Stabilitätspakt erhalten
22.04.04 Anna Lührmann, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist die Grundlage für
einen stabilen Euro und für eine starke europäische
Wirtschaft. Die Euro-Staaten verpflichten sich darin auch nach der
Euro-Einführung zu nachhaltiger Haushaltspolitik. Dieses Ziel
darf nicht aufgegeben werden. Die Bürgerinnen und Bürger
fordern zu Recht solide öffentliche Haushalte, sowohl national
als auch europäisch.
Für uns in Deutschland gilt: Die umfassende Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte ist nicht nur ein Beitrag zur
Generationengerechtigkeit, sondern zur Wettbewerbsfähigkeit
des Landes. Denn jeder Euro, den wir in den Schuldendienst stecken,
fehlt bei Zukunftsinvestitionen wie etwa für Bildung und
Forschung. Diese öffentlichen Investitionen muss sich der
Staat aber leisten können, denn es handelt sich um die
entscheidenden Rahmenbedingungen für private Investitionen,
für wirtschaftliches Wachstum und somit für mehr
Beschäftigung.
Unter der Voraussetzung des Festhaltens am Ziel der
Währungsstabilität haben die Mitgliedstaaten ihre
Souveränität über die Geldpolitik abgegeben und sie
der Europäischen Zentralbank übertragen. Ihre
Haushaltspolitik bestimmen die Mitgliedstaaten aber weiterhin
selbst und damit beeinflussen sie langfristig die
Währungsstabilität. Deshalb ist es wichtig, dass
verbindliche gemeinsame Regeln den Rahmen der tolerierten
Neuverschuldung abstecken. Das gebietet die gegenseitige
Solidarität und Verantwortung in einem gemeinsamen
Währungsraum.
05.05.04 Tillmann Miltzow
"Neuverschuldung" ist das Stichwort, um das sich alles dreht. Hat
die Schuldenfalle schon zugschnappt??
Allein das Land Berlin ist mit über 52 Milliarden Euro
verschuldet. Die Forderung des Stabilitätspaktes die Höhe
der Neuverschuldung innerhalb eines bestimmten Rahmens zu begrenzen
wiederspricht immer mehr dem Ziel eines Staates seine notwendigen
Ausgaben für Bildung, Verkehr, Polizei, Sozialhilfe und
Schuldentilgung nachzukommen. Die Lösung kann es nicht sein
auf diese Arbeit des Staates zu verzichten auf der anderen Seite
kann der Staat langfristig seine Aufgaben nicht erfüllen, wenn
er verschuldet ist und die Wirtschaft am Boden liegt.
Die naheliegendste und einfachste Lösung, die von vielen
Politikern der Gegenwart eingenommen wird, versucht das Problem
langfristig anzugehen, indem der Staat seine momentanen Leistungen
zurückfährt und die Wirtschaft fördert, damit in 50
Jahren der Staat weiterhin seine Leistungen der Bevölkerung
gegenüber erfüllen kann.
Andere fordern eine umfassende Reform. Der Begriff Reform ist
inzwischen Symbol für Sozialabbau geworden, da die meisten
Reformen nichts anderes erreichen.
In meinen Augen können die Bestimmungen des
Stabilitätspaktes nur erfüllt werden, wenn die Einnahme
und Ausgabe Seite des Staates mehr miteinander verquickt sind. Und
der Staat den KREDIT nicht als Einnahmequelle, sondern
höchstens als kurzfristigen Investitionsschub ansieht, der
selbstverständlich umgehend wieder zurückgezahlt wird.
Aber wofür nimmt der Staat Kredite auf? Wenn man sich den
Zeitraum und die Höhe der Kredite ansieht, wird eines klar:
Die Kreditaufnahme ist nicht kurzfristig und der Zweck ist
völlig unklar und interpretativ.
Hier ist mein erster Ansatzpunkt. Die Einnahmen eines Staates
müssen zweckgebunden sein, eine grosse Kasse aus der sich alle
bedienen darf es nicht geben, jede Einnahme muss mit einer
bestimmten Ausgabe aufgerechnet werden können. Dadurch
bekommen gewisse Bereiche feste Summen, welche diese Bereiche
leichter mit den Finanzen umgehen lässt, und diese sich selbst
regulieren lässt, was eine Effektivitätssteigerung zur
Folge haben sollte.
