Firmen kaufen sich frei
18.06.04 Ulrike Flach, FDP
Junge Menschen brauchen Ausbildungsplätze, um berufliche
Qualifikationen zu erwerben, die den Einstieg ins Berufsleben
ermöglichen. In den letzten Jahren ist die Zahl der
Ausbildungsplätze gesunken. Die Bundesregierung und die
Koalitionsfraktionen reagieren darauf mit einer Zwangsabgabe
für die Unternehmen und Institutionen, die nicht oder zu wenig
ausbilden. Sie vergessen völlig die anderen Ursachen für
die Ausbildungsmisere, etwa die seit Jahren schwache Konjunktur,
die hohen Belastungen der Wirtschaft und die mangelhafte schulische
Bildung vieler Jugendlicher.
Das vorliegende Gesetz ist in der Anhörung des
Bildungsausschusses von nahezu allen Experten kritisiert worden. Es
ist handwerklich unausgereift und wird seinen Zweck nicht
erfüllen. Im ersten Entwurf werden Kommunen, Einrichtungen der
Alten- und Tagespflege und andere soziale Dienstleister massiv
belastet. Selbst Betriebsräte sprachen sich gegen das Vorhaben
aus. Ausnahmen und Nachbesserungen sind von der Koalition
angekündigt worden.
Sinnvoll wäre es, endlich das Betriebsverfassungsgesetz, das
Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung zu
entbürokratisieren, Ausbildungsvergütungen flexibler zu
gestalten und regionale Ausbildungsverbünde zu
unterstützen. Eine Zwangsabgabe wird Vermeidungsstrategien
erzeugen, größere Unternehmen werden sich von der teuren
Ausbildung freikaufen.
Dringend notwendig ist auch eine Verbesserung der
Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Wenn elementare
Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen nur
rudimentär vorhanden sind, werden Firmen diese
Schulabgänger und -abbrecher nicht einstellen. Bund und
Länder müssen mehr in die Qualität des
Bildungssystems investieren, zum Beispiel durch verbindliche
Bildungsstandards, mehr und besser ausgebildete Lehrer und kleinere
Klassen.
Die simple Gleichung "Abgabe drauf - Ausbildung rauf" geht nicht
auf. Das sollte auch SPD-Chef Franz Müntefering als gelernter
Industriemechaniker wissen.
02.07.04 Andreas Heiermann
Hallo Frau Flach,
wir brauchen keine verbindliche Bildungsstandards. Wir brauchen
100% Lehrer für 100% Unterricht. Wie soll ich meinem Sohn, der
zur Zeit die 6. Klasse besucht und später eine Ausbildung
machen will erklären, daß er im Vergleich zu anderen
europäischen Jugendlichen, vom Wissensstand schlechter da
steht und das völlig ohne eigenes Verschulden. Wenn wir nicht
am Schulsystem die ersten Änderungen schnellstmöglich
durchführen, verpuffen die Versuche im Ausbildungsbereich
etwas zu ändern völlig wirkungslos.