19. Mai
2004
Die
richtige Frau zur richtigen Zeit
Warum
Renate Gradistanac Gesine Schwan wählt
Am Sonntag
wählt die Bundesversammlung im Reichstag in Berlin die neue
Bundepräsidentin. Zur Wahl stehen der CDU-nahe Horst
Köhler und die Sozialdemokratin Gesine Schwan. Die
SPD-Abgeordnete Renate Gradistanac ist eine von 1204
Stimmberechtigten. Warum sie Gesine Schwan wählt, sagt sie im
SÜDWEST PRESSE-Interview.
Frau
Gradistanac, eine „Berliner Initiative“ ruft zur Wahl
von Gesine Schwan auf - auch, um „ein sichtbares Zeichen zu
setzen, dass Frauen und Männer in diesem Land zur
„ersten Wahl“ geeignet sind.
Renate
Gradistanac: Diese Wahlempfehlung einer privaten,
außerparlamentarischen „Berliner Initiative“ hebt
nicht alleine auf die Geschlechterfrage ab; darin wird auch
gemutmaßt, der Kandidat Horst Köhler könnte
einseitig ein Mann der Wirtschaft sein. Ich habe mir ein Bild von
Herrn Köhler gemacht und Frau Schwan bei ihrer Vorstellung in
der SPD-Fraktion erlebt, und ich habe mich für Gesine Schwan
entschieden, unabhängig davon, dass sie eine Frau ist. Frau zu
sein genügt nicht. Da muss auch Persönlichkeit und
Kompetenz hinzukommen.
Wie kompetent
ist Frau Schwan?
Gesine Schwan,
so wie ich sie kennen gelernt habe, ist eine
Integrationspersönlichkeit mit hoher
Eigenständigkeit.
Wählen
Sie nicht vor allem die Sozialdemokration Schwan?
Nein, Gesine
Schwan ist unabhängig, und das ist keine Phrase - sie hat
Unabhängigkeit gelebt, auch wenn sie Sozialdemokratin ist, das
ist der Zauber ihrer Biographie. Sie ist das freie Denken gewohnt,
und sie ist unbequem, das imponiert mir. Seit geraumer Zeit
beklagen wir in Deutschland, dass es große
Persönlichkeiten, wie sie in der Nachkriegszeit unser Land
geprägt haben, nicht mehr gibt. Man sucht Personen mit Profil
- bitte, hier ist eine!
Der Kandidat
Horst Köhler gilt durch seine Biographie gleichfalls als
kompetent.
Horst
Köhler, fand ich, redete und gab Ratschläge, als bewerbe
er sich um einen Job als Polit-Berater. Gesine Schwan stellte
Fragen. Hier wurde für mich der Unterschied deutlich. Eine
Bundespräsidentin, meine ich, muss in schwierigen Zeiten nicht
auf alles eine Antwort haben, sie muss die richtigen Fragen
stellen, provozieren und gegen den Strich bürsten können.
Ich traue Gesine Schwan zu, dass sie die richtigen
gesellschaftspolitischen Fragen aufwirft und Prozesse kritisch
begleitet, die alle angehen und in der Bevölkerung auf breiten
Widerhall treffen. Mir ist in dieser egoistischen Zeit die
Bedeutung der Werte sehr wichtig - Gesine Schwan verknüpft als
Politikwissenschaftlerin und Philosophin diese Werte mit aktuellen
gesellschaftspolitischen Fragen. Sie ist die richtige Frau, die zum
richtigen Zeitpunkt dieses Amt anstrebt.
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