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Wissen, das unter Missachtung der Menschenwürde gewonnen wird, ist kein Fortschritt, sondern eine Hypothek.

  22.11.01 Dr. Otmar Kloiber (von CDU/CSU-Fraktion benannter Sachverständiger)
Während adulte Stammzellen, also Stammzellen aus den Körpern erwachsener Menschen schon therapeutisch eingesetzt werden, z.B. um das blutbildende System nach einer Krebstherapie wiederherzustellen, sind embryonale Stammzellen derzeit reine Forschungsobjekte. Ob sich damit jemals sinnvolle Therapieverfahren entwickeln lassen ist unklar; die manchmal ausgesprochene Hoffnung - oder Befürchtung, Organe damit züchten zu können, ist unrealistisch.

Embryonale Stammzellen können entweder aus

  • im Reagenzglas (In-vitro-Fertilisation) erzeugten,
  • durch die Übertragung von somatischen (aus Körperzellen stammenden) Zellkernen in fremde entkernte Eizellen (Klonen) hergestellte oder
  • durch Abtreibung angefallene
    Embryonen gewonnen werden.

Alle Wege, die zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen führen, sind ethisch und rechtlich problematisch, da die Gewinnung von Stammzellen mit dem Tod des Embryos einhergeht.

Das "Vernutzen" von Menschen ist grundsätzlich mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar. Dabei ist es egal wie alt, wie gesund, welcher Hautfarbe und von welchem Geschlecht ein Mensch ist, wie gut er selbst Würde erfassen kann oder ob er sich selbst würdig verhält. Der Mensch ist Mensch von Anfang an, und der Anfang der individuellen Entwicklung liegt in der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Jeder Versuch, die Menschenwürde oder Schutzrechte an ein Entwicklungskriterium zu koppeln, führt zur willkürlichen Verfügung über menschliches Leben.

Das Embryonenschutzgesetz ist zwar entstanden bevor die Entwicklung der Stammzellforschung für den Menschen relevant wurde, doch seine Regelungen und die dahinterstehenden Intentionen geben eine gute Orientierung zum Umgang mit den anstehenden Problemen. Diese Orientierung ist eingebettet in die Garantien und Anforderungen unserer Verfassung, besonders der Unantastbarkeit der Menschenwürde. "Verbrauchende" Embryonenforschung, also eine Verwendung des Embryos, die sich nicht auf die Erhaltung des individuellen Embryos richtet, ist nach dem Embryonenschutzgesetz verboten - und dies sollte auch so bleiben.

  • "Überzählige Embryonen" aus der In-vitro-Fertilisation
    Menschenwürde kommt auch den so genannten "überzähligen Embryonen" aus der In-vitro-Fertilisation zu. Dies sind Embryonen, die zur Einnistung in die Gebärmutter (Implantation) erzeugt wurden, aber nicht implantiert werden konnten. (Dies ist in Deutschland selten, da in der Regel nicht Embryonen, sondern Eizellen im so genannten Vorkernstadium, also nach Eindringen des Spermiums, aber vor der Verschmelzung der Zellkerne von Ei und Samenzelle, eingefroren werden.) Abgesehen davon, dass schon die Diskussion um die Nutzung von Embryonen anderer Paare, die vielleicht in Hoffnung oder Verzweiflung über das Gelingen oder das Misslingen einer künstlichen Befruchtung sind, bizarre Züge trägt, kann auch Embryonen in vitro das geschehen, was auch im Mutterleib mitunter geschieht, nämlich dass sie absterben. So wie es im Mutterleib keine Garantie auf ein Fortleben gibt und bei weitem nicht jeder Embryo sich vollständig entwickelt, kann auch die Nachbildung der Befruchtung im Reagenzglas dies nicht garantieren. Aber umgekehrt muss auch gelten, dass den Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt wurden, die gleiche Menschenwürde zukommt wie im Mutterleib und ihr Verbrauch zu fremden Zwecken ausgeschlossen wird.

    Der Import von Stammzellen aus dem Ausland umgeht das Herstellungsverbot in Deutschland. Die ethischen Probleme bleiben und die Mißachtung der Menschenwürde haftet auch diesem Vorgehen an.

