Kirchturmspolitik führt nicht weiter
27.10.04 Jörg Tauss, SPD
Die jüngst veröffentlichte OECD-Studie "Bildung auf einen
Blick 2004" hat erneut gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem im
internationalen Vergleich erheblichen Nachholbedarf hat. Beide
Berichte bescheinigen der Bundesrepublik aber auch, dass sich seit
der ersten PISA-Studie einiges bewegt hat in Deutschland.
Mit dem Investitionsprogramm "Bildung und Betreuung"
unterstützt die Bundesregierung die Länder beim Ausbau
des Ganztagsschulangebots mit insgesamt vier Milliarden Euro. Die
Länder haben damit begonnen, Bildungsstandards zu entwickeln,
um zu mehr Vergleichbarkeit und Qualität der schulischen
Bildung zu kommen. Gemeinsam haben sich Bund und Länder
außerdem darauf verständigt, künftig einen
regelmäßigen nationalen Bildungsbericht vorzulegen,
damit wir nicht erst auf die nächste PISA-Studie warten
müssen, um zu wissen, wie es um unser Bildungssystem
steht.
Wenn es um die weitere Verbesserung der Qualität der
Schulbildung geht, sind jetzt in erster Linie die Länder
gefragt, die nach dem Grundgesetz die alleinige Kompetenz haben.
Der Bund hat seine Hausaufgaben mit dem Ganztagsschulprogramm zum
großen Teil gemacht. Seine Aufgabe wird es nun sein, die
Länder im Rahmen seiner Zuständigkeiten bei weiteren
Reformen zu unterstützen - etwa über die Förderung
der Bildungsforschung oder über Modellvorhaben.
Vordringlich ist eine Reform der Lehrerausbildung und -fortbildung,
die einen größeren Praxisbezug und mehr Pädagogik
in die Lehrerausbildung bringen muss. Außerdem brauchen die
einzelnen Schulen mehr Freiheit und Eigenverantwortung. Und weil
der schulische Erfolg nirgendwo so sehr von der sozialen Herkunft
abhängt wie in Deutschland, dürfen auch die bestehenden
Schulstrukturen und die bessere individuelle Förderung von
Schülerinnen und Schülern nicht tabu sein.
Wichtig ist, dass die Länder sich bei den Reformen abstimmen.
Es kann nicht sein, dass etwa Niedersachsen die Zusammenarbeit mit
den anderen Ländern verweigert. Mit dieser Rückkehr zur
Kirchturmspolitik des 19. Jahrhunderts wird Deutschland im
zusammenwachsenden Europa nie internationalen Anschluss
finden.