Diese Grundthese hat aber auch eine massive Auswirkung auf der
Einnahmeseite, denn dadurch wird die Einnahme durch die Ausgabe
politisch reguliert.
Am einfachsten Umzusetzen ist dieses System auf der Ausgabenseite
durch getrennte Haushalte oder sogar Schattenhaushalte, auch wenn
diese oft stark kritisiert werden und auf der Einnahmenseite durch
ein zweckgebundenes Steuersystem zu erreichen.
Bestes Beispiel ist dafür die GEZ-Gebühr, die Lkw-Maut,
aber auch die Arbeitslosenversicherung. Die wohl gerechtesten
Modelle der zweckgebundenen Steuern ist die AkademikerInnenabgabe
und die BürgerInnenversicherung.
Diese Steuersystem hat nicht nur organisatorische Vorteile, im Zuge
der Globalisierung tretten die meisten Länder in einen
Wettbewerb um niedrige Steuern, die mensch mit diesem System aus
dem Weg gehen kann. Schon immer verlangt die USA von jedem
US-Bürger steuern zu zahlen, auch wenn dieser im Ausland
seinen Wohnsitz hat, wieso ist das nicht auch in Deutschland
möglich?
Als ein Verfechter der AkademikerInnenabgabe möchte ich noch
auf eine Umsetzungsfähige Variante hinweisen:
"Das Taxenmodell eine Variante der AkademikerInnenabgabe"
Zusammenfasssend möchte ich sagen, dass eine Lockerung des
Stabilitätspaktes nicht das Problem an der Ursache packt, wie
auch immer diese sein mag. Vielmehr ist der Stabilitätspackt
ein Frühwarnsystem, welches sogar noch verschärft werden
kann, jedoch nicht mit der Absicht ein Land das sich falsch
verhält zu bestraffen, sondern um darauf aufmerksam zu machen,
in welcher Lage sich ein Staat befindet.
Tillmann Miltzow
06.05.04 Frank Schilter
Sie schreiben u.a.: "Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist
die Grundlage für einen stabilen Euro und für eine starke
europäische Wirtschaft."
In der jetzigen Situation einer extrem schnell anwachsenden
Staatsverschuldung mit der absehbaren Gefahr des "Zuschnappens" der
Schuldenfalle (in der die Neuverschuldung nicht mehr ausreicht um
die jährliche Zinslast zu bezahlen) erscheint mir Ihre
Behauptung entweder als leichtfertige Politikerrethorik oder aber
Sie machen sich (was ich denke) trotzig selber Mut, obwohl Sie die
Ausweglosigkeit kennen.
Solche Aussagen klingen zwar vernünftig, vermitteln aber den
Eindruck, ein wenig Wirtschaftswachstum würde langfristig
gesehen ausreichen, um einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu
erreichen. Die Mathematik des Zinseszins (mit der exponentiell
wachsenden Verschuldung) erfordert aber langfristig gesehen ein
exponentiell (!) wachsendes Sozialprodukt. Glauben Sie
tatsächlich das Wirtschaftswachstum ließe sich (bei
begrenzten Ressourcen) unendlich steigern?
Wie Sie richtig andeuteten, führt die wachsende
Staatsverschuldung zur Abgabe staatlicher Souveränität
und schon heute erscheint die Politik als sachzwanggesteuerte
Mängelverwaltung. Die Folgen solcher Abhängigkeiten
beschränken sich allerdings nicht "nur" auf die
öffentliche Versorgung und Infrastruktur, sondern bedeuten
eine Entmündigung der staatsbürgerlichen
Gemeinschaft.
Historisch betrachtet hat sich die Schere zwischen sinkenden
Staatseinnahmen und wachsender Verschuldung seit ca. 1980
ständig vergrößert. Allein in den 16 Jahren der
Regierung Kohl wuchs der anschauliche Schuldenberg
übereinandergestapelter 1000 DM-Noten von 70 auf 230 Kilometer
Höhe an! Betrachtet man heute die westlichen
Industrienationen, hält diese Tendenz unverändert an. Das
Problem scheint somit im System zu liegen.