    Ob die Adoption, also die Implantation eines überzähligen Embryos in eine Adoptivmutter, eine Lösung des Dilemmas darstellt, sollte untersucht werden. Die damit verbundenen Probleme und Gefahren sind allerdings weder ausreichend bekannt, noch sollten sie durch einen Vergleich mit der Adoption geborener Kinder unterschätzt werden.

  • "Therapeutisches Klonen"
    Das Embryonenschutzgesetz zielt darauf ab, den natürlichen Vorgang der Zeugung im Reagenzglas zu erlauben. Aber dabei soll es auch bleiben, deshalb ist (u.a.) auch das Klonen verboten. Anders als beim "reproduktiven Klonen", womit ein neuer Mensch erzeugt werden soll, geht es beim ätherapeutischen Klonenô nur um die Gewinnung von Stammzellen. Man könnte deshalb argumentieren, hier gehe es um etwas ganz anderes als beim äreproduktiven Klonenô. Beide Techniken erzeugen aber einen Embryo, also einen Menschen, der im Falle des therapeutischen Klonens nur sofort wieder getötet und zur Erzeugung von Stammzellen gebraucht werden soll. Auch für Embryonen, die durch Klonen hergestellt würden, gelte daher das Verbot der verbrauchenden Nutzung.

  • Embryonen aus Abtreibungen
    Die Verwendung embryonalen Zellen aus Abtreibungen ist natürlich mit allen Vorbehalten gegen die Abtreibung behaftet. Lässt man diese außen vor, so bleibt immer noch das Problem, dass für die Gewinnung von Stammzellen aus abgetriebenen Embryonen oder Feten auf die Entscheidung der Schwangeren zur Abtreibung Einfluss genommen werden könnte. Diese Gefahr tritt besonders auf, wenn für die Gewinnung von Stammzellen die Gewebe mehrere abgetriebener Feten gleichzeitig gebraucht werden und damit mehrere Schwangerschaftsabbrüche koordiniert werden müssen.

Besonders aus Nabelschnurblut lassen sich Stammzellen gefahrlos und ohne jede Belastung für Mutter und Kind gewinnen - eine Ressource, die noch kaum genutzt wird. Adulte Stammzellen und Stammzellen aus Nabelschnurblut bieten schon heute etliche Möglichkeiten für die Behandlung vieler schwerer Krankheiten und die Chancen für weitere therapeutische Entwicklungen sind sehr groß. Im Vergleich zur Forschung an embryonalen Stammzellen ist ihre Gewinnung und Nutzung ethisch relativ unproblematisch. Daher sollten die Forschung an menschlichen Stammzellen und die finanzielle Förderung auf die adulten Stammzellen und die Stammzellen aus Nabelschnurblut konzentriert werden.

  23.11.01 rainer S.
Herr Dr. Kloiber,

"...der Anfang der individuellen Entwicklung liegt in der Verschmelzung von Ei und Samenzelle..."
Das ist falsch! Zum Beginn der individuellen Entwicklung ist auch noch eine Gebärmutter nötig. Ein Embryo ohne Gebärmutter ist wie ein Spermium ohne Eizelle. Die Andeutung, dass überzählige Embryonen ja adoptiert werden könnten, ändert nichts an der Tatsache, dass deren individuelle Entwicklung noch nicht begonnen hat. Man könnte dann genauso gut fordern, dass überzähliges Sperma geschützt wird. Theoretisch könnte das ja auch willigen Frauen verabreicht werden und den "Beginn einer individuellen Entwicklung" bilden. So etwas finde ich nicht akzeptabel, jeder Mann sollte frei über sein Sperma bestimmen können, genauso wie jede Frau frei über ihre Eizellen und Embryonen bestimmen sollte.
"Das Embryonenschutzgesetz zielt darauf ab, den natürlichen Vorgang der Zeugung im Reagenzglas zu erlauben. Aber dabei soll es auch bleiben"
Keine Reagenzglasbefruchtung ist ein natürlicher Vorgang. Wer nur natürliche Vorgänge will, kann gleich die ganze moderne Medizin abschaffen.
Bedenklich ist die genetische Definition des Menschen, die sich im Embryonenschutzgesetz in der "Menschenwürde von der Kernverschmelzung an" wiederspiegelt. Der Embryo unterscheidet sich von der Eizelle letztlich nur durch sein Erbgut. Wer Embryonen schuetzt, schützt in Wahrheit Erbgut. Und das sollte insbesondere in Deutschland nicht Aufgabe des Staates sein! Meiner Meinung nach ist das Motiv "Schutz des Embryos", nach dem das Gesetz benannt wurde, ohnehin nur vorgeschoben um zu verschleiern worum es beim ESG geht: Um eine Reinhaltung des (deutschen) Erbguts. Das ESG diskriminiert dafür bewusst und systematisch Erbkranke, indem es sie durch Verbot von PID und anderer Massnahmen von der Fortpflanzung ausgrenzt. Ein derart böses Gesetz kann nicht als moralischer Masstab gelten!
Letzlich sind Embryonen gehirnlose Zellklumpen. Man sollte sie daher genauso behandeln, wie Hirntote oder Leichen ohne Kopf.

