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Ines Gollnick
"Wir können ja Freunde bleiben"
Japanische Mangas sind der neuste Comic-Hit bei
Teenagern
Es sind die Augen, die unweigerlich jeden in ihren Bann ziehen.
Die großen, dunklen Pupillen sind das Merkmal der Mangas. Sie
genießen in Deutschland bei Kids und Erwachsenen eine enorme
Popularität. Noch mehr sind sie in Japan angesagt. Dort
erreichen Mangas, was so viel heißt wie "spontanes Bild",
"Bild"-Zeitungsauflagen: Sie werden von allen Generationen gelesen.
Alle gesellschaftlichen Schichten kaufen sie. Doch ein Blick in die
Neuheitenregale der Comic-Shops in deutschen Metropolen zeigt, dass
auch der deutsche Markt dank der japanischen Variante der
Bildergeschichte boomt: 60 Neuerscheinungen gab es bei den Mangas
allein im vergangenen Dezember. Mit Begeisterung treffen sich die
jungen Fans im Chat-Room, um über "Ranma" oder "Tenjo Tenge"
zu diskutieren. Bei der Signierstunde der deutschen Mangaka
(Mangazeichner) Christina Plaka (20) und Robert Labs (21) stehen
die Kids Schlange, um Rucksäcke und T-Shirts mit
Original-Zeichnungen unverwechselbar zu machen. Eine fremde Kultur
ist in deutschen Teenagerzimmern angekommen.
Was sie so reizvoll macht, sind die Zeichnungen und die
Geschichten. Die traditionell in Schwarz-Weiß gezeichneten
Mangas, die von hinten nach vorne gelesen werden - also entgegen
der europäischen Leserichtung - haben eine sehr schnelle
Erzählweise. Sie treffen das Lesebedürfnis der MTV- und
Videoclip-Generation. Auf den Markt kamen sie in Deutschland
erstmalig 1997. Damals waren "Dragon Ball" (Carlsen Verlag) und
"Sailor Moon" (Egmont Ehapa) die ersten Mangas. Sie waren das Neue,
das Unentdeckte, das Schrille. Die Klassiker "Tim und Struppi" des
Belgiers Hergé (Carlsen Verlag) oder "Mickey Maus" aus der
Disney-Schmiede (Egmont Ehapa Verlag), die 2004 und 2003 ihren 75.
Geburtstag feiern, sprechen da eine andere, ruhigere Sprache.
Branchenriesen wie der Carlsen Verlag und Egmont Ehapa konnten
dank Manga ihre Umsätze kontinuierlich steigern. "Dragon Ball"
hat eine Auflage von rund 80.000 Stück. Der Manga erzählt
das Abenteuer des Einsiedlers Son-Goku und des Stadtmädchens
Bulma. Sie wollen die geheimnisvollen Dragon Balls finden.
"Prussian Blue", die Geschichte einer Boygroup, die unerwartet zu
einer weiblichen Sängerin kommt, eine ganz junge
Schöpfung der Deutschen Christina Plaka, startet mit einer
15.000er-Auflage.
Dabei sind die Möglichkeiten für den Markt noch nicht
ausgeschöpft. Horst Künnemann, Comicexperte und Dozent an
der Oldenburger Universität, dessen Blockseminar für
Comics an der Forschungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur
im Januar Premiere hat, sagt: "Die stilistische Vielfalt und die
plurale Aufarbeitung aller gesellschaftlichen Themen ist in Japan
stark entwickelt. Das gibt es bei uns so nicht." Der ehemalige
Lehrer, der in den 60er-Jahren dafür plädierte, Comics im
Unterricht zu behandeln, geht sogar so weit, Deutschland in Sachen
Comics ein "Entwicklungsland" zu nennen. Das sei eine Nachwehe aus
dem Kulturkampf der 50er-Jahre, als Comics verpönt waren.
Kritiker vertraten die Meinung, wer die Bildergeschichten lese,
werde nicht literarisiert oder bekäme ein weiches Gehirn. Doch
das hat sich geändert. Künnemann stellt fest: "Eine
Medium zum Naserümpfen sind Comics längst nicht
mehr."
Es ist nicht nur die japanische Massenware, die für mehr
Vielfalt auf dem Comicmarkt gesorgt hat. So hat sich der
autobiografische Comic, also die Bildergeschichte, die auch Teile
des persönlichen Lebens der Zeichner aufgreift, in Deutschland
seit kurzem zu einem eigenen Genre entwickelt. Dafür stehen
Namen wie Markus mawil Witzel ("Wir können ja Freunde
bleiben", Verlag Reprodukt) oder Felix Flix Görmann "Held"
(Carlsen Verlag). Doch nicht nur neue Genres und neue
selbstbewusste Zeichner und auch wenige Zeichnerinnen tragen dazu
bei, dass dies Medium des Alltags wieder mehr im Rampenlicht steht.
Unzählige Comicbörsen oder -tage locken Sammler an.
Herausragend sind der Erlangener ComicSalon und die Hildesheimer
ComicTage als große internationale Veranstaltungen. Impulse
gibt auch die Frankfurter Buchmesse, die mit dem Comiczentrum
ebenfalls eine Plattform für diese Kunstform geschaffen hat.
