Kein normales Land
18.03.02 Günter Nooke,
CDU/CSU
In den meisten Ländern Europas befinden sich die Menschen in
einem Punkt in ähnlicher Gefühlslage: Die "Provinzler"
sind ihren jeweiligen Hauptstädten in intensiver Hassliebe
verbunden. Hauptstädte werden nicht wirklich gemocht. Deren
Bewohnern unterstellt man Hochnäsigkeit oder Ähnliches.
Aber gut vorstellbar ist auch, dass ein Bretone oder
Südfranzose gegenüber einem Ausländer durchaus Stolz
für Paris empfindet. Die Deutschen scheinen mit Berlin ein
ganz anderes Problem zu haben. Was soll eigentlich eine Hauptstadt
sein?
Es bedurfte höchster Anstrengungen und
Überzeugungsarbeit, dass sich im Juni 1991 eine knappe
Mehrheit für den Hauptstadtbeschluss fand. Bei allem Respekt
vor Parlamentsbeschlüssen. Aber es ist schon eigenartig, dass
mit 18 Stimmen Vorsprung festgelegt wurde, beispielsweise einen
Teil der Ministerien in Bonn zu belassen. Ich glaube, dass wir fast
zwölf Jahre nach Wiederherstellung der deutschen Einheit
über den Status Berlins neu nachdenken müssen. Dabei geht
es nicht um ein prinzipielles Nachdenken über den
Föderalismus. Es gibt tief in der Geschichte liegende
Gründe für diese Struktur. Und der bundesdeutsche
Föderalismus ist seit 1949 ein Erfolgsmodell auch für den
Wohlstand in unserem Land. Aber es wird nicht funktionieren, die
Aufgaben der Hauptstadt ausschließlich im Korsett des
Länderfinanzausgleichs zu sehen. Es geht nicht nur darum zu
fragen, ob Berlin drei Opernhäuser haben muss. Wir brauchen
ein besseres Verständnis dafür, dass das Berlin des
wiedervereinten Deutschlands eben nicht dasselbe ist wie das Bonn
der alten Bundesrepublik. Natürlich muss auch Berlin
finanzpolitisch seine Hausaufgaben machen. Aber als Hauptstadt ist
Berlin kein normales Bundesland, und dem sollte Rechnung getragen
werden.
04.04.02 Ralf Houven
"Was soll eigentlich eine Hauptstadt sein?"
Sitz von Regierung und Parlament. Mehr war Bonn auch nicht, und das
war gut so!
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