  24.11.01 Peter N.
Im Zeitalter der Globalisierung lassen sich nach Ihrer Meinung 'unmoralische' Forschungsvorhaben nur schwer eindämmen. Ein Verbot der Forschung an ES hat im Falle der legalisierten Forschung in anderen Ländern bestenfalls eine erhöhte Abwanderung Forschungswilliger, zunächst, und dann, für den Fall, dass die Forschung verwertbare Ergebnisse bringt, einen 'Gesundheitstourismus zur Folge. Das würde die gesundheitspolitischen Aspekte dergestalt unterminieren, als dass sich dann erst recht ein zweiklassiges Gesundheitsbewusstsein bildet. Die eine Klasse kann es sich leisten zur Gentherapie mal eben dorthin zu jetten wo es erlaubt ist, die andere Klasse eben nicht. Bereits heute existiert ein solcher Tourismus im Falle einer In-Vitro-Fertilisation. Nutzniesser des in Deutschland geltenden Verbotes sind die Anrainerstaaten, welche sich über den Zulauf aus Deutschland freuen, da so ein Teil des Gesundheitswesens von den 'Gast-Patienten' bezahlt wird.
Wirtschaftlich steht Deutschland dadurch im internationalen Bereich schlechter. Das Kapital, dass im Inland entspart werden könnte, wird auf diese Art und Weise ins Ausland transferiert. Welche volkswirtschaftlichen Folgen das im Einzelnen hat brauche ich hier nicht weiter auszuführen.

  25.11.01 Joerg Boi
Diesem Beitrag stimme ich uneingeschränkt zu. Im Übrigen ist die Diskussion sowieso völlig nutzlos, da Deutschland dazu "meinen kann, was es will", wir werden dann wie so häufig vom Rest der Welt überrollt und müssen uns dann mit dem Ergebnis abfinden. Und das bedeutet, dass wir mal wieder alles mit 10 bis 20 Jahren Verzögerung machen, was andere uns vormachen, und uns eines großen Teils des Nutzens begeben, den wir jetzt schon haben könnten. Also nicht Neues.

  25.11.01 Walter Schuldt
"Während adulte Stammzellen, also Stammzellen aus den Körpern erwachsener Menschen schon therapeutisch eingesetzt werden, z.B. um das blutbildende System nach einer Krebstherapie wiederherzustellen, sind embryonale Stammzellen derzeit reine Forschungsobjekte. Ob sich damit jemals sinnvolle Therapieverfahren entwickeln lassen ist unklar; die manchmal ausgesprochene Hoffnung - oder Befürchtung, Organe damit züchten zu können, ist unrealistisch."

Ein Allwissender ist hier am Werkeln. Herr Dr. Kloiber weiß auch schon ohne Forschung ganz genau, was unrealistisch ist. Also nicht mehr forschen, Dr. Kloiber fragen.

Und hier kann man wirklich nur müde lächeln.
"Menschenwürde kommt auch den so genannten "überzähligen Embryonen" aus der In-vitro-Fertilisation zu"

Die Würde wird dadurch hergestellt, daß man diese dann in den Mülleimer entsorgt. Sollte man dann nicht so konsequent sein, auch für diese Embryonen eine eigene Grabstelle zu fordern?

Es wäre außerordentlich zu begrüßen, wenn die Diskussion über solche Themen endlich einmal auf rein wissenschaftliche Grundlagen gestellt würden, und nicht Gefühle religiöser Art möglicherweise einen entscheidenden Fortschritt der Menscheit vereiteln.