80 Aussteller aus dem In- und Ausland repräsentierten die
Branche beim Schwerpunkt "Faszination Comic", der bereits zum
vierten Mal stattfand. So viele wie nie zuvor. Und im Frühjahr
werden die Leipziger wieder zu ihrer Bücherschau mit dem Thema
Comic Jugendliche anlocken, die eine Buchmesse vielleicht sonst
nicht besuchen würden.
Der Berliner mawil traf dort vergangenes Frühjahr auf eine
riesige Fangemeinde unter den Schülern. Seine "Boy meets
girl"-Geschichten treffen ihre aktuelle Befindlichkeit. Mawil gibt
auf charmante Art einen Einblick in Lebensglück und
Liebesleid. Da findet sich jeder wieder. In seiner Geschichte
"Alltagsspionage" (Monogatari) geht es um die verzweifelte
Wohnungssuche in Berlin. In "Strandsafari" (Schwarzer Turm)
erzählt der diplomierte Grafik-Designer von dem Sommer eines
gestrandeten Hasen. Mawil hat einen sehr reduzierten, stilisierten
Zeichenstil und erzählt mit wenigen Worten. Strand und Meer
haben es ihm angetan. "Es ist einfach die perfekte
Sommer-Ferien-Urlaubsszenerie. Der Geschmack von Freiheit, Jugend
und Abenteuer. Und die Mädchen haben wenig an", antwortet er
in einem Interview im Comic-Jahrbuch 2004 auf die Frage, welche
Rolle Strand und Meer für ihn spielen. Für
"strand-safari" erhielt mawil in diesem Jahr den Preis für den
besten Comic-Beitrag in der Kategorie "Funny" vom Verband Comic
e.V. (ICOM).
Und wenn es sich auch etwas verwunderlich anhört, der
autobiografische Comic "Wir können ja Freunde bleiben", ein
wunderschön gestalteter Band, ist Markus Witzels
Diplom-Arbeit. Die Arbeit ist komplett als Comic geschrieben und
mit einer Eins benotet. Es geht darin, der Titel deutet es an, um
die Beziehungen zum anderen Geschlecht. Ein Thema, das bei
Jugendlichen immer aktuell ist. Mit einfachen Zeichnungen
aufwendige Geschichten erzählen, das gelingt mawil.
Sein Vorbild Lewis Trondheim hat ihm den Weg gewiesen. "Held"
heißt kurz und schmerzlos der neue Comic von Felix
Görmann, auch eine Diplom-Arbeit, ebenfalls bei Carlsen
verlegt. "Held" erzählt die Lebensgeschichte von Felix, einem
Kind der späten 70er. Doch geht es nicht nur um sein Leben bis
zum heutigen Tag, sondern bis zu seinem Tod. Er stirbt mit 88
Jahren. Wer in den 80ern aufgewachsen ist, wird mehrmals "Ach, ja
genau!" ausrufen, zum Beispiel wenn es um die Geschichte mit den
Urzeitkrebsen im leider nicht mehr existierenden "Yps"-Heft geht.
Görmann, gerade 26 Jahre alt, also ein wirklich jugendlicher
Autobiograf, erzählt eine lustige und rührende
Geschichte. Der Kommunikations-Designer zeichnet seit
frühester Kindheit. Görmann hat den Comic als "Film aus
Papier" definiert. Wenn man sie liest, sei man Projektor und
Leinwand zugleich. Görmann selber schätzt beim Comic das,
was der Film nicht bieten kann. Zeitabläufe können dem
Betrachter überlassen werden. Man liest den Comic, mit der
Geschwindigkeit, die man braucht. Man kann zurückspringen und
vorausgehen, Bilder miteinander verknüpfen. All das geht beim
Film nicht.
Zahlreiche Eigenverlage
Zahlen zur Comicverlagsszene sind rar und wenig exakt. Rund 60
Verlage werden auf der Homepage www.comicshop.de aufgeführt.
Kenner der Szene schätzen die Gesamtzahl auf nicht mehr als
100. Darunter sind zahlreiche Eigenverlage, wo wahre Fans aus
Liebhaberei Comics verlegen wie beispielsweise "Epsilon".
Branchenriesen wie Carlsen weiten den Comicbereich kontinuierlich
aus. Eine Neuheit aus Europa ist beispielsweise "Monster Allergy",
ein Produkt aus Italien. Die beiden Autoren Allessandro Barbucci
und Barbara Canepa waren schon mit der für Disney entwickelten
Comic-Serie "W.I.T.C.H." sehr erfolgreich, wo es um die Abenteuer
von fünf kleinen Hexen im Teenie-Alter ging. "Monster Allergy"
erzählt die Geschichte vom kleinen Jungen Zick, der als
einziger die Fähigkeit hat, Monster zu sehen, die ständig
um ihn rumlungern, endlos Cappuccino trinken und ihn manchmal ganz
schön nerven. Es ist eine komisch-fantastische Geschichte. Und
genau das mögen die Kids. Abtauchen in eine Parallelwelt. Die
Phantasie schweifen lassen.
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