Rede von
Christel Riemann-Hanewinckel vor dem Deutschen Bundestag am 19. 10.
2001 zum Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bündnis
90/Die Grünen zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen
Situation der Prostituierten
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte,
liebe Vertreterinnen der Hurenverbände! Der Weg der Akzeptanz
des ältesten Gewerbes der Welt in Deutschland ist lang, uneben
und mit Scheinheiligkeit und Doppelmoral geradezu gepflastert.
Uneben und holprig ist er vor allem für die Frauen, die dem
Gewerbe freiwillig nachgehen. Die 1,2 Millionen Männer, die
täglich in Deutschland Huren aufsuchen - in Bordellen, auf der
Straße, in Klubs -, haben bisher geradezu Schleichwege
benutzt. Verächtlich angesehen und diskriminiert werden nicht
sie, sondern die Frauen. Mit dem Gesetz, das wir hier heute
hoffentlich mit breiter Mehrheit verabschieden werden - das hat
sich ja schon angedeutet -, werden wichtige und notwendige Schritte
in eine Richtung getan, die mit der Scheinheiligkeit und der
Doppelmoral endlich aufräumt.
1993 hatte ich
erste Gespräche mit der Hurenvereinigung Kassandra in
Nürnberg. 1994 reichte Kassandra eine Petition beim
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ein, in der die
gesetzlichen Regelungen im Zivil- und Strafrecht als
frauenfeindlich und unzeitgemäß kritisiert und
Änderungen vorgeschlagen wurden. Diese Petition hat dann der
Petitionsausschuß 1996 als Material an das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen. Der
Ausschuss unterstrich damals, dass es erheblich sei, ob es sich um
Zwangs- oder freiwillige Prostitution handelt. In der
Beschlussempfehlung wurde herausgehoben, dass überlegt werden
müsse, ob sich im Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden nicht ein Wandel vollzogen habe, was die freiwillige
Prostitution angehe. Das war 1996.
Die
Bundesregierung wurde aufgefordert, innerhalb eines Jahres einen
Bericht vorzulegen, um zu prüfen, wie die Situation
geändert werden kann. Dieser Bericht der Bundesregierung, den
damals die Staatssekretärin Gertrud Dempwolf erst im Januar
1998 vorlegte, zeigte aber, dass die Bundesregierung trotz
Entschließung des Petitionsausschusses bzw. des gesamten
Deutschen Bundestages, keinerlei Prüfung ihrer Positionen
übernommen hatte. Man zog sich bequemerweise darauf
zurück, dass kein unmittelbarer gesetzlicher Handlungsbedarf
für die Bundesregierung bestehe.
Die SPD legte
dann im Juni 1996 einen Gesetzentwurf vor - Sie haben das schon
gehört -; von der Fraktion des Bündnisses 90/Die
Grünen gab es auch einen Gesetzentwurf. Es gab dann 1998 eine
entsprechende Anhörung. Schon da wurden entsprechende
Änderungen gefordert; dabei hatte man zum Beispiel die
Sittenwidrigkeit im Blick. Auch wurde deutlich, dass in den
§§ 180a und 181a StGB Änderungen notwendig
sind.
Ich finde es
wichtig und richtig, dass 1998 erstmals in dem Koalitionsvertrag
einer Regierung genau festgeschrieben worden ist, dass beide
Fraktionen die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten
verbessern wollen. Dazu gab es die entsprechende Arbeitsgruppe. Das
haben wir schon gehört. Es gab nicht nur Kontakte mit den
entsprechenden Hurenverbänden, sondern wir haben uns auch
intensiv damit beschäftigt, wie die Situation in den
Niederlanden und in Schweden aussieht, aber auch Projekte in
Deutschland - auch die gibt es -, zum Beispiel in Bonn, wurden sehr
genau geprüft.
Wichtig war
auch die Empfehlung des UN-Frauenrechtsausschusses an die
Bundesregierung im Februar 2000. Ich möchte
zitieren:
Der Ausschuss
ist besorgt, dass Prostituierte immer noch nicht den Schutz von
arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen in Anspruch nehmen
können, obwohl diese verpflichtet sind, Steuern zu zahlen. Der
Ausschuss empfiehlt der Bundesregierung, die rechtliche Stellung
von Frauen zu verbessern, um die Ausbeutung zu reduzieren und den
gesellschaftlichen Schutz zu stärken.
Auch der
UN-Ausschuss hat Deutschland deutlich gemacht, dass es mit der
Scheinheiligkeit und der Doppelmoral ein Ende haben
muss.
Im Ausschuss
gestern ist eine Mehrheit dem Gesetzentwurf und den Änderungs-
bzw. Entschließungsanträgen von SPD und Bündnis
90/Die Grünen gefolgt. Als Ausschussvorsitzende bin ich
darüber sehr froh. Ich hoffe sehr, dass wir das hier
verabschieden können.
Für einen
Wandel dessen, was die billig und gerecht Denkenden - was immer wir
heute darunter verstehen mögen - von der Prostitution halten,
sprechen noch folgende Stellungnahmen. Das Diakonische Werk mit
seiner Stellungnahme vom Oktober 2000 wurde schon zitiert. Ich
erinnere aber auch an die Forsa-Umfrage vom August 1999. Dabei
wurde deutlich, dass 71 Prozent der Deutschen der Meinung sind, die
rechtliche Stellung der Prostituierten müsse verbessert
werden. Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes wurde
ebenfalls schon genannt.
Ich
möchte zum Schluss noch die Evangelische Frauenarbeit in
Deutschland zitieren. Ihre Arbeit ist in zweierlei Hinsicht
bemerkenswert. Das Erste ist, dass die Evangelische Frauenarbeit
gestern in ihrer Mitgliederversammlung festgestellt hat, dass sich
die kirchliche Männerarbeit einmal mit dem Thema intensiver
beschäftigen muss. - Ich denke, das ist einen Applaus wert. -
Das Zweite ist, dass sie uns, den Deutschen Bundestag, aufgefordert
hat, endlich die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen zu
schaffen.
Wir alle
können das jetzt tun, indem Sie der Beschlussempfehlung
unseres Ausschusses zustimmen. Damit ebnen Sie den Weg weg von der
Holperstrecke und hin zu einer rechtlichen und sozialen
Besserstellung von Huren in Deutschland.
Vielen
Dank.
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