Die Tatsache allein, daß es gesetzlich ausgeschlossen werden soll (ist), Behinderungen aller Art ausschließen zu können, ist für normale Menschen nicht mehr nachzuvollziehen.

Dies auch hier wiederum den (geduldeten) Abtreibungen gegenüberzustellen, zeigt die grenzenlose Scheinheiligkeit auch der Religös gebundenen Menschen.

W.Schuldt

  27.11.01 Ralf Houven
Sehr geehrter Herr S.,

unmittelbar nach der Verschmelzung von Eizelle und Samenzelle beginnt die so entstandene neue Zelle, sich zu teilen wodurch die individuelle Entwicklung einsetzt. Für den Beginn der Entwicklung ist nicht unbedingt eine Gebärmutter notwendig.
Auch die Zeugung außerhalb des Mutterleibes ist durchaus als natürlich zu betrachten, da das Reagenzglas lediglich die Umgebung darstellt, Samen- und Eizelle sich jedoch von selbst vereinigen.
Zur Ausgrenzung der Erbkranken ist zu sagen, daß das Embryonenschutzgesetz auch den Erbkranken die Fortpflanzung nicht verbietet, sondern daß ihre Erbkrankheit sie einschränkt oder unmöglich macht. Hier "diskriminiert" also die Krankheit.

Mit freundlichem Gruß

Ralf Houven

  27.11.01 Frank Gruner
Sehr geehrter Herr Rainer S.,
bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß es durchaus Menschen gibt, die für die Beibehaltung des Embryonenschutzgesetzes sind, ohne dabei an die Reinhaltung des deutschen Erbgutes auch nur zu denken.

Für mich ist ein Embryo eben nicht nur ein hirnloser Zellklumpen, sondern ein Mensch, nur eben in einem sehr frühen Stadium. Dieser Mensch muß nur noch wachsen und reifen.

  29.11.01 rainer S.
Sehr geehrter Herr Houven,

Angenommen ein Land erlässt ein Gesetz, dass es Querschnittsgelähmten verbietet den Rollstuhl zu benutzen (ohne ihnen explizit die Fortbewegung zu verbieten). Wer diskriminiert dann, die Krankheit oder das Gesetz?

  30.11.01 Bernd Grimm
Anwort auf Peter N. hapena@t-online.de
>>...und dann, für den Fall, dass die Forschung verwertbare Ergebnisse bringt, einen 'Gesundheitstourismus zur Folge. Das würde die gesundheitspolitischen Aspekte dergestalt unterminieren, als dass sich dann erst recht ein zweiklassiges Gesundheitsbewusstsein bildet. Die eine Klasse kann es sich leisten zur Gentherapie mal eben dorthin zu jetten wo es erlaubt ist, die andere Klasse eben nicht. <<

Ich weiß nicht, wie sehr sie sich mit unserem jetzigen Gesundheitswesen auskennen, aber schon jetzt haben wir ein Zweiklassensystem: Privatpatienten sind alle Segnungen zugänglich, während die Kassenpatienten das bekommen, was finanzierbar ist. Schauen sie sich die Demographie an, dann werden sie erkennen, dass dies nicht besser wird. Dem Gesundheitssystem wird die Luft ausgehen, gerade was die Therapie der schweren Krankheiten angeht. Es geht nicht darum, wie wir den Schwerkranken helfen können, sondern es geht um Geld und Prestige. Wenn wir den Embryonen nicht ein Lebensrecht zubilligen, dass zugegebenermaßen bereits durch die Möglichkeiten von PID, Abtreibung und einzelner Verhütungsverfahren stark eingeschränkt ist, dann werden wir auch am anderen Ende des Lebens irgendwann über Kosten und Nutzen reden müssen. Schon heute gibt es in Holland interessante Tendenzen. Mit dem Argument, dass wir irgendetwas verpassen, können wir alles und jedes erforschen zum Beispiel müßten wir stärker in Atomstrom investieren, wer will denn das? Es gibt genug zu tun auf Gebieten, die ethisch unbedenklich sind. Im Gegenteil: die Forschung an adulten Stammzellen scheint viel ergiebiger zu sein. Es ist doch eine völlig alberne Diskussion: wie kann man für die Forschung an embryonalen Stammzellen, aber gegen therapeutisches Klonen sein? Man weiß doch schon heute, dass sollten jemals Ergebnisse, da sein, eine Anwendung am Patienten automatisch dieses Klonen erforderlich macht, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Wenn es hier also keinen Protest gibt, kann es sich also nur um eine Salami-Taktik a la PID handeln, denn auch dort wurde die Analytik nur für die Eltern eingeführt, die Erbschäden in der Familie haben, heute wird diese Technik routinemäßig angewandt. Daher bin ich gegen Ausnahmeregelungen und gegen wirtschaftlichen Druck. Die Fakten sind: Menschliches Leben entsteht mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Es hat nach dem Grundgesetz dieselben Rechte wie jeder von uns. Derjenige, der der Meinung ist, dass die Forschung ein höheres Gut ist als ein Menschenleben, der kann sich ja jetzt schon der Wissenschaft zur Verfügung stellen, Lebern, Nieren, Herzen etc. sind jederzeit willkommen.


