Versetzungsgefährdetes Bildungssystem
20.02.02 Maritta Böttcher,
PDS
Was ist neu an den Ergebnissen der Pisa-Studie? Die Situation ist
seit Jahren bekannt. Auch, dass es um wirkliche Struktur- und damit
Qualitätsverbesserung gehen muss. Doch da redet sich die eine
Ebene mit der anderen heraus. Die Bildungsministerin kann nichts
machen, weil die Länder zuständig sind. Und die
Kultusminister der Länder stellen sich plötzlich an die
Spitze der Bewegung, sind aber verantwortlich für das
Desaster. Die Studie stellt zu Recht das Bildungssystem insgesamt
in Frage û es ist versetzungsgefährdet.
Da helfen keine Schnellschüsse, sondern endlich mehr Geld und
gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Bildung. Die Studie
belegt, dass es kein Argument für das in Deutschland
favorisierte mehrgliedrige System gibt. Denn selbst die so
"Ausgelesenen" erreichen nur knappe Durchschnittswerte. Die
Selektion produziert einen gravierenden Mangel an individueller
Förderung. Im Mittelpunkt steht nicht das Kind mit seinen
Fähigkeiten, Neigungen und Lernmöglichkeiten, sondern
seine "Passgenauigkeit" für die eine oder andere
Bildungseinrichtung. Eben dieses "Aussortieren" erklärt die
schockierenden Pisa-Befunde für Deutschland: Spitzenwerte bei
der Diskrepanz zwischen guten und schlechten Schülern und beim
Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und
Bildungserfolg.
Dagegen zeigt der internationale Vergleich, dass ein hohes
Leistungsniveau mit der Förderung aller Leistungsgruppen durch
langes gemeinsames Lernen in integrierten Systemen vereinbar ist.
Die Botschaft heißt: individuelle Förderung statt
Auslese für alle und von Anfang an. Dafür braucht es
Bedingungen û von Kindergärten über Ganztagsschulen
bis hin zu qualifiziertem und motiviertem Personal und den
entsprechenden Lehr- und Lernbedingungen. Mit weniger Geld ist das
nicht zu machen û es sei denn, Deutschland will auch bei der
Bildungsfinanzierung das Schlusslicht sein.
22.02.02 Anke Fischer
Ich habe soeben die Stellungnahme der PDS-Abgeordneten Frau
Böttcher gelesen und stimme dieser vollinhaltlich zu. Es ist
nicht weiter hinzunehmen, dass zwar über fehlende
Facharbeiter, mangelnde Ingenieur-Studiumabsolventen oder ganz
pauschal Innovationskraft geklagt, aber die Wurzel allen Übels
nicht nachhaltig angegangen wird: Ein unzureichend strukturiertes
und finanziertes Bildungssystem.
Selbstverständlich hat ein solches Konzept seinen Preis. Was
aber nutzt es, wenn aus den Opfern der PISA-Studie die Arbeitslosen
der nächsten Generation heranwachsen, weil man das
entsprechende Budget zugunsten anderer, vorgeblich "wichtigerer"
Vorhaben auf einem unverantwortbar niedrigem Niveau hält? Der
Beispiele sind da viele gegeben. Die Prioritäten jedenfalls
müssen dringendst überdacht werden. Bei Vielem kann und
sollte man sich auf ein notwendiges Mindestmaß
beschränken - bei der Investition in die Zukunft Deutschlands,
in unsere Kinder, darf es keine solchen Etat-Fragen geben. Es
rächt sich, jetzt und in Zukunft.
23.02.02 Rainer Ziegenbein
Ich höre von allen Politikern gleich welcher Partei, dass Geld
verbesserung bringt. Weit gefehlt. es ist keine Frage von Geld. Es
ist eine Frage der Menschen. Vor allem der Lehrer. dann der Eltern.
Die Einstellung stimmt nicht. Das integrierte Schulsystem welches
von der PDS Abgeordneten angemahnt wird, ist ein Übel.
Meine Empfehlung: den Leistungshemmenden Beamtenstatus der Lehrer
abschaffen.
Schüler müssen mehr gefordert werden.
