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Rede im Deutschen Bundestag am 8. September 1999
zum Thema: Neue Initiativen zur Frauenbeschäftigung
Sehr verehrte
Frau Präsidentin,
meine sehr
geehrten Damen und Herren,
gestern,
anlässlich der 50. Geburtstagsfeier des Deutschen Bundestags
hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse
herausgestellt:
„Demokratie muss gerechte Chancen
bieten“.
Gerechte
Chancen selbstverständlich auch für Frauen in ihrem
privaten, gesellschaftlichen und - das ist heute unser Thema - im
beruflichen Leben.
Die
Erwerbstätigkeit nimmt im Leben der Menschen einen zentralen
Platz ein, da sie nicht nur der Sicherung des Lebensunterhalts
dient, sondern auch Einfluss auf die Entwicklung und Entfaltung der
Persönlichkeit hat.
Die
eigenständige Existenzsicherung jeder Frau, unabhängig
von ihrem Familienstand, ist eines unserer wichtigsten
frauenpolitischen Ziele.
Heute stellen
wir die Parlamentarierinnen in 50 Jahren Deutscher Bundestag in den
Mittelpunkt des Tages.
Ich danke den
Initiatorinnen, ganz besonders Ulla Schmidt für ihre
wunderbaren Ideen und ich danke allen meinen, unseren
Vorgängerinnen für ihre kraftvolle geleistete Arbeit, die
wir fortführen wollen und auf der wir aufbauen
können.
Frauen bilden
mit 52% die Mehrheit der Bevölkerung, Frauen haben den Ausgang
der Bundestagswahl entschieden.
Sie wollen,
dass die Gleichstellung von Frauen und Männern wieder zu einem
großen gesellschaftlichen Reformprojekt in der Bundesrepublik
Deutschland wird.
Dieser Aufgabe
werden wir Schritt für Schritt gerecht werden. Es gibt gute
Gründe jetzt offensiv zu arbeiten, zwei Beispiele:
- Die
Arbeitslosigkeit von Frauen ist höher, als die der
Männer; und
- die
Lohndiskriminierung von Frauen ist ein Skandal. Nach wie vor
besteht ein enormer Abstand zwischen den durchschnittlichen
Arbeitseinkommen von Frauen und Männern. Frauen erhalten in
der Bundesrepublik im Durchschnitt ein Drittel weniger Lohn und
Gehalt als Männer. Für Frauen in Ostdeutschland hat sich
die Situation seit der Wende gravierend verändert: Lagen die
durchschnittlichen Fraueneinkommen vor der Wende bei ca. 80% der
Einkommen von Männern, so haben sich mit der Übernahme
der westdeutschen Tarifstrukturen die geschlechtsspezifischen
Differenzierungen im Einkommen verstärkt.
Was hatte nun
die alte CDU/FDP Bundesregierung in ihren Koalitionsvereinbarungen
1994 festgeschrieben?
Ich habe
selbst zwischen den mageren Zeilen vergeblich nach Maßnahmen
gesucht, die die Hoffnung auf eine gleichberechtigte Teilhabe in
dieser Gesellschaft erfüllen könnten.
Es war nicht
die Rede davon:
- die
überproportionale Arbeitslosigkeit von Frauen durch gezielte
Programme und Qualifizierungsmaßnahmen zu beseitigen,
oder
- über
eine Beschäftigungs- und Strukturpolitik zukunftssichere
Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen.
Es war auch
nicht die Rede davon:
- ein
Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft vorzulegen,
oder und damit will ich die Vergangenheit auf sich beruhen
lassen,
- die
sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse zu
begrenzen.
Die SPD
geführte Bundesregierung hat in ihrem Programm „Frau und
Beruf“, von dem heute schon mehrfach die Rede war, umfassende
Vorschläge ausgearbeitet. Damit werden wir Versäumtes
nachholen und die Weichen für eine zukunftsorientierte
Frauenpolitik stellen.
Zum aktuellen
Oppositionsantrag eine persönliche Anmerkung:
Sie schreiben
zu Punkt 4:“ Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt
weiterhin große Anforderungen an die Frauen, insbesondere in
Hinsicht auf Kinderbetreuung usw.“
Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, haben die Männer
vergessen mit einzubeziehen!
Wir wollen die
Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit für Mütter
und Väter verbessern und somit die partnerschaftliche Teilhabe
von Männern an Erziehungs- und Familienarbeit
stärken:
Dies bedeutet
u.a.
- dass wir die
Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs sowohl für Mütter
als auch für Väter attraktiv gestalten werden,
und
- an Sicherung
und Ausbau eines preiswerten, bedarfsdeckenden und differenzierten
Angebots von Betreuungseinrichtungen für Kinder mitzuwirken
wollen.
So steht es in
unserem Antrag!
Nicht nur in
diesem Punkt sind wir Ihnen, meine Damen und Herren von der
Opposition, mit unseren Vorstellungen eine Nasenlänge voraus,
sondern auch, wenn es darum geht ein Gleichstellungsgesetz
vorzustellen, dass verbindliche Regelungen zur Frauenförderung
nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch
für die Privatwirtschaft vorsieht.
Wir wissen
doch alle nur zu genau, dass die überwiegende Mehrheit der
Frauen nicht im öffentlichen Dienst arbeitet.
Ich
wünsche mir, dass junge Frauen und junge Männer eine gute
Ausbildung erhalten und einen Beruf erlernen, der ihren
Fähigkeiten und Kompetenzen angemessen ist, dass sie Berufe
mit Zukunft und Aufstiegschancen wählen, wie im Bereich der
Informations- und Kommunikationssysteme, in der Pflege, Bildung, im
Tourismus, kurz in der Dienstleistungsbranche.
Meine Damen
und Herren, ich gratuliere unserer Ministerin Christine Bergmann zu
ihrem umfassenden, intelligenten und ehrgeizigen Programm
„Frau und Beruf“. Damit kommen wir der Forderung von
Wolfgang Thierse „Demokratie muss gerechte Chancen
bieten“ umgehend nach.
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