  31.11.01 Michael H.
Auch ich bin der Überzeugung, daß nach Verschmelzung von Ei- und Samenzelle _nicht_ unmittelbar schützenswertes Leben entsteht. Jede Laborratte hat mehr "Bewußtsein" als ein Zellklumpen, deshalb sollte man Versuchstiere auch nur dann einsetzen, wenn es tatsächlich notwendig ist. Jedenfalls ist man bereit, diesen Preis zu bezahlen, denn der Mensch steht über dem Tier. Und vor dieser Tatsache will man tatsächlich die Bedürfnisse eines Zellhaufens über die Bedürfnisse des Menschen stellen?

Ich wage zu behaupten, daß die Stammzellenforschung insbesondere im Bereich der Behandlung von degenerativen Erkrankungen wesentliche Fortschritte bringen wird. Ist es moralisch denn eher vertretbar, schwerstkranke MENSCHEN leiden zu lassen, weil wir aufgrund einer wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren (weil auf GLAUBEN und Religion basierenden) Behauptung auf diese Erkentnisse verzichten? Sicherlich nicht!

Wenn wir diese Linie konsequent verfolgen wollen, müssen wir uns ebenso weigern, die im Ausland gewonnenen Erkentnisse in der BRD anzuwenden. Erklären sie DAS dann mal einem Alzheimerpatienten bzw. dessen Angehörigen!

  03.12.01 Georg A. Körling
Thema: Recht und Ethik der modernen Medizin
Das Problem Pro-Contra-Genforschung sollte nicht nur national oder global betrachtet werden, sondern „Weltall umfassend", denn wer ist sich beim Diskutieren schon bewusst, dass wir erst seit wenigen tausend Jahren in vertrauter Weise uns zu artikulieren vermögen!
Nun was ich sagen will ist Folgendes:

Kein Mensch wird die Evolution der Welt und der menschlichen Spezies aufhalten können, erst recht keine Entwicklung, die ihn selbst hervorgebracht hat. Unter dieser Perspektive erscheint mir jeglicher Versuch, eine revolutionierende Entdeckung oder Erfindung zurückzudrehen oder nicht nutzen zu wollen, geradezu absurd, sei sie noch so „unethisch“.

Ich behaupte, dass das embryonale Klonen nicht nur Realität wird, sonder schon längst kommerziell praktiziert wird, und dass schon morgen getan, was heute nicht einmal zu denken gewagt wird.

Ich habe diesbezüglich eine provokante These entwickelt:
Könnte es nicht sein, dass wir Menschen zurzeit nichts anderes sind als eine Zwischenstufe eines Prozesses, dem der Mensch den Namen Evolution gegeben hat? Dass der Prozess den Menschen befähigt, eine neue Spezies aus sich selbst zu schaffen, die außerhalb unseres Planeten Erde lebens- und weiterentwicklungsfähig ist? Dieser Gedanke ist keineswegs abwegig, muss die Menschheit doch in wenigen Millionen Jahren dieses sterbende Sonnensystem verlassen und sich auf die Suche nach neuen Lebensbedingungen machen – genau das wird heute und seit Menschengedenken immer wieder diskutiert – die Suche nach Neuem.

