mehrkosten verkraften. Die CDU/CSU stellte fest, dass 90 Prozent der im Regierungsentwurf vorgesehenen Reformen von der vorherigen Regierung bereits beschlossen worden seien. Dies betreffe vor allem die Anhebung der Altersgrenze für Schwerbehinderte und die vorgesehene Teilzeitregelung. Es sei völlig unklar, auf welche Weise die Koalition mögliche Mehrkosten der Krankenversicherung auffangen wolle. Der Prozess sei intransparent, da bisher keine Gesetzesvorlagen zu diesem Thema vorgelegt worden seien. Auch sei es nicht sinnvoll, bereits jetzt über den Entwurf hinausgehende Änderungen anzukündigen. Bündnis 90/Die Grünen vertraten die Auffassung, mit der getroffenen Vereinbarung könnten Steigerungen der Lohnnebenkosten vermieden werden. Dies habe entscheidende Bedeutung für den Arbeitsmarkt. Der jetzigen Regierung sei es im Gegensatz zu den Vorgängern gelungen, die Beitragssätze der Krankenkassen stabil zu halten. Nach Ansicht der F.D.P. soll der gefundene Kompromiss vertuschen, dass die Koalition sich nicht einig ist. Das Arbeitsministerium wisse bereits jetzt, welche Mehrkosten zu erwarten seien. Das Vorgehen von SPD und Bündnisgrünen schaffe keine Klarheit über die Haushaltslage. Die PDS warf der Bundesregierung vor, die Betroffenen würden mit dem eingebrachten Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Vor allem die Anhebung der Altersgrenze für Schwerbehinderte sei sozial ungerecht. Es werde auf Kosten der chronisch Kranken gespart.

Änderungsanträge abgelehnt

Abgelehnt wurden ein Entschließungs- und ein Änderungsantrag der CDU/CSU (14/4637,14/4636). In dem Entschließungsantrag hieß es, die Reform der Erwerbsminderungsrenten sei zurückzustellen, bis das Rentenniveau für die Bezieher von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten endgültig festgelegt worden sei. Mit dem Änderungsantrag sprach die Union sich dafür aus, den Trägern der Rentenversicherung einen Ausgleichsbetrag für die Aufwendungen für Renten wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Zur Begründung hieß es, nach dem vorliegenden Gesetzentwurf trage die Rentenversicherung ein Risiko der Bundesanstalt für Arbeit. Zurückgewiesen wurde auch ein Entschließungs- und zwei Änderungsanträge der PDS (14/4640, 14/4639,14/4638). Darin forderte die Fraktion, den vorliegenden Entwurf zurückzunehmen und ihn mit Rücksicht auf die verschiedenen Interessen von zum Beispiel chronisch Kranken und auch den Arbeitgebern zu überarbeiten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0011/0011031
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