Die Frage die hier zu diskutieren ist lässt sich daher kaum
allein mit dem (durchaus vernünftigen) Abwägen über
Sparen oder Investieren beantworten. Das Problem erfordert mehr,
als die Glaubensfrage zwischen Keynsianismus und Monetarismus /
Liberalismus zu stellen. Was mir hier erforderlich scheint, ist
eine offene gesellschaftliche Diskussion über die eigentlichen
gesellschaftlichen Funktionen des Geldes und seine offenbaren
Fehlstrukturen.
In dem Sinne freue ich mich auf eine Antwort (auch der anderen
Abgeordneten) und eine rege Diskussion.
07.05.04 Reimann
Den Stabilitätspackt als eine solchen zu bezeichnen ist doch
ohnehin weit hergeholt. Deutschland, England und Frankreich sind
mehr als am Rande des Defezitverfahrens. Was ist denn da noch
Stabil wenn die Stärksten Zahler der EU pleite sind?
Die Entscheidung der Eu-Erweiterung ist soweit OK, aber da fragt
sich doch die Wählerschaft, ob die EU ohne Erweiterung nicht
erst einmal ein- zwei Jahre defezitfrei hätte sein sollen, um
dann langsam zu expandieren; mit zwei bis drei Neumitgliedern,
diese dann "einzuleben" und dann erst weiter zu expandieren. Aber
Adhoc 10 neue, Wirtschaftlich schwache, Mitglieder aufzunehmen ist
nicht besonders Schlau. Zuvor (!) hätte doch unbedingt eine
EU-Verfassung hergemusst um Steuern zu Regeln u.s.w. .
Ich bin der Meinung, dass nach der ersten Euphorie noch der
Katzenjammer kommt.
11.05.04 Schütz Hans
Mir ist gerade noch ein Gedanke gekommen, den ich noch gerne
einbringen möchte. Es wird immer von "DER WIRTSCHAFT"
gesprochen. Ich habe fast den Eindruck, dass sehr viele Politiker
unterschiedlicher Parteien in die gleiche (richtige) Richtung
gehen, oder gehen wollen, aber lediglich aneinander vorbei reden.
Es wäre sinnvoll eine klare DEFINITION für den Begriff
"DIE WIRTSCHAFT" zu vereinbaren. Sind es nun die 30.000 Konzerne
auf Deutschland bezogen, oder gehören die anderen 99% der
Mehrwertsteuerpflichtigen Firmen AUCH zur Wirtschaft?
Diese Frage möchte ich genau SOOO im Raum stehen lassen.
JE NACH BEANTWORTUNG ergebens sich nämlich verschiedene
Perspektiven.
Grüße - Schütz Hans
14.06.04 Meiburg, André
Ihren Beitag kann man nur zustimmen. Die Forderung nach einer
umfassenden Haushaltskonsolodierung des öffentlichen Haushal,t
muß nach meiner Meinung nach noch verstärkt nachgegangen
werden. Gerade Bundesbehörden geben aufgrund ihrer
Verwaltungsstrukturen noch viel zu viel Haushaltsmittel aus. Hier
ist dringender Handlungsbedarf. In ca. fünf bis zehn Jahren
wird ein Großteil der Beamten, Angestellten und Arbeiter des
öffentlichen Dienstes in ihren verdienten Ruhestand gehen.
Heutzutage muß eine radikale Verwaltungsreform im Angriff
genommen werden. Nicht nur ein radikaler Einschnitt bei der
Verwaltungsstruktur muß her, sondern auch doppelte
Zuständigkeiten sollten aufgehoben werden. Die Gebietsreform
ist ein Anfang, diese darf jedoch nicht nur bei einer Neugestaltung
der Kreise bleiben.
Ein weiterer Punkt ist die Vergabepraxis bei Bund, Länder und
Kommunen. Immer wieder werden sinnlose Beschaffungen vorgenommen.
Ich möchte nur an TollCollect errinnern.
Es kann nicht sein, dass zum Beispiel bei öffentlichen
Bauaufträgen, es die VOB zulässt, dass Planungsbüros
die Ausschreibung freihändig übertragen bekommen und
Anhand des von ihnen kalkulierten Preises bezahlt werden.
Gerade wenn in diesen Bereichen eingespart wird, könnten
Mittel bis Langfristig Milliarden von Euro eingespart werden.