Die Ethik erhält dabei eine interessante Funktion: Sie will zunächst eine Entwicklung bremsen, so wie ein elektromagnetisches Wirbelfeld seiner Entstehung entgegenwirkt (Induktion) und sich gerade dadurch wieder aufbaut (elektromagnetische Wellen), wie bekommt doch in diesem Zusammenhang die Rede von sich „fortpflanzenden“ Wellen eine sinnige Bedeutung. Wie oft ist doch zu beobachten, dass gerade eine ethische „Grundsatzdiskussion“ so mancher Entwicklung Vorschub leistet.

Das könnte bedeuten, dass je intensiver diskutiert wird, desto unaufhaltsamer wird eine neue Entwicklung, d. h. als Pendant zu Goethes Faust: der Mensch, der stets das Gute will und nur das Böse schafft ?!

Jeder Mensch hat ein großes Bedürfnis nach Ethik. Ich finde es wichtig, dass sich jeder auf seine Weise sich mit aktuellen Themen befasst und versucht, den evolutionären Rückstand des Bewusstseins aufzuarbeiten; es ist gut, dass es dieses Diskussionsforum gibt.

Danke für Ihre Zeit

  04.12.01 Inge Heermann
Jahrelang gab es hier in Deutschland eine Gesichtcreme mit dem schönen Namen "Placentubex" - und die enthielt das, was der Namen schon sagte: Placenta! Da die Nachgeburten in manchen gynäkologischen Krankenhausabteilungen nicht getrennt von den anderen "Abfällen" (also Frühgeburten und abgetriebene Föten) gesammelt wurden, landeten diese auch in der Gesichtscreme.
Nun ist meine Frage: Warum dürfen bzw. durften sich die Frauen Embryonen und Nachgeburten ins Gesicht schmieren, aber Forscher aus genau den gleichem Material Therapeutica herstellen?

Und warum genießt ein 24-Stunden alter Embryo mehr Schutz als ein 3 Monate alter, den jede Frau ohne Gesetzesbruch abtreiben kann? Und da jede Mutter das Recht über Leben und Tod ihres Kindes besitzt, sollte also auch jede Mutter ihren abgetriebenen Embryo für die Stammzellenforschung freigeben können.

Es mag sein, daß mir bei dieser Diskussion eine gewisse Sensibilität fehlt, was aber daran liegt, dass ich selbst als MS-Kranke betroffen bin. Zur Zeit bin ich noch mobil und habe nur geringe Krankheitsanzeichen - wie es aber in der Zukunft aussieht, kann ich nicht sagen! Die Stammzellentherapie ist für mich deshalb eine Hoffnung, dass ich auch bis zu meinem Lebensende noch eine hohe Lebensqualität besitze und ein halbwegs normales Leben weiterführen kann.
Wie mir geht es auch noch ca. 1,2 Mio. anderen deutschen MS-Patienten, die auch den Wunsch haben, dass ihnen geholfen wird.
Und wie ich werden sich auch noch viele andere Kranke fragen, warum der Gesetzgeber bei der Organspende einen vorgezogenen Tod (den Gehirntod) definieren konnte, aber jetzt solche Probleme hat, den späteren Beginn des Lebens zu definieren!

Mit freundlichen Grüßen

I. Heermann

  05.12.01 K. von Royen
Ich fürchte, eine Diskussion über den "Beginn" des Lebens und die daraus resultierenden Folgen für die Legetimierung von Forschung in der Medizin täuscht vielfach darüber hinweg, wieviel Tod wir gesellschaftlich bereit sind zu ertragen bzw. zu dulden.
Es spielt m. E. überhaupt keine Rolle, ob ich ein bereits -wie auch immer- begonnenes Leben töte, oder ein mögliches Leben verhindere. Ich greife in die Natur ein. Wenn ich etwas verstehen will, oder ausprobieren will, was auf natürlichem Wege nicht geschieht, muß ich Bedingungen verändern, etwas zerstören, um den inneren Aufbau festzustellen oder auf andere Weise gewaltsame Veränderungen vornehmen. So ist es nun mal auch in der Medizin.
Ich finde es heuchlerisch, wenn man sagt, wenn das Objekt der Forschungsbegierde bereits aus anderen Gründen gestorben ist (neben der Abtreibung gibt es schließlich noch weitere Gründe für Fehlgeburten), ist es moralisch vertretbar, Forschung zu betreiben. Ich darf auch Schafe, Rinder und was weiß ich alles für Tiere und Pflanzen nach meinem Gutdünken kreiren und zu Forschungszwecken wieder vernichten, aber wenn der Grundstoff eine menschliche Zelle ist, wird es unmoralisch? Die Forschung hat immer gegen herrschende Moralvorstellungen kämpfen müssen. Würde man alles in der Medizin nicht mehr anwenden, was mit unmoralischer Forschung erworben wurde (meist heimlich und im Verborgenen), gäbe es so etwas wie die Humanmedizin heute kaum.
Die Gesellschaft wird immer mit der Entscheidung leben müssen, ob sie Kranke mangels nicht entwickelter Heilmethoden sterben läßt (tötet), oder beginnendes Leben tötet um andere zu heilen (leben zu lassen).

