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Januar 01/2001
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GEMEINSAME ANHÖRUNG VON LANDWIRTSCHAFTS- UND EUROPAAUSSCHUSS

Fischler wendet sich gegen zwei Agrarpolitiken auf Dauer in der EU

(lw) (eu) EU-Agrarkommissar Franz Fischler hat sich erneut dagegen gewandt, in Europa zwei Agrarpolitiken zu installieren. So könne die in Brüssel derzeit geprüfte Möglichkeit, Landwirten in Bewerberstaaten nur stufenweise Direktzahlungen zuzugestehen, nicht auf Dauer angelegt sein.

Im Übrigen, so Fischler weiter bei einer gemeinsamen Anhörung von Landwirtschafts- und Europaausschuss zu den Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf die gemeinsame Agrarpolitik am 17. Januar weiter, seien die Direktzahlungen nur Teil eines größeren Systems.

Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, die ländlichen Räume zu stärken. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass aufgrund der Kriterien der Strukturpolitik in der EU gerade auch viele ländliche Gebiete in den Ländern Mittel- und Osteuropas (MOE) einen Anspruch hätten, vorrangig gefördert zu werden. Diese Zahlungen würden aber überwiegend aus dem Strukturfonds geleistet. Auf dem Prüfstand stünde somit bei einer Erweiterung der EU auch das Verhältnis von Struktur- und Agrarpolitik zueinander, so der Gast aus Brüssel (siehe auch Seite 36).

Spanien hat sich nach Angaben Fischlers beim EU-Gipfel in Nizza Ende letzten Jahres damit durchgesetzt, dass Beschlüsse zu den Struktur- und Kohäsionsfonds bis 2013 nur einstimmig getroffen werden dürfen. Er betonte dabei einen aus seiner Sicht ebenso zentralen Aspekt: Es sei eine Illusion zu glauben, die Landbevölkerung in den Bewerberstaaten könne auch künftig ausschließlich in der Agrarproduktion beschäftigt werden.

Investitionsanreize schaffen

Es gelte also Anreize für Investitionen in die ländliche Infrastruktur zu bieten, damit sich Unternehmen auch in strukturschwachen Räumen ansiedelten. Wer dazu beitrage, die Landbevölkerung auch künftig nachhaltig zu beschäftigen, vermeide Wanderungsbewegungen in die Städte, so der Agrarkommissar. Er wisse zwar um den hohen politischen Druck, gerade in Regierungen in Mittel- und Osteuropa, die politisch abhängig von Kleinbauern-Parteien seien. Dies allein dürfe aber kein Maßstab sein. Fischler bestätigte im Übrigen Expertenangaben während der Anhörung, bis zum Jahre 2006 gebe es keine Probleme mit möglichen Direktzahlungen für Beitrittsstaaten. In der finanziellen Vorausschau seien ohnehin 4 Milliarden Euro (rund 7,82 Milliarden DM) vorgesehen. Das Problem werde sich somit erst nach diesem Zeitraum stellen.

Ausgaben auf dem Prüfstand

Fischler bestätigte erneut, innerhalb der Kommission sei geplant, den von den EU-Staats- und Regierungschefs im Frühjahr 1999 in Auftrag gegebenen "midterm review", also eine Art Zwischenprüfung der Marktordnungen und der Agrarausgaben, beschleunigt zu betreiben. Er verwies auch darauf, einem Strategiepapier der EU-Kommission für die Erweiterungsverhandlungen zufolge sei beabsichtigt, innerhalb der bisherigen EU sehr schnell einen gemeinsamen Standpunkt zu Fragen wie etwa der Lebensmittelstandards, Veterinärbestimmungen oder Sanitärvorschriften zu entwickeln, um dann Verhandlungen mit Beitrittskandidaten aufzunehmen. Was die Marktordnungen, die ländliche Entwicklungspolitik sowie sämtliche Finanzfragen einschließlich der Direktzahlungen betreffe, sei dies bis Mitte des Jahres 2002 vorgesehen.

Zuvor hatten die Parlamentarier mit den Experten über Lebensmittel- und Hygienestandards sowie über Wettbewerbsverhältnisse beraten. So darf es nach Ansicht der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie nach einer EU-Erweiterung keine unterschiedlichen Standards für Lebensmittel oder deren Produktion geben. Laut Milchindustrie-Verband ist von allen Bewerberstaaten zu erwarten, dass diese über die EU-Marktordnung hinaus auch alle Hygienebestimmungen akzeptieren.

Während der Verband der Ernährungsindustrie Ausnahme- und Übergangsregelungen für neue EU-Mitglieder auf ein Mindestmaß" beschränkt und eng befristet wissen wollte, sprach sich der Deutsche Bauernverband gegen solche Fristen aus. Zur künftigen Finanzierung der Agrarpolitik für den Fall eines Beitritts vor 2006 sah er keinen Änderungsbedarf, da die EU den Beitritt von fünf Staaten zwischen 2003 und 2006 erwarte. Mögliche Ausgleichszahlungen an Landwirte in den MOE seien finanzierbar, da Brüssel seine Eigenmittelobergrenze von 1,27 Prozent des Bruttosozialproduktes voraussichtlich nicht ausschöpfen werde.

Auch Vertreter des Instituts für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (Halle/Saale) bestätigten, wenn bis 2006 lediglich Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland oder Zypern in die EU aufgenommen würden, sei im EU-Budget "hinreichend Spielraum", um die Agrarpolitik und die Strukturmaßnahmen zu finanzieren. Professor Dieter Dräger vom Institut für Ausländische Landwirtschaft betonte, bedeutende Effizienz- und Einkommensrückstände in der Landwirtschaft der MOE-Staaten begründeten einen finanziellen Mehrbedarf. Dieser befinde sich aber innerhalb des gegenwärtigen Finanzspielraums der EU.

Direktzahlungen als Problem

Nach Angaben von Dr. Martin Banse vom Göttinger Institut für Agrarökonomie würde die Übernahme der geschätzten Marktausgaben für die Beitrittsstaaten im EU-Budgetrahmen liegen. Ungeklärt sei jedoch, wie Brüsseler Direktzahlungen an die Landwirte finanziert werden könnten. Diese würden voraussichtlich weit höhere Kosten verursachen. Schätzungen zufolge sei für alle zehn Bewerberstaaten von 8,5 Milliarden Euro (rund 16,62 Milliarden DM) auszugehen.

Nach Ansicht des Verbandes der Ernährungsindustrie ist die bestehende Agrarpolitik aus Kostengründen nicht auf die MOE übertragbar. Direktzahlungen, um Preissenkungen zu kompensieren, seien weder erforderlich noch sinnvoll, Preisstützungen agrar- und strukturpolitisch sogar schädlich. Denkbar sei aber, höhere Mittel für Strukturanpassungshilfen und zur Modernisierung zugunsten der Land- und Ernährungswirtschaft in den Beitrittsländern zu bewilligen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0101/0101020
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