Leistungsabhängige Schulformen sind notwendig
23.02.02 Dorothee Janssen
"Versetzungsgefährdetes Bildungssystem" heißt für
mich: es ist ein Selbstläufer, es führt nicht weiter, es
führt eben nicht zu einer wie auch immer beschriebenen Reife.
Schule ist ein hermetisch verriegeltes Biotop, dass mit Nichts was
zu tun hat. Wozu lern ich also? Fürs Leben, wie meine
Grosseltern immer gesagt haben. Sie haben noch daran glauben
können. Aber wie kann man das, wenn schon die LehrerInnen
lustlos in die Schule kommen und die Eltern das Ende der Schulzeit
mit dem Ende von Lernen überhaupt verbinden.
Unser Bildungssystem müßte das Lernen schmackhaft
machen, so dass wir gar nicht mehr aufhören wollten damit. Die
VHS müßte der natürliche nächste Schritt sein
(neben der Berufsausbildung oder dem Beruf).
23.02.02 Bernd Bräuer
Ich teile eigentlich eher die Meinungen der Volksparteien mit dem
C. Allerdings kommt von dort keine so treffende
Situationseinschätzung. Ihre nachfolgend nochmals
wiedergegebenen Kernsätze sollten sich die anderen Parteien
mal auf der Zunge zergehen lassen.
"Die Studie belegt, dass es kein Argument für das in
Deutschland favorisierte mehrgliedrige System gibt. Denn selbst die
so "Ausgelesenen" erreichen nur knappe Durchschnittswerte. Die
Selektion produziert einen gravierenden Mangel an individueller
Förderung. Im Mittelpunkt steht nicht das Kind mit seinen
Fähigkeiten, Neigungen und Lernmöglichkeiten, sondern
seine "Passgenauigkeit" für die eine oder andere
Bildungseinrichtung."
Weder Einstein noch Ardenne hätten im heutigen Deutschland das
Abitur machen können, weil sie nach der vierten Klasse auf die
Hauptschule versetzt worden wären.
26.02.02 Ingeborg
Vor 40 Jahren war es "nur" das berühmte katholische
Mädchen vom Land, das extrem benachteiligt war. Diesen Makel
hatte ich auch und war lange unglücklich darüber!
Inzwischen stelle ich fest, dass ich auf der damaligen Volksschule
trotz Stundenausfall und Strafversetzung eines Lehrers mehr in
Deutsch gelernt habe, als heute manche Gymnasiasten können.
Das ist mir unbegreiflich, vielleicht ist doch das negativ
geprägte Umfeld (Medien, Elternhaus, Erziehungsfehler,
Konzentrationsschwächen) mit daran schuldig. Gerecht für
alle Kinder wäre auf alle Fälle eine Gesamtschule mit
vielen Angeboten und dem Anspruch, das Lernen zu lehren, die
Schüler wissbegierig, phantasievoll und kreativ zu
machen.
Aber da steht in Deutschland wohl ein hochmütiges
Gymnasial-Standesdenken dagegen.....!
03.03.02 Antje Süß
Geld heilt diese Wunden nicht mehr, nur Umdenken! Ich bin
dafür, daß es schon nach dem 1. Halbjahr Noten gibt, und
die Kinder nach der 1. Klasse lesen und schreiben können. Dies
setzt voraus, daß Vorschulen eingeführt werden, in der
die Kinder Stillsitzen, Konzentration und Zuhören lernen. Aber
auch Mengenlehre, zählen bis 10, ggf. 2. Sprache kennen lernen
u.ä.
Auch sollte jeder nach der 10. eine Prüfung machen müssen
für ein Abschlußzeugnis. Diese Prüfung sowie das
Abitur sollten bundeseinheitlich, an einem Tag von allen
geschrieben werden.
Es müßte alle 2-3 Jahre ein gesamtdeutscher Test in
Deutsch und Mathe eingeführt werden um Defizite rechtzeitig zu
erkennen. Ebenso ein Intelligenztest, um Hochbegabte
frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu fördern. Denn
dies sind die Kinder die später in der Forschung Deutschland
wieder nach vorn bringen können.
Den schlechten Kindern werden gute zugeteilt, die diesen beim
Lernen helfen können.
Zurück zur Diskussionsübersicht