  06.12.01 Karin und Waldemar Epple
Sehr geehrter Herr Kloiber

Wir schreiben heute an Sie, damit in der bestehenden Diskussion zum Thema embryonale Stammzellen sich auch die Menschen zu Wort melden, die von dem Fortschritt der Forschung auf diesem Gebiet unmittelbar betroffen sind.

Wir können verstehen, daß die Diskurse zu diesem Thema aufgrund der Tragweite intensiv geführt werden. Dabei müssen wir aber leider feststellen, dass sie seitens der Politik und insbesondere der Medien in zunehmendem Maße einseitig und ohne klaren zeitlichen Horizont geführt werden.

Mittlerweile sehen wir unsere Rechte in Bezug auf das Leben, beziehungsweise auf körperliche Unversehrtheit unserer Tochter verletzt. Unsere Tochter leidet an einer degenerativen Stoffwechselerkrankung des zentralen Nervensystems und hat aus Sicht sämtlicher von uns bisher konsultierten Ärzte und Wissenschaftler nur im Rahmen einer Stammzellentherapie eine mittelfristige Überlebenschance.

Trotz langer und tiefer Diskussionen und vorliegenden Empfehlungen unterschiedlicher Komissionen ist noch immer keine Entscheidung in diesem Thema abzusehen. Hervorgerufen durch diese ständigen Verzögerungen in der Entscheidungsfindung kommt dies de facto einer Missachtung des Rechtes auf Forschungsfreiheit gleich.

Natürlich können wir verstehen, dass der Schutz des ungeborenen Lebens einerseits und den grundgesetzlich verbrieften Rechten auf Leben und auf Forschungsfreiheit andererseits zu der Forderung nach einem ethischen Regulativ führt. Wir weisen in diesem Falle aber auf bestehende verfassungskonforme Praktiken im Rahmen des §218 hin, die weit über den bestehenden Status quo im Bereich der Stammzellenforschung hinausgehen. Somit ist der „Sündenfall“, wenn man von diesem überhaupt sprechen darf, bereits vor Jahrzehnten erfolgt.

Aus unserer Sicht ist es desweiteren nicht verständlich, wieso sich eine gesamte Volkswirtschaft von diesem biowissenschaftlichen „Quantensprung“ verabschieden sollte.

Wir bitten Sie daher eindringlich sich dafür einzusetzen, dass bis Ende Januar eine definitiv positive Entscheidung in Bezug auf den Beginn der Forschung mit embryonalen Stammzellen getroffen wird und kurzfristig ein klarer Kriterienkatalog erstellt wird, der gleichsam der Rahmen für die Forschung auf diesem Gebiet darstellt.


Mit freundlichem Gruß


Karin und Waldemar Epple

  22.12.01 Chr. Frodl, Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern
Zu Familie Epple:

Sehr geehrte Frau Epple,
sehr geehrter Herr Epple,
so verständlich ihr Wunsch nach einer Heilungschance für Ihre Tochter ist, so möchte ich einige Dinge zu Ihrer Argumentation anmerken:
Sie schreiben:
"Mittlerweile sehen wir unsere Rechte in Bezug auf das Leben, beziehungsweise auf körperliche Unversehrtheit unserer Tochter verletzt. Unsere Tochter leidet an einer degenerativen Stoffwechselerkrankung des zentralen Nervensystems und hat aus Sicht sämtlicher von uns bisher konsultierten Ärzte und Wissenschaftler nur im Rahmen einer Stammzellentherapie eine mittelfristige Überlebenschance."

