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Aschot Manutscharjan
Spagat zwischen USA und Russland
Michail Saakaschwili mit großer Mehrheit
zum georgischen Präsidenten gewählt
"Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen",
sagte der neue Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, zu
engen Vertrauten am Morgen nach seiner Wahl. Obwohl ihm Umfragen
vor dem Urnengang eine Zustimmungsrate von 90 Prozent signalisiert
hatten, überraschte ihn die tatsächliche Höhe seines
Erfolges: Für Saakaschwili votierten am 4. Januar 85 Prozent
der Georgier. Das zweitbeste Ergebnis erzielte ein Mitbewerber mit
zwei Prozent der Stimmen. Damit ist Saakaschwili der dritte
Präsident in der jungen georgischen Geschichte.
Der Verantwortung und den Gefahren, die
dieses Amt mit sich bringt, ist sich der 36-Jährige bewusst,
wie er gegenüber "Das Parlament" eingestand: Der erste
Präsident Georgiens, Swiad Gamsachurdia, wurde Anfang Januar
1992 durch einen Militärputsch verjagt. Dessen Nachfolger,
Eduard Schewardnadse, musste am 23. November 2003
zurücktreten. Dazu hatte ihn die friedliche Revolution der
Rosen unter Führung Michail Saakaschwilis
gezwungen.
Der Georgier versicherte weiter, dass im
Wahlergebnis die enorme Erwartungshaltung des Volkes gegenüber
seiner Politik zum Ausdruck komme. "Ich übernehme jetzt eine
schwere Verantwortung", betonte Saakaschwili. Es werde sehr schwer
werden, diese Erwartungen schnell zu erfüllen. "Alle diese
Hoffnungen beunruhigen mich, ja sie ängstigen mich",
fügte er hinzu. Sollte es ihm gelingen, positive
Veränderungen herbeizuführen, kann er sich auf die
Unterstützung der Georgier verlassen. Denn der 36-jährige
Politiker will die Menschen auf seinem Reformweg mitnehmen und die
Fehler seines Vorgängers nicht wiederholen: "Schewardnadse hat
sich zu sehr vom Volk entfernt". Deshalb hat sich der Neue
vorgenommen, den Dialog mit der Gesellschaft "keinen Augenblick" zu
unterbrechen.
Zu den wichtigsten Aufgaben des
Präsidenten gehört die wirtschaftliche Stabilisierung des
Landes. Dazu will er zuerst das Korruptionssystem beseitigen, das
Schewardnadse hinterlassen hat: "Wir werden gegen viele offizielle
Vertreter Georgiens Klagen anstrengen. Nur so können wir
für finanzielle Disziplin in den staatlichen Stellen sorgen.
Die Korruption in den Chefetagen muss aufhören". Es ist
fraglich, ob es Saakaschwili gelingen wird, die aus der Sowjetzeit
herrührende Vetternwirtschaft in Georgien zu zerschlagen. An
Taten soll es nicht fehlen: So hat die neue georgische Regierung
bereits erste Gesuche um Finanzhilfen an die USA, die EU, aber auch
an den Internationalen Währungsfonds und an die Weltbank
gerichtet.
Auch Deutschland messen die neuen georgischen
Führer eine besondere Bedeutung bei: Saakaschwili hofft, dass
Berlin - wie schon in den zehn Jahren seit der Unabhängigkeit
der Kaukasus-Republik - auch in Zukunft eine große Rolle in
Georgien spielen wird. "Deutschland hat viel für uns getan.
Nicht nur mit humanitärer Hilfe, sondern auch mit
Investitionen in den Aufbau unserer Energieversorgung oder unseres
Bildungssystems." Auf diese Weise hätten nicht nur die
Hauptstädter, sondern hunderte Studenten aus der georgischen
Provinz die Chance erhalten, an deutschen Universitäten zu
studieren. "Das verdanken wir allein der klugen deutschen Politik",
unterstrich der Georgier. Der Präsident ist sich der Tatsache
bewusst, dass die Deutschen wegen Schewardnadses Rolle bei der
Wiedervereinigung besonders großzügig zu Georgien waren.
Deshalb wünscht er sich, dass die deutsch-georgischen
Beziehungen nicht durch den Sturz seines Vorgängers
getrübt werden. Schließlich habe die Revolution Georgien
nicht zurückgeworfen. "Im Gegenteil. Unser Land ist dadurch
demokratischer, ja zivilisierter geworden. Auch europäischer,
als es unter Schewardnadse jemals gewesen ist." Gleichwohl muss
Saakaschwili einräumen, dass es vor allem dem internationalen
Ansehen des früheren sowjetischen Außenministers zu
verdanken war, dass Georgien in den Schlagzeilen der Weltpresse
auftauchte.
Mit äußerster Vorsicht nähert
sich der neue Präsident den nicht gelösten
Nationalitätenkonflikten in Georgien. Er setzt auf eine
friedliche Lösung der "sehr komplizierten Südossetien-
und Abchasien-Frage". Da Russland als Konfliktpartei Teil des
Problems ist, rechnet Saakaschwili nicht mit einer schnellen
Schlichtung. Seine Vision von einem künftigen georgischen
Staatswesen ist deshalb nicht weniger erstrebenswert: Der junge
Präsident will einen Staat regieren, in dem Georgier,
Armenier, Abchasen, Aserbaidschaner und Osseten als
gleichberechtigte Staatsbürger leben und arbeiten. "Deshalb
setzt sich unsere Regierung für die Integration der nationalen
Minderheiten in unser gesellschaftliches und politisches Leben ein.
