PORTRAIT DES FINANZAUSSCHUSSES
Die "Werkstatt" für Steuergesetze
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Der Finanzausschuß gehört zu den fleißigsten unter den 23 Ausschüssen des Bundestages. Seit der Bundestagswahl hat er 32mal getagt, weitaus öfter als jeder andere Ausschuß. Zwei wichtige Steuergesetze hat das 40köpfige Gremium im vergangenen halben Jahr verabschiedet: das dreiteilige Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und die Ökosteuerreform. Etliche Sondersitzungen, zum Teil bis spät in die Nacht, sind in den Wintermonaten notwendig gewesen, um den Zeitplan für die dritte Lesung im Bundestag einhalten zu können.
Für Abgeordnete, die dem Finanzausschuß schon länger angehören, war dies keine neue Erfahrung. In den 90er Jahren ist die Beratung der großen Steueränderungsgesetze in der Endphase häufig von hektischer Betriebsamkeit gekennzeichnet gewesen. Dutzende von Änderungsanträgen flatterten den Finanzpolitikern kurz vor der Abstimmung auf den Tisch, nicht selten stellte ein von der Regierungskoalition eingebrachter Antrag bereits die dritte oder vierte nachträgliche Änderung eines Steuerrechtsparagraphen dar, und die Opposition beklagte, daß ein solches Verfahren eine sachgemäße Beratung unmöglich mache. Der Regierungswechsel hat daran nichts geändert.
Es hat Steuergesetze gegeben, bei denen die von der Regierung eingebrachte Fassung und das vom Parlament verabschiedete Regelwerk nicht mehr viel gemeinsam hatten. Formal darf sich der Finanzausschuß zugute halten, die Änderungen vorgenommen und damit seinen Einfluß wahrgenommen zu haben, auch wenn es sich tatsächlich um nachgeschobene Korrekturen aus dem Bundesfinanzministerium handelte. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß gerade die Finanzpolitiker ihren Spielraum ausschöpfen, Gesetze nicht nur anzunehmen oder abzulehnen, sondern auch zu gestalten. Erinnert sei nur an die Erbschaftssteuerreform vor drei Jahren, als die damalige Koalition ein anderes Bewertungsverfahren als von der Bundesregierung ursprünglich geplant durchsetzte.
Immer wieder ist bei Gesetzesberatungen im Ausschuß zu beobachten, wie die Logik der Rechtssystematiker aus dem Finanzministerium mit der prallen Lebenserfahrung der Volksvertreter kollidiert. Mag die Argumentation von Abgeordneten auch nicht immer in das Raster der Beamten passen, sie ist meist realitätsnah und hat aus diesem Grund manche Änderung bewirkt. Durch die Rücksichtnahme auf Fallkonstruktionen, die "aus dem Leben gegriffen" sind, ist das Steuerrecht allerdings nicht einfacher geworden.
Steuergesetze sind nicht für die Ewigkeit gemacht, wie die zahlreichen Änderungen etwa des Einkommensteuergesetzes zeigen. Man könnte die Prognose wagen, daß ein Gesetz, würde es eine Woche später verabschiedet, bereits wieder anders aussehen würde. Bei der Beratung der Ökosteuerreform kam der Finanzausschuß dem zuvor, indem er seine eigene Beschlußempfehlung an das Bundestagsplenum vom 18. Februar 1999 noch vor der Verabschiedung des Gesetzes wieder aufhob und am 24. Februar eine geänderte Fassung beschloß.
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Daß hin und wieder "mit heißer Nadel" gestrickt werden muß, bedeutet nicht, daß Gesetze, die den Geldbeutel des Bürgers tangieren, leichtfertig und ohne Sorgfalt beschlossen werden. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil alle möglichen Einwendungen und Bedenken eingehend geprüft werden müssen, wird das Gesetzgebungsverfahren zu einer komplizierten Sache. Der Ausschuß muß beachten, daß der Finanzminister seine geplanten Steuereinnahmen auch bekommt, daß das Gesetz nicht vor den Verfassungsrichtern in Karlsruhe landet, daß die Auswirkungen auf Konjunktur und Beschäftigung möglichst positiv sind und daß die Steuermoral keinen Schaden nimmt. Vor allem muß das Gesetz auch umzusetzen sein, die Finanzämter müssen damit zurechtkommen.
Kein leichtes Geschäft für die 11 Frauen und 29 Männer unter Vorsitz von Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen), die in Sitzungswochen bislang an jedem Mittwochvormittag und oft auch am Nachmittag in der 23. Etage des "Langen Eugen" in Bonn zusammengekommen sind. Die wenigsten sind von Haus aus Steuer und Finanzexperten. Der Zwang zu mühsamer Detailarbeit schafft eine sachliche Arbeitsatmosphäre. Die Fronten sind klar, aber der politische Streit wird überwiegend ins Plenum verlagert. In den Sitzungen immer vertreten ist das Finanzministerium mit der Parlamentarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) und den Fachbeamten, um die Fragen der Abgeordneten zu beantworten.
Was tut der Finanzausschuß, wenn gerade kein Steuergesetz beraten wird? Neben dem Steuerrecht hat er auch die Federführung für die Finanzpolitik und die Finanzverfassung, für den Finanzausgleich und das steuerliche Berufungsrecht, für das Zollrecht sowie für finanz und steuerpolitische Fragen der EU. Nicht zuletzt pflegt der Ausschuß internationale und steuerpolitische Kontakte, beispielsweise zum Internationalen Währungsfonds, zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), zur Europäischen Zentralbank und zu Finanzausschüssen anderer Länder.