1. Sie sehen zwar das Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit ihrer Tochter verletzt, aber Sie sehen gleichzeitig nicht, dass dabei anderes menschliches Leben zur Disposition gestellt wird.

Sie "weisen auf bestehende verfassungskonforme Praktiken im Rahmen des §218 hin, die weit über den bestehenden Status quo im Bereich der Stammzellenforschung hinausgehen. Somit sei "der „Sündenfall“, wenn man von diesem überhaupt sprechen darf, bereits vor Jahrzehnten erfolgt."
Ich denke, eine Forschung die menschliches Leben verbraucht, um andere zu heilen kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass man auf bereits bestehende fragwürdige Praktiken verweist. Insbesondere sei hier die zweifelhafte Praxis der Spätabrteibungen im Falle einer Behinderung des Kindes erwähnt.
Statt damit weiteres Unrecht zu rechtfertigen sollten lieber bestehende Regelungen überdacht werden.

Was den "biowissenschaftlichen „Quantensprung“" betrifft, von dem sich unsere Volkswirtschaft angeblich verabschieden soll, so kann ich ihnen nur sagen, dass ich es für nicht zu rechtfertigen halte, menschliches Leben zum Preis des Wohlstandes zu vernutzen. Menschliches Leben ist für uns zu keinem Preis außer in Notwehrsituationen, um die es sich aber hier nicht handelt, in Frage zu stellen.
So sehr der Wunsch nach Heilung ihrer Tochter und dem Erhalt ihres Lebens verständlich ist, sollten Sie nicht Ihre Hoffnungen allein an manchmal zweifelhaften Heilsversprechungen mancher Forscher festmachen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie alle Hoffnung aufgeben sollen, aber Sie sollten bedenken, was der Preis ist, zu dem das Leben Ihrer Tochter möglicherweise gerettet werden kann.

Was den gesetzlichen Regelungsbedarf anbelangt, so sehe ich diesen genauso, wie Sie. Es macht jedoch keinen Sinn und ich bin dagegen "mal schnell" ein Gesetz zu machen, nur um zu sagen, wir haben etwas getan. Denn was schnell auf den Weg gebracht ist, kann lange brauchen bis es wieder gut zu machen ist.

Zu Herrn Dr. Kloiber:

Sehr geehrter Herr Dr. Kloiber,
Ihnen als von der CDU/CSU-Fraktion benannter Sachverständiger können wir nur wünschen, dass Sie sich weiter für eine ethisch verantwortlichen Umgang mit menschlichem Leben in der Forschung und in bioethischen Fragen einsetzen. Gerade in Zeiten, in denen auch sogenannte "christliche" Parteien menschliches Leben immer mehr für höherrangige Zwecke zur Disposition stellen wollen. Machen Sie sich dafür stark, dass dies nicht geschieht.
In diesem Sinn weiterhin alles Gute für Ihre Arbeit

Christian Frodl
Interessengemeinschaft Kritische Bioethik Bayern
http://www.bioethik-bayern.de
http://www.nationaler-ethikrat.de

  22.12.01 Markus Weber
Es ist erschreckend, welche Kommentare hier teilweise abgegeben werden. Bei manchen Teilnehmern an diesem Forum könnte man das Gefühl bekommen, sie werden von der Forschungslobby gesponsort um die teilweise fragwürdigen Heilsversprechungen in Bezug auf embryonale Stammzellen schneller durchzusetzen.

Erschreckend finde ich auch, wenn z.B. ein Michael H. ähnliche Thesen wie Peter Singer vertritt, indem er z.B. sagt: "Jede Laborratte hat mehr
"Bewußtsein" als ein Zellklumpen"
Hier fängt wieder die These an, menschliches Leben an seinem Bewußtsein festzumachen. Peter Singer fordert daher die Tötung schwerstbehinderter Neugeborener, da sie angeblich über kein Bewußtsein verfügen. Wo das endet braucht, hier nicht erwähnt zu werden.

Ich kann mich abschließend nur voll und ganz Ihren Aussagen, Herr Dr. Kloiber, anschließen.

"Der Mensch ist Mensch von Anfang an, und der Anfang der individuellen Entwicklung liegt in der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Jeder Versuch, die Menschenwürde oder Schutzrechte an ein Entwicklungskriterium zu koppeln, führt zur willkürlichen Verfügung über menschliches Leben."

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

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