28. Mai
2004
Kleine
Seelen, große Gefahr
Renate
Gradistanac sprach im Bundestag zur sexuellen Gewalt
Die
SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Gradistanac hat am Donnerstag im
Bundestag den von SPD und Bündnisgrünen gestellten Antrag
zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt
begründet. In ihrer Rede verwies sie auch auf die
Kriminalstatistik in Calw und Freudenstadt.
In der Region
Calw/Freudenstadt sind im vergangenen Jahr 96 Kinder Opfer
sexueller Gewalt geworden. Bundesweit registriert die
Kriminalpolizei etwa 20.000 Opfer. Die Dunkelziffer ist weitaus
höher. Renate Gradistanac kritisierte eine mangelnde
Sensibilität in der öffentlichen Diskussion:
„Entweder wird versucht, den Tatbestand zu verharmlosen oder
es wird unangenehm reißerisch darüber
berichtet.“
Renate
Gradistanac stellte den Antrag in ihrer Funktion als
Berichterstatterin in den Ausschüssen für Tourismus und
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor. Die
SPD-geführte Bundesregierung, so die Abgeordnete, appelliere
mit der Kampagne „Hinsehen, handeln, helfen!“ an die
Zivilcourage der Bevölkerung. In einem Anfang 2003
aufgestellten Aktionsplan seien unter anderem die Rechte von Opfern
gestärkt, das Sexualstrafrecht verschärft und
Gesetzeslücken geschlossen worden. „Darin wurde erst ein
neuer Straftatbestand für Kinderpornographie geschaffen,
mithilfe dessen im Internet geschlossene Tätergruppen verfolgt
werden können. Wer sich kinderpornographische Schriften
beschafft oder sie besitzt, wird härter
bestraft.“
Ziel des
Antrags sei es, diesen Aktionsplan fortzuentwickeln: „Meine
Vorstellung von einer kindgerechten Welt, von einer
kinderfreundlichen Gesellschaft ist es, dass Kinder und Jugendliche
sich auf Erwachsene verlassen können müssen. Sie sind
darauf angewiesen, ihnen zu vertrauen.“ Zwei Drittel der
sexuellen Gewalthandlungen würden allerdings im
familiären Umfeld begangen, ein nicht unbeachtlicher Teil im
Rahmen medizinisch-therapeutischer
Abhängigkeitsverhältnisse. „Von potenziellen
Sexualstraftätern ist bekannt, dass sie sich ganz bewusst auch
solche Arbeitsfelder suchen, die ihnen den Zugang zu Kindern und
Jugendlichen ermöglichen.“ Konsequenz: Mitarbeiter/innen
entsprechender Einrichtungen müssen geschult werden, um
sexuelle Ausbeutung zu erkennen.
Und besser
geschult werden, sagte Renate Gradistanac, müssten auch
Polizei- und Justizbeamte - eine Forderung an die Länder,
„eine Bitte, die an mich als Abgeordnete immer wieder
herangetragen wird“.
Wichtig sei
der Ausbau des bundesweiten anonymen Kinder- und
Jugendtelefonnetzes, aber auch ermittlungstechnisch könne noch
mancherlei verbessert werden: Sexuelle Gewalt gegen Kinder sollte
als Delikt in den Katalog der Organisierten Kriminalität
aufgenommen werden, um den Ermittlern die Arbeit zu erleichtern. Im
Kampf gegen Sextourismus mit Kindesmissbrauch bräuchte es mehr
Verbindungsbeamte in den Herkunftsländern der Kinder.
Außerdem: „Als SPD-Tourismuspolitikerin erwarte ich,
dass die Tourismusbranche sich an ihren Verhaltenskodex erinnert
und ihn endlich Schritt für Schritt erkennbar umsetzt. ,Kleine
Seelen, große Gefahr' - angesichts der zunehmenden
Unverfrorenheit der Täter setze ich auch auf praktizierte
Zivilcourage.“
Info: Das
Bundesfamilienministerium hat eine Broschüre zum Thema
aufgelegt. Die Schrift „Mutig fragen - besonnen handeln:
Informationen für Mütter und Väter zum sexuellen
Missbrauch an Mädchen und Jungen“ kann angefordert
werden unter Telefon 0180/5 32 93 29 oder per E-Mail:
broschuerenstelle@bmfsfj.bund.de. Mehr dazu im Internet:
www.bmfsfj.de.
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