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Stammzellforschung: Keine Verzweckung von Embryonen

  22.11.01 Dr. Ilja Seifert, MdB, PDS-Fraktion
WIR UNTERSTÜTZEN Forschung, die auf das Wohl der Menschen gerichtet ist, d.h.:

  • Forschung an Stammzellen von Erwachsenen (auch somatische oder adulte Stammzellen genannt), die sich im Knochenmark befinden und in alle Blutzellen differenzieren können und die auch in Leber, Haut, Haaren, Darminnenwand vorkommen;
  • Forschung an Stammzellen, die aus dem Nabelschnurblut gewonnen werden (auch neonatale Stammzellen genannt), die sich in Knorpel-, Knochen-, Muskel-, Sehnen- oder Fettzellen differenzieren können;
  • Grundlagenforschung an Tieren (zzt. vorwiegend an Mäusen), von der Erkenntnisse über die Entwicklungsbiologie, über möglichen Zell- und Gewebeersatz und Verfahren zur Toxizitätsprüfung und Entwicklung von Pharmaka erwartet werden;

WIR WARNEN vor Hoffnungen,

  • die sich auf eine schnelle Übertragung der Tierversuche auf den Menschen beziehen, insbesondere auf illusionäre Vorstellungen vom Organersatz oder der Heilung von Alzheimer-Kranken;
  • die auf die Gendiagnostik und Gentherapie sowie auf die Stammzellentherapie setzen und dabei übersehen, dass die Schere zwischen Diagnose und Heilung, sowie zwischen Angebot und Realisierungsmöglichkeit immer weiter auseinander klafft;
  • dass der "freie Markt", das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Gesundheitswesen ein gerechtes Regulationsmittel sein könnte (schon heute benötigen die Reproduktionsmediziner 10% der Gesamtausgaben in der Gynäkologie und Geburtshilfe);
  • auf die Lösungswege mit humanen embryonalen Stammzellen, ohne dass es zu nicht mehr reparablen gesellschaftlichen Konsequenzen kommt: nämlich der Forderung, das in anderen Ländern erlaubte "therapeutische" Klonen einzuführen und die jetzt schon geforderten Eingriffe in die Keimbahn zuzulassen. Die Mediziner (Antinori u.a.), die das "reproduktive" Klonen ankündigen (und es ist die gleiche Technik wie beim "therapeutischen" Klonen), sollten ernst genommen werden.

WIR FORDERN klare gesetzliche Regelungen,

  • die Menschenrechte und Menschenwürde schützen, indem der Schutzstandard des Embryonenschutzgesetzes nicht abgesenkt wird;
  • die jeden Versuch von therapeutischem und reproduktivem Klonen beim Menschen unter Strafe stellen;
  • die Eingriffe in die menschliche Keimbahn unter Strafe stellen;
  • die den Import von embryonalen Stammzellen verhindern. In der Diskussion wird darauf verwiesen, dass der Import von pluripotenten embryonalen Stammzellen schwer zu verbieten sei, weil pluripotente Stammzellen vom Embryonenschutzgesetz nicht erfasst werden und die verfassungsmäßig garantierte Forschungsfreiheit diesen Import rechtfertige. Dem stehen die Entstehung dieser Zellen und anderweitige berechtigte Einschränkungen der Forschungsfreiheit bei Tier- und Menschenversuchen entgegen. Wir sind für ein Verbot, weil wir nicht nur gegen die Doppelmoral sind, sondern weil die Nachfrage nach menschlichen Embryonen in Deutschland die Konsequenz hätte, dass früher oder später die verbrauchende Forschung an Embryonen, das Eingreifen in die menschliche Keimbahn und das Klonen gefordert würden.

WIR TRETEN EIN für jeden offenen und öffentlichen Dialog über Forschungsfreiheit und Verantwortung für Humanität !

  23.11.01 rainer S.
Herr Dr. Seifert,

Welche "nicht mehr reparablen gesellschaftlichen Konsequenzen" sollten entstehen, wenn therapeutisches Klonen oder Keimbahneingriffe zugelassen werden? Beides erleichtert das Leben kranker Menschen und eröffnet ihnen Möglichkeiten die sie sonst nicht hätten (sofern es einmal technisch ausgereift sein sollte). Ich kann darin nichts negatives sehen. Therapeutisches Klonen und Keimbahntherapie unterscheiden sich darin nicht prinzipiell von anderen medizinischen Hilfsmitteln wie Brillen oder Rollstühle. (so weit ich weiss sind auch Sie Rollstuhlfahrer) Die Angst vor einer Art genetischer Verunreinigung Deutschlands durch Keimbahneingriffe halte ich für abwegig. Welche Frau würde sich schon einen Embryo einsetzen lassen, aus dem irgend ein Monster wird? Auserdem kann bei Keimbahnveränderungen nicht von irreparabel geredet werden. Jede genetische Veränderung, auch in der Keimbahn, lässt sich prinzipiell in den folgenden Generationen rückgängig machen. Das einzige was daran nicht mehr reparabel ist, ist dass Menschen ein erfülltes Leben führen, das sie sonst nicht führen könnten. Doch das bezeichne ich nicht als Schaden.

