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Rede im Deutschen Bundestag am 23. Oktober 2003
zum Thema:
2./3. Lesung FDP - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Jugendarbeitsschutzes“
Sehr geehrte Frau
Präsidentin,
werte
Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
heute werden
wir in 2./3. Lesung den Gesetzentwurf der FDP zur Änderung des
Jugendarbeitsschutzgesetzes ablehnen.
Dafür
gibt es gute Gründe.
Sie, Herr
Burgbacher von der FDP, haben die Forderungen des Deutschen Hotel-
und Gaststättenverbandes, wie heißt es so schön,
1:1 übernommen und dies - so meine ich - völlig
unreflektiert.
Sie beklagen,
dass durch das starre Arbeitsrecht das Ausbildungspotenzial im
Gaststätten- und Schaustellergewerbe nicht ausgeschöpft
werden kann. Nach der bestehenden Ausnahmeregelung dürfen
Jugendliche ab 16 Jahren bereits jetzt bis 22 Uhr arbeiten, im
Schichtbetrieb sogar bis 23 Uhr. Sie fordern nun, dass sie
darüber hinaus bis 24 Uhr arbeiten sollen.
Der angebliche
Bedarf für diese Gesetzesänderung ist völlig aus der
Luft gegriffen.
Als Jugend-
und Tourismuspolitikerin freut es mich, dass die Ausbildungsquote
gerade im Gastgewerbe mit ca. 12 % deutlich über dem
Durchschnitt der Wirtschaft liegt. Im Jahr 2002 gab es im Hotel-
und Gaststättengewerbe 91.968 Ausbildungsverhältnisse.
Während die Beschäftigtenzahlen in der Branche deutlich
zurückgegangen sind, wurde die Zahl der Ausbildungsplätze
in den vergangenen 10 Jahren um fast 50 % gesteigert.
Fast drei
Viertel aller Auszubildenden sind Haupt- und Realschülerinnen
und -schüler. Diese Daten belegen, dass volljährige
Auszubildende - also Abiturientinnen und Abiturienten - im Hotel-
und Gaststättengewerbe nicht bevorzugt werden. Übrigens:
Seit ca. 8 Jahren werden verstärkt Abiturientinnen und
Abiturienten für Ausbildungsberufe mit neuen
Zusatzqualifikationen geworben, so z.B. als Hotelfachfrau/-mann mit
Euroqualifikation und mit Hotelmanagement, um die Qualität
unseres Tourismusstandortes in Deutschland zu
stärken.
Mit
großer Sorge erfüllt mich, dass 60 % nach
abgeschlossener Ausbildung in andere Branchen wechseln.
Beunruhigend ist auch die hohe Zahl derer, die ihre Ausbildung
abbrechen. Die Quote der vorzeitig gelösten
Ausbildungsverhältnisse im Verhältnis zu den neu
abgeschlossenen Ausbildungsverträgen insgesamt lag in
Baden-Württemberg im Jahre 2001 bei 22 %. Diese Quote war bei
den Hotel- und Gaststättenberufen mehr als doppelt so hoch und
lag bei 46,4 %. Die Jugendlichen nennen hier insbesondere, so die
Landesregierung von Baden-Württemberg - ich zitiere aus der
Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD vom Juni
2002:
- Schwierigkeiten mit dem Ausbilder/Vorgesetzten
- Ausbildung
entspricht nicht den Vorstellungen (beispielsweise unattraktive
Arbeitszeiten)
- Finanzielle
Gründe (geringere Bezahlung als beispielsweise in der
Industrie).
Auffällig
ist, und das ist innerhalb und außerhalb der Branche bekannt,
dass es eklatante Verstöße gegen das bestehende
Jugendarbeitsschutzgesetz gibt.
Darüber
hinaus kritisiert der „Bericht der Bundesregierung über
Kinderarbeit in Deutschland“ insbesondere die Ausbeutung von
Kindern im Gaststättenbereich.
Sie
führen an, Herr Burgbacher, dass sich das Freizeitverhalten
der Jugendlichen verändert habe. Aber das Argument „Wer
nachts in die Disko geht, kann in dieser Zeit auch arbeiten“,
sticht nicht. In meiner Freizeit kann ich selbst entscheiden, wie
lange ich auf bleibe. Einer täglichen Arbeitszeit bis 24 Uhr
kann ich mich nicht entziehen.
Wir haben der
Branche geholfen, indem wir die Trinkgeldbesteuerung abgeschafft
und die Minijobs ermöglicht haben.
Anstatt dem
Fetisch einer Flexibilisierung beim Jugendarbeitsschutzgesetz
anzuhängen, könnte ich mir eine Zusammenarbeit bei der
Bekämpfung der Schwarzarbeit, die gerade im Hotel- und
Gaststättenbereich beschämend ist, vorstellen. Hat doch
die bundesweite Schwerpunktaktion von Zoll und Bundesanstalt
für Arbeit Ende August 2003 ergeben, dass bei jeder 4.
beschäftigten Person Anhaltspunkte auf
Unregelmäßigkeiten bestehen.
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