Bereits geglückt ist dies mit den in Georgien lebenden
Armeniern und Aserbaidschanern. Alle Minderheiten müssen die
gleichen Rechte genießen. Das ist ein belastbares Fundament
unseres Staatswesens."
Zu den wichtigsten außenpolitischen
Zielen der neuen georgischen Regierung gehört die
Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Neben diesem
langfristigen Ziel bleibt Saakaschwili jedoch realistisch: Er hat
sich vorgenommen, in den kommenden zwei Jahren das Verfahren
für eine assoziierte EU-Mitgliedschaft zu initiieren. Auch die
weitere Annäherung an die NATO ist für Tiflis wichtig.
"Bis heute sind allein die USA und die NATO Garanten unserer
Sicherheit." Gleichzeitig soll Russland nach dem Willen
Saakaschwilis "eine wichtigere, größere Rolle für
den Schutz unserer Sicherheit" übernehmen. Allerdings soll der
mächtige Nachbar zusichern, dass er sich nicht in die inneren
Angelegenheiten der Kaukasus-Republik einmischt. "Leider ist das
bis heute nicht der Fall." Dessen ungeachtet will der Georgier den
Kreml-Herrscher nicht unnötig reizen und bekräftigt: "Wir
wollen uns nicht von Russland entfremden." Moskau möge sich
also durch die Annäherungsversuche an die NATO nicht in "in
seiner Sicherheit beeinträchtigt fühlen". Deshalb bleibt
Georgien bis auf Weiteres Mitglied in der Gemeinschaft
Unabhängiger Staaten (GUS). Allerdings sagt Saakaschwili der
GUS keine rosige Zukunft voraus. Georgien werde jedoch keinen Grund
konstruieren, um aus der GUS auszutreten. Schließlich sei
Tiflis nach wie vor an einer Fortsetzung der wirtschaftlichen
Integration interessiert. Insbesondere im Hinblick auf einen freien
Warenverkehr und die Reisefreiheit.
In einem Streitpunkt zeigt sich die neue
georgische Führung allerdings beinhart:
Unmissverständlich fordert sie den Abzug der noch in Georgien
stationierten russischen Truppen. Dazu will sie mit Moskau klare
Vereinbarungen treffen, damit sich Russland aus dem Süden
nicht bedroht fühlt. Im Gegenzug müssten die Russen aber
"das alte Denken über eine ewige Militärpräsenz in
Georgien vergessen". In diesem Zusammenhang dementierte er alle
Meldungen über geplante US-Militärbasen in der
Kaukasus-Republik. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe
bei seinem Besuch in Georgien Anfang Dezember 2003 "kein Wort
darüber verloren, nicht einmal andeutungsweise". Zugleich
dementierte Saakaschwili entschieden alle Erklärungen, in
denen er als Instrument der amerikanischen Politik dargestellt
wird. Auch widersprach er öffentlich Äußerungen
Schewardnadses, die Amerikaner hätten den Machtwechsel in
Tiflis herbeigeführt. Der russische Außenminister Iwanow
sprach gar von einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten
Georgiens. Demgegenüber betonte Saakaschwili, die Amerikaner
hätten den Georgiern nur geholfen, demokratische Wahlen zu
organisieren und durchzuführen. Hilfreich sei es allerdings
gewesen, dass Washington per Regierungserklärung die
Fälschung der Parlamentswahl verkündet und damit vor
aller Welt bestätigt habe. Dessen ungeachtet habe ihm die
US-Botschaft in Tiflis den Sturm auf das Parlamentsgebäude
nicht nahe gelegt. "Im Gegenteil. Die USA haben uns von
Massendemonstrationen und Protesten abgeraten. Sie wollten auch
nicht, dass wir den Rücktritt Schewardnadses fordern. Ich bin
davon überzeugt, dass die Amerikaner keinen Plan für den
Fall in der Schublade hatten, dass Schewardnadse geht." Der
Präsident deutete eine enge Abstimmung zwischen Russland und
den USA im Zusammenhang mit den Ereignissen in der
Kaukasus-Republik an. Unmittelbar vor der friedlichen Revolution
habe der russische Außenminister Igor Iwanow lange mit seinem
US-Kollegen Colin Powell gesprochen. "Dabei haben die beiden ihre
Haltung zur politischen Entwicklung in Georgien abgestimmt." Die
späteren USA-kritischen Erklärungen Russlands führt
der Präsident auf die damals kurz bevorstehende Duma-Wahl
zurück. Zudem habe Mos-kau wohl befürchtet, dass durch
den Machtwechsel künftig eine pro-amerikanische Regierung
installiert werde. Saakaschwili dazu: "Ich verwahre mich
entschieden dagegen, in Georgien habe ein pro-amerikanischer Putsch
stattgefunden. Wir sind eine Bewegung mit europäischer
Orientierung und abendländischen Werten. Wir werden unsere
Politik nicht auf ein oder zwei Länder
focussieren."
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