  24.11.01 Peter N.
Herr Dr. Seifert,

es interessiert mich, wie Sie die in Ihrem Beitrag genannte 'Verantwortung für Humanität' einem Schwerstbehindertem der gerade durch ES Forschung einen potentiellen Ausblick auf Heilung oder Linderung haben könnte, was wir ohne Forschung nicht feststellen werden, argumentativ verständlich machen wollen.

  25.11.01 Heike Warg
Sehr geehrter Herr Dr. Ilja Seifert,

auch ich bin der Meinung, daß das Embryonenschutzgesetz nicht gelockert werden sollte. Auch wenn ich gut verstehen kann, daß Betroffene hoffen auf Heilbarkeit schwerer Erkrankungen, und sei es für ihre Nachkommen, befürchte ich, daß solche Hoffnungen trotz Forschung an embryonalen Stammzellen enttäuscht werden würden.
In unserer Gesellschaft ist es doch so, daß keine Mark/Dollar o.ä. investiert wird ohne die Hoffnung daraus irgendwann Kapital schlagen zu können. Und dieses Kapital ist bei den Durchschnitts-Schwerkranken sicherlich nicht zu holen. Daraus schließe ich, daß es lukrativere Gründe geben muß als das "menschliche Wohl", in diese Forschung zu investieren. Und das läßt mich nicht(s) (nur) Gutes befürchten !

  31.11.01 Christoph Schultz
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Embryonen nicht zur Forschung zweckentfremdet werden sollen, auch wenn es zum Zweck der menschlichen Gesundheitserhaltung dient. Natürlich kann man sich darüber streiten wann das menschl. Leben beginnt, aber auf jeden fall zerstört man die Möglichkeit das menschliches Leben beginnen kann, wenn man sie zu Forschungszwecken benutzt.

  11.12.01 Dr. theol. Erhard Meier
Als Religionswissenschaftler möchte ich zu bedenken geben, daß es Tiefen-Erfahrungen der Menschheit gibt, die das Geheimnis des Lebens betrifft: In diesen Erfahrungen ist grundlegend und zentrel die Rede von der letzgültigen Unantastbarkeit jenes Geheimnisses, das sich auch heute noch nicht in allen Fragen erschließt, sondern Geheimnis bleibt. Die Prinzipen des Lebens sind gewährte Güter, niemals vom Menschen selbst verursachte Güter. Als solche müssen sie unantastbar bleiben, da allein durch das entstehende Bewußtsein des Menschen, scheinbar über Leben herrschen zu können, den Blick auf noch höhere Güter verbaut: Jene höchsten Güter, die die Erfahrung der Menschheit Gott oder (allgemein) das Numen nennt, und deren letztgültiges Heil zahlreiche Menschen seit Anbeginn erfahren haben. Es ist die Transzendenz, die Unendlichkeit, das Über-alles-Sinnliche-Hinaus, welches uns Menschen eigentlich als Ziel dienen sollte - nicht eine vermeintliche Beherrschung der Lebens-Prinzipien, die sowieso niemals ganz gelingen wird. Das Manipulieren dieser Prinzipien würde üble Verblendungen des Geistes mit sich bringen, sicher wohl auch ungute Folgen in einem höchst sensiblen Lebensgefüge auf unserer Erde.

  22.12.01 Chr. Frodl, Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern
Sehr geehrter Herr Dr. Seifert,
wir als Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern können uns nur Ihren Positionen anschließen. Lassen Sie sich nicht beirren von teilweise persönlichen Angriffen wie z.B. von Rainer S. oder Peter N.
Bleiben Sie standhaft bei Ihrem Engagement für den Erhalt der Würde und das Lebensrecht jeden Menschen.

Auch wir werden die öffentliche Bewußtseinsbildung hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit menschlichem Leben in der Forschung und in bioethischen Fragen durch unsere Arbeit z.B. durch unser Bioethikportal unter http://www.bioethik-bayern.de unterstützen.

In diesem Sinne alles Gute weiterhin und ein gutes neues Jahr wünscht

Christian Frodl
Sprecher der
Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern

http://www.bioethik-bayern.de
http://www.nationaler-ethikrat.de

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