Prävention ist eine Antwort
24.07.02 Dieter Wiefelspütz,
SPD
Nach den schrecklichen Ereignissen im Erfurter Gymnasium
müssen wir alle darüber nachdenken, welche politischen
Konsequenzen wir aus dem Massaker ziehen müssen, das der
19-jährige Schüler angerichtet hat. Wir brauchen eine
breite Debatte über die Ursachen der Gewalt in unserer
Gesellschaft und was wir, jeder Einzelne von uns, dagegen tun kann.
Wie können wir unsere Kinder in die Lage versetzen, mit
Gewaltdarstellungen im Fernsehen und mit der Brutalität auf
dem Schulhof fertig zu werden?
Es geht hierbei nicht nur um schärfere Gesetze. Gefragt sind
Eltern, Lehrer, die Kirchen, kurz: alle gesellschaftlichen
Gruppen.
Die SPD-Bundestagsfraktion arbeitet mit Hochdruck an gesetzlichen
Maßnahmen. Dazu gehören eine weitere Verschärfung
des Waffenrechts und eine Verbesserung des Jugendschutzes. Der
Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten aller
Bundesländer haben sich einmütig darauf verständigt,
dass das Waffenrecht überarbeitet und verschärft werden
soll. Dabei geht es vor allem um die Altersgrenze, ab der es
Sportschützen erlaubt wird, Waffen zu benutzen. Ferner muss
der Zugang zu scharfer Munition erheblich erschwert werden.
Eine Expertengruppe soll prüfen, wie das riesengroße
Problem der illegalen Waffen wirksamer bekämpft werden kann.
Für den Bereich des Jugendschutzes werden wir die schon
bestehenden Verbote von Gewaltdarstellungen auf die neuen Medien
ausdehnen. Wir begrüßen es, dass sich alle politischen
Parteien im Konsens auf diese ersten Maßnahmen
verständigt haben. Auch die Medien haben sich bereit
erklärt, ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht
zu werden.
Mit schärferen Gesetzen allein ist es nach Erfurt jedoch nicht
getan, wir alle müssen uns fragen, was wir in unserem privaten
und beruflichen Umfeld tun können, um frühzeitig
Hilferufe zu erkennen. Prävention ist die Antwort auf viele
drängende Fragen.
26.07.02 Gunther Schumacher
Ich höre immer nur den Ruf nach einem verstärkten
Jugendschutz als Reaktion auf die Vorfälle am Erfurter
Gutenberg-Gymnasium. Robert Steinhäuser war aber eindeutig ein
erwachsener Mensch, da zum Zeitpunkt seiner Tat 19 Jahre alt, als
er seine Tat beging. Was bringt also verstärkter
Jugendschutz?
Daß ein Lehrerkollegium ihn wie bei einem Tribunal
vorsätzlich und auch widerrechtlich "hingerichtet" und durch
einen Schulverweis sein Leben in einen Scherbenhaufen verwandelt
hat oder daß seine Umwelt ihn jämmerlich im Stich
gelassen hat (v.a. seine Eltern, die ihn in ihrer Hilflosigkeit
"abgehakt" hatten, anstatt kompetente psychiatrische Hilfe zu
suchen), diese Fakten blenden Poltiker in ihrer Suche nach
einfachen Lösungen auf komplexe Fragen nur zu gerne aus.
Ob diese schwache Politikervorstellung nun selbst Ausdruck von
unfaßbarer Hilflosigkeit ist, oder doch nur schierer
Populismus, ist mir als computerspielenden Staatsbürger und
Wähler schnurzpiepegal. Die Politik hat sich offensichtlich
wieder mal als Teil des Problems erwiesen und kann anscheinend
nichts zur Lösung beitragen.
Die Indizierung von Gewaltdarstellungen durch eine höchst
zweifelhafte Behörde wie die BPjS, die nicht einmal eindeutig
anwendbare Richtlinien hat und rein willkürlich entscheidet
(Lesen Sie mal einschlägige Berichte der
Computerspieleproduzenten und Publisher!), bringt rein gar
nichts.
Gute Ansätze, wie flächendeckende Einführung von
Schulpsychologen, psychologische und pädagogische Schulungen
von Lehrpersonal (und Eltern!!!) sowie ein gerechtes,
erfolgorientiertes Schulsystem, das einen schwachen Schüler
nicht einfach so fallen läßt, tragen mehr dazu bei, eine
gesunde Jugend heranzuziehen, die Konflikte und Lebenskrisen
gewaltfrei lösen kann, als alle ihre gesammelten
Verbotsphantasien.
Doch leider wurden diese Lösungsansätze bisher von der
Politik nicht einmal ernsthaft diskutiert, geschweige denn in
Erwägung gezogen ...
Zurück zur Diskussionsübersicht