10. Mai
2004
„Wir brauchen ein neues soziales
Gewissen“
Renate
Gradistanac besuchte
Wildbergs
Bürgermeister Ulrich Bünger
In einem
anderthalbstündigen Rathausgespräch diskutierten
Wildbergs Bürgermeister Ulrich Bünger und die
SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Gradistanac, selbst neun Jahre
Gemeinderätin in Wildberg, über die Gemeindefinanzreform,
die Einrichtung von Ganztagsschulen, die Betreuung von Kindern
unter drei Jahren, familienergänzende Einrichtungen für
Menschen jeden Alters und die ambulante Pflege. Beim Gespräch
dabei waren Stadtkämmerer Eberhard Fiedler und SPD-Kreis- und
Gemeinderat Lutz Endres.
Wildberg
behauptet sich in schwieriger Zeit gut, Bürgermeister
Bünger hat den neuen Haushalt ohne Steuererhöhungen
finanziert. Gleichwohl konstatierte auch Bünger: „Wir
erfüllen die Pflichtaufgaben, Luxus ist nicht mehr
drin.“ Er kritisierte eine zu hohe Umlagenbelastung durch
Bund, Land und Kreis und fordert eine Gemeindefinanzreform, die die
Kommunen spürbar entlaste. Bünger, Finanzbeigeordneter in
Bad Saulgau, bevor er vorigen November zum Bürgermeister
gewählt wurde, sagte, er sei effizientes Arbeiten gewohnt und
habe - wie viele Bürger übrigens auch - gewisse Mühe
mit den langen und komplizierten Entscheidungsprozessen des
Gesetzgebers.
Renate
Gradistanac erwiderte: „Es ist nicht leicht, zu gestalten und
zu reformieren, wenn mit der CDU/CSU im Vermittlungsausschuss um
jede Fußnote gefeilscht werden muss. Aber Kompromisse sind
nötig, um die Reformen umzusetzen.“ Konkrete Zahlen zum
Entlastungseffekt der Gemeindefinanzreform würden derzeit noch
ermittelt.
Der
Bürgermeister und die Abgeordnete sehen beide die
Notwendigkeit, neben der Schaffung sozialer Gerechtigkeit und der
Herstellung von Chancengleichheit, auch die Eigenverantwortung zu
fordern und zu fördern. Um jedoch den Sozialstaat zu erhalten,
seien Reformen nötig. Gradistanac: „Im Supermarkt der
Ansprüche hat sich jeder bedient. Die schleichende
Entsolidarisierung in der Gesellschaft ist in einen kühlen
Egoismus gemündet. Unsere Aufgabe in Bund und Land und Kommune
ist es, den Menschen wieder ein Gefühl zu geben für das,
was man einmal ,soziales Gewissen' genannt hat. Aber unserer
Aufgabe ist es konkret auch, Mitnahmeeffekte zu reduzieren und
überall dort besser hinzuschauen, wo Leistungen vom Staat
eingefordert und kassiert werden.“
Renate
Gradistanac warb für eine konsequente Familienpolitik.
„Indem wir Ganztagesschulen schaffen, die Betreuung von
Kindern unter drei Jahren gewährleisten und die ambulante
Pflege stärken, betreiben wir auch Wirtschaftspolitik Damit
entlasten wir Frauen und Männer und ermöglichen es ihnen
Familie und Beruf zu vereinbaren. Es genügt eben nicht zu
sagen: Es gibt doch den Kindergarten!“
Wildberg als
ihre Heimatstadt, sagt Renate Gradistanac, stehe gut da. „Wir
leben in einer Zukunftsregion, in der noch vieles möglich ist.
Andere beneiden uns darum.“
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