GEMEINSAME SITZUNG IN SUBICE AN DER ODER
Bei Arbeitnehmerfreizügigkeit setzen Deutsche und Polen differierende Akzente
(eu) Polnische Politiker haben am 16. Mai unterstrichen, es sei nicht akzeptabel, wenn ein Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union mit einer langjährigen Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit verbunden würde. Anlässlich einer gemeinsamen Sitzung des Europaausschusses und des Ausschusses für Europäische Integration des polnischen Parlaments (Sejm) in Subice an der Oder wiesen der ehemalige polnische Ministerpräsident und jetzige Ausschussvorsitzende Tadeusz Mazowiecki sowie weitere polnische Abgeordnete darauf hin, man dürfe eine in ihrem Land aufkommende Stimmung nicht unterschätzen, die Polen würden zu "EU-Bürgern zweiter Klasse" degradiert. Dies könnte Auswirkungen auf das Referendum über einen EU-Beitritt Polens haben.
|
Der Vorsitzende des polnischen
Sejm-Ausschusses für Europäische Integration, Tadeusz
Mazowiecki (rechts), und sein deutscher Kollege Friedbert
Pflüger. |
Mazowiecki und sein deutscher Kollege Friedbert Pflüger (CDU/CSU) würdigten in diesem Zusammenhang einen Vorschlag der polnischen Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik, Irena Boruta, zunächst auf jegliche Übergangsfrist zu verzichten, nach erfolgtem Beitritt neuer EU-Mitglieder dann aber mit so genannten Schutzklauseln auf unerwünschte Entwicklungen zu reagieren, als interessante Grundlage für weitere Gespräche. Das Problem müsse "entdramatisiert" und eine für beide Seiten annehmbare "flexible Lösung" gefunden werden, so die beiden Ausschussvorsitzenden übereinstimmend.
Pflüger machte zudem deutlich, es gelte die polnischen Sorgen Ernst zu nehmen, gleichzeitig aber auch Befürchtungen auf deutscher Seite zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die Forderung nach Übergangsfristen keine speziell für Polen erfundene Formel. Solche Beschränkungen habe es auch früher, beispielsweise beim Beitritt Spaniens und Portugals zur Europäischen Union, schon gegeben. Auch Warschau selbst erhebe im Übrigen die Forderung nach derartigen Firsten, so etwa beim Umweltschutz und beim Grundstückserwerb von Ausländern.
Der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Günter Gloser, bekräftigte ebenfalls, wer die Akzeptanz der Menschen besonders in den deutschen Grenzregionen für die EU-Erweiterung erringen wolle, müsse sich mit deren Befürchtungen auseinander setzen, es könnte zu einem Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt kommen. Es gelte deshalb einen Kompromiss zu finden, mit dem beide Seiten leben könnten.
Glosers Kollege Christian Sterzing (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Übergangsfristen als ein notwendiges "Sicherheitsnetz" und als Basis für die Akzeptanz der EU-Erweiterung auf deutscher Seite. Eine flexible Vorgehensweise sei aber im Interesse aller Seiten unabdingbar.
EU-Kommission kritisiert
Ein positives Echo fand der Vorschlag von polnischer Regierungsseite, einen Verzicht auf Übergangsfristen mit Schutzklauseln nach erfolgtem Beitritt zu verbinden, auch bei Vertretern der parlamentarischen Opposition. Peter Hintze (CDU/CSU) sprach sich dafür aus, diese Anregung zu überdenken, und warnte im Übrigen bestimmte westeuropäische EU-Partner davor, sachfremde Kompensationsgeschäfte bei den Verhandlungen über Freizügigkeit anzustreben.
Sein Kollege Helmut Haussmann (F.D.P.) äußerte Enttäuschung über die "unklare Haltung" der EU-Kommission, namentlich Kommissar Günter Verheugens, in der Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese gehöre zu den vier Grundfreiheiten in der EU, so der Liberale. Auch Uwe Hiksch (PDS) sprach sich dagegen aus, die Freizügigkeit von Menschen einzuschränken, die freien Kapitalströme in Europa aber unkommentiert passieren zu lassen.