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Susanne Balthasar
Deutsch als hippe Provokation
Lifestylemagazine
Schwer zu sagen, was heute eigentlich deutsch ist. Gerhard
Schröder, das ist klar. Aber was ist mit Kuckucksuhren und
Springerstiefeln? Mit Schwarz-Rot-Gold und Beige und Braun? Eines
scheint es jedenfalls ganz sicher nicht zu sein: Die Mode.
Zumindest war das so vom Zweiten Weltkrieg bis zur
Jahrtausendwende. Jetzt kann man sich da nicht mehr sicher
sein.
Wenn es stimmt, was Constantin Rothenburg sagt, nämlich,
dass eine Zeitschrift so heißt, weil sie für eine gewisse
Zeit steht, dann ist in Deutschland jetzt die Zeit der Mode und des
Lifestyles angebrochen. Tatsächlich läge dann eine Welle
in der deutschen Luft, die Rothenburg als einer der ersten
geschnuppert hat. Hoch oben im fünften Stock liegt das
Berliner Loft, in dem er und seine vier festen Mitarbeiter eine Art
von Magazin konzipieren, wie man es hierzulande kaum kannte: Mode,
Kunst und Lifestyle auf internationalem Niveau. Das Ergebnis ist
fast ein ganzes Kilo Heft. Experimentelle Mode und Fotografie
stehen im Mittelpunkt, Texte finden eher am Rande statt.
Deutschland und die Mode haben eine komplizierte Geschichte.
Seit das Land in DDR, BRD und den Provinzialismus auseinander fiel,
hat sich wenig bewegt. Sicher, einige Designer wie Jil Sander oder
Karl Lagerfeld waren auch international erfolgreich, aber im
eigenen Land wurden weiterhin Stangenchic und Kunstfaserklamotten
getragen. So sah dann auch die Modemagazinlandschaft aus: Bieder
wie "Brigitte". Wenn die Leserin so ist wie ihre Lektüre, dann
müsste sie eine Sekretärin sein, die beim Ausgehen nicht
so recht weiß, was sie anziehen soll. Am Ende geht sie doch
lieber auf Nummer sicher.
In diesem Umfeld galt "Qvest", als es 2001 auf den Markt kam,
als verrücktes Projekt. Dann bekam der Newcomer auch noch den
renommierten Lead-Award als bestes Magazin, und die Branche
staunte. Doch während "Qvest" vor knapp einem Jahr noch
einzigartig war, gibt es nun stapelweise Konkurrenz. "Achtung!",
"Deutsch" und "Zoo" sind Titel, die kürzlich mit einem
ähnlichen Konzept erschienen sind: Magazine für die
schönen Dinge im Leben, so stylisch und experimentell wie
anderswo.
Das war auch höchste Zeit. Ein erstes Anzeichen für
den Wandel in den deutsch-modischen Beziehungen war, dass typisch
Deutsches neuerdings chic ist: Schwarz-Rot-Gold sieht man
inzwischen schon auf Bikinis, die Kölner Designerin Eva
Gronland verkauft ihre Kollektion "mutter erde vater land"
erfolgreich im Pariser Trendladen "Colette". Nicht nur das
Deutsche, auch die Deutschen sind - im Ausland - schon länger
ein Modethema: Designer wie Bernhard Wilhelm sind in Paris
erfolgreich, umgekehrt zieht es den Dior-Star Hedi Slimane nach
Berlin. Deutsche Fotografen wie Ellen von Unwerth und Peter
Lindbergh sind schon lange an der Weltspitze, umgekehrt machen
hippe Zeitschriften wie die ID Foto-Shootings in Allgäuer
Molkereien.
Bislang galt: Wer als Deutscher in der Szene mitmischen wollte,
musste ins Ausland gehen. Auch Markus Ebner, Chefredakteur des im
September herausgekommenen Modemagazins "Achtung!", arbeitet als
Modechef beim New Yorker Männermodemagazin "Details".
Irgendwann hat er sich geärgert, dass es im Ausland zwar
ambitionierte deutsche Designer wie Dirk Schönberger und
Stephan Schneider gibt, die aber in Deutschland kein Forum haben.
Und: "Dass es kein reines Modemagazin in Deutschland gibt, in dem
Bilder und Texte zelebriert werden". Deshalb gibt es jetzt
"Achtung!": Viel intelligent fotografierte Mode und viel
Selbstbewusstsein in einer Auflage von 10.000 Stück. Über
den internationalen Vertrieb landet "Achtung!" in Pariser und
Londoner Kiosken neben der ID - ebenso wie "Qvest" und
"Deutsch".
Vielleicht rührt der Hang zum Internationalen daher, dass
die meisten der neuen Modemagazinmacher einige Jahre im Ausland
verbracht haben und ein bisschen selber das verkörpern, was
sie als deutsch betrachten. In jedem Fall spielt
Internationalität bei den Gestaltungen der Magazine eine
wichtige Rolle. Die erste Ausgabe von "Deutsch" versuchte mit einem
dunkelhaarigen, brasilianischen Model auf der Titelseite den
eigenen Namen zu brechen. Die Message: Deutsch steht zwar drauf,
ist aber nicht wirklich drin.
Überhaupt "Deutsch". Dieser Name treibt das neudeutsche
Bewusstsein auf die Spitze. Ein Modemagazin oder überhaupt
irgend etwas einfach "deutsch" zu nennen kommt immer noch einer
Provokation gleich, deren Stärke an den Reaktionen abzulesen
war. Das Ergebnis: Als das Magazin im Herbst erschien, sorgte der
Titel "Deutsch" in den Medien für viel Trara. "Wir waren
selber überrascht über die Stärke der Resonanz",
sagt Chefredakteurin Ulrike Miebach. Was in anderen Ländern
normal ist, nämlich die Nationalität wie einen Sinn
stiftenden Markennamen einzusetzen, irritiert die Deutschen, denen
nach dem Krieg eine supranationale Identität anerzogen wurde.
Solche Berührungsängste hat Ulrike Miebach nicht: "Da wir
hier den Standort haben und auch das Bewusstsein neu besetzen und
das auch nach außen tragen wollen, haben wir uns entschieden
das Heft "Deutsch" zu nennen." Im Sinne der Werbung jedenfalls war
das eine gute Entscheidung. Von den negativen Assoziationsketten
wie spießig, engstirnig und intolerant sind die
Deutsch-Mitarbeiter frei. Für Moderedakteur Timo Scherer steht
der Name für Begriffe wie "Pluralismus", "Weltoffenheit" und
"globales Weltbürgertum".
Da ist es auch nicht verwunderlich, dass alle diese Magazine aus
Berlin, der undeutschesten Stadt Deutschlands kommen. Constantin
Rothenburg von "Qvest" beispielsweise schwärmt von der
Hauptstadt, die für ihn mit ihren Stadt-Brüchen und
Bewegungen zu einer "gesamtdeutschen Klammer" geworden ist. Von den
Freiräumen, die hier Experimente zulassen, die anderswo nicht
möglich sind, und resümiert: "Diese Zeitung konnte nur in
Berlin entstehen." Aber deshalb heißen Zeitschriften ja auch
Zeitschriften: Weil sie etwas über die Zeit sagen, aus der sie
kommen.
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